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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines über die Seetaucher.
bezeichnen kann. Er fängt seine Beute durch schnelles Nachjagen im Wasser oder holt sie sich vom
Grunde desselben empor. Schmale Fische sind ihm selbstverständlich lieber als breite, aber auch diese
werden nicht verschmäht. "Oftmals", sagt Graba, welcher Eistaucher von seinem Fenster aus
im Hafen beobachten konnte, "sah ich sie große Flunder verzehren, und sie wußten mit ihnen sehr bald
fertig zu werden. Um ihn zu zerstückeln, ließen sie den Fisch aus dem Schnabel ins Wasser fallen,
hackten ein großes Stück heraus, schüttelten ihn tüchtig und wiederholten Das, bis sie ihn
verzehrt hatten." Kleine Fische schlucken sie selbstverständlich ganz hinab; aber schon solche von
der Größe eines Herings verursachen ihnen Beschwer. Aus dem Betragen der Gefangenen kann
man schließen, daß sie nur lebende Beute verzehren; denn diejenigen, welche man eben fing, wollen
anfänglich gar nicht ans Futter, nehmen mindestens vom Grunde des Wassers oder vom Lande keinen
Fisch auf und müssen erst nach und nach an das ihnen widerliche Fischaas gewöhnt werden, indem
man ihnen die kleinen Fische einzeln zu und so ins Wasser wirft, daß es aussieht, als ob sie sich
bewegen. Dagegen fressen die Frischgefangenen sofort, nachdem man sie in ein größeres Wasserbecken
brachte, wenn dieses mit lebenden Fischen besetzt ist: sie beginnen zu tauchen und unwillkürlich
dabei zu jagen.

Alle Seetaucher wählen sich zum Brüten kleine, stille Süßwasserteiche unweit der Küste, zuweilen
jedoch solche, welche in bedeutender Höhe über dem Meere liegen. Auf den Lofodden beobachtete ich
viele Pärchen des rothkehligen Seetauchers, die meisten hoch oben auf den kleinen Alpseen und zwar
auf solchen, welche nach Versicherung der Norweger arm an Fischen waren, bezüglich gar keine
beherbergten. Andere Vögel habe ich niemals auf denselben Teichen gesehen; es wird indeß von
früheren Beobachtern angegeben, daß unser Taucher zuweilen mit einem seiner Verwandten oder mit
der arktischen Seeschwalbe einen und denselben Teich bewohnt. Während der Fortpflanzungszeit
vernimmt man die schallende Stimme öfterer als sonst, insbesondere dann, wenn das Pärchen sich
aus der Höhe herab in das Meer stürzt, um hier zu fischen, wie es regelmäßig allabendlich geschieht.
Die Nester stehen auf kleinen Jnseln der Teiche oder, wo diese fehlen, am Ufer, immer sehr nah am
Wasser und werden aus dürrem Schilf- und Riedgrase liederlich zusammengeschichtet, auch durchaus
nicht verborgen angelegt, sodaß man den brütenden Vogel von Weitem sehen kann. Zwei lang-
gestreckte, starke und festschalige, grobkörnige, jedoch etwas glänzende, auf düsterölgrünem Grunde
mit dunkelaschgrauen Unterflecken und röthlichschwarzbraunen Oberflecken, Punkten und Tüpfeln
gezeichnete Eier bilden das Gelege. Beide Gatten brüten abwechselnd mit gleichem Eifer und über-
nehmen auch gemeinschaftlich die Führung der Jungen. Ende Mais findet man die Eier, Ende
Junis gewöhnlich die Jungen; wie lange die Brutzeit währt, ist zur Zeit noch nicht bekannt. Jst
der Brutteich selbst fischreich, so verlassen beide Alten die Jungen nicht, während sie Dies abwechselnd
thun, wenn sie nach dem Meere fliegen müssen, um hier sich zu ernähren; wahrscheinlich tragen sie
dann auch den Jungen Speise zu. Letztere zeigen sich vom ersten Tage ihres Lebens an sehr geschickt
und suchen sich ihre Nahrung selbst, werden jedoch von den Alten unterrichtet und ebenso auch unter-
halten; erst nachdem sie flügge geworden sind, verlassen sie den Ort der Kindheit, fliegen auf das
Meer hinaus und leben nun ganz wie die Alten.

