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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Taucher. Seetaucher.
oft auf dem Lande, niemals aber einen aufgerichtet stehen, niemals einen auf den Zehen oder Fuß-
wurzeln dahin gehen, sondern stets nur mit Hilfe des Schnabels und Halses, sowie der Flügel und
Füße kriechen sehen. Der Flug ist viel besser, als man meinen möchte, wenn man den schweren Leib
mit den kleinen Fittigen vergleicht. Zwar müssen die Seetaucher erst einen tüchtigen Anlauf nehmen,
wenn sie sich erheben wollen; haben sie jedoch erst eine gewisse Höhe gewonnen, so eilen sie sehr rasch
dahin, obgleich sie die kurzen Fittige mit sehr schnellen Schlägen fortwährend bewegen müssen.
Außerordentlich schön ist der Flug, wenn sich die Vögel, wie sie es regelmäßig thun, von den hohen
Küstenbergen herab in das Meer stürzen. Sie bewegen dann die Flügel nur soviel, als eben nöthig
ist, um eine schiefe Flugrichtung zu ermöglichen, und schießen unter sausendem Geräusch, sich bald auf
die eine, bald auf die andere Seite wendend, wirklich pfeilschnell in die Tiefe hinab und versenken sich
unmittelbar darauf im Wasser. Alle Seetaucher und so auch der rothkehlige zeichnen sich durch ihre
laute Stimme vor anderen Seevögeln aus. Die meisten Forscher nennen die Töne, welche sie hören
lassen, unangenehm und widerlich, während ich sagen muß, daß ich das laute Rufen stets gern
vernommen habe, obgleich ich allerdings nicht leugnen will, daß das Knarren rauh und das darauf
folgende Schreien heulend klingt. Die durchdringende Stimme des Eistauchers soll, nach Faber,
ein schauderhaftes Echo in den umliegenden Bergen hervorrufen und den Wehklagen eines Menschen
in Lebensgefahr ähneln; die Stimme des rothkehligen Seetauchers nennt derselbe Naturforscher hart,
schnarrend und laut jammernd und versucht sie durch die Silben "Aauh, auh" und "Ak, ak" wieder-
zugeben. Ueber die geistigen Eigenschaften der Seetaucher sind die Meinungen noch getheilt, weil
wir zu wenig Gelegenheit haben, mit ihnen in näheren Verkehr zu treten. Daß sie sämmtlich sehr
scharfsinnig sind, namentlich vortrefflich sehen und hören, ergibt die einfache Beobachtung; daß es
ihnen nicht an Urtheil und Ueberlegung gebricht, erfährt man ebenfalls sehr bald. Vorsichtig bleiben
sie unter allen Umständen, und wenn sie auch beim Neste einen großen Theil ihrer Scheu ablegen,
geben sie sich doch niemals gedankenloser Sorglosigkeit hin, achten vielmehr auf Alles und Jedes,
was um sie her vorgeht, und trauen selteu. Ob sie gefährliche Menschen von ungefährlichen zu
unterscheiden wissen, möchte zu bezweifeln sein; sie nehmen vielmehr das Gewisse für das Ungewisse
und suchen sich der unangenehmen Nähe des Menschen soviel als möglich zu entziehen. Ausnahmen
von dieser Regel sind allerdings auch beobachtet worden. So bemerkte Graba einen Eistaucher am
Ufer, welcher die Aufmerksamkeit von vier oder fünf Knaben erregte und sich eine Zeitlang mit
Steinen werfen ließ. "Sobald ein solcher nah bei ihm niederschlug, streckte er den Kopf in das
Wasser, um zu sehen, was es sei, tauchte auch wohl nach demselben. Ueber dreißig Steinwürfe
wurden nach ihm gethan, und mehrere trafen ihn, ohne daß er sich deshalb entfernte." Solche Vor-
kommnisse sind jedoch selten. Gewöhnlich meiden die Seetaucher jedes fremdartige Geschöpf soviel
als möglich, machen sich überhaupt wenig aus der Gesellschaft anderer Wesen, lieben nicht einmal die
Jhresgleichen. Sehr häufig trifft man sie ganz einzeln an, während der Brutzeit allerdings treu-
innig verbunden in Paaren, aber kaum zwei Paare auf einem und demselben Teiche und nur
ausnahmsweise ein Paar auf solchem, welcher bereits von anderen Vögeln bewohnt wird. Während
des Zuges oder in Gefangenschaft halten sie sich immer entfernt von anderen Schwimmvögeln, und
wenn diese sich ihnen nähern, hauen sie auch wohl nach ihnen; hämisch und boshaft aber kann man
sie eigentlich nicht nennen. Jn die Enge getrieben, vertheidigen sie sich wüthend und bringen mit
dem scharfen Schnabel ernsthafte Wunden bei; ihre Angriffe haben auch scheinbar etwas Tückisches,
weil sie so schnell erfolgen; ihr Gebahren läßt sich jedoch kaum mit dem der Reiher vergleichen und
gewiß nicht boshaft nennen: sie bekunden bei der Vertheidigung mehr eine gewisse Dummdreistigkeit
als berechnende Ueberlegung.

