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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Albatros.
mit größter Anstrengung sich bewegen können. Die Stimme ist oft mit dem Geschrei des Esels
verglichen worden; Tschudi aber sagt, daß Dies eine müßige Uebertreibung sei und der Vogel nur
ein lautes, kreischendes, höchst unangenehmes Geschrei vernehmen lasse; Bennett meint, daß man
letzteres mit dem Schwanengeschrei vergleichen könne. Außer dem rauhen und heiseren Kreischen
wollen Einige ein leises Pfeifen vernommen haben, und Köler berichtet, daß der Vogel bei Zorn
oder Furcht wie der Storch mit dem Schnabel klappere. Unter den Sinnen steht das Gesicht
unzweifelhaft obenan, da jede Beobachtung beweist, daß der Albatros auf sehr große Entfernungen
hin Etwas deutlich wahrnimmt, beispielsweise so eilig als möglich herbeikommt, wenn er kleinere
Sturmvögel sich über einer Stelle der See beschäftigen sieht. Ueber den Verstand ist schwer ein
Urtheil zu fällen, weil die Lebensverhältnisse des Vogels so ganz eigenthümlich sind und er seine
geistigen Kräfte dem Menschen gewöhnlich nicht anschaulich machen kann. Wenn Tschudi's Angabe,
daß er die vom Süden nach Norden segelnden Schiffe länger begleite als die in umgekehrter Richtung
fahrenden, richtig ist, würde Dies auf einen sehr hohen Verstand deuten; Tschudi folgert daraus,
daß der "Jnstinkt", wie er es nennt, ihn abhält, einem Fahrzeuge lange zu folgen, welches schnell einem
ihm nicht behagenden Klima entgegen geht. Die Furchtlosigkeit, mit welcher er sich dem Menschen
naht, und die Dummdreistigkeit, welche er zuweilen offenbart, dürfen uns nicht verleiten, einen
schwachen Verstand bei ihm vorauszusetzen: es mangelt ihm eben die Gelegenheit, den Menschen
kennen zu lernen, und er benimmt sich ihm gegenüber nicht anders, als er es sonst gewohnt ist, würde
also vielleicht sein Benehmen ändern, wenn er mehr Gelegenheit gehabt hätte, Erfahrungen zu
sammeln. Schon daß er den Schiffen folgt, setzt ein gewisses Verständniß voraus: er weiß, daß von
dortaus immer etwas Genießbares für ihn abfällt. Wie bei allen freßsüchtigen Vögeln überwiegt
seine Gier freilich fast stets die Vorsicht: ein und derselbe Albatros läßt sich, wenn er durch
stürmisches Wetter verhindert wurde, längere Zeit Etwas zu fangen, oft sechs bis acht Mal nach
einander an die Angel locken und hascht, wenn er an Bord gebracht und wieder freigelassen wurde,
mit noch blutendem Schnabel sofort wieder nach dem Köder. "An einer der Staateninseln", erzählt
Tschudi, "angelte ich einen ausgezeichnet großen Albatros und band ihm eine dünne Bleiplatte um
den Hals, auf welcher der Name des Schiffes, der Tag, die geographische Länge und Breite ein-
gegraben war. Wie ich in Valparaiso erfuhr, war er vierzehn Tage später von einem französischen
Schiffe ebenfalls geangelt worden." Diese Beobachtung spricht freilich nicht für ein besonderes
Gedächtniß und auch nicht gerade für einen hohen Verstand. Mit anderen seiner Art scheint der
Albatros blos während der Brutzeit gesellig zu leben. Auf dem Meere sieht man zwar oft viele
unweit von einander fliegen; jeder Einzelne aber scheint seinen Weg selbständig zu verfolgen und sich
blos insofern um die Thätigkeit der anderen zu bekümmern, als dieselbe eine für ihn versprechende
ist. Kleinere Sturmvögel z. B. behandelt er wie der Königsgeier seine sogenannten Unterthanen
oder wie der Stärkere überhaupt Schwächere: er benutzt ihre Kräfte und kommt herbei, wenn er sieht,
daß sie Nahrung entdeckt haben, schreckt sie in die Flucht, nimmt das von jenen Erbeutete oder doch
Aufgefundene für sich in Beschlag und fliegt dann seines Weges weiter, ohne sich um das unter ihm
stehende Gesindel fernerhin zu kümmern.