Einen eigentlichen Nutzen gewähren die Seetaucher nicht. Jhr Fleisch erscheint vielen Menschen
ungenießbar, ihr Federkleid ist nicht zu verwerthen. Jn ihrer nordischen Heimat stellt ihnen eigentlich
Niemand nach, und auch bei uns zu Lande verfolgt man sie nicht absichtlich oder regelmäßig.
Jhre Jagd erfordert wegen ihrer Scheu und Vorsicht einen geübten Jäger und führt keineswegs
immer zum Ziele. Gefangen werden sie zufällig. Sie verwickeln sich in den Fischernetzen und
werden blos dann lebend aufgebracht, wenn der Fischer sie rechtzeitig bemerkt.



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Allgemeines über die Seetaucher.
bezeichnen kann. Er fängt ſeine Beute durch ſchnelles Nachjagen im Waſſer oder holt ſie ſich vom
Grunde deſſelben empor. Schmale Fiſche ſind ihm ſelbſtverſtändlich lieber als breite, aber auch dieſe
werden nicht verſchmäht. „Oftmals“, ſagt Graba, welcher Eistaucher von ſeinem Fenſter aus
im Hafen beobachten konnte, „ſah ich ſie große Flunder verzehren, und ſie wußten mit ihnen ſehr bald
fertig zu werden. Um ihn zu zerſtückeln, ließen ſie den Fiſch aus dem Schnabel ins Waſſer fallen,
hackten ein großes Stück heraus, ſchüttelten ihn tüchtig und wiederholten Das, bis ſie ihn
verzehrt hatten.“ Kleine Fiſche ſchlucken ſie ſelbſtverſtändlich ganz hinab; aber ſchon ſolche von
der Größe eines Herings verurſachen ihnen Beſchwer. Aus dem Betragen der Gefangenen kann
man ſchließen, daß ſie nur lebende Beute verzehren; denn diejenigen, welche man eben fing, wollen
anfänglich gar nicht ans Futter, nehmen mindeſtens vom Grunde des Waſſers oder vom Lande keinen
Fiſch auf und müſſen erſt nach und nach an das ihnen widerliche Fiſchaas gewöhnt werden, indem
man ihnen die kleinen Fiſche einzeln zu und ſo ins Waſſer wirft, daß es ausſieht, als ob ſie ſich
bewegen. Dagegen freſſen die Friſchgefangenen ſofort, nachdem man ſie in ein größeres Waſſerbecken
brachte, wenn dieſes mit lebenden Fiſchen beſetzt iſt: ſie beginnen zu tauchen und unwillkürlich
dabei zu jagen.

Alle Seetaucher wählen ſich zum Brüten kleine, ſtille Süßwaſſerteiche unweit der Küſte, zuweilen
jedoch ſolche, welche in bedeutender Höhe über dem Meere liegen. Auf den Lofodden beobachtete ich
viele Pärchen des rothkehligen Seetauchers, die meiſten hoch oben auf den kleinen Alpſeen und zwar
auf ſolchen, welche nach Verſicherung der Norweger arm an Fiſchen waren, bezüglich gar keine
beherbergten. Andere Vögel habe ich niemals auf denſelben Teichen geſehen; es wird indeß von
früheren Beobachtern angegeben, daß unſer Taucher zuweilen mit einem ſeiner Verwandten oder mit
der arktiſchen Seeſchwalbe einen und denſelben Teich bewohnt. Während der Fortpflanzungszeit
vernimmt man die ſchallende Stimme öfterer als ſonſt, insbeſondere dann, wenn das Pärchen ſich
aus der Höhe herab in das Meer ſtürzt, um hier zu fiſchen, wie es regelmäßig allabendlich geſchieht.