Jch zweifle, daß ein Seetaucher etwas Anderes als Fische zu sich nimmt; solange er sich auf
dem Meere befindet, hält er sich gewiß ausschließlich an diese. Seine außerordentliche Schwimm-
und Tauchfertigkeit macht es ihm leicht, sich mit der nöthigen Nahrung zu versorgen, um so mehr, als
man ihn eigentlich nicht zu den gefräßigen Vögeln rechnen, vielmehr als einen anspruchslosen Vogel

Die Schwimmer. Taucher. Seetaucher.
oft auf dem Lande, niemals aber einen aufgerichtet ſtehen, niemals einen auf den Zehen oder Fuß-
wurzeln dahin gehen, ſondern ſtets nur mit Hilfe des Schnabels und Halſes, ſowie der Flügel und
Füße kriechen ſehen. Der Flug iſt viel beſſer, als man meinen möchte, wenn man den ſchweren Leib
mit den kleinen Fittigen vergleicht. Zwar müſſen die Seetaucher erſt einen tüchtigen Anlauf nehmen,
wenn ſie ſich erheben wollen; haben ſie jedoch erſt eine gewiſſe Höhe gewonnen, ſo eilen ſie ſehr raſch
dahin, obgleich ſie die kurzen Fittige mit ſehr ſchnellen Schlägen fortwährend bewegen müſſen.
Außerordentlich ſchön iſt der Flug, wenn ſich die Vögel, wie ſie es regelmäßig thun, von den hohen
Küſtenbergen herab in das Meer ſtürzen. Sie bewegen dann die Flügel nur ſoviel, als eben nöthig
iſt, um eine ſchiefe Flugrichtung zu ermöglichen, und ſchießen unter ſauſendem Geräuſch, ſich bald auf
die eine, bald auf die andere Seite wendend, wirklich pfeilſchnell in die Tiefe hinab und verſenken ſich
unmittelbar darauf im Waſſer. Alle Seetaucher und ſo auch der rothkehlige zeichnen ſich durch ihre
laute Stimme vor anderen Seevögeln aus. Die meiſten Forſcher nennen die Töne, welche ſie hören
laſſen, unangenehm und widerlich, während ich ſagen muß, daß ich das laute Rufen ſtets gern
vernommen habe, obgleich ich allerdings nicht leugnen will, daß das Knarren rauh und das darauf
folgende Schreien heulend klingt. Die durchdringende Stimme des Eistauchers ſoll, nach Faber,
ein ſchauderhaftes Echo in den umliegenden Bergen hervorrufen und den Wehklagen eines Menſchen
in Lebensgefahr ähneln; die Stimme des rothkehligen Seetauchers nennt derſelbe Naturforſcher hart,
ſchnarrend und laut jammernd und verſucht ſie durch die Silben „Aauh, auh“ und „Ak, ak“ wieder-
zugeben. Ueber die geiſtigen Eigenſchaften der Seetaucher ſind die Meinungen noch getheilt, weil
wir zu wenig Gelegenheit haben, mit ihnen in näheren Verkehr zu treten. Daß ſie ſämmtlich ſehr
ſcharfſinnig ſind, namentlich vortrefflich ſehen und hören, ergibt die einfache Beobachtung; daß es
ihnen nicht an Urtheil und Ueberlegung gebricht, erfährt man ebenfalls ſehr bald. Vorſichtig bleiben
ſie unter allen Umſtänden, und wenn ſie auch beim Neſte einen großen Theil ihrer Scheu ablegen,
geben ſie ſich doch niemals gedankenloſer Sorgloſigkeit hin, achten vielmehr auf Alles und Jedes,
was um ſie her vorgeht, und trauen ſelteu. Ob ſie gefährliche Menſchen von ungefährlichen zu
unterſcheiden wiſſen, möchte zu bezweifeln ſein; ſie nehmen vielmehr das Gewiſſe für das Ungewiſſe
und ſuchen ſich der unangenehmen Nähe des Menſchen ſoviel als möglich zu entziehen. Ausnahmen
von dieſer Regel ſind allerdings auch beobachtet worden. So bemerkte Graba einen Eistaucher am
Ufer, welcher die Aufmerkſamkeit von vier oder fünf Knaben erregte und ſich eine Zeitlang mit
