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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Sporengans.

Die Brutorte und die Brutzeit können sehr verschieden sein. Viele Arten sammeln sich im
Frühlinge ihrer betreffenden Heimat an sicheren, vom Menschen selten belästigten Orten, in ausge-
dehnten, pflanzenreichen Sümpfen oder auf Morästen und erbauen hier einzeln auf kleinen Jnseln,
Schilfkufen, große kunstlose Nester aus Pflanzenstoffen verschiedener Art, welche innen mit Dunen
ausgekleidet werden; andere hingegen wählen sich Bäume, und zwar Höhlungen ebensowohl als Ast-
gabeln zur Anlage der Nester, benutzen in letzterem Falle auch einen Raubvogel- oder ähnlichen
Horst zur Unterlage und richten ihn in der ihnen passend erscheinenden Weise her. Das Gelege
enthält sechs bis zwölf eigestaltige, starkschalige, mehr oder weniger glanzlose, einfarbige Eier. Nach
etwa vierwöchentlicher Bebrütung entschlüpfen die in ein weiches, schönes, grauliches Dunengewand
gehüllten Jungen, springen, wenn sie auf Bäumen geboren wurden, von oben herab auf den Boden
und beginnen nun unter Führung der Alten sich ihre Nahrung zu suchen. Sie laufen vom ersten
Tage ihres Lebens an rasch und gewandt, wissen sich ebenso im Wasser zu benehmen; ihr Wachs-
thum fördert so rasch, daß sie bereits nach ungefähr zwei Monaten, wenn auch nicht die volle Schön-
heit und Größe der Alten erreicht haben, so doch ihnen ähneln und selbständig geworden sind; dem-
ungeachtet verweilen sie noch lange in Gesellschaft ihrer Eltern und bilden mit diesen eine eng
geschlossene Familie.

Alle Gänse sind Pflanzenfresser. Sie weiden mit Hilfe ihres harten, scharfschneidigen Schnabels
Gräser und Getreidearten, Kohl und andere Kräuter vom Boden ab, schälen junge Bäumchen,
pflücken sich Blätter, Beerentrauben, Schoten oder Aehren, enthülsen die letzteren rasch und geschickt,
um zum Kerne zu gelangen, gründeln in seichten Gewässern ebenfalls nach Pflanzenstoffen und ver-
schmähen keinen Theil einer ihnen zusagenden Pflanze. Einzelne Arten nehmen übrigens auch
Kerbthiere, Muscheln und kleine Wirbelthiere zu sich, wie es scheint, mehr aus Leckerei als um einem
Bedürfnisse zu genügen; wenigstens kann man auch diese Arten bei einfachem Pflanzenfutter jahrelang
erhalten. Da, wo sie massenhaft auftreten, können sie Schaden anrichten; sie nutzen aber auch wieder
durch ihr vortreffliches Wildpret und durch ihr reiches Federkleid. Den wildlebenden Arten wird
eifrig nachgestellt, insbesondere während der Mauserzeit, welche auch viele von ihnen einige Wochen
lang flugunfähig macht. Außer den Menschen bedrohen sie die größeren Adler, mehrere vierfüßige
Raubthiere und in den Gleicherländern die kräftigen Lurche, insbesondere die Krokodile. Die Brut ist
noch größeren Gefahren ausgesetzt, wird aber von den Eltern tapfer und wacker vertheidigt.

Wenn man bedenkt, daß die meisten Gänsearten sich selbst dann noch zähmen und zur Fort-
pflanzung bringen lassen, wenn man sie alt einfing, muß es uns Wunder nehmen, daß bisher nur
wenige Arten zu Hausthieren gemacht wurden, und daß von diesen nur zwei Arten größere Ver-
breitung gefunden haben. Gerade auf diese Vögel sollten diejenigen, welche Einbürgerung fremd-
artiger Thiere bezwecken, ihr Augenmerk richten; denn jede einzelne Gansart belohnt die auf sie
verwendete Mühe reichlich.