Die Neſter ſtehen auf kleinen Jnſeln der Teiche oder, wo dieſe fehlen, am Ufer, immer ſehr nah am
Waſſer und werden aus dürrem Schilf- und Riedgraſe liederlich zuſammengeſchichtet, auch durchaus
nicht verborgen angelegt, ſodaß man den brütenden Vogel von Weitem ſehen kann. Zwei lang-
geſtreckte, ſtarke und feſtſchalige, grobkörnige, jedoch etwas glänzende, auf düſterölgrünem Grunde
mit dunkelaſchgrauen Unterflecken und röthlichſchwarzbraunen Oberflecken, Punkten und Tüpfeln
gezeichnete Eier bilden das Gelege. Beide Gatten brüten abwechſelnd mit gleichem Eifer und über-
nehmen auch gemeinſchaftlich die Führung der Jungen. Ende Mais findet man die Eier, Ende
Junis gewöhnlich die Jungen; wie lange die Brutzeit währt, iſt zur Zeit noch nicht bekannt. Jſt
der Brutteich ſelbſt fiſchreich, ſo verlaſſen beide Alten die Jungen nicht, während ſie Dies abwechſelnd
thun, wenn ſie nach dem Meere fliegen müſſen, um hier ſich zu ernähren; wahrſcheinlich tragen ſie
dann auch den Jungen Speiſe zu. Letztere zeigen ſich vom erſten Tage ihres Lebens an ſehr geſchickt
und ſuchen ſich ihre Nahrung ſelbſt, werden jedoch von den Alten unterrichtet und ebenſo auch unter-
halten; erſt nachdem ſie flügge geworden ſind, verlaſſen ſie den Ort der Kindheit, fliegen auf das
Meer hinaus und leben nun ganz wie die Alten.

Einen eigentlichen Nutzen gewähren die Seetaucher nicht. Jhr Fleiſch erſcheint vielen Menſchen
ungenießbar, ihr Federkleid iſt nicht zu verwerthen. Jn ihrer nordiſchen Heimat ſtellt ihnen eigentlich
Niemand nach, und auch bei uns zu Lande verfolgt man ſie nicht abſichtlich oder regelmäßig.
Jhre Jagd erfordert wegen ihrer Scheu und Vorſicht einen geübten Jäger und führt keineswegs
immer zum Ziele. Gefangen werden ſie zufällig. Sie verwickeln ſich in den Fiſchernetzen und
werden blos dann lebend aufgebracht, wenn der Fiſcher ſie rechtzeitig bemerkt.



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[947/0999] Allgemeines über die Seetaucher. bezeichnen kann. Er fängt ſeine Beute durch ſchnelles Nachjagen im Waſſer oder holt ſie ſich vom Grunde deſſelben empor. Schmale Fiſche ſind ihm ſelbſtverſtändlich lieber als breite, aber auch dieſe werden nicht verſchmäht. „Oftmals“, ſagt Graba, welcher Eistaucher von ſeinem Fenſter aus im Hafen beobachten konnte, „ſah ich ſie große Flunder verzehren, und ſie wußten mit ihnen ſehr bald fertig zu werden. Um ihn zu zerſtückeln, ließen ſie den Fiſch aus dem Schnabel ins Waſſer fallen, hackten ein großes Stück heraus, ſchüttelten ihn tüchtig und wiederholten Das, bis ſie ihn verzehrt hatten.“ Kleine Fiſche ſchlucken ſie ſelbſtverſtändlich ganz hinab; aber ſchon ſolche von der Größe eines Herings verurſachen ihnen Beſchwer. Aus dem Betragen der Gefangenen kann man ſchließen, daß ſie nur lebende Beute verzehren; denn diejenigen, welche man eben fing, wollen anfänglich gar nicht ans Futter, nehmen mindeſtens vom Grunde des Waſſers oder vom Lande keinen Fiſch auf und müſſen erſt nach und nach an das ihnen widerliche Fiſchaas gewöhnt werden, indem man ihnen die kleinen Fiſche einzeln zu und ſo ins Waſſer wirft, daß es ausſieht, als