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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schuppenechsen. Leguane. Höckerköpfe.

Beide Arten bewohnen den nördlichen Theil Brasiliens und die Länder um und in dem Meer-
busen von Mejiko, also auch die Antillen; beide leben auf Bäumen, am liebsten auf solchen, welche
an den Ufern von Gewässern stehen. Hier bewegen sie sich mit großer Geschwindigkeit, von Zweig zu
Zweig kletternd und springend, wissen sich auch geschickt im Gelaube zu verstecken und dem ungeübten
Auge unsichtbar zu machen. Gegen Abend steigen sie nicht selten zum Boden herab, um auch hier
ihre Jagd zu betreiben, bei Gefahr aber flüchten sie, falls es ihnen irgend möglich, wieder zu den
hohen Wipfeln der Bäume empor, oder, wie wir bereits wissen, in die Tiefe des Wassers. Jn
letzterem sind sie ebensogut zu Hause als der Waran, und ihr kräftiger Schwanz, welcher als Ruder
gebraucht wird, fördert sie mit überraschender Schnelligkeit und Sicherheit. Man sagt, daß sie sehr
lange unter Wasser aushalten können und kaum vor Ablauf einer Stunde durch Athemholen zum
Emporkommen gezwungen werden. Dumeril bemerkt, daß er in dem Magen aller von ihm unter-
suchten Leguane nur Pflanzenstoffe gefunden habe; die Reisenden aber, welche diese Thiere in der
Freiheit beobachteten, stimmen darin überein, daß sie allesammt auch auf lebende Thiere Jagd machen.
Belcher sah auf der Jnsel Jsabella Schwärme von Leguanen, welche als wahre Allesfresser Eier,
Kerbthiere und weggeworfene Eingeweide von Vögeln gierig aufzehrten, und Liebmann beobachtete
eine Art der Familie, welche abends regelmäßig in der Steppe auf Heuschrecken jagte: Schom-
burgk's
Angabe steht also keineswegs vereinzelt da.

Das Wesen der Leguane hat wenig Anziehendes. Viel Verstand scheinen sie nicht zu besitzen,
wohl aber Bosheit und Tücke. Gewöhnlich entfliehen sie beim Anblicke des Menschen, weil sie doch
gelernt haben, in diesem ihren gefährlichsten Feind zu sehen; in die Enge getrieben aber stellen sie sich
muthig zur Wehre, blasen sich zunächst auf und dehnen den Halskamm aus, um sich ein furchtein-
flößendes Ansehen zu geben, zischen, fauchen, springen auf ihren Gegner zu, versuchen sich an ihm
festzubeißen und lassen das einmal mit dem kräftigen Gebiß Erfaßte so leicht nicht wieder los, theilen
auch mit dem kräftigen Schwanze heftige und schmerzhafte Schläge aus. Während der Paarungszeit
sollen sie sehr erregt und noch viel boshafter sein als sonst, das erwählte Weibchen nicht verlassen und
auf jedes sich diesem nähernde Geschöpf wüthend losstürzen, auch unter sich grimmig um den Besitz
der Weibchen kämpfen. Letztere legen einige Wochen nach erfolgter Begattung runde, denen der
Tauben an Größe gleichende, eliptische, weiße und glattschalige Eier in ein Loch im Sande und decken
dasselbe sorgfältig wieder zu, bekümmern sich dann aber nicht mehr um die Brut. Aeltere Bericht-
erstatter geben als Anzahl der Eier sechzig bis siebzig an; Schomburgk hingegen bemerkt, daß er
in den Eierstöcken der von ihm erlegten Weibchen nur achtzehn bis vierundzwanzig befruchtete Keime
fand. Die ausgeschlüpften Jungen scheinen längere Zeit zusammen zu bleiben, da Humboldt
erwähnt, daß ihm von seinem Führer ein Nest junger, vier Zoll langer Leguane gezeigt wurde.
"Diese Thiere waren kaum von einer gemeinen Eidechse zu unterscheiden; die Rückenstacheln, die
großen, aufgerichteten Schuppen, alle die Anhängsel, welche dem Leguan, wenn er vier bis fünf Fuß
lang ist, ein so ungeheuerliches Ansehen geben, waren kaum in ihren ersten Anfängen vorhanden."