Jm Jahre 1827 wurde in England, laut Yarrell, zur großen Ueberraschung der Forscher
eine im Jnneren Afrikas heimische Art der Familie, die Sporengans (Plectropterus gambensis),
erlegt und ihr somit das europäische Bürgerrecht zuertheilt. Die gedachte Art unterscheidet sich nicht
unwesentlich von den anderen Gänsen und wurde demgemäß zum Vertreter einer besonderen Unter-
familie erhoben; doch will es mir scheinen, als ob die Merkmale nicht gewichtig genug wären, um
eine solche Trennung zu rechtfertigen. Die Sporengänse zeichnen sich vor den übrigen aus durch
bedeutende Größe, schlanken Leib, langen Hals, großen, starken, an der Wurzel des Oberschnabels
höckerig aufgetriebenen Schnabel, nacktes Vordergesicht, verhältnißmäßig sehr hohe, noch über der
Ferse nackte Beine mit langen Zehen und großen Schwimmhäuten, lange, spitze Flügel, deren
Oberarmfedern besonders entwickelt sind und deren Hornwarzen sich zu starken Sporen ausgebildet

Sporengans.

Die Brutorte und die Brutzeit können ſehr verſchieden ſein. Viele Arten ſammeln ſich im
Frühlinge ihrer betreffenden Heimat an ſicheren, vom Menſchen ſelten beläſtigten Orten, in ausge-
dehnten, pflanzenreichen Sümpfen oder auf Moräſten und erbauen hier einzeln auf kleinen Jnſeln,
Schilfkufen, große kunſtloſe Neſter aus Pflanzenſtoffen verſchiedener Art, welche innen mit Dunen
ausgekleidet werden; andere hingegen wählen ſich Bäume, und zwar Höhlungen ebenſowohl als Aſt-
gabeln zur Anlage der Neſter, benutzen in letzterem Falle auch einen Raubvogel- oder ähnlichen
Horſt zur Unterlage und richten ihn in der ihnen paſſend erſcheinenden Weiſe her. Das Gelege
enthält ſechs bis zwölf eigeſtaltige, ſtarkſchalige, mehr oder weniger glanzloſe, einfarbige Eier. Nach
etwa vierwöchentlicher Bebrütung entſchlüpfen die in ein weiches, ſchönes, grauliches Dunengewand
gehüllten Jungen, ſpringen, wenn ſie auf Bäumen geboren wurden, von oben herab auf den Boden
und beginnen nun unter Führung der Alten ſich ihre Nahrung zu ſuchen. Sie laufen vom erſten
Tage ihres Lebens an raſch und gewandt, wiſſen ſich ebenſo im Waſſer zu benehmen; ihr Wachs-
thum fördert ſo raſch, daß ſie bereits nach ungefähr zwei Monaten, wenn auch nicht die volle Schön-
heit und Größe der Alten erreicht haben, ſo doch ihnen ähneln und ſelbſtändig geworden ſind; dem-
ungeachtet verweilen ſie noch lange in Geſellſchaft ihrer Eltern und bilden mit dieſen eine eng
geſchloſſene Familie.

Alle Gänſe ſind Pflanzenfreſſer. Sie weiden mit Hilfe ihres harten, ſcharfſchneidigen Schnabels
Gräſer und Getreidearten, Kohl und andere Kräuter vom Boden ab, ſchälen junge Bäumchen,
pflücken ſich Blätter, Beerentrauben, Schoten oder Aehren, enthülſen die letzteren raſch und geſchickt,
um zum Kerne zu gelangen, gründeln in ſeichten Gewäſſern ebenfalls nach Pflanzenſtoffen und ver-
ſchmähen keinen Theil einer ihnen zuſagenden Pflanze. Einzelne Arten nehmen übrigens auch
Kerbthiere, Muſcheln und kleine Wirbelthiere zu ſich, wie es ſcheint, mehr aus Leckerei als um einem
Bedürfniſſe zu genügen; wenigſtens kann man auch dieſe Arten bei einfachem Pflanzenfutter jahrelang
erhalten. Da, wo ſie maſſenhaft auftreten, können ſie Schaden anrichten; ſie nutzen aber auch wieder
durch ihr vortreffliches Wildpret und durch ihr reiches Federkleid. Den wildlebenden Arten wird
eifrig nachgeſtellt, insbeſondere während der Mauſerzeit, welche auch viele von ihnen einige Wochen
lang flugunfähig macht. Außer den Menſchen bedrohen ſie die größeren Adler, mehrere vierfüßige
Raubthiere und in den Gleicherländern die kräftigen Lurche, insbeſondere die Krokodile. Die Brut iſt
noch größeren Gefahren ausgeſetzt, wird aber von den Eltern tapfer und wacker vertheidigt.

