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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Flaming.

Wer, wie ich, Tausende von Flamings vereinigt gesehen hat, stimmt in die Begeisterung der
übrigen Beobachter ein, denen das Glück wurde, ein so großartiges Schauspiel zu genießen. "Wenn
man des Morgens von Cagliari aus gegen die Seen sieht", sagt der alte Cetti, "scheint sie ein
Damm von rothen Ziegeln zu umgeben, oder man glaubt eine große Menge von rothen Blättern
auf ihnen schwimmen zu sehen. Es sind aber die Flamings, welche daselbst in ihren Reihen stehen
und mit ihren rosenrothen Flügeln diese Täuschung bewirken. Mit schöneren Farben schmückt sich
nie die Göttin des Morgens, glänzender waren nicht die Rosengärten des Pästus, als der Schmuck,
den der Flaming auf seinen Flügeln trägt. Es ist ein lebhaft brennendes Rosenroth, ein Roth erst
aufgeblühter Rosen. Die Griechen benannten den Vogel von dieser Farbe der Flügeldeckfedern, die
Römer behielten die Benennung bei, und die Franzosen hatten auch nichts Anderes im Sinne als die
brennendrothen Flügel, wenn sie unseren Vogel "Flamant" nennen." Mir wird der erste Eindruck,
welchen die Flamings auf mich machten, unvergeßlich bleiben. Jch schaute über den weiten Mensale
hinweg und auf Tausende und andere Tausende von Vögeln, buchstäblich auf Hunderttausende. Das
Auge aber blieb haften auf einer langen Feuerlinie von wunderbarer, unbeschreiblicher Pracht. Das
Sonnenlicht spielte mit den blendendweiß und rosenroth gefiederten Thieren, welche sie bildete, und
herrliche Farben wurden lebendig. Durch irgend Etwas aufgeschreckt, erhob sich die Masse; aus dem
wirren Durcheinander, aus den lebendigen Rosen ordnete sich ein langer, mächtiger Zug in die Keil-
form der Kraniche, und nunmehr zog die Feuerlinie an dem blauen Himmel dahin. Es war ein
Anblick zum Entzücken! Nach und nach ließen sie sich wieder herab, und von neuem stellten sie sich
in altgewohnter Weise auf, sodaß man wiederum meinen mußte, einen zahlreichen Truppenkörper vor
sich zu haben. Das Fernrohr belehrt, daß die Flamings nicht eine Linie im strengsten Sinne des
Wortes bilden, sondern nur auf weithin neben einander stehen; aus größerer Entfernung gesehen,
erscheinen sie aber stets wie ein wohlgeordnetes Heer. Diese Ansicht ist nicht blos die meinige,
sondern drängt sich Jedem auf, welcher Flamings sah. Die Singalesen nennen sie "englische
Soldatenvögel", die Südamerikaner geradezu "Soldaten"; ja Humboldt erzählt uns, daß die Ein-
wohner Angosturas eines Tages kurz nach Gründung der Stadt in die größte Bestürzung geriethen,
als sich einmal gegen Süden Reiher und "Soldatenvögel" erblicken ließen. Sie glaubten sich von
einem Ueberfall der Jndianer bedroht, und obgleich einige Leute, die mit dieser Täuschung bekannt
waren, die Sache aufklärten, beruhigte sich das Volk nicht ganz, bis die Vögel in die Luft flogen und
der Mündung des Orinoko zustrebten. Einzelne Flamings sieht man selten, vor Anfang der
Paarungszeit wohl nie; es müßte sich denn ein junger, unerfahrener von dem Haupttrupp der Alten
verflogen haben, wie ich auch beobachten konnte. Jmmer sind es Massen, welche gesellschaftlich auf
einer und derselben Stelle ihrer Jagd obliegen und innerhalb des eigentlichen Heimatgebietes stets
Massen von Hunderten oder von Tausenden.

