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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Abgottschlauge.
indem der Nachen sich wie ein Strumpf über den Körper hinzog. Von nun an ging es schnell, und
blos noch die Hinterbeine ragten vor. Das Verschlingen dauerte eine Viertelstunde; Hals und Brust
schwollen stark an, und man sah deutlich die Ziege nach und nach in den Magen weiter gleiten; die
Luströhre trat zurück, und nach etwa zehn Minuten hatte auch die Kinnlade ihre vormalige Lage wieder
erhalten. Die Anstrengung beim Verschlingen war so stark, daß der Mund der Schlange blutete.
Sie schien Dies jedoch nicht zu achten, sondern züngelte behaglich und leckte sich den Mund. Noch
am folgenden Tage konnte man das Böckchen in seinem ganzen Umfange fühlen; nach drei Tagen
aber hatte die Schlange ihre frühere Gestalt wieder erhalten, und acht Tage nachher verschlang sie ein
zweites Böckchen. Ganz auf dieselbe Art wurden Euten, Hühner, Kaninchen hinabgewürgt, nur mit
dem Unterschiede, daß diese frei im Behälter der Schlange herumsprangen und von derselben erhascht
wurden. Ergreift sie ein Thier etwa beim Hinterbeine, so ist das Verschlucken viel mühsamer und
dauert länger, meist aber läßt sie es wieder los und sucht dann den Kopf zu erfassen."

Freilebende Schlangen fressen wahrscheinlich nur selbst erlegte Beute, nicht aber Aas; die
Gefangenen hingegen können nach und nach dahin gebracht werden, auch solches zu verzehren. So
füttert Effeldt seine Königsschlinger stets mit todten Ratten, weil die lebenden in der Kiste zu
großen Unfug aurichten, und die Schlangen lassen ein solches Aas niemals liegen, scheinen sogar zu
lieben, wenn dasselbe schon einigermaßen in Fäulniß übergegangen ist.

Ueber die Fortpflanzung freilebender Abgottschlangen kenne ich keinen verläßlichen Bericht; an
Gefangenen hingegen hat man beobachtet, daß sie gegen dreißig mehr als nußgroße, häutige Eier
legen, deren Weiterentwicklung bis jetzt jedoch noch nicht hat gelingen wollen.

Jn Südostamerika werden die getödteten Boaschlangen verschiedentlich benutzt. Das Fleisch
soll von den Negern gegessen werden; im Fette sieht man ein bewährtes Heilmittel gegen verschiedene
Krankheiten; die Haut pflegt man zu gerben, um Stiefel, Satteldecken und dergleichen daraus zu
bereiten; auch winden sie die Neger als Schutzmittel gegen mancherlei Krankheiten sich um den
Unterleib.

Die nach Europa kommenden lebenden Abgottschlangen werden gewöhnlich in Schlingen
gefangen, welche man vor dem Schlupfwinkel aufstellt. An der Glätte des Eingangs, wo der dicke,
schwere Körper stets seine Spuren hinterläßt, erkennt man, ob ein Erdloch bewohnt ist oder nicht und
bringt alsdann vor dem Eingange dieses Loches die Schlingen an. Das gefangene Thier soll sich
gewaltig anstrengen und winden, wird sich aber wohl nur selten erwürgen, da es wohl leicht an Ver-
wundungen zu Grunde geht, gegen Druck und Stoß aber ziemlich unempfindlich zu sein scheint.
Jene Abgottschlange, welche Schomburgk erlegt hatte, wurde von ihm, seinen über die Zählebigkeit
der Schlangen früher gemachten Erfahrungen gemäß, vorsichtig geschnürt und an den Pfosten der
Hütte befestigt, und der Erfolg lehrte, daß jene Vorsicht vollständig gerechtfertigt worden war. "Ein
helles, unmäßiges Gelächter und ein lautes, sonderbares Zischen", erzählt unser Forscher, "weckte mich
am Morgen aus dem Schlafe. Eilend sprang ich aus der Hängematte und trat vor die Thür. Die
Schlange hatte sich wirklich wieder erholt und strebte nun, unter fürchterlicher Kraftanstrengung, sich
von ihrer Fessel zu befreien. Ein Kreis von Jndianern, welche ihren Zorn und ihre Wuth durch
Necken bethätigten, hatte sich um sie versammelt. Mit geöffnetem Rachen stieß sie ihre unheimlichen,
dem Zischen der Gänse ähnlichen Töne aus, wobei die Augen sich vor Wuth aus ihren Höhlungen
zu drängen schienen. Die Zunge war in ununterbrochener Bewegung. Trat man ihr während des
Zischens näher, so drang Einem ein bisamartiger Geruch entgegen. Um ihrer Anstrengung so schnell
als möglich ein Ende zu machen, schoß ich sie durch den Kopf."