Wenn man bedenkt, daß die meiſten Gänſearten ſich ſelbſt dann noch zähmen und zur Fort-
pflanzung bringen laſſen, wenn man ſie alt einfing, muß es uns Wunder nehmen, daß bisher nur
wenige Arten zu Hausthieren gemacht wurden, und daß von dieſen nur zwei Arten größere Ver-
breitung gefunden haben. Gerade auf dieſe Vögel ſollten diejenigen, welche Einbürgerung fremd-
artiger Thiere bezwecken, ihr Augenmerk richten; denn jede einzelne Gansart belohnt die auf ſie
verwendete Mühe reichlich.



Jm Jahre 1827 wurde in England, laut Yarrell, zur großen Ueberraſchung der Forſcher
eine im Jnneren Afrikas heimiſche Art der Familie, die Sporengans (Plectropterus gambensis),
erlegt und ihr ſomit das europäiſche Bürgerrecht zuertheilt. Die gedachte Art unterſcheidet ſich nicht
unweſentlich von den anderen Gänſen und wurde demgemäß zum Vertreter einer beſonderen Unter-
familie erhoben; doch will es mir ſcheinen, als ob die Merkmale nicht gewichtig genug wären, um
eine ſolche Trennung zu rechtfertigen. Die Sporengänſe zeichnen ſich vor den übrigen aus durch
bedeutende Größe, ſchlanken Leib, langen Hals, großen, ſtarken, an der Wurzel des Oberſchnabels
höckerig aufgetriebenen Schnabel, nacktes Vordergeſicht, verhältnißmäßig ſehr hohe, noch über der
Ferſe nackte Beine mit langen Zehen und großen Schwimmhäuten, lange, ſpitze Flügel, deren
Oberarmfedern beſonders entwickelt ſind und deren Hornwarzen ſich zu ſtarken Sporen ausgebildet

