Zusammenziehen der Beute alle Knochen zerbreche und Dies an zwei bis drei verschiedenen Stellen des Leibes wiederhole. Nachdem sie die Beute getödtet, soll sie einen Umgang von einer halben englischen Meile im Durchmesser machen, um zu sehen, ob keiner ihrer Feinde in der Nähe sei. Unter diesen Feinden ist eine Ameise oder Termite bei weitem der lästigste; denn wenn die Schlange ihre Beute verschlungen hat und während der Verdauung wie leblos daliegt, je nach Größe und Beschaffenheit des Bissens drei oder vier Tage lang in einer und derselben Lage verharrend, wird sie von den Ameisen angegriffen, welche durch alle Oeffnungen des Leibes eindringen und das wehrlose Kriechthier in kürzester Zeit aufzehren.
Man ersieht aus dieser Schilderung zur Genüge, daß Matthews selbständige Beobachtungen nicht gesammelt, sondern eben nur allerlei fades und haltloses Geschwätz roher Neger zusammen- getragen, vielleicht auch seine albernen Geschichten selbst erfunden hat. Wenn wir annehmen, daß die drei genannten Schlangen gleichartig sind oder doch annähernd dieselbe Lebensweise führen und das hierauf in Erfahrung Gebrachte zusammenstellen, wird eine Schilderung der Sitten dieser Thiere ungefähr folgendermaßen lauten müssen: Die Felsenschlange, Assala, Tenne oder wie man sie sonst nennen will, scheint nirgends häufig und aus den bewohnten Gegenden vielleicht verdrängt worden zu sein. Alte Stücke von 20 Fuß und darüber gehören zu den größten Seltenheiten; schon solche von 15 Fuß kommen dem beobachtenden und sammeluden Forscher nur ausnahmsweise zu Gesicht. Barth erwähnt, daß von seinen Leuten am Tschadsee eine Felsenschlange von 18 Fuß 7 Zoll Länge erlegt wurde, und Russegger spricht von einer außerordentlich großen, welche man während seiner Reise in Sennar tödtete; ich selbst habe nur zwei gemessen, eine von 8 und eine von 10 pariser Fuß Länge. Letztere galt in den Augen der Sudahnesen als ein wahres Ungeheuer: hier- nach wird man also wohl beurtheilen können, was es mit den 30, 40 und 50 Fuß Länge, welche gewisse Berichterstatter unseren Thieren zusprechen, auf sich hat.
Möglicherweise kommt die Schlange häufiger vor, als man glaubt; denn man findet sie ebenfalls nur zufällig auf, wenn sie einmal den Graswald oder das Buschdickicht, ihre beliebtesten, ja fast ausschließlichen Aufenthaltsorte, verlassen, sich in das Freie herausgewagt hat und hier, sich sonnend, liegen geblieben ist. Wäre es möglich, des Nachts in ihr Wohngebiet einzudringen und Beob- achtungen anzustellen, so würde man sie wahrscheinlich weit öfter bemerken, da ja auch sie erst nach Sonnenuntergang ihre Thätigkeit beginnt, insbesondere auf Raub ausgeht. Alle Assala's, mit denen wir zusammentrafen oder von denen wir reden hörten, waren augenscheinlich in ihrer Tageruhe gestört worden und suchten sich so eilig als möglich aus dem Staube zu machen, sobald sie merkten, daß wir sie entdeckt hatten. Oft genug mag es vorkommen, daß man nah an einer ruhenden Schlange dieser Art vorübergeht oder reitet, ohne sie zu bemerken, weil sie keine Veranlassung findet, sich zu bewegen, während man sie mit Hilfe von jagdgeübten Pferden oder feinspürenden Hunden, denen sie sich durch ihre Ausdünstung verräth, unzweifelhaft wahrnehmen würde. Eine sehr erklärliche Folge dieses seltenen Zusammentreffens ist die in ganz Afrika herrschende Unkenntniß von der Lebensweise der Schlange. Nicht einmal über die Beute, welcher sie nachstellt, ist man genügend unterrichtet, und gerade deshalb gefällt sich die rege Einbildungskraft der Afrikaner in den unsinnigsten Erzählungen. Höchst wahrscheinlich werden kleine, auf dem Boden lebende Säugethiere und verschiedene Erdvögel am meisten ihren Nachstellungen ausgesetzt sein. Jn dem Magen der von mir untersuchten fand ich ein Perlhuhn, und hiermit steht auch eine Angabe Drayson's im Einklange. Letzterer erzählt, daß er in Natal einstmals einen kleinen Trappen wiederholt auffliegen sah und beim Näherreiten bemerkte, daß Dies geschah, weil er von einer Felsenschlange hartnäckig verfolgt wurde. Nachdem er auf dem Wahlplatze erschienen war und den wohlschmeckenden Vogel erlegt hatte, hielt es die Schlange für das Gerathenste, sich so eilig als möglich davon zu machen, wurde aber von dem eifrigen Jäger, welcher schon längst gewünscht hatte, ein derartiges Kriechthier zu fangen, nach kurzer Jagd eingeholt und durch einen Knüppelhieb erlegt oder doch wenigstens betäubt. Anderson berichtet, Erzählungen
14 *
Felſenſchlange.
Zuſammenziehen der Beute alle Knochen zerbreche und Dies an zwei bis drei verſchiedenen Stellen des Leibes wiederhole. Nachdem ſie die Beute getödtet, ſoll ſie einen Umgang von einer halben engliſchen Meile im Durchmeſſer machen, um zu ſehen, ob keiner ihrer Feinde in der Nähe ſei. Unter dieſen Feinden iſt eine Ameiſe oder Termite bei weitem der läſtigſte; denn wenn die Schlange ihre Beute verſchlungen hat und während der Verdauung wie leblos daliegt, je nach Größe und Beſchaffenheit des Biſſens drei oder vier Tage lang in einer und derſelben Lage verharrend, wird ſie von den Ameiſen angegriffen, welche durch alle Oeffnungen des Leibes eindringen und das wehrloſe Kriechthier in kürzeſter Zeit aufzehren.
