wieder nach demselben Schlupfwinkel zurückkehren. An Jagd und Fortpflanzung denken sie dann jedoch noch nicht; denn ihr eigentliches Sommerleben beginnt erst Anfangs April. Wenn sie im Herbst zur Ruhe gehen, sind sie fett, wenn sie im Frühling wieder zum Vorschein kommen, ist etwa die Hälfte ihres Fettes verbraucht.
Mit Ausnahme der Riesenschlangen dürfen alle ungiftigen Arten der Ordnung als Tagthiere, mit Ausnahme der Seeschlangen und Schildvipern, alle Giftschlangen als Nachtthiere bezeichnet werden. Die ersteren ziehen sich mit Beginn der Dunkelheit nach ihrem Schlupfwinkel zurück, verbringen hier in träger Ruhe die Nacht und erscheinen erst geraume Zeit nach Sonnenaufgang wieder; die Gift- schlangen zeigen sich übertages zwar oft genug, jedoch nur um sich zu sonnen oder im Zustande schlä- feriger Ruhe: ihre Thätigkeit aber beginnt erst nach Eintritt der Abenddämmerung. Wer an solchen Orten, wo Giftschlangen häufig sind, nachts ein Feuer anzündet, wird bald wahrnehmen, daß das Otterngezücht zu den Nachtthieren gehört. Durch den Schein des Feuers angezogen, kriecht es von allen Seiten herbei, und der Fänger, welcher übertages vergeblich sich bemühte, an derselben Stelle eine einzige Kreuzotter, Sand- oder Hornviper zu sangen, wird nachts guten Fang machen können. Wenn wir in den afrikanischen Steppen übernachten mußten, sind wir durch die Hornviper oft un- gemein belästigt worden, und mehr als einmal haben wir mit einer Zange in der Hand stundenlang gewacht, um das herankriechende Gewürm sofort zu packen und ins Feuer zu schleudern. Effeldt sing in der Umgegend Berlins die Kreuzotter, in Jllyrien die Sandviper in ähnlicher Weise, indem er entweder ein Feuer anzündete und seine Lieblinge dadurch herbeilockte oder aber mit der Laterne in der Hand zur Jagd auszog. Auch er fand dann auf Stellen, welche er übertages vergeblich abgesucht hatte, zuweilen viele Kreuzottern, bezüglich Sandvipern vor ihren Löchern liegen. Alle Liebhaber, welche Giftschlangen gefangen halten, erfahren, daß diese, wenn auch nicht ausschließlich, so doch in der Regel nur des Nachts fressen, überhaupt, daß sie freiwillig blos während der Dunkel- heit thätig sind und auf Raub ausgehen.
Sämmtliche Schlangen, über deren Lebensweise man unterrichtet ist, nähren sich von anderen Thieren und zwar hauptsächlich, jedoch nicht ausschließlich von solchen, welche sie selbst gefangen und getödtet haben. Die meisten Giftschlangen lauern auf die erspähte Beute, lassen sie an sich heran- kommen, bringen ihr einen Biß bei und warten ruhig dessen vernichtende Wirkung ab; andere Arten hingegen beschleichen ein erspähtes Opfer mit wirklicher List und versetzen demselben unversehens einen Biß; einige sollen es sogar in längerer Jagd verfolgen. Genau Dasselbe findet bei den ungiftigen statt, nur mit dem Unterschiede, daß diese ihre Beute zu packen suchen, und sie sodann sofort verschlingen oder erst durch Umschlingung todt drücken. Je nach Art und Größe dieser Raubthiere ist die Beute, welcher sie nachstellen, eine höchst verschiedene. Die Riesen der Ordnung sollen wirklich Thiere bis zur Größe eines Rehes verschlingen können; die übrigen begnügen sich mit kleineren Geschöpfen, namentlich mit Nagethieren, kleinen Vögeln, Kriechthieren aller Art (vielleicht mit Ausnahme der Schildkröten) und Fischen, während die niedere Halbscheid des Thierreiches wenig bedroht zu werden scheint. Unsere Beobachtungen über die Nahrung sind zur Zeit noch sehr dürftig und mangelhaft; soviel aber dürfen wir behaupten, daß jede Schlangenart mehr oder weniger eine bestimmte Thierart bevorzugt. "Alle Wassernattern", schreibt mir Effeldt, auf Grund seiner vier- zigjährigen Beobachtungen, "als da sind Ringel-, Würfel-, Viper- und amerikanische Natter fressen nur Fische und Frösche, und zwar von Fröschen ausschließlich den braunen Grasfrosch, schaudern aber zurück, wenn man ihnen den grünen Wasserfrosch gibt, und lassen denselben, obwohl sie anbeißen, selbst bei großem Hunger sofort wieder fahren. Die glatte Natter frißt nur graue Eidechsen, die gelbgrüne, wie die Eidechsennatter nur Smaragdeidechsen, die trügerische Natter graue, Zaun- und Mauereidechsen; die Aeskulapschlange, die vierstreifige und die Hufeisennatter, die gebänderte und algerische Natter nehmen warmblütige Thiere, wie Mäuse und Vögel, zu sich; die Leopardennatter verzehrt nur Mäuse. Letzteren stellen alle Giftschlangen, welche ich beobachtete, nach, beispielsweise die Kreuzotter, Sand- und
Allgemeines.
