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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Stummelfüßler. Windeschlangen. Pythonschlangen.

Ueber die Fortpflanzung kenne ich keine Angabe; über das Gefangenleben, sagt Sclater,
welcher ein prachtvolles Bild von Wolf mit einigen Worten begleitet, ebensowenig Etwas.



Megasthenes schreibt, in Jndien würden die Schlangen so groß, daß sie Hirsche und Ochsen
ganz verschlingen könnten. Metrodorus erzählt, beim Flusse Rhyndakus in Pontus wären sie so
groß, daß sie hoch und schnell fliegende Vögel aus der Luft schnappten. "Es ist eine bekannte Sache,
daß der römische Feldherr Regulus im Kriege gegen Karthago eine 120 Fuß lange Schlange beim
Flusse Bagrada in Nordafrika, gleich einer Stadt, mit grobem Geschütze beschießen und überwältigen
mußte. Fell und Rachen derselben wurden in einem Tempel zu Nom bis zum numantinischen Kriege
aufbewahrt. Diese Erzählung ist um so glaublicher, da selbst in Jtalien die sogenannten Boa-
schlangen so groß werden, daß man zur Zeit des Kaisers Claudius in dem Bauche einer auf dem
Vatikane getödteten ein ganzes Kind fand. Die Boaschlange nährt sich anfangs von Kuhmilch und
hat daher (von bos) ihren Namen." Also schreibt Plinius, der größte Naturforscher des Alter-
thums, und wir ersehen daraus, daß der Name Boa eigentlich für die altweltlichen Niesenschlangen
gebraucht werden müßte. Jn diesem Sinne spricht sich auch Humboldt aus. "Die erste Kunde von
einem ungeheueren Kriechthiere, welches Menschen, sogar große Vierfüßler packt, sie um sich schlingt
und ihnen so die Knochen zerbricht, welches Ziegen und Rehe hinabwürgt", sagt er, "kam uns zuerst
aus Jndien und von der Küste von Guinea zu. So wenig am Namen gelegen ist, so gewöhnt man
sich doch nur schwer daran, daß es auf der Halbkugel, auf welcher Virgil die Qualen Laokoon's
besungen hat, eine von den asiatischen Griechen weit südlicher wohnenden Völkern entlehnte Sage
wiedergebend, keine Boa constrictor geben soll; denn da die Boa des Plinius eine afrikanische und
südeuropäische Schlange war, so hätte Daudin wohl die amerikanische Boa Python und die indische
Python Boa nennen sollen." Die Verwechslung der Begriffe ist nicht mehr rückgängig zu machen:
der einmal in der Wissenschaft eingeführte Name darf ohne gewichtige Gründe nicht aufgegeben
werden. Und so verstehen wir unter dem Namen "Python" die altweltlichen Riesen der Ordnung.

Die Pythonschlangen, welche die zweite Abtheilung der Familie bilden und von einzelnen Forschern
selbst als solche angesehen werden, unterscheiden sich, wie schon bemerkt, von den neuweltlichen Arten
der Gruppe hauptsächlich dadurch, daß sie auch im Zwischenkiefer Zähne haben und ihre unteren
Schwanzschilder zwei Reihen bilden; außerdem bemerkt man, daß die Lippenschilder Gruben haben,
und die Nasenlöcher, welche sich bald seitlich, bald nach oben öffnen, von ungleichen Schildern begrenzt
werden, sowie, daß der Kopf bis zur Stirn mit gleichartigen Schildern bekleidet ist. Die engere Ein-
theilung der Gruppe begründet sich hauptsächlich auf die Stellung der Nasenlöcher.

