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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Scharben.
gestatten. Solche Jnseln erkennt man schon von Weitem an dem weißen Kothüberzuge, mit dem
die Vögel sie bedeckt haben, und sie würden auch bei uns schließlich zu Guanolagern werden, hätten
wir die tropische Sonne, welche den Vogeldünger unter dem Himmel Perus trocknet, oder, wie
Scheffel witzig sich ausdrückt, läutert. Ein solcher Lieblingssitz im Meere verfehlt nie, die Auf-
merksamkeit des Schiffers oder Neisenden auf sich zu ziehen; am fesselndsten aber wird er selbstver-
ständlich dann, wenn er gerade mit Scharben bedeckt ist. Reihenweise geordnet, einem Kriegertrupp
etwa vergleichbar, sitzen sie in malerischer Stellung auf den Felsenzacken, alle in gleicher Richtung dem
Meere zugewendet, aber nur wenige von ihnen in steifer Haltung, da jede einzelne wenigstens eines
ihrer Glieder bewegt, entweder den Hals und Kopf oder die Flügel und den Schwanz. Das Wedeln
und Fächeln mit den Flügeln wird von den Scharben zuweilen Viertelstunden lang betrieben und hat
offenbar den Zweck, alle Federn gänzlich zu trocknen; denn später sieht man die Vögel sich sonnen,
ohne die Flügel zu bewegen. Auf solchen Ruhesitzen behauptet übrigens jede einzelne Scharbe den
einmal eingenommenen Stand schon aus dem einfachen Grunde, weil ihr das Gehen beschwerlich fällt.
Einige Beobachter haben behauptet, daß sie nur, wenn sie sich auf den Schwanz stützen, gehen können.
Dies ist nun zwar nicht begründet, der Gang selbst aber doch nur ein trauriges Watscheln, von dem
man nicht zu begreifen vermag, daß es noch immer so rasch fördert. Aber die Scharbe ist eigentlich
auch im Gezweige noch geschickter als auf dem flachen Boden; sie bekundet ihre eigentliche Gewandtheit
und Behendigkeit wie der Schlangenhalsvogel nur im Schwimmen und im Tauchen. Wenn man
sich mit dem Boote einer Felseninsel im Meere nähert, auf welcher Hunderte von Scharben sitzen,
gewahrt man zuerst ein Strecken des Halses und Bewegen des Kopfes, hierauf ein unbehilfliches Hin-
und Hertrippeln und sodann ein allgemeines Flüchten. Aber nur wenige von den Versammelten
erheben sich in die Luft und fliegen hier mit flatternden Flügelschlägen, auf welche dann ein schwebendes
Gleiten folgt, geraden Weges dahin oder erheben sich von Anfang an kreisend in höheren Luftschichten:
die Mehrzahl springt vielmehr beinahe wie Frösche in das Meer hinab, taucht unter und erscheint nun
möglichst weit von dem Orte des Eintauchens wieder an der Oberfläche, die klugen, meergrünen
Augen auf das Boot heftend und nöthigenfalls aufs neue tauchend und flüchtend, bis die erwünschte
Sicherheit erlangt wurde. Die Schlangenhalsvögel tauchen und schwimmen unzweifelhaft schneller,
gewandter, besser als die Scharben, ob diese aber außerdem noch von tauchenden Vögeln übertroffen
werden, möchte ich bezweifeln. Sie schwimmen unter dem Wasser so schnell, daß auch das beste, von
tüchtigen Ruderern bewegte Boot sie einholen kann, und sie tauchen lange und in bedeutende Tiefen
hinab, erscheinen einen Augenblick lang an der Oberfläche, nehmen sich rasch eine Hand voll Luft und
verschwinden wieder. Beim Verfolgen ihrer Beute strecken sie sich lang aus und rudern mit weit
ausholenden Stößen so heftig, daß ihr Körper wie ein Pfeil durch das Wasser geschleudert wird; kurz,
sie beherrschen ihr Element in einer höchst vollständigen Weise.

Unter den Sinnen steht wohl das Gesicht obenan; wenigstens läßt das lebendige, also nicht blos
durch seine Färbung ausgezeichnete Auge darauf schließen; das Gehör ist übrigens ebenfalls sehr
entwickelt und das Gefühl gewiß nicht verkümmert; dagegen läßt sich wohl kaum von der Feinheit des
Geschmackssinnes sprechen: dazu sind die Scharben viel zu gefräßig. Man bemerkt allerdings, daß
sie zwischen diesen und jenen Fischen einen Unterschied machen, ist aber schwerlich berechtigt, anzu-
nehmen, daß Dies aus Gründen geschehe, welche mit dem Geschmackssinne in Beziehung stehen.