wieder nach demſelben Schlupfwinkel zurückkehren. An Jagd und Fortpflanzung denken ſie dann jedoch noch nicht; denn ihr eigentliches Sommerleben beginnt erſt Anfangs April. Wenn ſie im Herbſt zur Ruhe gehen, ſind ſie fett, wenn ſie im Frühling wieder zum Vorſchein kommen, iſt etwa die Hälfte ihres Fettes verbraucht.
Mit Ausnahme der Rieſenſchlangen dürfen alle ungiftigen Arten der Ordnung als Tagthiere, mit Ausnahme der Seeſchlangen und Schildvipern, alle Giftſchlangen als Nachtthiere bezeichnet werden. Die erſteren ziehen ſich mit Beginn der Dunkelheit nach ihrem Schlupfwinkel zurück, verbringen hier in träger Ruhe die Nacht und erſcheinen erſt geraume Zeit nach Sonnenaufgang wieder; die Gift- ſchlangen zeigen ſich übertages zwar oft genug, jedoch nur um ſich zu ſonnen oder im Zuſtande ſchlä- feriger Ruhe: ihre Thätigkeit aber beginnt erſt nach Eintritt der Abenddämmerung. Wer an ſolchen Orten, wo Giftſchlangen häufig ſind, nachts ein Feuer anzündet, wird bald wahrnehmen, daß das Otterngezücht zu den Nachtthieren gehört. Durch den Schein des Feuers angezogen, kriecht es von allen Seiten herbei, und der Fänger, welcher übertages vergeblich ſich bemühte, an derſelben Stelle eine einzige Kreuzotter, Sand- oder Hornviper zu ſangen, wird nachts guten Fang machen können. Wenn wir in den afrikaniſchen Steppen übernachten mußten, ſind wir durch die Hornviper oft un- gemein beläſtigt worden, und mehr als einmal haben wir mit einer Zange in der Hand ſtundenlang gewacht, um das herankriechende Gewürm ſofort zu packen und ins Feuer zu ſchleudern. Effeldt ſing in der Umgegend Berlins die Kreuzotter, in Jllyrien die Sandviper in ähnlicher Weiſe, indem er entweder ein Feuer anzündete und ſeine Lieblinge dadurch herbeilockte oder aber mit der Laterne in der Hand zur Jagd auszog. Auch er fand dann auf Stellen, welche er übertages vergeblich abgeſucht hatte, zuweilen viele Kreuzottern, bezüglich Sandvipern vor ihren Löchern liegen. Alle Liebhaber, welche Giftſchlangen gefangen halten, erfahren, daß dieſe, wenn auch nicht ausſchließlich, ſo doch in der Regel nur des Nachts freſſen, überhaupt, daß ſie freiwillig blos während der Dunkel- heit thätig ſind und auf Raub ausgehen.