Steinen werfen ließ. „Sobald ein ſolcher nah bei ihm niederſchlug, ſtreckte er den Kopf in das
Waſſer, um zu ſehen, was es ſei, tauchte auch wohl nach demſelben. Ueber dreißig Steinwürfe
wurden nach ihm gethan, und mehrere trafen ihn, ohne daß er ſich deshalb entfernte.“ Solche Vor-
kommniſſe ſind jedoch ſelten. Gewöhnlich meiden die Seetaucher jedes fremdartige Geſchöpf ſoviel
als möglich, machen ſich überhaupt wenig aus der Geſellſchaft anderer Weſen, lieben nicht einmal die
Jhresgleichen. Sehr häufig trifft man ſie ganz einzeln an, während der Brutzeit allerdings treu-
innig verbunden in Paaren, aber kaum zwei Paare auf einem und demſelben Teiche und nur
ausnahmsweiſe ein Paar auf ſolchem, welcher bereits von anderen Vögeln bewohnt wird. Während
des Zuges oder in Gefangenſchaft halten ſie ſich immer entfernt von anderen Schwimmvögeln, und
wenn dieſe ſich ihnen nähern, hauen ſie auch wohl nach ihnen; hämiſch und boshaft aber kann man
ſie eigentlich nicht nennen. Jn die Enge getrieben, vertheidigen ſie ſich wüthend und bringen mit
dem ſcharfen Schnabel ernſthafte Wunden bei; ihre Angriffe haben auch ſcheinbar etwas Tückiſches,
weil ſie ſo ſchnell erfolgen; ihr Gebahren läßt ſich jedoch kaum mit dem der Reiher vergleichen und
gewiß nicht boshaft nennen: ſie bekunden bei der Vertheidigung mehr eine gewiſſe Dummdreiſtigkeit
als berechnende Ueberlegung.

Jch zweifle, daß ein Seetaucher etwas Anderes als Fiſche zu ſich nimmt; ſolange er ſich auf
dem Meere befindet, hält er ſich gewiß ausſchließlich an dieſe. Seine außerordentliche Schwimm-
und Tauchfertigkeit macht es ihm leicht, ſich mit der nöthigen Nahrung zu verſorgen, um ſo mehr, als
man ihn eigentlich nicht zu den gefräßigen Vögeln rechnen, vielmehr als einen anſpruchsloſen Vogel

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[946/0998] Die Schwimmer. Taucher. Seetaucher. oft auf dem Lande, niemals aber einen aufgerichtet ſtehen, niemals einen auf den Zehen oder Fuß- wurzeln dahin gehen, ſondern ſtets nur mit Hilfe des Schnabels und Halſes, ſowie der Flügel und Füße kriechen ſehen. Der Flug iſt viel beſſer, als man meinen möchte, wenn man den ſchweren Leib mit den kleinen Fittigen vergleicht. Zwar müſſen die Seetaucher erſt einen tüchtigen Anlauf nehmen, wenn ſie ſich erheben wollen; haben ſie jedoch erſt eine gewiſſe Höhe gewonnen, ſo eilen ſie ſehr raſch dahin, obgleich ſie die kurzen Fittige mit ſehr ſchnellen Schlägen fortwährend bewegen müſſen. Außerordentlich ſchön iſt der Flug, wenn ſich die Vögel, wie ſie es regelmäßig thun, von den hohen Küſtenbergen herab in das Meer ſtürzen. Sie bewegen dann die Flügel nur ſoviel, als eben nöthig iſt, um eine ſchiefe Flugrichtung zu ermöglichen, und ſchießen unter ſauſendem Geräuſch, ſich bald auf die eine, bald auf die andere Seite wendend, wirklich pfeilſchnell in die Tiefe hinab und verſenken ſich unmittelbar darauf im Waſſer. Alle Seetaucher und ſo auch der rothkehlige zeichnen ſich durch ihre laute Stimme vor anderen Seevögeln aus. Die meiſten Forſcher nennen die Töne, welche ſie hören laſſen, unangenehm und widerlich, während ich ſagen muß, daß ich das laute Rufen ſtets gern vernommen habe, obgleich ich allerdings nicht leugnen will, daß das Knarren rauh und das darauf folgende Schreien heulend klingt. Die durchdringende Stimme des Eistauchers