Hinsichtlich des geistigen Wesens gilt das oben Gesagte. Man muß alle Arten der Sippe unter die
klugen, schlauen und mißtrauischen Vögel zählen; denn man bemerkt, daß sie weder in der Freiheit
noch in der Gefangenschaft ihre Sicherheit zeigen; aber man erfährt doch ebenso, daß sie sich in ver-
schiedene Verhältnisse fügen und mit wirklichem Verstande aus den Umständen bestmöglichsten Vortheil
zu ziehen versuchen. Gegen andere Vögel, mit denen sie zusammenkommen, beweisen sie sich immer
hämisch und boshaft, zumal wenn Neid und Habsucht ins Spiel kommen; aber sie zwingen solche auch,
für sie zu arbeiten. So haben wir beobachtet, daß gefangene Scharben Pelekane nöthigten, ihnen
eine dünne Eisschicht zu zerbrechen, welche ihnen das Schwimmen und Tauchen in ihrem Wasserbecken

Lebensweiſe der Scharben.
geſtatten. Solche Jnſeln erkennt man ſchon von Weitem an dem weißen Kothüberzuge, mit dem
die Vögel ſie bedeckt haben, und ſie würden auch bei uns ſchließlich zu Guanolagern werden, hätten
wir die tropiſche Sonne, welche den Vogeldünger unter dem Himmel Perus trocknet, oder, wie
Scheffel witzig ſich ausdrückt, läutert. Ein ſolcher Lieblingsſitz im Meere verfehlt nie, die Auf-
merkſamkeit des Schiffers oder Neiſenden auf ſich zu ziehen; am feſſelndſten aber wird er ſelbſtver-
ſtändlich dann, wenn er gerade mit Scharben bedeckt iſt. Reihenweiſe geordnet, einem Kriegertrupp
etwa vergleichbar, ſitzen ſie in maleriſcher Stellung auf den Felſenzacken, alle in gleicher Richtung dem
Meere zugewendet, aber nur wenige von ihnen in ſteifer Haltung, da jede einzelne wenigſtens eines
ihrer Glieder bewegt, entweder den Hals und Kopf oder die Flügel und den Schwanz. Das Wedeln
und Fächeln mit den Flügeln wird von den Scharben zuweilen Viertelſtunden lang betrieben und hat
offenbar den Zweck, alle Federn gänzlich zu trocknen; denn ſpäter ſieht man die Vögel ſich ſonnen,
ohne die Flügel zu bewegen. Auf ſolchen Ruheſitzen behauptet übrigens jede einzelne Scharbe den
einmal eingenommenen Stand ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ihr das Gehen beſchwerlich fällt.
Einige Beobachter haben behauptet, daß ſie nur, wenn ſie ſich auf den Schwanz ſtützen, gehen können.
Dies iſt nun zwar nicht begründet, der Gang ſelbſt aber doch nur ein trauriges Watſcheln, von dem
man nicht zu begreifen vermag, daß es noch immer ſo raſch fördert. Aber die Scharbe iſt eigentlich
auch im Gezweige noch geſchickter als auf dem flachen Boden; ſie bekundet ihre eigentliche Gewandtheit
und Behendigkeit wie der Schlangenhalsvogel nur im Schwimmen und im Tauchen. Wenn man
ſich mit dem Boote einer Felſeninſel im Meere nähert, auf welcher Hunderte von Scharben ſitzen,
gewahrt man zuerſt ein Strecken des Halſes und Bewegen des Kopfes, hierauf ein unbehilfliches Hin-
und Hertrippeln und ſodann ein allgemeines Flüchten. Aber nur wenige von den Verſammelten
erheben ſich in die Luft und fliegen hier mit flatternden Flügelſchlägen, auf welche dann ein ſchwebendes
Gleiten folgt, geraden Weges dahin oder erheben ſich von Anfang an kreiſend in höheren Luftſchichten:
die Mehrzahl ſpringt vielmehr beinahe wie Fröſche in das Meer hinab, taucht unter und erſcheint nun
möglichſt weit von dem Orte des Eintauchens wieder an der Oberfläche, die klugen, meergrünen
Augen auf das Boot heftend und nöthigenfalls aufs neue tauchend und flüchtend, bis die erwünſchte
Sicherheit erlangt wurde. Die Schlangenhalsvögel tauchen und ſchwimmen unzweifelhaft ſchneller,
gewandter, beſſer als die Scharben, ob dieſe aber außerdem noch von tauchenden Vögeln übertroffen
werden, möchte ich bezweifeln. Sie ſchwimmen unter dem Waſſer ſo ſchnell, daß auch das beſte, von
tüchtigen Ruderern bewegte Boot ſie einholen kann, und ſie tauchen lange und in bedeutende Tiefen
hinab, erſcheinen einen Augenblick lang an der Oberfläche, nehmen ſich raſch eine Hand voll Luft und
verſchwinden wieder. Beim Verfolgen ihrer Beute ſtrecken ſie ſich lang aus und rudern mit weit
ausholenden Stößen ſo heftig, daß ihr Körper wie ein Pfeil durch das Waſſer geſchleudert wird; kurz,
ſie beherrſchen ihr Element in einer höchſt vollſtändigen Weiſe.

