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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Zahnschnäbler. Gänse.
letztere nicht, und gewisse Arten werden gerade in bedeutenden Höhen gefunden, so im Himalaya, so
auf den Anden. An Bewegungsfähigkeit übertreffen sie alle übrigen Zahnschnäbler. Sie gehen
vortrefflich, ebensogut als irgend ein Schwimmvogel, überhaupt besser als alle Zahnschnäbler,
schwimmen zwar minder gut und rasch als viele Enten und die Schwäne, aber doch immerhin noch
gewandt und schnell genug, tauchen in der Jugend oder bei Gefahr in ziemliche Tiefen hinab, fliegen
leicht und schön, weite Strecken in einem Zuge durchmessend und wissen sich, wie bemerkt, auch im
Gezweige der Bäume zu benehmen. Jm Fluge nehmen sie die Keilordnung an, nach Naumann mit
einer gewissen Regelmäßigkeit. "Es scheint nicht dem Zufalle überlassen, ob sich der eine oder der
andere Schenkel dieses hinten offenen Dreiecks länger oder kürzer gestaltet oder aus einer größeren
oder geringeren Anzahl Vögeln zusammenstellen will; man bemerkt vielmehr, wenn der Zug, um sich
etwas zu erholen, jene Ordnung aufhebt, sie aber kurz darauf wieder herstellt, daß aufs neue die
vorige Figur immer wieder erscheint, und wenn einzelne Vögel nicht ihren vorigen Platz wieder
gefunden, sie austreten und da einrücken, wo sie hingehören, selbst aus einer Reihe in die andere
übertreten. Warum sie gleich anderen vorsichtigen Vögeln in dieser Ordnung fliegen, ist nicht schwer
zu errathen; denn nur auf diese Weise hindert keiner den anderen am Umschauen nach allen Seiten;
auch mag ein so geregelter Keil das Durchschneiden der Luft erleichtern. Oft streichen sie so unauf-
haltsam in einem Striche fort, so weit das Auge reicht; manchmal machen sie aber auch plötzlich
Halt, fliegen dann unter plötzlichem Schreien langsamer und unter einander herum; allein in Kürze
sieht man den Anführer sich wieder in Marsch und die übrigen wieder in Reih und Glied setzen und
nun die Reise in der nur kurze Zeit aufgegebenen früheren Ordnung hastig fortsetzen." Der Flug
ist mit sausendem Geräusche verbunden; das Nieder- und Aufsteigen einer Schar wird von starkem
Poltern begleitet. Jm Gehen tragen die Gänse den Leib vorn etwas erhoben, den Hals auf-
gerichtet, gerade oder sanft gebogen, setzen einen Fuß in rascher Folge vor den anderen, ohne dabei
zu wackeln und können nöthigenfalls sehr schnell laufen, einzelne Arten so rasch, daß ein Mensch sie
kaum einzuholen vermag. Jm Schwimmen senken sie den Vordertheil des Leibes tief in das Wasser,
während der Schwanz hoch über demselben zu stehen kommt; beim Gründeln kippen sie sich vorn
über und versenken den Vorderleib bis zur Oberbrust; beim Tauchen stürzen sie sich mit einem
Stoße in die Tiefe.

Die Stimme der Gänse hat mit der der Schwäne noch einige Aehnlichkeit. Mehrere Arten
stoßen brummende, andere gackernde, einzelne endlich sehr klangvolle und auf weithin hörbare Töne
aus; im Zorne zischen die meisten. Beim Männchen pflegt die Stimme höher zu liegen als bei
dem Weibchen.

Weshalb man die Gänse als dumm verschrieen hat, ist schwer zu sagen, da jede Beobachtung
das Gegentheil dieser Ansicht lehrt. Alle Arten, ohne jegliche Ausnahme, gehören zu den klugen,
verständigen, vorsichtigen und wachsamen Vögeln. Sie mißtrauen jedem Menschen, unterscheiden den
Jäger sicher vom Landmanne oder Hirten, kennen überhaupt alle ihnen gefährlichen Leute genau,
stellen Wachen aus, kurz, treffen mit Ueberzeugung verschiedene Vorsichtsmaßregeln zu ihrer Sicher-
heit. Gefangen genommen, fügen sie sich bald in die veränderten Verhältnisse und werden bereits
nach kurzer Zeit sehr zahm, beweisen überhaupt eine Würdigung der Umstände, welche ihrem Ver-
stande nur zur Ehre gereicht. Auch ihr Wesen ist ansprechend. Eine gewisse Herrschsucht und Zank-
lust läßt sich bei einigen nicht in Abrede stellen; die Mehrzahl aber ist höchst gesellig, wenn auch mehr
unter sich, und die einzelnen Familien hängen mit großer Zärtlichkeit und Treue an einander.
