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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Teichhühnchen.
Mal kam das Männchen allein, lockte Tag und Nacht ohne Unterlaß, mischte oft so klägliche Töne
unter sein Gelock, daß man es ohne Mitleid nicht anhören konnte, bis endlich in der fünften Nacht
die ersehnte Gattin eintraf. Wenn das Paar von einem Teiche Besitz genommen hat, beachtet es den
Ruf der in der Luft dahinziehenden Reisenden nicht mehr; ist aber nur erst der eine Gatte da, so
antwortet er dem oben Fliegenden und ladet ihn durch ähnliche Töne ein, zu ihm herabzukommen.
Dieser beschreibt dann einen Kreis in der Luft, als wenn er sich besönne, was zu thun sei, setzt aber
gewöhnlich die Reise weiter fort, was man an dem wiederholten Schreien wahrnehmen kann.

Kleine Teiche, welche am Rande mit Schilf oder Ried bewachsen, wenigstens durch Rohr und
Gebüsch bedeckt und theilweise mit schwimmenden Wasserpflanzen überwuchert sind, bilden die liebsten
Aufenthaltsorte des Teichhuhnes. Jedes Pärchen liebt es, einen Teich für sich allein zu besitzen, und
nur auf größeren Wasserflächen siedeln sich mehrere Pärchen an, von denen dann jedes sein Gebiet
streng festhält. Liegen mehrere Teiche neben einander, so besuchen sich die rauflustigen Männchen
gegenseitig, um einen Strauß auszufechten, werden aber stets wieder zurückgeschlagen, da sich jedes
Mal beide Gatten vereinigen, um den frechen Eindringling zu züchtigen.

Lebensweise, Sitten und Gewohnheiten des Teichhühnchens sind genau bekannt, weil sich das
Thierchen sehr gern in unmittelbarer Nähe des Menschen ansiedelt und, wenn es dessen Schutzes sich
versichert hat, bequem beobachten läßt. Mein Vater und Naumann haben treue und ausführliche
Schilderungen des Betragens gegeben. "Unser Teichhühnchen", sagt Naumann, "ist ein aller-
liebstes Thier, dem Jeder gewogen sein muß, welcher ihm nur einige Aufmerksamkeit schenkt. Ein
gewisser Grad von Zutraulichkeit macht es Jedermann bemerklich, und seine kecke Haltung, sein
munteres Betragen und andere liebenswürdige Eigenschaften gewinnen ihm die Zuneigung gar vieler
Menschen. Seine manchfaltigen, meist anmuthigen Bewegungen und Stellungen scheinen bald stille
Gemüthlichkeit, bald Frohsinn bis zum Uebermuthe auszudrücken, sehr selten aber Mißmuth oder
Uebelbefinden.... Seine Gestalt hat etwas lieblich Abgerundetes; die Flügelspitzen kreuzen sich
über den Bürzel; der Schwanz wird beinah senkrecht aufgerichtet und fast fortwährend durch leichtes
Zucken bewegt, der Hals hoch erhoben in eine sanfte Sform gebogen, der Rumpf fast wagerecht
getragen. Fällt ihm dann gar etwas Ungewöhnliches in die Augen, so wird der Hals noch länger,
der Körper schlanker und der mehr ausgebreitete Schwanz wippt in noch schneller folgenden Schlägen
heftig aufwärts. Dann liegt in der Gestalt eine zierliche Anmuth und eine gewisse Keckheit zugleich."