Jn Westindien ist die Ansicht, daß das Fleisch der Leguane ungesund sei, in gewissen Krantheiten
insbesondere die Zufälle vermehre, ziemlich allgemein verbreitet; gleichwohl kehrt sich Niemand an
diese Meinung, sucht vielmehr, fast mit demselben Eifer wie die Begleiter Schomburgk's, sich ein so
leckeres Gericht für die Küche zu verschaffen. Catesby, welcher im Jahre 1743 eine Naturgeschichte
von Carolina schrieb, sagt, daß die dort lebenden Leguane, ein gewöhnlicher und einträglicher Handels-
gegenstand, gefangen von Hand zu Hand gingen und auf dem Festlande endlich zu hohem Preise für
die Tafel reicher Leute gekauft würden. Das Fleisch galt für leicht verdaulich, nährend und schmack-
haft und ward gebraten, häufiger aber noch gekocht gegessen. Die Eier, in welchen sich fast kein
Eiweiß findet, und welche beim Kochen nicht erhärten, wurden oder werden gewöhnlich zur Herstellung
der Brühen benutzt. Eigene Fänger beschäftigten sich mit der Aufsuchung dieses sonderbaren Wildes
und wendeten verschiedene Fangarten an, um sich in Besitz desselben zu setzen. Eine mit den
Schomburgk'schen Angaben im entschiedensten Widerspruche stehende Fangart wird von mehreren

Die Schuppenechſen. Leguane. Höckerköpfe.

Beide Arten bewohnen den nördlichen Theil Braſiliens und die Länder um und in dem Meer-
buſen von Mejiko, alſo auch die Antillen; beide leben auf Bäumen, am liebſten auf ſolchen, welche
an den Ufern von Gewäſſern ſtehen. Hier bewegen ſie ſich mit großer Geſchwindigkeit, von Zweig zu
Zweig kletternd und ſpringend, wiſſen ſich auch geſchickt im Gelaube zu verſtecken und dem ungeübten
Auge unſichtbar zu machen. Gegen Abend ſteigen ſie nicht ſelten zum Boden herab, um auch hier
ihre Jagd zu betreiben, bei Gefahr aber flüchten ſie, falls es ihnen irgend möglich, wieder zu den
hohen Wipfeln der Bäume empor, oder, wie wir bereits wiſſen, in die Tiefe des Waſſers. Jn
letzterem ſind ſie ebenſogut zu Hauſe als der Waran, und ihr kräftiger Schwanz, welcher als Ruder
gebraucht wird, fördert ſie mit überraſchender Schnelligkeit und Sicherheit. Man ſagt, daß ſie ſehr
lange unter Waſſer aushalten können und kaum vor Ablauf einer Stunde durch Athemholen zum
Emporkommen gezwungen werden. Dumeril bemerkt, daß er in dem Magen aller von ihm unter-
ſuchten Leguane nur Pflanzenſtoffe gefunden habe; die Reiſenden aber, welche dieſe Thiere in der
Freiheit beobachteten, ſtimmen darin überein, daß ſie alleſammt auch auf lebende Thiere Jagd machen.
Belcher ſah auf der Jnſel Jſabella Schwärme von Leguanen, welche als wahre Allesfreſſer Eier,
Kerbthiere und weggeworfene Eingeweide von Vögeln gierig aufzehrten, und Liebmann beobachtete
eine Art der Familie, welche abends regelmäßig in der Steppe auf Heuſchrecken jagte: Schom-
burgk’s
Angabe ſteht alſo keineswegs vereinzelt da.