ob ſie ſich bewegen. Dagegen freſſen die Friſchgefangenen ſofort, nachdem man ſie in ein größeres Waſſerbecken brachte, wenn dieſes mit lebenden Fiſchen beſetzt iſt: ſie beginnen zu tauchen und unwillkürlich dabei zu jagen. Alle Seetaucher wählen ſich zum Brüten kleine, ſtille Süßwaſſerteiche unweit der Küſte, zuweilen jedoch ſolche, welche in bedeutender Höhe über dem Meere liegen. Auf den Lofodden beobachtete ich viele Pärchen des rothkehligen Seetauchers, die meiſten hoch oben auf den kleinen Alpſeen und zwar auf ſolchen, welche nach Verſicherung der Norweger arm an Fiſchen waren, bezüglich gar keine beherbergten. Andere Vögel habe ich niemals auf denſelben Teichen geſehen; es wird indeß von früheren Beobachtern angegeben, daß unſer Taucher zuweilen mit einem ſeiner Verwandten oder mit der arktiſchen Seeſchwalbe einen und denſelben Teich bewohnt. Während der Fortpflanzungszeit vernimmt man die ſchallende Stimme öfterer als ſonſt, insbeſondere dann, wenn das Pärchen ſich aus der Höhe herab in das Meer ſtürzt, um hier zu fiſchen, wie es regelmäßig allabendlich geſchieht. Die Neſter ſtehen auf kleinen Jnſeln der Teiche oder, wo dieſe fehlen, am Ufer, immer ſehr nah am Waſſer und werden aus dürrem Schilf- und Riedgraſe liederlich zuſammengeſchichtet, auch durchaus nicht verborgen angelegt, ſodaß man den brütenden Vogel von Weitem ſehen kann. Zwei lang- geſtreckte, ſtarke und feſtſchalige, grobkörnige, jedoch etwas glänzende, auf düſterölgrünem Grunde mit dunkelaſchgrauen Unterflecken und röthlichſchwarzbraunen Oberflecken, Punkten und Tüpfeln gezeichnete Eier bilden das Gelege. Beide Gatten brüten abwechſelnd mit gleichem Eifer und über- nehmen auch gemeinſchaftlich die Führung der Jungen. Ende Mais findet man die Eier, Ende Junis gewöhnlich die Jungen; wie lange die Brutzeit währt, iſt zur Zeit noch nicht bekannt. Jſt der Brutteich ſelbſt fiſchreich, ſo verlaſſen beide Alten die Jungen nicht, während ſie Dies abwechſelnd thun, wenn ſie nach dem Meere fliegen müſſen, um hier ſich zu ernähren; wahrſcheinlich tragen ſie dann auch den Jungen Speiſe zu. Letztere zeigen ſich vom erſten Tage ihres Lebens an ſehr geſchickt und ſuchen ſich ihre Nahrung ſelbſt, werden jedoch von den Alten unterrichtet und ebenſo auch unter- halten; erſt nachdem ſie flügge geworden ſind, verlaſſen ſie den Ort der Kindheit, fliegen auf das Meer hinaus und leben nun ganz wie die Alten. Einen eigentlichen Nutzen gewähren die Seetaucher nicht. Jhr Fleiſch erſcheint vielen Menſchen ungenießbar, ihr Federkleid iſt nicht zu verwerthen. Jn ihrer nordiſchen Heimat ſtellt ihnen eigentlich Niemand nach, und auch bei uns zu Lande verfolgt man ſie nicht abſichtlich oder regelmäßig. Jhre Jagd erfordert wegen ihrer Scheu und Vorſicht einen geübten Jäger und führt keineswegs immer zum Ziele. Gefangen werden ſie zufällig. Sie verwickeln ſich in den Fiſchernetzen und werden blos dann lebend aufgebracht, wenn der Fiſcher ſie rechtzeitig bemerkt. 60*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 947. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/999>, abgerufen am 22.11.2024.