Während der Paarungszeit geht es ohne Kampf zwischen den Männchen nicht ab; wenn aber jeder
einzelne sich ein Weibchen erworben, tritt Frieden ein, und die verschiedenen Paare brüten nun neben
einander, ohne sich gegenseitig zu behelligen. Eine einmal geschlossene Ehe währt für die ganze
Lebenszeit. Das Männchen beweist seinem Weibchen gegenüber unwandelbare Treue, hilft der
Gattin zwar nicht mit Brüten, dient aber später den Jungen zum Führer und bis zum nächsten
Frühjahre hin der ganzen Familie als Wächter.

Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gänſe.
letztere nicht, und gewiſſe Arten werden gerade in bedeutenden Höhen gefunden, ſo im Himalaya, ſo
auf den Anden. An Bewegungsfähigkeit übertreffen ſie alle übrigen Zahnſchnäbler. Sie gehen
vortrefflich, ebenſogut als irgend ein Schwimmvogel, überhaupt beſſer als alle Zahnſchnäbler,
ſchwimmen zwar minder gut und raſch als viele Enten und die Schwäne, aber doch immerhin noch
gewandt und ſchnell genug, tauchen in der Jugend oder bei Gefahr in ziemliche Tiefen hinab, fliegen
leicht und ſchön, weite Strecken in einem Zuge durchmeſſend und wiſſen ſich, wie bemerkt, auch im
Gezweige der Bäume zu benehmen. Jm Fluge nehmen ſie die Keilordnung an, nach Naumann mit
einer gewiſſen Regelmäßigkeit. „Es ſcheint nicht dem Zufalle überlaſſen, ob ſich der eine oder der
andere Schenkel dieſes hinten offenen Dreiecks länger oder kürzer geſtaltet oder aus einer größeren
oder geringeren Anzahl Vögeln zuſammenſtellen will; man bemerkt vielmehr, wenn der Zug, um ſich
etwas zu erholen, jene Ordnung aufhebt, ſie aber kurz darauf wieder herſtellt, daß aufs neue die
vorige Figur immer wieder erſcheint, und wenn einzelne Vögel nicht ihren vorigen Platz wieder
gefunden, ſie austreten und da einrücken, wo ſie hingehören, ſelbſt aus einer Reihe in die andere
übertreten. Warum ſie gleich anderen vorſichtigen Vögeln in dieſer Ordnung fliegen, iſt nicht ſchwer
zu errathen; denn nur auf dieſe Weiſe hindert keiner den anderen am Umſchauen nach allen Seiten;
auch mag ein ſo geregelter Keil das Durchſchneiden der Luft erleichtern. Oft ſtreichen ſie ſo unauf-
haltſam in einem Striche fort, ſo weit das Auge reicht; manchmal machen ſie aber auch plötzlich
Halt, fliegen dann unter plötzlichem Schreien langſamer und unter einander herum; allein in Kürze
ſieht man den Anführer ſich wieder in Marſch und die übrigen wieder in Reih und Glied ſetzen und
nun die Reiſe in der nur kurze Zeit aufgegebenen früheren Ordnung haſtig fortſetzen.“ Der Flug
iſt mit ſauſendem Geräuſche verbunden; das Nieder- und Aufſteigen einer Schar wird von ſtarkem
Poltern begleitet. Jm Gehen tragen die Gänſe den Leib vorn etwas erhoben, den Hals auf-
gerichtet, gerade oder ſanft gebogen, ſetzen einen Fuß in raſcher Folge vor den anderen, ohne dabei
zu wackeln und können nöthigenfalls ſehr ſchnell laufen, einzelne Arten ſo raſch, daß ein Menſch ſie
kaum einzuholen vermag. Jm Schwimmen ſenken ſie den Vordertheil des Leibes tief in das Waſſer,
während der Schwanz hoch über demſelben zu ſtehen kommt; beim Gründeln kippen ſie ſich vorn
über und verſenken den Vorderleib bis zur Oberbruſt; beim Tauchen ſtürzen ſie ſich mit einem
Stoße in die Tiefe.