Sämmtliche Schlangen, über deren Lebensweiſe man unterrichtet iſt, nähren ſich von anderen Thieren und zwar hauptſächlich, jedoch nicht ausſchließlich von ſolchen, welche ſie ſelbſt gefangen und getödtet haben. Die meiſten Giftſchlangen lauern auf die erſpähte Beute, laſſen ſie an ſich heran- kommen, bringen ihr einen Biß bei und warten ruhig deſſen vernichtende Wirkung ab; andere Arten hingegen beſchleichen ein erſpähtes Opfer mit wirklicher Liſt und verſetzen demſelben unverſehens einen Biß; einige ſollen es ſogar in längerer Jagd verfolgen. Genau Daſſelbe findet bei den ungiftigen ſtatt, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe ihre Beute zu packen ſuchen, und ſie ſodann ſofort verſchlingen oder erſt durch Umſchlingung todt drücken. Je nach Art und Größe dieſer Raubthiere iſt die Beute, welcher ſie nachſtellen, eine höchſt verſchiedene. Die Rieſen der Ordnung ſollen wirklich Thiere bis zur Größe eines Rehes verſchlingen können; die übrigen begnügen ſich mit kleineren Geſchöpfen, namentlich mit Nagethieren, kleinen Vögeln, Kriechthieren aller Art (vielleicht mit Ausnahme der Schildkröten) und Fiſchen, während die niedere Halbſcheid des Thierreiches wenig bedroht zu werden ſcheint. Unſere Beobachtungen über die Nahrung ſind zur Zeit noch ſehr dürftig und mangelhaft; ſoviel aber dürfen wir behaupten, daß jede Schlangenart mehr oder weniger eine beſtimmte Thierart bevorzugt. „Alle Waſſernattern“, ſchreibt mir Effeldt, auf Grund ſeiner vier- zigjährigen Beobachtungen, „als da ſind Ringel-, Würfel-, Viper- und amerikaniſche Natter freſſen nur Fiſche und Fröſche, und zwar von Fröſchen ausſchließlich den braunen Grasfroſch, ſchaudern aber zurück, wenn man ihnen den grünen Waſſerfroſch gibt, und laſſen denſelben, obwohl ſie anbeißen, ſelbſt bei großem Hunger ſofort wieder fahren. Die glatte Natter frißt nur graue Eidechſen, die gelbgrüne, wie die Eidechſennatter nur Smaragdeidechſen, die trügeriſche Natter graue, Zaun- und Mauereidechſen; die Aeskulapſchlange, die vierſtreifige und die Hufeiſennatter, die gebänderte und algeriſche Natter nehmen warmblütige Thiere, wie Mäuſe und Vögel, zu ſich; die Leopardennatter verzehrt nur Mäuſe. Letzteren ſtellen alle Giftſchlangen, welche ich beobachtete, nach, beiſpielsweiſe die Kreuzotter, Sand- und
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[183/0203]
Allgemeines.
wieder nach demſelben Schlupfwinkel zurückkehren. An Jagd und Fortpflanzung denken ſie dann
jedoch noch nicht; denn ihr eigentliches Sommerleben beginnt erſt Anfangs April. Wenn ſie im
Herbſt zur Ruhe gehen, ſind ſie fett, wenn ſie im Frühling wieder zum Vorſchein kommen, iſt etwa
die Hälfte ihres Fettes verbraucht.
Mit Ausnahme der Rieſenſchlangen dürfen alle ungiftigen Arten der Ordnung als Tagthiere,
mit Ausnahme der Seeſchlangen und Schildvipern, alle Giftſchlangen als Nachtthiere bezeichnet werden.
Die erſteren ziehen ſich mit Beginn der Dunkelheit nach ihrem Schlupfwinkel zurück, verbringen hier
in träger Ruhe die Nacht und erſcheinen erſt geraume Zeit nach Sonnenaufgang wieder; die Gift-
ſchlangen zeigen ſich übertages zwar oft genug, jedoch nur um ſich zu ſonnen oder im Zuſtande ſchlä-
feriger Ruhe: ihre Thätigkeit aber beginnt erſt nach Eintritt der Abenddämmerung. Wer an ſolchen
Orten, wo Giftſchlangen häufig ſind, nachts ein Feuer anzündet, wird bald wahrnehmen, daß das
Otterngezücht zu den Nachtthieren gehört. Durch den Schein des Feuers angezogen, kriecht es von
allen Seiten herbei, und der Fänger, welcher übertages vergeblich ſich bemühte, an derſelben Stelle
eine einzige Kreuzotter, Sand- oder Hornviper zu ſangen, wird nachts guten Fang machen können.