Ueber den größten Theil Jndiens, einschließlich der benachbarten großen Eilande breitet sich die
Peddapoda der Bengalen oder die Tigerschlange der Forscher (Python molurus oder Python
tigris
) aus, Vertreter der Pythons im engeren Sinne, eine Schlange, welche zuweilen 25 Fuß an
Länge erreichen mag, in der Regel aber nur 12 bis 16 Fuß mißt. Der Kopf ist, nach Wiegmann's
Beschreibung, graulichfleischfarben, auf Scheitel und Stirn hellolivenbraun, der Rücken hellbraun,
auf der Mitte gelb angeflogen, die Unterseite weißlich; ein ölbrauner Streifen verläuft vom Nasenloche
durch das Auge hinter dem Mundwinkel herab, ein ebenso gefärbter Flecken von dreieckiger Gestalt
steht unter dem Auge, ein großer, vorn gabeliger, eckiger Flecken in der Gestalt eines Y, auf Hinter-
kopf und Nacken; der Rücken trägt eine Reihe großer, unregelmäßiger, brauner Flecken, welche dunkler
gerandet sind und theilweise eine hochgelbe Mitte zeigen; längs der Seite verlaufen ähnliche kleinere
Flecken. Die Merkmale der Sippe sind zu suchen in den senkrecht gestellten, nach oben gerichteten
Nasenlöchern, den dreiseitigen Gruben, welche die beiden ersten von den zwölf Oberlippenschildern
zeigen, und den großen Schildern, welche die Oberseite des Kopfes bedecken.

Die Schlangen. Stummelfüßler. Windeſchlangen. Pythonſchlangen.

Ueber die Fortpflanzung kenne ich keine Angabe; über das Gefangenleben, ſagt Sclater,
welcher ein prachtvolles Bild von Wolf mit einigen Worten begleitet, ebenſowenig Etwas.



Megaſthenes ſchreibt, in Jndien würden die Schlangen ſo groß, daß ſie Hirſche und Ochſen
ganz verſchlingen könnten. Metrodorus erzählt, beim Fluſſe Rhyndakus in Pontus wären ſie ſo
groß, daß ſie hoch und ſchnell fliegende Vögel aus der Luft ſchnappten. „Es iſt eine bekannte Sache,
daß der römiſche Feldherr Regulus im Kriege gegen Karthago eine 120 Fuß lange Schlange beim
Fluſſe Bagrada in Nordafrika, gleich einer Stadt, mit grobem Geſchütze beſchießen und überwältigen
mußte. Fell und Rachen derſelben wurden in einem Tempel zu Nom bis zum numantiniſchen Kriege
aufbewahrt. Dieſe Erzählung iſt um ſo glaublicher, da ſelbſt in Jtalien die ſogenannten Boa-
ſchlangen ſo groß werden, daß man zur Zeit des Kaiſers Claudius in dem Bauche einer auf dem
Vatikane getödteten ein ganzes Kind fand. Die Boaſchlange nährt ſich anfangs von Kuhmilch und
hat daher (von bos) ihren Namen.“ Alſo ſchreibt Plinius, der größte Naturforſcher des Alter-
thums, und wir erſehen daraus, daß der Name Boa eigentlich für die altweltlichen Nieſenſchlangen
gebraucht werden müßte. Jn dieſem Sinne ſpricht ſich auch Humboldt aus. „Die erſte Kunde von
einem ungeheueren Kriechthiere, welches Menſchen, ſogar große Vierfüßler packt, ſie um ſich ſchlingt
und ihnen ſo die Knochen zerbricht, welches Ziegen und Rehe hinabwürgt“, ſagt er, „kam uns zuerſt
aus Jndien und von der Küſte von Guinea zu. So wenig am Namen gelegen iſt, ſo gewöhnt man
ſich doch nur ſchwer daran, daß es auf der Halbkugel, auf welcher Virgil die Qualen Laokoon’s
beſungen hat, eine von den aſiatiſchen Griechen weit ſüdlicher wohnenden Völkern entlehnte Sage
wiedergebend, keine Boa constrictor geben ſoll; denn da die Boa des Plinius eine afrikaniſche und
ſüdeuropäiſche Schlange war, ſo hätte Daudin wohl die amerikaniſche Boa Python und die indiſche
Python Boa nennen ſollen.“ Die Verwechslung der Begriffe iſt nicht mehr rückgängig zu machen:
der einmal in der Wiſſenſchaft eingeführte Name darf ohne gewichtige Gründe nicht aufgegeben
werden. Und ſo verſtehen wir unter dem Namen „Python“ die altweltlichen Rieſen der Ordnung.