Die Stimme der Gänſe hat mit der der Schwäne noch einige Aehnlichkeit. Mehrere Arten
ſtoßen brummende, andere gackernde, einzelne endlich ſehr klangvolle und auf weithin hörbare Töne
aus; im Zorne ziſchen die meiſten. Beim Männchen pflegt die Stimme höher zu liegen als bei
dem Weibchen.

Weshalb man die Gänſe als dumm verſchrieen hat, iſt ſchwer zu ſagen, da jede Beobachtung
das Gegentheil dieſer Anſicht lehrt. Alle Arten, ohne jegliche Ausnahme, gehören zu den klugen,
verſtändigen, vorſichtigen und wachſamen Vögeln. Sie mißtrauen jedem Menſchen, unterſcheiden den
Jäger ſicher vom Landmanne oder Hirten, kennen überhaupt alle ihnen gefährlichen Leute genau,
ſtellen Wachen aus, kurz, treffen mit Ueberzeugung verſchiedene Vorſichtsmaßregeln zu ihrer Sicher-
heit. Gefangen genommen, fügen ſie ſich bald in die veränderten Verhältniſſe und werden bereits
nach kurzer Zeit ſehr zahm, beweiſen überhaupt eine Würdigung der Umſtände, welche ihrem Ver-
ſtande nur zur Ehre gereicht. Auch ihr Weſen iſt anſprechend. Eine gewiſſe Herrſchſucht und Zank-
luſt läßt ſich bei einigen nicht in Abrede ſtellen; die Mehrzahl aber iſt höchſt geſellig, wenn auch mehr
unter ſich, und die einzelnen Familien hängen mit großer Zärtlichkeit und Treue an einander.
Während der Paarungszeit geht es ohne Kampf zwiſchen den Männchen nicht ab; wenn aber jeder
einzelne ſich ein Weibchen erworben, tritt Frieden ein, und die verſchiedenen Paare brüten nun neben
einander, ohne ſich gegenſeitig zu behelligen. Eine einmal geſchloſſene Ehe währt für die ganze
Lebenszeit. Das Männchen beweiſt ſeinem Weibchen gegenüber unwandelbare Treue, hilft der
Gattin zwar nicht mit Brüten, dient aber ſpäter den Jungen zum Führer und bis zum nächſten
Frühjahre hin der ganzen Familie als Wächter.

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[788/0834] Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gänſe. letztere nicht, und gewiſſe Arten werden gerade in bedeutenden Höhen gefunden, ſo im Himalaya, ſo auf den Anden. An Bewegungsfähigkeit übertreffen ſie alle übrigen Zahnſchnäbler. Sie gehen vortrefflich, ebenſogut als irgend ein Schwimmvogel, überhaupt beſſer als alle Zahnſchnäbler, ſchwimmen zwar minder gut und raſch als viele Enten und die Schwäne, aber doch immerhin noch gewandt und ſchnell genug, tauchen in der Jugend oder bei Gefahr in ziemliche Tiefen hinab, fliegen leicht und ſchön, weite Strecken in einem Zuge durchmeſſend und wiſſen ſich, wie bemerkt, auch im Gezweige der Bäume zu benehmen. Jm Fluge nehmen ſie die Keilordnung an, nach Naumann mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit. „Es ſcheint nicht dem Zufalle überlaſſen, ob ſich der eine oder der andere Schenkel dieſes hinten offenen Dreiecks länger oder kürzer geſtaltet oder aus einer größeren oder geringeren Anzahl Vögeln zuſammenſtellen will; man bemerkt vielmehr, wenn der Zug, um ſich etwas zu erholen, jene Ordnung aufhebt, ſie aber kurz darauf wieder herſtellt, daß aufs neue die vorige Figur immer wieder erſcheint, und wenn einzelne Vögel nicht ihren vorigen Platz wieder gefunden, ſie austreten und da einrücken, wo ſie hingehören, ſelbſt aus einer Reihe in die andere übertreten. Warum ſie gleich anderen vorſichtigen Vögeln