Wenn wir in den afrikaniſchen Steppen übernachten mußten, ſind wir durch die Hornviper oft un-
gemein beläſtigt worden, und mehr als einmal haben wir mit einer Zange in der Hand ſtundenlang
gewacht, um das herankriechende Gewürm ſofort zu packen und ins Feuer zu ſchleudern. Effeldt
ſing in der Umgegend Berlins die Kreuzotter, in Jllyrien die Sandviper in ähnlicher Weiſe, indem
er entweder ein Feuer anzündete und ſeine Lieblinge dadurch herbeilockte oder aber mit der Laterne
in der Hand zur Jagd auszog. Auch er fand dann auf Stellen, welche er übertages vergeblich
abgeſucht hatte, zuweilen viele Kreuzottern, bezüglich Sandvipern vor ihren Löchern liegen. Alle
Liebhaber, welche Giftſchlangen gefangen halten, erfahren, daß dieſe, wenn auch nicht ausſchließlich,
ſo doch in der Regel nur des Nachts freſſen, überhaupt, daß ſie freiwillig blos während der Dunkel-
heit thätig ſind und auf Raub ausgehen.
Sämmtliche Schlangen, über deren Lebensweiſe man unterrichtet iſt, nähren ſich von anderen
Thieren und zwar hauptſächlich, jedoch nicht ausſchließlich von ſolchen, welche ſie ſelbſt gefangen und
getödtet haben. Die meiſten Giftſchlangen lauern auf die erſpähte Beute, laſſen ſie an ſich heran-
kommen, bringen ihr einen Biß bei und warten ruhig deſſen vernichtende Wirkung ab; andere Arten
hingegen beſchleichen ein erſpähtes Opfer mit wirklicher Liſt und verſetzen demſelben unverſehens einen
Biß; einige ſollen es ſogar in längerer Jagd verfolgen. Genau Daſſelbe findet bei den ungiftigen
ſtatt, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe ihre Beute zu packen ſuchen, und ſie ſodann ſofort verſchlingen
oder erſt durch Umſchlingung todt drücken. Je nach Art und Größe dieſer Raubthiere iſt die Beute,
welcher ſie nachſtellen, eine höchſt verſchiedene. Die Rieſen der Ordnung ſollen wirklich Thiere bis
zur Größe eines Rehes verſchlingen können; die übrigen begnügen ſich mit kleineren Geſchöpfen,
namentlich mit Nagethieren, kleinen Vögeln, Kriechthieren aller Art (vielleicht mit Ausnahme der
Schildkröten) und Fiſchen, während die niedere Halbſcheid des Thierreiches wenig bedroht zu werden
ſcheint. Unſere Beobachtungen über die Nahrung ſind zur Zeit noch ſehr dürftig und mangelhaft;
ſoviel aber dürfen wir behaupten, daß jede Schlangenart mehr oder weniger eine beſtimmte
Thierart bevorzugt. „Alle Waſſernattern“, ſchreibt mir Effeldt, auf Grund ſeiner vier-
zigjährigen Beobachtungen, „als da ſind Ringel-, Würfel-, Viper- und amerikaniſche
Natter freſſen nur Fiſche und Fröſche, und zwar von Fröſchen ausſchließlich den braunen Grasfroſch,
ſchaudern aber zurück, wenn man ihnen den grünen Waſſerfroſch gibt, und laſſen denſelben, obwohl
ſie anbeißen, ſelbſt bei großem Hunger ſofort wieder fahren. Die glatte Natter frißt nur graue
Eidechſen, die gelbgrüne, wie die Eidechſennatter nur Smaragdeidechſen, die trügeriſche
Natter graue, Zaun- und Mauereidechſen; die Aeskulapſchlange, die vierſtreifige und
die Hufeiſennatter, die gebänderte und algeriſche Natter nehmen warmblütige Thiere,
wie Mäuſe und Vögel, zu ſich; die Leopardennatter verzehrt nur Mäuſe. Letzteren ſtellen
alle Giftſchlangen, welche ich beobachtete, nach, beiſpielsweiſe die Kreuzotter, Sand- und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/203>, abgerufen am 22.12.2024.
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