Derartige Gesellschaften vermeiden es fast ängstlich, sich Stellen zu nahen, welche ihnen gefährlich
werden könnten. Sie fischen im freien Wasser, welches ihnen nach allen Seiten hin Umschau
gestattet oder hüten sich namentlich vor Schilfdickichten. Einem Boote, welches auf sie lossteuert,
entweichen sie stets aus großer Ferne; überhaupt schreckt sie alles Fremdartige auf, und es hält deshalb
nicht gerade leicht, ihr Freileben zu beobachten. Man sieht sie tagtäglich, ohne über ihr Treiben
vollständig klar werden zu können, und nur mit Hilfe eines guten Fernrohrs ist es möglich, sie zu
beobachten. Gewöhnlich stehen sie bis über das Fersengelenk im Wasser, seltener treten sie auf die
Düne oder auf Sandinseln heraus, am wenigsten auf solche, welche irgendwie bewachsen sind. Jm
Wasser und auf dem Lande nehmen sie die sonderbarsten Stellungen an. Der lange Hals wird
eigenthümlich verschlungen, wie mein Bruder sich trefflich ausdrückt, verknotet vor die Brust gelegt,
der Kopf dann auf den Rücken gebogen und unter den Schulterfedern der Flügel verborgen. Das
eine Bein trägt dabei regelmäßig die Last des Leibes, während das andere entweder schief nach hinten
weggestreckt oder zusammengeknickt an den Bauch angezogen wird. Jn dieser Stellung pflegt der
Flaming zu schlafen; sie ist ihm eigenthümlich. Bei einer anderen Stellung, welche stets von dem

Flaming.

Wer, wie ich, Tauſende von Flamings vereinigt geſehen hat, ſtimmt in die Begeiſterung der
übrigen Beobachter ein, denen das Glück wurde, ein ſo großartiges Schauſpiel zu genießen. „Wenn
man des Morgens von Cagliari aus gegen die Seen ſieht“, ſagt der alte Cetti, „ſcheint ſie ein
Damm von rothen Ziegeln zu umgeben, oder man glaubt eine große Menge von rothen Blättern
auf ihnen ſchwimmen zu ſehen. Es ſind aber die Flamings, welche daſelbſt in ihren Reihen ſtehen
und mit ihren roſenrothen Flügeln dieſe Täuſchung bewirken. Mit ſchöneren Farben ſchmückt ſich
nie die Göttin des Morgens, glänzender waren nicht die Roſengärten des Päſtus, als der Schmuck,
den der Flaming auf ſeinen Flügeln trägt. Es iſt ein lebhaft brennendes Roſenroth, ein Roth erſt
aufgeblühter Roſen. Die Griechen benannten den Vogel von dieſer Farbe der Flügeldeckfedern, die
Römer behielten die Benennung bei, und die Franzoſen hatten auch nichts Anderes im Sinne als die
brennendrothen Flügel, wenn ſie unſeren Vogel „Flamant“ nennen.“ Mir wird der erſte Eindruck,
welchen die Flamings auf mich machten, unvergeßlich bleiben. Jch ſchaute über den weiten Menſale
hinweg und auf Tauſende und andere Tauſende von Vögeln, buchſtäblich auf Hunderttauſende. Das
Auge aber blieb haften auf einer langen Feuerlinie von wunderbarer, unbeſchreiblicher Pracht. Das
Sonnenlicht ſpielte mit den blendendweiß und roſenroth gefiederten Thieren, welche ſie bildete, und
herrliche Farben wurden lebendig. Durch irgend Etwas aufgeſchreckt, erhob ſich die Maſſe; aus dem
wirren Durcheinander, aus den lebendigen Roſen ordnete ſich ein langer, mächtiger Zug in die Keil-
form der Kraniche, und nunmehr zog die Feuerlinie an dem blauen Himmel dahin. Es war ein
Anblick zum Entzücken! Nach und nach ließen ſie ſich wieder herab, und von neuem ſtellten ſie ſich
in altgewohnter Weiſe auf, ſodaß man wiederum meinen mußte, einen zahlreichen Truppenkörper vor
ſich zu haben. Das Fernrohr belehrt, daß die Flamings nicht eine Linie im ſtrengſten Sinne des
Wortes bilden, ſondern nur auf weithin neben einander ſtehen; aus größerer Entfernung geſehen,
erſcheinen ſie aber ſtets wie ein wohlgeordnetes Heer. Dieſe Anſicht iſt nicht blos die meinige,
ſondern drängt ſich Jedem auf, welcher Flamings ſah. Die Singaleſen nennen ſie „engliſche
Soldatenvögel“, die Südamerikaner geradezu „Soldaten“; ja Humboldt erzählt uns, daß die Ein-
wohner Angoſturas eines Tages kurz nach Gründung der Stadt in die größte Beſtürzung geriethen,
als ſich einmal gegen Süden Reiher und „Soldatenvögel“ erblicken ließen. Sie glaubten ſich von
einem Ueberfall der Jndianer bedroht, und obgleich einige Leute, die mit dieſer Täuſchung bekannt
waren, die Sache aufklärten, beruhigte ſich das Volk nicht ganz, bis die Vögel in die Luft flogen und
der Mündung des Orinoko zuſtrebten. Einzelne Flamings ſieht man ſelten, vor Anfang der
Paarungszeit wohl nie; es müßte ſich denn ein junger, unerfahrener von dem Haupttrupp der Alten
verflogen haben, wie ich auch beobachten konnte. Jmmer ſind es Maſſen, welche geſellſchaftlich auf
einer und derſelben Stelle ihrer Jagd obliegen und innerhalb des eigentlichen Heimatgebietes ſtets
Maſſen von Hunderten oder von Tauſenden.