Soviel wir bis jetzt wissen, müssen wir den Albatros zu den Tagvögeln zählen; seine Thätigkeit
währt aber länger als die der meisten übrigen Vögel, und er scheint kaum der Ruhe zu bedürfen oder
doch durch eine sehr kurze Rast zu neuer Bewegung hinlänglich gestärkt zu sein. Heimisch auf dem
weiten Meere, wo er sich auch befinden mag, fliegt er unbesorgt um Entfernungen, welche andere Vögel
vielleicht als Wanderungen betrachten würden, seines Weges fort; Nahrung suchend, fressend, ruhend
und wieder fliegend vergeht ihm der Tag. Seine außerordentliche Flugfertigkeit macht es ihm leicht,
mit dem schnellsten Schiffe zu wetteifern. "Obgleich ein Fahrzeug", sagt Gould, "vor dem Winde
oft mehr als zwei englische Meilen in einer Stunde zurücklegt und Tage nach einander in gleicher
Weise sich bewegt, macht es doch dem Albatres nicht die geringste Mühe, mit solchem Schiffe zu
fliegen; er beschreibt dabei noch Kreise von mehreren Meilen und kehrt immer und immer wieder in

Albatros.
mit größter Anſtrengung ſich bewegen können. Die Stimme iſt oft mit dem Geſchrei des Eſels
verglichen worden; Tſchudi aber ſagt, daß Dies eine müßige Uebertreibung ſei und der Vogel nur
ein lautes, kreiſchendes, höchſt unangenehmes Geſchrei vernehmen laſſe; Bennett meint, daß man
letzteres mit dem Schwanengeſchrei vergleichen könne. Außer dem rauhen und heiſeren Kreiſchen
wollen Einige ein leiſes Pfeifen vernommen haben, und Köler berichtet, daß der Vogel bei Zorn
oder Furcht wie der Storch mit dem Schnabel klappere. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht
unzweifelhaft obenan, da jede Beobachtung beweiſt, daß der Albatros auf ſehr große Entfernungen
hin Etwas deutlich wahrnimmt, beiſpielsweiſe ſo eilig als möglich herbeikommt, wenn er kleinere
Sturmvögel ſich über einer Stelle der See beſchäftigen ſieht. Ueber den Verſtand iſt ſchwer ein
Urtheil zu fällen, weil die Lebensverhältniſſe des Vogels ſo ganz eigenthümlich ſind und er ſeine
geiſtigen Kräfte dem Menſchen gewöhnlich nicht anſchaulich machen kann. Wenn Tſchudi’s Angabe,
daß er die vom Süden nach Norden ſegelnden Schiffe länger begleite als die in umgekehrter Richtung
fahrenden, richtig iſt, würde Dies auf einen ſehr hohen Verſtand deuten; Tſchudi folgert daraus,
daß der „Jnſtinkt“, wie er es nennt, ihn abhält, einem Fahrzeuge lange zu folgen, welches ſchnell einem
ihm nicht behagenden Klima entgegen geht. Die Furchtloſigkeit, mit welcher er ſich dem Menſchen
naht, und die Dummdreiſtigkeit, welche er zuweilen offenbart, dürfen uns nicht verleiten, einen
ſchwachen Verſtand bei ihm vorauszuſetzen: es mangelt ihm eben die Gelegenheit, den Menſchen
kennen zu lernen, und er benimmt ſich ihm gegenüber nicht anders, als er es ſonſt gewohnt iſt, würde
alſo vielleicht ſein Benehmen ändern, wenn er mehr Gelegenheit gehabt hätte, Erfahrungen zu
ſammeln. Schon daß er den Schiffen folgt, ſetzt ein gewiſſes Verſtändniß voraus: er weiß, daß von
dortaus immer etwas Genießbares für ihn abfällt. Wie bei allen freßſüchtigen Vögeln überwiegt
ſeine Gier freilich faſt ſtets die Vorſicht: ein und derſelbe Albatros läßt ſich, wenn er durch
ſtürmiſches Wetter verhindert wurde, längere Zeit Etwas zu fangen, oft ſechs bis acht Mal nach
einander an die Angel locken und haſcht, wenn er an Bord gebracht und wieder freigelaſſen wurde,
mit noch blutendem Schnabel ſofort wieder nach dem Köder. „An einer der Staateninſeln“, erzählt