Das Weſen der Leguane hat wenig Anziehendes. Viel Verſtand ſcheinen ſie nicht zu beſitzen,
wohl aber Bosheit und Tücke. Gewöhnlich entfliehen ſie beim Anblicke des Menſchen, weil ſie doch
gelernt haben, in dieſem ihren gefährlichſten Feind zu ſehen; in die Enge getrieben aber ſtellen ſie ſich
muthig zur Wehre, blaſen ſich zunächſt auf und dehnen den Halskamm aus, um ſich ein furchtein-
flößendes Anſehen zu geben, ziſchen, fauchen, ſpringen auf ihren Gegner zu, verſuchen ſich an ihm
feſtzubeißen und laſſen das einmal mit dem kräftigen Gebiß Erfaßte ſo leicht nicht wieder los, theilen
auch mit dem kräftigen Schwanze heftige und ſchmerzhafte Schläge aus. Während der Paarungszeit
ſollen ſie ſehr erregt und noch viel boshafter ſein als ſonſt, das erwählte Weibchen nicht verlaſſen und
auf jedes ſich dieſem nähernde Geſchöpf wüthend losſtürzen, auch unter ſich grimmig um den Beſitz
der Weibchen kämpfen. Letztere legen einige Wochen nach erfolgter Begattung runde, denen der
Tauben an Größe gleichende, eliptiſche, weiße und glattſchalige Eier in ein Loch im Sande und decken
daſſelbe ſorgfältig wieder zu, bekümmern ſich dann aber nicht mehr um die Brut. Aeltere Bericht-
erſtatter geben als Anzahl der Eier ſechzig bis ſiebzig an; Schomburgk hingegen bemerkt, daß er
in den Eierſtöcken der von ihm erlegten Weibchen nur achtzehn bis vierundzwanzig befruchtete Keime
fand. Die ausgeſchlüpften Jungen ſcheinen längere Zeit zuſammen zu bleiben, da Humboldt
erwähnt, daß ihm von ſeinem Führer ein Neſt junger, vier Zoll langer Leguane gezeigt wurde.
„Dieſe Thiere waren kaum von einer gemeinen Eidechſe zu unterſcheiden; die Rückenſtacheln, die
großen, aufgerichteten Schuppen, alle die Anhängſel, welche dem Leguan, wenn er vier bis fünf Fuß
lang iſt, ein ſo ungeheuerliches Anſehen geben, waren kaum in ihren erſten Anfängen vorhanden.“

Jn Weſtindien iſt die Anſicht, daß das Fleiſch der Leguane ungeſund ſei, in gewiſſen Krantheiten
insbeſondere die Zufälle vermehre, ziemlich allgemein verbreitet; gleichwohl kehrt ſich Niemand an
dieſe Meinung, ſucht vielmehr, faſt mit demſelben Eifer wie die Begleiter Schomburgk’s, ſich ein ſo
leckeres Gericht für die Küche zu verſchaffen. Catesby, welcher im Jahre 1743 eine Naturgeſchichte
von Carolina ſchrieb, ſagt, daß die dort lebenden Leguane, ein gewöhnlicher und einträglicher Handels-
gegenſtand, gefangen von Hand zu Hand gingen und auf dem Feſtlande endlich zu hohem Preiſe für
die Tafel reicher Leute gekauft würden. Das Fleiſch galt für leicht verdaulich, nährend und ſchmack-
haft und ward gebraten, häufiger aber noch gekocht gegeſſen. Die Eier, in welchen ſich faſt kein
Eiweiß findet, und welche beim Kochen nicht erhärten, wurden oder werden gewöhnlich zur Herſtellung
der Brühen benutzt. Eigene Fänger beſchäftigten ſich mit der Aufſuchung dieſes ſonderbaren Wildes
und wendeten verſchiedene Fangarten an, um ſich in Beſitz deſſelben zu ſetzen. Eine mit den
Schomburgk’ſchen Angaben im entſchiedenſten Widerſpruche ſtehende Fangart wird von mehreren