Derartige Geſellſchaften vermeiden es faſt ängſtlich, ſich Stellen zu nahen, welche ihnen gefährlich
werden könnten. Sie fiſchen im freien Waſſer, welches ihnen nach allen Seiten hin Umſchau
geſtattet oder hüten ſich namentlich vor Schilfdickichten. Einem Boote, welches auf ſie losſteuert,
entweichen ſie ſtets aus großer Ferne; überhaupt ſchreckt ſie alles Fremdartige auf, und es hält deshalb
nicht gerade leicht, ihr Freileben zu beobachten. Man ſieht ſie tagtäglich, ohne über ihr Treiben
vollſtändig klar werden zu können, und nur mit Hilfe eines guten Fernrohrs iſt es möglich, ſie zu
beobachten. Gewöhnlich ſtehen ſie bis über das Ferſengelenk im Waſſer, ſeltener treten ſie auf die
Düne oder auf Sandinſeln heraus, am wenigſten auf ſolche, welche irgendwie bewachſen ſind. Jm
Waſſer und auf dem Lande nehmen ſie die ſonderbarſten Stellungen an. Der lange Hals wird
eigenthümlich verſchlungen, wie mein Bruder ſich trefflich ausdrückt, verknotet vor die Bruſt gelegt,
der Kopf dann auf den Rücken gebogen und unter den Schulterfedern der Flügel verborgen. Das
eine Bein trägt dabei regelmäßig die Laſt des Leibes, während das andere entweder ſchief nach hinten
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Flaming zu ſchlafen; ſie iſt ihm eigenthümlich. Bei einer anderen Stellung, welche ſtets von dem

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[773/0819] Flaming. Wer, wie ich, Tauſende von Flamings vereinigt geſehen hat, ſtimmt in die Begeiſterung der übrigen Beobachter ein, denen das Glück wurde, ein ſo großartiges Schauſpiel zu genießen. „Wenn man des Morgens von Cagliari aus gegen die Seen ſieht“, ſagt der alte Cetti, „ſcheint ſie ein Damm von rothen Ziegeln zu umgeben, oder man glaubt eine große Menge von rothen Blättern auf ihnen ſchwimmen zu ſehen. Es ſind aber die Flamings, welche daſelbſt in ihren Reihen ſtehen und mit ihren roſenrothen Flügeln dieſe Täuſchung bewirken. Mit ſchöneren Farben ſchmückt ſich nie die Göttin des Morgens, glänzender waren nicht die Roſengärten des Päſtus, als der Schmuck, den der Flaming auf ſeinen Flügeln trägt. Es iſt ein lebhaft brennendes Roſenroth, ein Roth erſt aufgeblühter Roſen. Die Griechen benannten den Vogel von dieſer Farbe der Flügeldeckfedern, die Römer behielten die Benennung bei, und die Franzoſen hatten auch nichts Anderes im Sinne als die brennendrothen Flügel, wenn ſie unſeren Vogel „Flamant“ nennen.“ Mir wird der erſte Eindruck, welchen die Flamings auf mich machten, unvergeßlich bleiben. Jch ſchaute über den weiten Menſale hinweg und auf Tauſende und andere Tauſende von Vögeln, buchſtäblich auf Hunderttauſende. Das Auge aber blieb haften auf einer langen Feuerlinie von wunderbarer, unbeſchreiblicher Pracht. Das Sonnenlicht ſpielte mit den blendendweiß und roſenroth gefiederten Thieren, welche ſie bildete, und herrliche Farben wurden lebendig. Durch irgend Etwas aufgeſchreckt, erhob ſich die Maſſe; aus dem wirren Durcheinander, aus den lebendigen Roſen ordnete ſich ein langer, mächtiger Zug in die