Tſchudi, „angelte ich einen ausgezeichnet großen Albatros und band ihm eine dünne Bleiplatte um
den Hals, auf welcher der Name des Schiffes, der Tag, die geographiſche Länge und Breite ein-
gegraben war. Wie ich in Valparaiſo erfuhr, war er vierzehn Tage ſpäter von einem franzöſiſchen
Schiffe ebenfalls geangelt worden.“ Dieſe Beobachtung ſpricht freilich nicht für ein beſonderes
Gedächtniß und auch nicht gerade für einen hohen Verſtand. Mit anderen ſeiner Art ſcheint der
Albatros blos während der Brutzeit geſellig zu leben. Auf dem Meere ſieht man zwar oft viele
unweit von einander fliegen; jeder Einzelne aber ſcheint ſeinen Weg ſelbſtändig zu verfolgen und ſich
blos inſofern um die Thätigkeit der anderen zu bekümmern, als dieſelbe eine für ihn verſprechende
iſt. Kleinere Sturmvögel z. B. behandelt er wie der Königsgeier ſeine ſogenannten Unterthanen
oder wie der Stärkere überhaupt Schwächere: er benutzt ihre Kräfte und kommt herbei, wenn er ſieht,
daß ſie Nahrung entdeckt haben, ſchreckt ſie in die Flucht, nimmt das von jenen Erbeutete oder doch
Aufgefundene für ſich in Beſchlag und fliegt dann ſeines Weges weiter, ohne ſich um das unter ihm
ſtehende Geſindel fernerhin zu kümmern.

Soviel wir bis jetzt wiſſen, müſſen wir den Albatros zu den Tagvögeln zählen; ſeine Thätigkeit
währt aber länger als die der meiſten übrigen Vögel, und er ſcheint kaum der Ruhe zu bedürfen oder
doch durch eine ſehr kurze Raſt zu neuer Bewegung hinlänglich geſtärkt zu ſein. Heimiſch auf dem
weiten Meere, wo er ſich auch befinden mag, fliegt er unbeſorgt um Entfernungen, welche andere Vögel
vielleicht als Wanderungen betrachten würden, ſeines Weges fort; Nahrung ſuchend, freſſend, ruhend
und wieder fliegend vergeht ihm der Tag. Seine außerordentliche Flugfertigkeit macht es ihm leicht,
mit dem ſchnellſten Schiffe zu wetteifern. „Obgleich ein Fahrzeug“, ſagt Gould, „vor dem Winde
oft mehr als zwei engliſche Meilen in einer Stunde zurücklegt und Tage nach einander in gleicher
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[889/0941] Albatros. mit größter Anſtrengung ſich bewegen können. Die Stimme iſt oft mit dem Geſchrei des Eſels verglichen worden; Tſchudi aber ſagt, daß Dies eine müßige Uebertreibung ſei und der Vogel nur ein lautes, kreiſchendes, höchſt unangenehmes Geſchrei vernehmen laſſe; Bennett meint, daß man letzteres mit dem Schwanengeſchrei vergleichen könne. Außer dem rauhen und heiſeren Kreiſchen wollen Einige ein leiſes Pfeifen vernommen haben, und Köler berichtet, daß der Vogel bei Zorn oder Furcht wie der Storch mit dem Schnabel klappere. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht unzweifelhaft obenan, da jede Beobachtung beweiſt, daß der Albatros auf ſehr große Entfernungen hin Etwas deutlich wahrnimmt, beiſpielsweiſe ſo eilig als möglich herbeikommt, wenn er kleinere Sturmvögel ſich über einer Stelle der See beſchäftigen ſieht. Ueber den Verſtand iſt ſchwer ein Urtheil zu fällen, weil die Lebensverhältniſſe des Vogels ſo ganz eigenthümlich ſind und er ſeine geiſtigen Kräfte dem Menſchen gewöhnlich nicht anſchaulich machen kann. Wenn Tſchudi’s Angabe, daß er die vom Süden nach Norden ſegelnden Schiffe länger begleite als die in umgekehrter Richtung fahrenden, richtig iſt, würde Dies auf einen ſehr hohen Verſtand deuten; Tſchudi folgert daraus, daß der „Jnſtinkt“, wie er es nennt, ihn abhält, einem Fahrzeuge lange zu