in dieſer Ordnung fliegen, iſt nicht ſchwer zu errathen; denn nur auf dieſe Weiſe hindert keiner den anderen am Umſchauen nach allen Seiten; auch mag ein ſo geregelter Keil das Durchſchneiden der Luft erleichtern. Oft ſtreichen ſie ſo unauf- haltſam in einem Striche fort, ſo weit das Auge reicht; manchmal machen ſie aber auch plötzlich Halt, fliegen dann unter plötzlichem Schreien langſamer und unter einander herum; allein in Kürze ſieht man den Anführer ſich wieder in Marſch und die übrigen wieder in Reih und Glied ſetzen und nun die Reiſe in der nur kurze Zeit aufgegebenen früheren Ordnung haſtig fortſetzen.“ Der Flug iſt mit ſauſendem Geräuſche verbunden; das Nieder- und Aufſteigen einer Schar wird von ſtarkem Poltern begleitet. Jm Gehen tragen die Gänſe den Leib vorn etwas erhoben, den Hals auf- gerichtet, gerade oder ſanft gebogen, ſetzen einen Fuß in raſcher Folge vor den anderen, ohne dabei zu wackeln und können nöthigenfalls ſehr ſchnell laufen, einzelne Arten ſo raſch, daß ein Menſch ſie kaum einzuholen vermag. Jm Schwimmen ſenken ſie den Vordertheil des Leibes tief in das Waſſer, während der Schwanz hoch über demſelben zu ſtehen kommt; beim Gründeln kippen ſie ſich vorn über und verſenken den Vorderleib bis zur Oberbruſt; beim Tauchen ſtürzen ſie ſich mit einem Stoße in die Tiefe. Die Stimme der Gänſe hat mit der der Schwäne noch einige Aehnlichkeit. Mehrere Arten ſtoßen brummende, andere gackernde, einzelne endlich ſehr klangvolle und auf weithin hörbare Töne aus; im Zorne ziſchen die meiſten. Beim Männchen pflegt die Stimme höher zu liegen als bei dem Weibchen. Weshalb man die Gänſe als dumm verſchrieen hat, iſt ſchwer zu ſagen, da jede Beobachtung das Gegentheil dieſer Anſicht lehrt. Alle Arten, ohne jegliche Ausnahme, gehören zu den klugen, verſtändigen, vorſichtigen und wachſamen Vögeln. Sie mißtrauen jedem Menſchen, unterſcheiden den Jäger ſicher vom Landmanne oder Hirten, kennen überhaupt alle ihnen gefährlichen Leute genau, ſtellen Wachen aus, kurz, treffen mit Ueberzeugung verſchiedene Vorſichtsmaßregeln zu ihrer Sicher- heit. Gefangen genommen, fügen ſie ſich bald in die veränderten Verhältniſſe und werden bereits nach kurzer Zeit ſehr zahm, beweiſen überhaupt eine Würdigung der Umſtände, welche ihrem Ver- ſtande nur zur Ehre gereicht. Auch ihr Weſen iſt anſprechend. Eine gewiſſe Herrſchſucht und Zank- luſt läßt ſich bei einigen nicht in Abrede ſtellen; die Mehrzahl aber iſt höchſt geſellig, wenn auch mehr unter ſich, und die einzelnen Familien hängen mit großer Zärtlichkeit und Treue an einander. Während der Paarungszeit geht es ohne Kampf zwiſchen den Männchen nicht ab; wenn aber jeder einzelne ſich ein Weibchen erworben, tritt Frieden ein, und die verſchiedenen Paare brüten nun neben einander, ohne ſich gegenſeitig zu behelligen. Eine einmal geſchloſſene Ehe währt für die ganze Lebenszeit. Das Männchen beweiſt ſeinem Weibchen gegenüber unwandelbare Treue, hilft der Gattin zwar nicht mit Brüten, dient aber ſpäter den Jungen zum Führer und bis zum nächſten Frühjahre hin der ganzen Familie als Wächter.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 788. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/834>, abgerufen am 22.11.2024.