Unter den Sinnen ſteht wohl das Geſicht obenan; wenigſtens läßt das lebendige, alſo nicht blos
durch ſeine Färbung ausgezeichnete Auge darauf ſchließen; das Gehör iſt übrigens ebenfalls ſehr
entwickelt und das Gefühl gewiß nicht verkümmert; dagegen läßt ſich wohl kaum von der Feinheit des
Geſchmacksſinnes ſprechen: dazu ſind die Scharben viel zu gefräßig. Man bemerkt allerdings, daß
ſie zwiſchen dieſen und jenen Fiſchen einen Unterſchied machen, iſt aber ſchwerlich berechtigt, anzu-
nehmen, daß Dies aus Gründen geſchehe, welche mit dem Geſchmacksſinne in Beziehung ſtehen.
Hinſichtlich des geiſtigen Weſens gilt das oben Geſagte. Man muß alle Arten der Sippe unter die
klugen, ſchlauen und mißtrauiſchen Vögel zählen; denn man bemerkt, daß ſie weder in der Freiheit
noch in der Gefangenſchaft ihre Sicherheit zeigen; aber man erfährt doch ebenſo, daß ſie ſich in ver-
ſchiedene Verhältniſſe fügen und mit wirklichem Verſtande aus den Umſtänden beſtmöglichſten Vortheil
zu ziehen verſuchen. Gegen andere Vögel, mit denen ſie zuſammenkommen, beweiſen ſie ſich immer
hämiſch und boshaft, zumal wenn Neid und Habſucht ins Spiel kommen; aber ſie zwingen ſolche auch,
für ſie zu arbeiten. So haben wir beobachtet, daß gefangene Scharben Pelekane nöthigten, ihnen
eine dünne Eisſchicht zu zerbrechen, welche ihnen das Schwimmen und Tauchen in ihrem Waſſerbecken

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[925/0977] Lebensweiſe der Scharben. geſtatten. Solche Jnſeln erkennt man ſchon von Weitem an dem weißen Kothüberzuge, mit dem die Vögel ſie bedeckt haben, und ſie würden auch bei uns ſchließlich zu Guanolagern werden, hätten wir die tropiſche Sonne, welche den Vogeldünger unter dem Himmel Perus trocknet, oder, wie Scheffel witzig ſich ausdrückt, läutert. Ein ſolcher Lieblingsſitz im Meere verfehlt nie, die Auf- merkſamkeit des Schiffers oder Neiſenden auf ſich zu ziehen; am feſſelndſten aber wird er ſelbſtver- ſtändlich dann, wenn er gerade mit Scharben bedeckt iſt. Reihenweiſe geordnet, einem Kriegertrupp etwa vergleichbar, ſitzen ſie in maleriſcher Stellung auf den Felſenzacken, alle in gleicher Richtung dem Meere zugewendet, aber nur wenige von ihnen in ſteifer Haltung, da jede einzelne wenigſtens eines ihrer Glieder bewegt, entweder den Hals und Kopf oder die Flügel und den Schwanz. Das Wedeln und Fächeln mit den Flügeln wird von den Scharben zuweilen Viertelſtunden lang betrieben und hat offenbar den Zweck, alle Federn gänzlich zu trocknen; denn ſpäter ſieht man die Vögel ſich ſonnen, ohne die Flügel zu bewegen. Auf ſolchen Ruheſitzen behauptet übrigens jede einzelne Scharbe den einmal eingenommenen Stand ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ihr das Gehen beſchwerlich fällt. Einige Beobachter haben behauptet, daß ſie nur, wenn ſie ſich auf den Schwanz ſtützen, gehen können. Dies iſt nun zwar nicht begründet, der Gang ſelbſt aber doch nur ein trauriges Watſcheln, von dem man nicht zu begreifen vermag, daß es noch immer ſo raſch fördert. Aber die Scharbe iſt eigentlich auch im Gezweige noch geſchickter als auf dem flachen Boden; ſie bekundet ihre eigentliche Gewandtheit