Der Versand gefangener Schlangen dieser Art geschieht in sehr einfacher Weise. Das Thier
wird in eine große Kiste gepackt, diese vernagelt, mit einigen Luftlöchern versehen, und der Gefangene
nun seinem Schicksale überlassen. Jn Folge dieser schnöden Behandlung und des wahrscheinlich sich
regenden Hungers kommt er gewöhnlich ziemlich mürrisch am Orte seiner Bestimmung an, d. h. zeigt
sich bissig und angriffslustig; die Bosheit läßt aber bald nach, und wenn er sich erst ein wenig an

Abgottſchlauge.
indem der Nachen ſich wie ein Strumpf über den Körper hinzog. Von nun an ging es ſchnell, und
blos noch die Hinterbeine ragten vor. Das Verſchlingen dauerte eine Viertelſtunde; Hals und Bruſt
ſchwollen ſtark an, und man ſah deutlich die Ziege nach und nach in den Magen weiter gleiten; die
Luſtröhre trat zurück, und nach etwa zehn Minuten hatte auch die Kinnlade ihre vormalige Lage wieder
erhalten. Die Anſtrengung beim Verſchlingen war ſo ſtark, daß der Mund der Schlange blutete.
Sie ſchien Dies jedoch nicht zu achten, ſondern züngelte behaglich und leckte ſich den Mund. Noch
am folgenden Tage konnte man das Böckchen in ſeinem ganzen Umfange fühlen; nach drei Tagen
aber hatte die Schlange ihre frühere Geſtalt wieder erhalten, und acht Tage nachher verſchlang ſie ein
zweites Böckchen. Ganz auf dieſelbe Art wurden Euten, Hühner, Kaninchen hinabgewürgt, nur mit
dem Unterſchiede, daß dieſe frei im Behälter der Schlange herumſprangen und von derſelben erhaſcht
wurden. Ergreift ſie ein Thier etwa beim Hinterbeine, ſo iſt das Verſchlucken viel mühſamer und
dauert länger, meiſt aber läßt ſie es wieder los und ſucht dann den Kopf zu erfaſſen.“

Freilebende Schlangen freſſen wahrſcheinlich nur ſelbſt erlegte Beute, nicht aber Aas; die
Gefangenen hingegen können nach und nach dahin gebracht werden, auch ſolches zu verzehren. So
füttert Effeldt ſeine Königsſchlinger ſtets mit todten Ratten, weil die lebenden in der Kiſte zu
großen Unfug aurichten, und die Schlangen laſſen ein ſolches Aas niemals liegen, ſcheinen ſogar zu
lieben, wenn daſſelbe ſchon einigermaßen in Fäulniß übergegangen iſt.

Ueber die Fortpflanzung freilebender Abgottſchlangen kenne ich keinen verläßlichen Bericht; an
Gefangenen hingegen hat man beobachtet, daß ſie gegen dreißig mehr als nußgroße, häutige Eier
legen, deren Weiterentwicklung bis jetzt jedoch noch nicht hat gelingen wollen.

Jn Südoſtamerika werden die getödteten Boaſchlangen verſchiedentlich benutzt. Das Fleiſch
ſoll von den Negern gegeſſen werden; im Fette ſieht man ein bewährtes Heilmittel gegen verſchiedene
Krankheiten; die Haut pflegt man zu gerben, um Stiefel, Satteldecken und dergleichen daraus zu
bereiten; auch winden ſie die Neger als Schutzmittel gegen mancherlei Krankheiten ſich um den
Unterleib.