Die Pythonſchlangen, welche die zweite Abtheilung der Familie bilden und von einzelnen Forſchern
ſelbſt als ſolche angeſehen werden, unterſcheiden ſich, wie ſchon bemerkt, von den neuweltlichen Arten
der Gruppe hauptſächlich dadurch, daß ſie auch im Zwiſchenkiefer Zähne haben und ihre unteren
Schwanzſchilder zwei Reihen bilden; außerdem bemerkt man, daß die Lippenſchilder Gruben haben,
und die Naſenlöcher, welche ſich bald ſeitlich, bald nach oben öffnen, von ungleichen Schildern begrenzt
werden, ſowie, daß der Kopf bis zur Stirn mit gleichartigen Schildern bekleidet iſt. Die engere Ein-
theilung der Gruppe begründet ſich hauptſächlich auf die Stellung der Naſenlöcher.

Ueber den größten Theil Jndiens, einſchließlich der benachbarten großen Eilande breitet ſich die
Peddapoda der Bengalen oder die Tigerſchlange der Forſcher (Python molurus oder Python
tigris
) aus, Vertreter der Pythons im engeren Sinne, eine Schlange, welche zuweilen 25 Fuß an
Länge erreichen mag, in der Regel aber nur 12 bis 16 Fuß mißt. Der Kopf iſt, nach Wiegmann’s
Beſchreibung, graulichfleiſchfarben, auf Scheitel und Stirn hellolivenbraun, der Rücken hellbraun,
auf der Mitte gelb angeflogen, die Unterſeite weißlich; ein ölbrauner Streifen verläuft vom Naſenloche
durch das Auge hinter dem Mundwinkel herab, ein ebenſo gefärbter Flecken von dreieckiger Geſtalt
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kopf und Nacken; der Rücken trägt eine Reihe großer, unregelmäßiger, brauner Flecken, welche dunkler
gerandet ſind und theilweiſe eine hochgelbe Mitte zeigen; längs der Seite verlaufen ähnliche kleinere
Flecken. Die Merkmale der Sippe ſind zu ſuchen in den ſenkrecht geſtellten, nach oben gerichteten
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[206/0228] Die Schlangen. Stummelfüßler. Windeſchlangen. Pythonſchlangen. Ueber die Fortpflanzung kenne ich keine Angabe; über das Gefangenleben, ſagt Sclater, welcher ein prachtvolles Bild von Wolf mit einigen Worten begleitet, ebenſowenig Etwas. Megaſthenes ſchreibt, in Jndien würden die Schlangen ſo groß, daß ſie Hirſche und Ochſen ganz verſchlingen könnten. Metrodorus erzählt, beim Fluſſe Rhyndakus in Pontus wären ſie ſo groß, daß ſie hoch und ſchnell fliegende Vögel aus der Luft ſchnappten. „Es iſt eine bekannte Sache, daß der römiſche Feldherr Regulus im Kriege gegen Karthago eine 120 Fuß lange Schlange beim Fluſſe Bagrada in Nordafrika, gleich einer Stadt, mit grobem Geſchütze beſchießen und überwältigen mußte. Fell und Rachen derſelben wurden in einem Tempel zu Nom bis zum numantiniſchen Kriege aufbewahrt. Dieſe Erzählung iſt um ſo glaublicher, da ſelbſt in Jtalien die ſogenannten Boa- ſchlangen ſo groß werden, daß man zur Zeit des Kaiſers Claudius in dem Bauche einer auf dem Vatikane getödteten ein ganzes Kind fand. Die Boaſchlange nährt ſich anfangs von Kuhmilch und hat daher (von bos) ihren Namen.