Keil- form der Kraniche, und nunmehr zog die Feuerlinie an dem blauen Himmel dahin. Es war ein Anblick zum Entzücken! Nach und nach ließen ſie ſich wieder herab, und von neuem ſtellten ſie ſich in altgewohnter Weiſe auf, ſodaß man wiederum meinen mußte, einen zahlreichen Truppenkörper vor ſich zu haben. Das Fernrohr belehrt, daß die Flamings nicht eine Linie im ſtrengſten Sinne des Wortes bilden, ſondern nur auf weithin neben einander ſtehen; aus größerer Entfernung geſehen, erſcheinen ſie aber ſtets wie ein wohlgeordnetes Heer. Dieſe Anſicht iſt nicht blos die meinige, ſondern drängt ſich Jedem auf, welcher Flamings ſah. Die Singaleſen nennen ſie „engliſche Soldatenvögel“, die Südamerikaner geradezu „Soldaten“; ja Humboldt erzählt uns, daß die Ein- wohner Angoſturas eines Tages kurz nach Gründung der Stadt in die größte Beſtürzung geriethen, als ſich einmal gegen Süden Reiher und „Soldatenvögel“ erblicken ließen. Sie glaubten ſich von einem Ueberfall der Jndianer bedroht, und obgleich einige Leute, die mit dieſer Täuſchung bekannt waren, die Sache aufklärten, beruhigte ſich das Volk nicht ganz, bis die Vögel in die Luft flogen und der Mündung des Orinoko zuſtrebten. Einzelne Flamings ſieht man ſelten, vor Anfang der Paarungszeit wohl nie; es müßte ſich denn ein junger, unerfahrener von dem Haupttrupp der Alten verflogen haben, wie ich auch beobachten konnte. Jmmer ſind es Maſſen, welche geſellſchaftlich auf einer und derſelben Stelle ihrer Jagd obliegen und innerhalb des eigentlichen Heimatgebietes ſtets Maſſen von Hunderten oder von Tauſenden. Derartige Geſellſchaften vermeiden es faſt ängſtlich, ſich Stellen zu nahen, welche ihnen gefährlich werden könnten. Sie fiſchen im freien Waſſer, welches ihnen nach allen Seiten hin Umſchau geſtattet oder hüten ſich namentlich vor Schilfdickichten. Einem Boote, welches auf ſie losſteuert, entweichen ſie ſtets aus großer Ferne; überhaupt ſchreckt ſie alles Fremdartige auf, und es hält deshalb nicht gerade leicht, ihr Freileben zu beobachten. Man ſieht ſie tagtäglich, ohne über ihr Treiben vollſtändig klar werden zu können, und nur mit Hilfe eines guten Fernrohrs iſt es möglich, ſie zu beobachten. Gewöhnlich ſtehen ſie bis über das Ferſengelenk im Waſſer, ſeltener treten ſie auf die Düne oder auf Sandinſeln heraus, am wenigſten auf ſolche, welche irgendwie bewachſen ſind. Jm Waſſer und auf dem Lande nehmen ſie die ſonderbarſten Stellungen an. Der lange Hals wird eigenthümlich verſchlungen, wie mein Bruder ſich trefflich ausdrückt, verknotet vor die Bruſt gelegt, der Kopf dann auf den Rücken gebogen und unter den Schulterfedern der Flügel verborgen. Das eine Bein trägt dabei regelmäßig die Laſt des Leibes, während das andere entweder ſchief nach hinten weggeſtreckt oder zuſammengeknickt an den Bauch angezogen wird. Jn dieſer Stellung pflegt der Flaming zu ſchlafen; ſie iſt ihm eigenthümlich. Bei einer anderen Stellung, welche ſtets von dem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/819>, abgerufen am 22.11.2024.