Die nach Europa kommenden lebenden Abgottſchlangen werden gewöhnlich in Schlingen
gefangen, welche man vor dem Schlupfwinkel aufſtellt. An der Glätte des Eingangs, wo der dicke,
ſchwere Körper ſtets ſeine Spuren hinterläßt, erkennt man, ob ein Erdloch bewohnt iſt oder nicht und
bringt alsdann vor dem Eingange dieſes Loches die Schlingen an. Das gefangene Thier ſoll ſich
gewaltig anſtrengen und winden, wird ſich aber wohl nur ſelten erwürgen, da es wohl leicht an Ver-
wundungen zu Grunde geht, gegen Druck und Stoß aber ziemlich unempfindlich zu ſein ſcheint.
Jene Abgottſchlange, welche Schomburgk erlegt hatte, wurde von ihm, ſeinen über die Zählebigkeit
der Schlangen früher gemachten Erfahrungen gemäß, vorſichtig geſchnürt und an den Pfoſten der
Hütte befeſtigt, und der Erfolg lehrte, daß jene Vorſicht vollſtändig gerechtfertigt worden war. „Ein
helles, unmäßiges Gelächter und ein lautes, ſonderbares Ziſchen“, erzählt unſer Forſcher, „weckte mich
am Morgen aus dem Schlafe. Eilend ſprang ich aus der Hängematte und trat vor die Thür. Die
Schlange hatte ſich wirklich wieder erholt und ſtrebte nun, unter fürchterlicher Kraftanſtrengung, ſich
von ihrer Feſſel zu befreien. Ein Kreis von Jndianern, welche ihren Zorn und ihre Wuth durch
Necken bethätigten, hatte ſich um ſie verſammelt. Mit geöffnetem Rachen ſtieß ſie ihre unheimlichen,
dem Ziſchen der Gänſe ähnlichen Töne aus, wobei die Augen ſich vor Wuth aus ihren Höhlungen
zu drängen ſchienen. Die Zunge war in ununterbrochener Bewegung. Trat man ihr während des
Ziſchens näher, ſo drang Einem ein biſamartiger Geruch entgegen. Um ihrer Anſtrengung ſo ſchnell
als möglich ein Ende zu machen, ſchoß ich ſie durch den Kopf.“