ſoll, nach Faber, ein ſchauderhaftes Echo in den umliegenden Bergen hervorrufen und den Wehklagen eines Menſchen in Lebensgefahr ähneln; die Stimme des rothkehligen Seetauchers nennt derſelbe Naturforſcher hart, ſchnarrend und laut jammernd und verſucht ſie durch die Silben „Aauh, auh“ und „Ak, ak“ wieder- zugeben. Ueber die geiſtigen Eigenſchaften der Seetaucher ſind die Meinungen noch getheilt, weil wir zu wenig Gelegenheit haben, mit ihnen in näheren Verkehr zu treten. Daß ſie ſämmtlich ſehr ſcharfſinnig ſind, namentlich vortrefflich ſehen und hören, ergibt die einfache Beobachtung; daß es ihnen nicht an Urtheil und Ueberlegung gebricht, erfährt man ebenfalls ſehr bald. Vorſichtig bleiben ſie unter allen Umſtänden, und wenn ſie auch beim Neſte einen großen Theil ihrer Scheu ablegen, geben ſie ſich doch niemals gedankenloſer Sorgloſigkeit hin, achten vielmehr auf Alles und Jedes, was um ſie her vorgeht, und trauen ſelteu. Ob ſie gefährliche Menſchen von ungefährlichen zu unterſcheiden wiſſen, möchte zu bezweifeln ſein; ſie nehmen vielmehr das Gewiſſe für das Ungewiſſe und ſuchen ſich der unangenehmen Nähe des Menſchen ſoviel als möglich zu entziehen. Ausnahmen von dieſer Regel ſind allerdings auch beobachtet worden. So bemerkte Graba einen Eistaucher am Ufer, welcher die Aufmerkſamkeit von vier oder fünf Knaben erregte und ſich eine Zeitlang mit Steinen werfen ließ. „Sobald ein ſolcher nah bei ihm niederſchlug, ſtreckte er den Kopf in das Waſſer, um zu ſehen, was es ſei, tauchte auch wohl nach demſelben. Ueber dreißig Steinwürfe wurden nach ihm gethan, und mehrere trafen ihn, ohne daß er ſich deshalb entfernte.“ Solche Vor- kommniſſe ſind jedoch ſelten. Gewöhnlich meiden die Seetaucher jedes fremdartige Geſchöpf ſoviel als möglich, machen ſich überhaupt wenig aus der Geſellſchaft anderer Weſen, lieben nicht einmal die Jhresgleichen. Sehr häufig trifft man ſie ganz einzeln an, während der Brutzeit allerdings treu- innig verbunden in Paaren, aber kaum zwei Paare auf einem und demſelben Teiche und nur ausnahmsweiſe ein Paar auf ſolchem, welcher bereits von anderen Vögeln bewohnt wird. Während des Zuges oder in Gefangenſchaft halten ſie ſich immer entfernt von anderen Schwimmvögeln, und wenn dieſe ſich ihnen nähern, hauen ſie auch wohl nach ihnen; hämiſch und boshaft aber kann man ſie eigentlich nicht nennen. Jn die Enge getrieben, vertheidigen ſie ſich wüthend und bringen mit dem ſcharfen Schnabel ernſthafte Wunden bei; ihre Angriffe haben auch ſcheinbar etwas Tückiſches, weil ſie ſo ſchnell erfolgen; ihr Gebahren läßt ſich jedoch kaum mit dem der Reiher vergleichen und gewiß nicht boshaft nennen: ſie bekunden bei der Vertheidigung mehr eine gewiſſe Dummdreiſtigkeit als berechnende Ueberlegung. Jch zweifle, daß ein Seetaucher etwas Anderes als Fiſche zu ſich nimmt; ſolange er ſich auf dem Meere befindet, hält er ſich gewiß ausſchließlich an dieſe. Seine außerordentliche Schwimm- und Tauchfertigkeit macht es ihm leicht, ſich mit der nöthigen Nahrung zu verſorgen, um ſo mehr, als man ihn eigentlich nicht zu den gefräßigen Vögeln rechnen, vielmehr als einen anſpruchsloſen Vogel

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 946. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/998>, abgerufen am 22.11.2024.