Gewöhnlich sieht man es schwimmen, wobei es die Füße so schnell bewegt, daß sie den Leib auffallend
rasch fortschieben, trotzdem ihnen Schwimmhäute gänzlich mangeln. Während des Schwimmens
schaut es sich nach allen Seiten um und nickt bei jedem Ruderschlage mit dem Kopfe. Von Zeit zu
Zeit ruht es aus, setzt sich auf einen Schilfstengel oder Zweig, am liebsten auf schwimmendes Holz,
putzt das Gefieder, fettet es ein und macht sich zu neuem Schwimmen fertig oder begibt sich in das
Schilfrohr oder Gras, um dieses zu durchsuchen. Sein schmaler Körper und die ungeheueren Zehen
kommen ihm vortrefflich zu statten. Der erstere setzt es in den Stand, sich überall durchzuzwängen
und mit der größten Leichtigkeit das dichteste Schilf zu durchkriechen, und vermöge der ungewöhnlich
langen Zehen kann es über Stellen, welche nur mit etwas Gras, Schilf oder Rohr belegt sind, äußerst
geschickt weglaufen; denn die ausgebreiteten Zehen bedecken einen solchen Umfang, daß es da, wo ein
anderer Vogel durchtreten würde, sicher steht. Auch dienen ihm die Zehen dazu, mit Leichtigkeit und
Bequemlichkeit auf den Schilfblättern herumzuklettern; es kann nämlich da, wo das Schilf nicht ganz
einzeln steht, mit einem Tritte mehrere Stengel umfassen und so ohne Gefahr hinauf- und herab-
steigen. Auf festem Boden schreitet es leicht, behend, mit großen Schritten einher und gehetzt, flüchtet
es so schnell wie ein gejagtes Huhn dahin. Sehr oft sieht man es auch auf eine lange Strecke über
den dünn mit Blättern belegten Wasserspiegel weglaufen; dann aber nimmt es gewöhnlich die Flügel
zu Hilfe. Ueberraschend ist seine Fertigkeit im Tauchen. Bei Gefahr verschwindet es blitzschnell
unter der Oberfläche des Wassers und rudert mit Hilfe seiner Flügel eilig zwischen dem Grunde und
der Oberfläche fort, kommt zum Athemholen einen Augenblick empor, streckt aber blos den Schnabel

Teichhühnchen.
Mal kam das Männchen allein, lockte Tag und Nacht ohne Unterlaß, miſchte oft ſo klägliche Töne
unter ſein Gelock, daß man es ohne Mitleid nicht anhören konnte, bis endlich in der fünften Nacht
die erſehnte Gattin eintraf. Wenn das Paar von einem Teiche Beſitz genommen hat, beachtet es den
Ruf der in der Luft dahinziehenden Reiſenden nicht mehr; iſt aber nur erſt der eine Gatte da, ſo
antwortet er dem oben Fliegenden und ladet ihn durch ähnliche Töne ein, zu ihm herabzukommen.
Dieſer beſchreibt dann einen Kreis in der Luft, als wenn er ſich beſönne, was zu thun ſei, ſetzt aber
gewöhnlich die Reiſe weiter fort, was man an dem wiederholten Schreien wahrnehmen kann.

Kleine Teiche, welche am Rande mit Schilf oder Ried bewachſen, wenigſtens durch Rohr und
Gebüſch bedeckt und theilweiſe mit ſchwimmenden Waſſerpflanzen überwuchert ſind, bilden die liebſten
Aufenthaltsorte des Teichhuhnes. Jedes Pärchen liebt es, einen Teich für ſich allein zu beſitzen, und
nur auf größeren Waſſerflächen ſiedeln ſich mehrere Pärchen an, von denen dann jedes ſein Gebiet
ſtreng feſthält. Liegen mehrere Teiche neben einander, ſo beſuchen ſich die raufluſtigen Männchen
gegenſeitig, um einen Strauß auszufechten, werden aber ſtets wieder zurückgeſchlagen, da ſich jedes
Mal beide Gatten vereinigen, um den frechen Eindringling zu züchtigen.

Lebensweiſe, Sitten und Gewohnheiten des Teichhühnchens ſind genau bekannt, weil ſich das
Thierchen ſehr gern in unmittelbarer Nähe des Menſchen anſiedelt und, wenn es deſſen Schutzes ſich
verſichert hat, bequem beobachten läßt. Mein Vater und Naumann haben treue und ausführliche
Schilderungen des Betragens gegeben. „Unſer Teichhühnchen“, ſagt Naumann, „iſt ein aller-
liebſtes Thier, dem Jeder gewogen ſein muß, welcher ihm nur einige Aufmerkſamkeit ſchenkt. Ein
gewiſſer Grad von Zutraulichkeit macht es Jedermann bemerklich, und ſeine kecke Haltung, ſein