folgen, welches ſchnell einem ihm nicht behagenden Klima entgegen geht. Die Furchtloſigkeit, mit welcher er ſich dem Menſchen naht, und die Dummdreiſtigkeit, welche er zuweilen offenbart, dürfen uns nicht verleiten, einen ſchwachen Verſtand bei ihm vorauszuſetzen: es mangelt ihm eben die Gelegenheit, den Menſchen kennen zu lernen, und er benimmt ſich ihm gegenüber nicht anders, als er es ſonſt gewohnt iſt, würde alſo vielleicht ſein Benehmen ändern, wenn er mehr Gelegenheit gehabt hätte, Erfahrungen zu ſammeln. Schon daß er den Schiffen folgt, ſetzt ein gewiſſes Verſtändniß voraus: er weiß, daß von dortaus immer etwas Genießbares für ihn abfällt. Wie bei allen freßſüchtigen Vögeln überwiegt ſeine Gier freilich faſt ſtets die Vorſicht: ein und derſelbe Albatros läßt ſich, wenn er durch ſtürmiſches Wetter verhindert wurde, längere Zeit Etwas zu fangen, oft ſechs bis acht Mal nach einander an die Angel locken und haſcht, wenn er an Bord gebracht und wieder freigelaſſen wurde, mit noch blutendem Schnabel ſofort wieder nach dem Köder. „An einer der Staateninſeln“, erzählt Tſchudi, „angelte ich einen ausgezeichnet großen Albatros und band ihm eine dünne Bleiplatte um den Hals, auf welcher der Name des Schiffes, der Tag, die geographiſche Länge und Breite ein- gegraben war. Wie ich in Valparaiſo erfuhr, war er vierzehn Tage ſpäter von einem franzöſiſchen Schiffe ebenfalls geangelt worden.“ Dieſe Beobachtung ſpricht freilich nicht für ein beſonderes Gedächtniß und auch nicht gerade für einen hohen Verſtand. Mit anderen ſeiner Art ſcheint der Albatros blos während der Brutzeit geſellig zu leben. Auf dem Meere ſieht man zwar oft viele unweit von einander fliegen; jeder Einzelne aber ſcheint ſeinen Weg ſelbſtändig zu verfolgen und ſich blos inſofern um die Thätigkeit der anderen zu bekümmern, als dieſelbe eine für ihn verſprechende iſt. Kleinere Sturmvögel z. B. behandelt er wie der Königsgeier ſeine ſogenannten Unterthanen oder wie der Stärkere überhaupt Schwächere: er benutzt ihre Kräfte und kommt herbei, wenn er ſieht, daß ſie Nahrung entdeckt haben, ſchreckt ſie in die Flucht, nimmt das von jenen Erbeutete oder doch Aufgefundene für ſich in Beſchlag und fliegt dann ſeines Weges weiter, ohne ſich um das unter ihm ſtehende Geſindel fernerhin zu kümmern. Soviel wir bis jetzt wiſſen, müſſen wir den Albatros zu den Tagvögeln zählen; ſeine Thätigkeit währt aber länger als die der meiſten übrigen Vögel, und er ſcheint kaum der Ruhe zu bedürfen oder doch durch eine ſehr kurze Raſt zu neuer Bewegung hinlänglich geſtärkt zu ſein. Heimiſch auf dem weiten Meere, wo er ſich auch befinden mag, fliegt er unbeſorgt um Entfernungen, welche andere Vögel vielleicht als Wanderungen betrachten würden, ſeines Weges fort; Nahrung ſuchend, freſſend, ruhend und wieder fliegend vergeht ihm der Tag. Seine außerordentliche Flugfertigkeit macht es ihm leicht, mit dem ſchnellſten Schiffe zu wetteifern. „Obgleich ein Fahrzeug“, ſagt Gould, „vor dem Winde oft mehr als zwei engliſche Meilen in einer Stunde zurücklegt und Tage nach einander in gleicher Weiſe ſich bewegt, macht es doch dem Albatres nicht die geringſte Mühe, mit ſolchem Schiffe zu fliegen; er beſchreibt dabei noch Kreiſe von mehreren Meilen und kehrt immer und immer wieder in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 889. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/941>, abgerufen am 22.11.2024.