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[789/0835] Sporengans. Die Brutorte und die Brutzeit können ſehr verſchieden ſein. Viele Arten ſammeln ſich im Frühlinge ihrer betreffenden Heimat an ſicheren, vom Menſchen ſelten beläſtigten Orten, in ausge- dehnten, pflanzenreichen Sümpfen oder auf Moräſten und erbauen hier einzeln auf kleinen Jnſeln, Schilfkufen, große kunſtloſe Neſter aus Pflanzenſtoffen verſchiedener Art, welche innen mit Dunen ausgekleidet werden; andere hingegen wählen ſich Bäume, und zwar Höhlungen ebenſowohl als Aſt- gabeln zur Anlage der Neſter, benutzen in letzterem Falle auch einen Raubvogel- oder ähnlichen Horſt zur Unterlage und richten ihn in der ihnen paſſend erſcheinenden Weiſe her. Das Gelege enthält ſechs bis zwölf eigeſtaltige, ſtarkſchalige, mehr oder weniger glanzloſe, einfarbige Eier. Nach etwa vierwöchentlicher Bebrütung entſchlüpfen die in ein weiches, ſchönes, grauliches Dunengewand gehüllten Jungen, ſpringen, wenn ſie auf Bäumen geboren wurden, von oben herab auf den Boden und beginnen nun unter Führung der Alten ſich ihre Nahrung zu ſuchen. Sie laufen vom erſten Tage ihres Lebens an raſch und gewandt, wiſſen ſich ebenſo im Waſſer zu benehmen; ihr Wachs- thum fördert ſo raſch, daß ſie bereits nach ungefähr zwei Monaten, wenn auch nicht die volle Schön- heit und Größe der Alten erreicht haben, ſo doch ihnen ähneln und ſelbſtändig geworden ſind; dem- ungeachtet verweilen ſie noch lange in Geſellſchaft ihrer Eltern und bilden mit dieſen eine eng geſchloſſene Familie. Alle Gänſe ſind Pflanzenfreſſer. Sie weiden mit Hilfe ihres harten, ſcharfſchneidigen Schnabels Gräſer und Getreidearten, Kohl und andere Kräuter vom Boden ab, ſchälen junge Bäumchen, pflücken ſich Blätter, Beerentrauben, Schoten oder Aehren, enthülſen die letzteren raſch und geſchickt, um zum Kerne zu gelangen, gründeln in ſeichten Gewäſſern ebenfalls nach Pflanzenſtoffen und ver- ſchmähen keinen Theil einer ihnen zuſagenden Pflanze. Einzelne Arten nehmen übrigens auch Kerbthiere, Muſcheln und kleine Wirbelthiere zu ſich, wie es ſcheint, mehr aus Leckerei als um einem Bedürfniſſe zu genügen; wenigſtens kann man auch dieſe Arten bei einfachem Pflanzenfutter jahrelang erhalten. Da, wo ſie maſſenhaft auftreten, können ſie Schaden anrichten; ſie nutzen aber auch wieder durch ihr vortreffliches Wildpret und durch ihr reiches Federkleid. Den wildlebenden Arten wird eifrig nachgeſtellt, insbeſondere während der Mauſerzeit, welche auch viele von ihnen einige Wochen lang flugunfähig macht. Außer den Menſchen bedrohen ſie die größeren Adler, mehrere vierfüßige Raubthiere und in den Gleicherländern die kräftigen Lurche, insbeſondere die Krokodile. Die Brut iſt noch größeren Gefahren ausgeſetzt, wird aber von den Eltern tapfer und wacker vertheidigt. Wenn man bedenkt, daß die meiſten Gänſearten ſich ſelbſt dann noch zähmen und zur Fort- pflanzung bringen laſſen, wenn man ſie alt einfing, muß es uns Wunder nehmen, daß bisher nur wenige Arten zu Hausthieren gemacht wurden, und daß von dieſen nur zwei Arten größere Ver- breitung gefunden haben. Gerade auf dieſe Vögel ſollten diejenigen, welche Einbürgerung fremd- artiger Thiere bezwecken, ihr Augenmerk richten; denn jede einzelne Gansart belohnt die auf ſie verwendete Mühe reichlich. Jm Jahre 1827 wurde in England, laut Yarrell, zur großen Ueberraſchung der Forſcher eine im Jnneren Afrikas heimiſche Art der Familie, die Sporengans (Plectropterus gambensis), erlegt und ihr ſomit das europäiſche Bürgerrecht zuertheilt. Die gedachte Art unterſcheidet ſich nicht unweſentlich von den anderen Gänſen und wurde demgemäß zum Vertreter einer beſonderen Unter- familie erhoben; doch will es mir ſcheinen, als ob die Merkmale nicht gewichtig genug wären, um eine ſolche Trennung zu rechtfertigen. Die Sporengänſe zeichnen ſich vor den übrigen aus durch bedeutende Größe, ſchlanken Leib, langen Hals, großen, ſtarken, an der Wurzel des Oberſchnabels höckerig aufgetriebenen Schnabel, nacktes Vordergeſicht, verhältnißmäßig ſehr hohe, noch über der Ferſe nackte Beine mit langen Zehen und großen Schwimmhäuten, lange, ſpitze Flügel, deren Oberarmfedern beſonders entwickelt ſind und deren Hornwarzen ſich zu ſtarken Sporen ausgebildet

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 789. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/835>, abgerufen am 22.11.2024.