munteres Betragen und andere liebenswürdige Eigenſchaften gewinnen ihm die Zuneigung gar vieler
Menſchen. Seine manchfaltigen, meiſt anmuthigen Bewegungen und Stellungen ſcheinen bald ſtille
Gemüthlichkeit, bald Frohſinn bis zum Uebermuthe auszudrücken, ſehr ſelten aber Mißmuth oder
Uebelbefinden.... Seine Geſtalt hat etwas lieblich Abgerundetes; die Flügelſpitzen kreuzen ſich
über den Bürzel; der Schwanz wird beinah ſenkrecht aufgerichtet und faſt fortwährend durch leichtes
Zucken bewegt, der Hals hoch erhoben in eine ſanfte Sform gebogen, der Rumpf faſt wagerecht
getragen. Fällt ihm dann gar etwas Ungewöhnliches in die Augen, ſo wird der Hals noch länger,
der Körper ſchlanker und der mehr ausgebreitete Schwanz wippt in noch ſchneller folgenden Schlägen
heftig aufwärts. Dann liegt in der Geſtalt eine zierliche Anmuth und eine gewiſſe Keckheit zugleich.“
Gewöhnlich ſieht man es ſchwimmen, wobei es die Füße ſo ſchnell bewegt, daß ſie den Leib auffallend
raſch fortſchieben, trotzdem ihnen Schwimmhäute gänzlich mangeln. Während des Schwimmens
ſchaut es ſich nach allen Seiten um und nickt bei jedem Ruderſchlage mit dem Kopfe. Von Zeit zu
Zeit ruht es aus, ſetzt ſich auf einen Schilfſtengel oder Zweig, am liebſten auf ſchwimmendes Holz,
putzt das Gefieder, fettet es ein und macht ſich zu neuem Schwimmen fertig oder begibt ſich in das
Schilfrohr oder Gras, um dieſes zu durchſuchen. Sein ſchmaler Körper und die ungeheueren Zehen
kommen ihm vortrefflich zu ſtatten. Der erſtere ſetzt es in den Stand, ſich überall durchzuzwängen
und mit der größten Leichtigkeit das dichteſte Schilf zu durchkriechen, und vermöge der ungewöhnlich
langen Zehen kann es über Stellen, welche nur mit etwas Gras, Schilf oder Rohr belegt ſind, äußerſt
geſchickt weglaufen; denn die ausgebreiteten Zehen bedecken einen ſolchen Umfang, daß es da, wo ein
anderer Vogel durchtreten würde, ſicher ſteht. Auch dienen ihm die Zehen dazu, mit Leichtigkeit und
Bequemlichkeit auf den Schilfblättern herumzuklettern; es kann nämlich da, wo das Schilf nicht ganz
einzeln ſteht, mit einem Tritte mehrere Stengel umfaſſen und ſo ohne Gefahr hinauf- und herab-
ſteigen. Auf feſtem Boden ſchreitet es leicht, behend, mit großen Schritten einher und gehetzt, flüchtet
es ſo ſchnell wie ein gejagtes Huhn dahin. Sehr oft ſieht man es auch auf eine lange Strecke über
den dünn mit Blättern belegten Waſſerſpiegel weglaufen; dann aber nimmt es gewöhnlich die Flügel
zu Hilfe. Ueberraſchend iſt ſeine Fertigkeit im Tauchen. Bei Gefahr verſchwindet es blitzſchnell
unter der Oberfläche des Waſſers und rudert mit Hilfe ſeiner Flügel eilig zwiſchen dem Grunde und
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[759/0805] Teichhühnchen. Mal kam das Männchen allein, lockte Tag und Nacht ohne Unterlaß, miſchte oft ſo klägliche Töne unter ſein Gelock, daß man es ohne Mitleid nicht anhören konnte, bis endlich in der fünften Nacht die erſehnte Gattin eintraf. Wenn das Paar von einem Teiche Beſitz genommen hat, beachtet es den Ruf der in der Luft dahinziehenden Reiſenden nicht mehr; iſt aber nur erſt der eine Gatte da, ſo antwortet er dem oben Fliegenden und ladet ihn durch ähnliche Töne ein, zu ihm herabzukommen. Dieſer beſchreibt dann einen Kreis in der Luft, als wenn er ſich beſönne, was zu thun ſei, ſetzt aber gewöhnlich die Reiſe weiter fort, was man an dem wiederholten Schreien wahrnehmen kann. Kleine Teiche, welche am Rande mit Schilf oder Ried bewachſen, wenigſtens durch Rohr und Gebüſch bedeckt und theilweiſe mit ſchwimmenden Waſſerpflanzen überwuchert ſind, bilden die liebſten Aufenthaltsorte des Teichhuhnes. Jedes Pärchen liebt es, einen Teich für ſich allein zu beſitzen, und nur auf