Der Verſand gefangener Schlangen dieſer Art geſchieht in ſehr einfacher Weiſe. Das Thier
wird in eine große Kiſte gepackt, dieſe vernagelt, mit einigen Luftlöchern verſehen, und der Gefangene
nun ſeinem Schickſale überlaſſen. Jn Folge dieſer ſchnöden Behandlung und des wahrſcheinlich ſich
regenden Hungers kommt er gewöhnlich ziemlich mürriſch am Orte ſeiner Beſtimmung an, d. h. zeigt
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[199/0221] Abgottſchlauge. indem der Nachen ſich wie ein Strumpf über den Körper hinzog. Von nun an ging es ſchnell, und blos noch die Hinterbeine ragten vor. Das Verſchlingen dauerte eine Viertelſtunde; Hals und Bruſt ſchwollen ſtark an, und man ſah deutlich die Ziege nach und nach in den Magen weiter gleiten; die Luſtröhre trat zurück, und nach etwa zehn Minuten hatte auch die Kinnlade ihre vormalige Lage wieder erhalten. Die Anſtrengung beim Verſchlingen war ſo ſtark, daß der Mund der Schlange blutete. Sie ſchien Dies jedoch nicht zu achten, ſondern züngelte behaglich und leckte ſich den Mund. Noch am folgenden Tage konnte man das Böckchen in ſeinem ganzen Umfange fühlen; nach drei Tagen aber hatte die Schlange ihre frühere Geſtalt wieder erhalten, und acht Tage nachher verſchlang ſie ein zweites Böckchen. Ganz auf dieſelbe Art wurden Euten, Hühner, Kaninchen hinabgewürgt, nur mit dem Unterſchiede, daß dieſe frei im Behälter der Schlange herumſprangen und von derſelben erhaſcht wurden. Ergreift ſie ein Thier etwa beim Hinterbeine, ſo iſt das Verſchlucken viel mühſamer und dauert länger, meiſt aber läßt ſie es wieder los und ſucht dann den Kopf zu erfaſſen.“ Freilebende Schlangen freſſen wahrſcheinlich nur ſelbſt erlegte Beute, nicht aber Aas; die Gefangenen hingegen können nach und nach dahin gebracht werden, auch ſolches zu verzehren. So füttert Effeldt ſeine Königsſchlinger ſtets mit todten Ratten, weil die lebenden in der Kiſte zu großen Unfug aurichten, und die Schlangen laſſen ein ſolches Aas niemals liegen, ſcheinen ſogar zu lieben, wenn daſſelbe ſchon einigermaßen in Fäulniß übergegangen iſt. Ueber die Fortpflanzung freilebender Abgottſchlangen kenne ich keinen verläßlichen Bericht; an Gefangenen hingegen hat man beobachtet, daß ſie gegen dreißig mehr als nußgroße, häutige Eier legen, deren Weiterentwicklung bis jetzt jedoch noch nicht hat gelingen wollen. Jn Südoſtamerika werden die getödteten Boaſchlangen verſchiedentlich benutzt. Das Fleiſch ſoll von den Negern gegeſſen werden; im Fette ſieht man ein bewährtes Heilmittel gegen verſchiedene Krankheiten; die Haut pflegt man zu gerben, um Stiefel, Satteldecken und dergleichen daraus zu bereiten; auch winden ſie die Neger als Schutzmittel gegen mancherlei Krankheiten ſich um den Unterleib. Die nach Europa kommenden lebenden Abgottſchlangen werden gewöhnlich in Schlingen gefangen, welche man vor dem Schlupfwinkel aufſtellt. An der Glätte des Eingangs, wo der dicke, ſchwere Körper ſtets ſeine Spuren hinterläßt, erkennt man, ob ein Erdloch bewohnt iſt oder nicht und bringt alsdann vor dem Eingange dieſes Loches die Schlingen an. Das gefangene Thier ſoll ſich gewaltig anſtrengen und winden, wird ſich aber wohl nur ſelten erwürgen, da es wohl leicht an Ver- wundungen zu Grunde geht, gegen Druck und Stoß aber ziemlich unempfindlich zu ſein ſcheint. Jene Abgottſchlange, welche Schomburgk erlegt hatte, wurde von ihm, ſeinen über die Zählebigkeit der Schlangen früher gemachten Erfahrungen gemäß, vorſichtig geſchnürt und an den Pfoſten der Hütte befeſtigt, und der Erfolg lehrte, daß jene Vorſicht vollſtändig gerechtfertigt worden war. „Ein helles, unmäßiges Gelächter und ein lautes, ſonderbares Ziſchen“, erzählt unſer Forſcher, „weckte mich am Morgen aus dem Schlafe. Eilend ſprang ich aus der Hängematte und trat vor die Thür. Die Schlange hatte ſich wirklich wieder erholt und ſtrebte nun, unter fürchterlicher Kraftanſtrengung, ſich von ihrer Feſſel zu befreien. Ein Kreis von Jndianern, welche ihren Zorn und ihre Wuth durch Necken bethätigten, hatte ſich um ſie verſammelt. Mit geöffnetem Rachen ſtieß ſie ihre unheimlichen, dem Ziſchen der Gänſe ähnlichen Töne aus, wobei die Augen ſich vor Wuth aus ihren Höhlungen zu drängen ſchienen. Die Zunge war in ununterbrochener Bewegung. Trat man ihr während des Ziſchens näher, ſo drang Einem ein biſamartiger Geruch entgegen. Um ihrer Anſtrengung ſo ſchnell als möglich ein Ende zu machen, ſchoß ich ſie durch den Kopf.“ Der Verſand gefangener Schlangen dieſer Art geſchieht in ſehr einfacher Weiſe. Das Thier wird in eine große Kiſte gepackt, dieſe vernagelt, mit einigen Luftlöchern verſehen, und der Gefangene nun ſeinem Schickſale überlaſſen. Jn Folge dieſer ſchnöden Behandlung und des wahrſcheinlich ſich regenden Hungers kommt er gewöhnlich ziemlich mürriſch am Orte ſeiner Beſtimmung an, d. h. zeigt ſich biſſig und angriffsluſtig; die Bosheit läßt aber bald nach, und wenn er ſich erſt ein wenig an

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/221>, abgerufen am 22.12.2024.