und Behendigkeit wie der Schlangenhalsvogel nur im Schwimmen und im Tauchen. Wenn man ſich mit dem Boote einer Felſeninſel im Meere nähert, auf welcher Hunderte von Scharben ſitzen, gewahrt man zuerſt ein Strecken des Halſes und Bewegen des Kopfes, hierauf ein unbehilfliches Hin- und Hertrippeln und ſodann ein allgemeines Flüchten. Aber nur wenige von den Verſammelten erheben ſich in die Luft und fliegen hier mit flatternden Flügelſchlägen, auf welche dann ein ſchwebendes Gleiten folgt, geraden Weges dahin oder erheben ſich von Anfang an kreiſend in höheren Luftſchichten: die Mehrzahl ſpringt vielmehr beinahe wie Fröſche in das Meer hinab, taucht unter und erſcheint nun möglichſt weit von dem Orte des Eintauchens wieder an der Oberfläche, die klugen, meergrünen Augen auf das Boot heftend und nöthigenfalls aufs neue tauchend und flüchtend, bis die erwünſchte Sicherheit erlangt wurde. Die Schlangenhalsvögel tauchen und ſchwimmen unzweifelhaft ſchneller, gewandter, beſſer als die Scharben, ob dieſe aber außerdem noch von tauchenden Vögeln übertroffen werden, möchte ich bezweifeln. Sie ſchwimmen unter dem Waſſer ſo ſchnell, daß auch das beſte, von tüchtigen Ruderern bewegte Boot ſie einholen kann, und ſie tauchen lange und in bedeutende Tiefen hinab, erſcheinen einen Augenblick lang an der Oberfläche, nehmen ſich raſch eine Hand voll Luft und verſchwinden wieder. Beim Verfolgen ihrer Beute ſtrecken ſie ſich lang aus und rudern mit weit ausholenden Stößen ſo heftig, daß ihr Körper wie ein Pfeil durch das Waſſer geſchleudert wird; kurz, ſie beherrſchen ihr Element in einer höchſt vollſtändigen Weiſe. Unter den Sinnen ſteht wohl das Geſicht obenan; wenigſtens läßt das lebendige, alſo nicht blos durch ſeine Färbung ausgezeichnete Auge darauf ſchließen; das Gehör iſt übrigens ebenfalls ſehr entwickelt und das Gefühl gewiß nicht verkümmert; dagegen läßt ſich wohl kaum von der Feinheit des Geſchmacksſinnes ſprechen: dazu ſind die Scharben viel zu gefräßig. Man bemerkt allerdings, daß ſie zwiſchen dieſen und jenen Fiſchen einen Unterſchied machen, iſt aber ſchwerlich berechtigt, anzu- nehmen, daß Dies aus Gründen geſchehe, welche mit dem Geſchmacksſinne in Beziehung ſtehen. Hinſichtlich des geiſtigen Weſens gilt das oben Geſagte. Man muß alle Arten der Sippe unter die klugen, ſchlauen und mißtrauiſchen Vögel zählen; denn man bemerkt, daß ſie weder in der Freiheit noch in der Gefangenſchaft ihre Sicherheit zeigen; aber man erfährt doch ebenſo, daß ſie ſich in ver- ſchiedene Verhältniſſe fügen und mit wirklichem Verſtande aus den Umſtänden beſtmöglichſten Vortheil zu ziehen verſuchen. Gegen andere Vögel, mit denen ſie zuſammenkommen, beweiſen ſie ſich immer hämiſch und boshaft, zumal wenn Neid und Habſucht ins Spiel kommen; aber ſie zwingen ſolche auch, für ſie zu arbeiten. So haben wir beobachtet, daß gefangene Scharben Pelekane nöthigten, ihnen eine dünne Eisſchicht zu zerbrechen, welche ihnen das Schwimmen und Tauchen in ihrem Waſſerbecken

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 925. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/977>, abgerufen am 22.11.2024.