größeren Waſſerflächen ſiedeln ſich mehrere Pärchen an, von denen dann jedes ſein Gebiet ſtreng feſthält. Liegen mehrere Teiche neben einander, ſo beſuchen ſich die raufluſtigen Männchen gegenſeitig, um einen Strauß auszufechten, werden aber ſtets wieder zurückgeſchlagen, da ſich jedes Mal beide Gatten vereinigen, um den frechen Eindringling zu züchtigen. Lebensweiſe, Sitten und Gewohnheiten des Teichhühnchens ſind genau bekannt, weil ſich das Thierchen ſehr gern in unmittelbarer Nähe des Menſchen anſiedelt und, wenn es deſſen Schutzes ſich verſichert hat, bequem beobachten läßt. Mein Vater und Naumann haben treue und ausführliche Schilderungen des Betragens gegeben. „Unſer Teichhühnchen“, ſagt Naumann, „iſt ein aller- liebſtes Thier, dem Jeder gewogen ſein muß, welcher ihm nur einige Aufmerkſamkeit ſchenkt. Ein gewiſſer Grad von Zutraulichkeit macht es Jedermann bemerklich, und ſeine kecke Haltung, ſein munteres Betragen und andere liebenswürdige Eigenſchaften gewinnen ihm die Zuneigung gar vieler Menſchen. Seine manchfaltigen, meiſt anmuthigen Bewegungen und Stellungen ſcheinen bald ſtille Gemüthlichkeit, bald Frohſinn bis zum Uebermuthe auszudrücken, ſehr ſelten aber Mißmuth oder Uebelbefinden.... Seine Geſtalt hat etwas lieblich Abgerundetes; die Flügelſpitzen kreuzen ſich über den Bürzel; der Schwanz wird beinah ſenkrecht aufgerichtet und faſt fortwährend durch leichtes Zucken bewegt, der Hals hoch erhoben in eine ſanfte Sform gebogen, der Rumpf faſt wagerecht getragen. Fällt ihm dann gar etwas Ungewöhnliches in die Augen, ſo wird der Hals noch länger, der Körper ſchlanker und der mehr ausgebreitete Schwanz wippt in noch ſchneller folgenden Schlägen heftig aufwärts. Dann liegt in der Geſtalt eine zierliche Anmuth und eine gewiſſe Keckheit zugleich.“ Gewöhnlich ſieht man es ſchwimmen, wobei es die Füße ſo ſchnell bewegt, daß ſie den Leib auffallend raſch fortſchieben, trotzdem ihnen Schwimmhäute gänzlich mangeln. Während des Schwimmens ſchaut es ſich nach allen Seiten um und nickt bei jedem Ruderſchlage mit dem Kopfe. Von Zeit zu Zeit ruht es aus, ſetzt ſich auf einen Schilfſtengel oder Zweig, am liebſten auf ſchwimmendes Holz, putzt das Gefieder, fettet es ein und macht ſich zu neuem Schwimmen fertig oder begibt ſich in das Schilfrohr oder Gras, um dieſes zu durchſuchen. Sein ſchmaler Körper und die ungeheueren Zehen kommen ihm vortrefflich zu ſtatten. Der erſtere ſetzt es in den Stand, ſich überall durchzuzwängen und mit der größten Leichtigkeit das dichteſte Schilf zu durchkriechen, und vermöge der ungewöhnlich langen Zehen kann es über Stellen, welche nur mit etwas Gras, Schilf oder Rohr belegt ſind, äußerſt geſchickt weglaufen; denn die ausgebreiteten Zehen bedecken einen ſolchen Umfang, daß es da, wo ein anderer Vogel durchtreten würde, ſicher ſteht. Auch dienen ihm die Zehen dazu, mit Leichtigkeit und Bequemlichkeit auf den Schilfblättern herumzuklettern; es kann nämlich da, wo das Schilf nicht ganz einzeln ſteht, mit einem Tritte mehrere Stengel umfaſſen und ſo ohne Gefahr hinauf- und herab- ſteigen. Auf feſtem Boden ſchreitet es leicht, behend, mit großen Schritten einher und gehetzt, flüchtet es ſo ſchnell wie ein gejagtes Huhn dahin. Sehr oft ſieht man es auch auf eine lange Strecke über den dünn mit Blättern belegten Waſſerſpiegel weglaufen; dann aber nimmt es gewöhnlich die Flügel zu Hilfe. Ueberraſchend iſt ſeine Fertigkeit im Tauchen. Bei Gefahr verſchwindet es blitzſchnell unter der Oberfläche des Waſſers und rudert mit Hilfe ſeiner Flügel eilig zwiſchen dem Grunde und der Oberfläche fort, kommt zum Athemholen einen Augenblick empor, ſtreckt aber blos den Schnabel

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/805>, abgerufen am 22.11.2024.