“ Alſo ſchreibt Plinius, der größte Naturforſcher des Alter- thums, und wir erſehen daraus, daß der Name Boa eigentlich für die altweltlichen Nieſenſchlangen gebraucht werden müßte. Jn dieſem Sinne ſpricht ſich auch Humboldt aus. „Die erſte Kunde von einem ungeheueren Kriechthiere, welches Menſchen, ſogar große Vierfüßler packt, ſie um ſich ſchlingt und ihnen ſo die Knochen zerbricht, welches Ziegen und Rehe hinabwürgt“, ſagt er, „kam uns zuerſt aus Jndien und von der Küſte von Guinea zu. So wenig am Namen gelegen iſt, ſo gewöhnt man ſich doch nur ſchwer daran, daß es auf der Halbkugel, auf welcher Virgil die Qualen Laokoon’s beſungen hat, eine von den aſiatiſchen Griechen weit ſüdlicher wohnenden Völkern entlehnte Sage wiedergebend, keine Boa constrictor geben ſoll; denn da die Boa des Plinius eine afrikaniſche und ſüdeuropäiſche Schlange war, ſo hätte Daudin wohl die amerikaniſche Boa Python und die indiſche Python Boa nennen ſollen.“ Die Verwechslung der Begriffe iſt nicht mehr rückgängig zu machen: der einmal in der Wiſſenſchaft eingeführte Name darf ohne gewichtige Gründe nicht aufgegeben werden. Und ſo verſtehen wir unter dem Namen „Python“ die altweltlichen Rieſen der Ordnung. Die Pythonſchlangen, welche die zweite Abtheilung der Familie bilden und von einzelnen Forſchern ſelbſt als ſolche angeſehen werden, unterſcheiden ſich, wie ſchon bemerkt, von den neuweltlichen Arten der Gruppe hauptſächlich dadurch, daß ſie auch im Zwiſchenkiefer Zähne haben und ihre unteren Schwanzſchilder zwei Reihen bilden; außerdem bemerkt man, daß die Lippenſchilder Gruben haben, und die Naſenlöcher, welche ſich bald ſeitlich, bald nach oben öffnen, von ungleichen Schildern begrenzt werden, ſowie, daß der Kopf bis zur Stirn mit gleichartigen Schildern bekleidet iſt. Die engere Ein- theilung der Gruppe begründet ſich hauptſächlich auf die Stellung der Naſenlöcher. Ueber den größten Theil Jndiens, einſchließlich der benachbarten großen Eilande breitet ſich die Peddapoda der Bengalen oder die Tigerſchlange der Forſcher (Python molurus oder Python tigris) aus, Vertreter der Pythons im engeren Sinne, eine Schlange, welche zuweilen 25 Fuß an Länge erreichen mag, in der Regel aber nur 12 bis 16 Fuß mißt. Der Kopf iſt, nach Wiegmann’s Beſchreibung, graulichfleiſchfarben, auf Scheitel und Stirn hellolivenbraun, der Rücken hellbraun, auf der Mitte gelb angeflogen, die Unterſeite weißlich; ein ölbrauner Streifen verläuft vom Naſenloche durch das Auge hinter dem Mundwinkel herab, ein ebenſo gefärbter Flecken von dreieckiger Geſtalt ſteht unter dem Auge, ein großer, vorn gabeliger, eckiger Flecken in der Geſtalt eines Y, auf Hinter- kopf und Nacken; der Rücken trägt eine Reihe großer, unregelmäßiger, brauner Flecken, welche dunkler gerandet ſind und theilweiſe eine hochgelbe Mitte zeigen; längs der Seite verlaufen ähnliche kleinere Flecken. Die Merkmale der Sippe ſind zu ſuchen in den ſenkrecht geſtellten, nach oben gerichteten Naſenlöchern, den dreiſeitigen Gruben, welche die beiden erſten von den zwölf Oberlippenſchildern zeigen, und den großen Schildern, welche die Oberſeite des Kopfes bedecken.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/228>, abgerufen am 22.12.2024.