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[132/0150] Die Schuppenechſen. Leguane. Höckerköpfe. Beide Arten bewohnen den nördlichen Theil Braſiliens und die Länder um und in dem Meer- buſen von Mejiko, alſo auch die Antillen; beide leben auf Bäumen, am liebſten auf ſolchen, welche an den Ufern von Gewäſſern ſtehen. Hier bewegen ſie ſich mit großer Geſchwindigkeit, von Zweig zu Zweig kletternd und ſpringend, wiſſen ſich auch geſchickt im Gelaube zu verſtecken und dem ungeübten Auge unſichtbar zu machen. Gegen Abend ſteigen ſie nicht ſelten zum Boden herab, um auch hier ihre Jagd zu betreiben, bei Gefahr aber flüchten ſie, falls es ihnen irgend möglich, wieder zu den hohen Wipfeln der Bäume empor, oder, wie wir bereits wiſſen, in die Tiefe des Waſſers. Jn letzterem ſind ſie ebenſogut zu Hauſe als der Waran, und ihr kräftiger Schwanz, welcher als Ruder gebraucht wird, fördert ſie mit überraſchender Schnelligkeit und Sicherheit. Man ſagt, daß ſie ſehr lange unter Waſſer aushalten können und kaum vor Ablauf einer Stunde durch Athemholen zum Emporkommen gezwungen werden. Dumeril bemerkt, daß er in dem Magen aller von ihm unter- ſuchten Leguane nur Pflanzenſtoffe gefunden habe; die Reiſenden aber, welche dieſe Thiere in der Freiheit beobachteten, ſtimmen darin überein, daß ſie alleſammt auch auf lebende Thiere Jagd machen. Belcher ſah auf der Jnſel Jſabella Schwärme von Leguanen, welche als wahre Allesfreſſer Eier, Kerbthiere und weggeworfene Eingeweide von Vögeln gierig aufzehrten, und Liebmann beobachtete eine Art der Familie, welche abends regelmäßig in der Steppe auf Heuſchrecken jagte: Schom- burgk’s Angabe ſteht alſo keineswegs vereinzelt da. Das Weſen der Leguane hat wenig Anziehendes. Viel Verſtand ſcheinen ſie nicht zu beſitzen, wohl aber Bosheit und Tücke. Gewöhnlich entfliehen ſie beim Anblicke des Menſchen, weil ſie doch gelernt haben, in dieſem ihren gefährlichſten Feind zu ſehen; in die Enge getrieben aber ſtellen ſie ſich muthig zur Wehre, blaſen ſich zunächſt auf und dehnen den Halskamm aus, um ſich ein furchtein- flößendes Anſehen zu geben, ziſchen, fauchen, ſpringen auf ihren Gegner zu, verſuchen ſich an ihm feſtzubeißen und laſſen das einmal mit dem kräftigen Gebiß Erfaßte ſo leicht nicht wieder los, theilen auch mit dem kräftigen Schwanze heftige und ſchmerzhafte Schläge aus. Während der Paarungszeit ſollen ſie ſehr erregt und noch viel boshafter ſein als ſonſt, das erwählte Weibchen nicht verlaſſen und auf jedes ſich dieſem nähernde Geſchöpf wüthend losſtürzen, auch unter ſich grimmig um den Beſitz der Weibchen kämpfen. Letztere legen einige Wochen nach erfolgter Begattung runde, denen der Tauben an Größe gleichende, eliptiſche, weiße und glattſchalige Eier in ein Loch im Sande und decken daſſelbe ſorgfältig wieder zu, bekümmern ſich dann aber nicht mehr um die Brut. Aeltere Bericht- erſtatter geben als Anzahl der Eier ſechzig bis ſiebzig an; Schomburgk hingegen bemerkt, daß er in den Eierſtöcken der von ihm erlegten Weibchen nur achtzehn bis vierundzwanzig befruchtete Keime fand. Die ausgeſchlüpften Jungen ſcheinen längere Zeit zuſammen zu bleiben, da Humboldt erwähnt, daß ihm von ſeinem Führer ein Neſt junger, vier Zoll langer Leguane gezeigt wurde. „Dieſe Thiere waren kaum von einer gemeinen Eidechſe zu unterſcheiden; die Rückenſtacheln, die großen, aufgerichteten Schuppen, alle die Anhängſel, welche dem Leguan, wenn er vier bis fünf Fuß lang iſt, ein ſo ungeheuerliches Anſehen geben, waren kaum in ihren erſten Anfängen vorhanden.“ Jn Weſtindien iſt die Anſicht, daß das Fleiſch der Leguane ungeſund ſei, in gewiſſen Krantheiten insbeſondere die Zufälle vermehre, ziemlich allgemein verbreitet; gleichwohl kehrt ſich Niemand an dieſe Meinung, ſucht vielmehr, faſt mit demſelben Eifer wie die Begleiter Schomburgk’s, ſich ein ſo leckeres Gericht für die Küche zu verſchaffen. Catesby, welcher im Jahre 1743 eine Naturgeſchichte von Carolina ſchrieb, ſagt, daß die dort lebenden Leguane, ein gewöhnlicher und einträglicher Handels- gegenſtand, gefangen von Hand zu Hand gingen und auf dem Feſtlande endlich zu hohem Preiſe für die Tafel reicher Leute gekauft würden. Das Fleiſch galt für leicht verdaulich, nährend und ſchmack- haft und ward gebraten, häufiger aber noch gekocht gegeſſen. Die Eier, in welchen ſich faſt kein Eiweiß findet, und welche beim Kochen nicht erhärten, wurden oder werden gewöhnlich zur Herſtellung der Brühen benutzt. Eigene Fänger beſchäftigten ſich mit der Aufſuchung dieſes ſonderbaren Wildes und wendeten verſchiedene Fangarten an, um ſich in Beſitz deſſelben zu ſetzen. Eine mit den Schomburgk’ſchen Angaben im entſchiedenſten Widerſpruche ſtehende Fangart wird von mehreren

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/150>, abgerufen am 22.12.2024.