Man erſieht aus dieſer Schilderung zur Genüge, daß Matthews ſelbſtändige Beobachtungen nicht geſammelt, ſondern eben nur allerlei fades und haltloſes Geſchwätz roher Neger zuſammen- getragen, vielleicht auch ſeine albernen Geſchichten ſelbſt erfunden hat. Wenn wir annehmen, daß die drei genannten Schlangen gleichartig ſind oder doch annähernd dieſelbe Lebensweiſe führen und das hierauf in Erfahrung Gebrachte zuſammenſtellen, wird eine Schilderung der Sitten dieſer Thiere ungefähr folgendermaßen lauten müſſen: Die Felſenſchlange, Aſſala, Tenne oder wie man ſie ſonſt nennen will, ſcheint nirgends häufig und aus den bewohnten Gegenden vielleicht verdrängt worden zu ſein. Alte Stücke von 20 Fuß und darüber gehören zu den größten Seltenheiten; ſchon ſolche von 15 Fuß kommen dem beobachtenden und ſammeluden Forſcher nur ausnahmsweiſe zu Geſicht. Barth erwähnt, daß von ſeinen Leuten am Tſchadſee eine Felſenſchlange von 18 Fuß 7 Zoll Länge erlegt wurde, und Ruſſegger ſpricht von einer außerordentlich großen, welche man während ſeiner Reiſe in Sennar tödtete; ich ſelbſt habe nur zwei gemeſſen, eine von 8 und eine von 10 pariſer Fuß Länge. Letztere galt in den Augen der Sudahneſen als ein wahres Ungeheuer: hier- nach wird man alſo wohl beurtheilen können, was es mit den 30, 40 und 50 Fuß Länge, welche gewiſſe Berichterſtatter unſeren Thieren zuſprechen, auf ſich hat.
Möglicherweiſe kommt die Schlange häufiger vor, als man glaubt; denn man findet ſie ebenfalls nur zufällig auf, wenn ſie einmal den Graswald oder das Buſchdickicht, ihre beliebteſten, ja faſt ausſchließlichen Aufenthaltsorte, verlaſſen, ſich in das Freie herausgewagt hat und hier, ſich ſonnend, liegen geblieben iſt. Wäre es möglich, des Nachts in ihr Wohngebiet einzudringen und Beob- achtungen anzuſtellen, ſo würde man ſie wahrſcheinlich weit öfter bemerken, da ja auch ſie erſt nach Sonnenuntergang ihre Thätigkeit beginnt, insbeſondere auf Raub ausgeht. Alle Aſſala’s, mit denen wir zuſammentrafen oder von denen wir reden hörten, waren augenſcheinlich in ihrer Tageruhe geſtört worden und ſuchten ſich ſo eilig als möglich aus dem Staube zu machen, ſobald ſie merkten, daß wir ſie entdeckt hatten. Oft genug mag es vorkommen, daß man nah an einer ruhenden Schlange dieſer Art vorübergeht oder reitet, ohne ſie zu bemerken, weil ſie keine Veranlaſſung findet, ſich zu bewegen, während man ſie mit Hilfe von jagdgeübten Pferden oder feinſpürenden Hunden, denen ſie ſich durch ihre Ausdünſtung verräth, unzweifelhaft wahrnehmen würde. Eine ſehr erklärliche Folge dieſes ſeltenen Zuſammentreffens iſt die in ganz Afrika herrſchende Unkenntniß von der Lebensweiſe der Schlange. Nicht einmal über die Beute, welcher ſie nachſtellt, iſt man genügend unterrichtet, und gerade deshalb gefällt ſich die rege Einbildungskraft der Afrikaner in den unſinnigſten Erzählungen. Höchſt wahrſcheinlich werden kleine, auf dem Boden lebende Säugethiere und verſchiedene Erdvögel am meiſten ihren Nachſtellungen ausgeſetzt ſein. Jn dem Magen der von mir unterſuchten fand ich ein Perlhuhn, und hiermit ſteht auch eine Angabe Drayſon’s im Einklange. Letzterer erzählt, daß er in Natal einſtmals einen kleinen Trappen wiederholt auffliegen ſah und beim Näherreiten bemerkte, daß Dies geſchah, weil er von einer Felſenſchlange hartnäckig verfolgt wurde. Nachdem er auf dem Wahlplatze erſchienen war und den wohlſchmeckenden Vogel erlegt hatte, hielt es die Schlange für das Gerathenſte, ſich ſo eilig als möglich davon zu machen, wurde aber von dem eifrigen Jäger, welcher ſchon längſt gewünſcht hatte, ein derartiges Kriechthier zu fangen, nach kurzer Jagd eingeholt und durch einen Knüppelhieb erlegt oder doch wenigſtens betäubt. Anderſon berichtet, Erzählungen
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Felſenſchlange.
Zuſammenziehen der Beute alle Knochen zerbreche und Dies an zwei bis drei verſchiedenen Stellen
des Leibes wiederhole. Nachdem ſie die Beute getödtet, ſoll ſie einen Umgang von einer halben
engliſchen Meile im Durchmeſſer machen, um zu ſehen, ob keiner ihrer Feinde in der Nähe ſei.
Unter dieſen Feinden iſt eine Ameiſe oder Termite bei weitem der läſtigſte; denn wenn die Schlange
ihre Beute verſchlungen hat und während der Verdauung wie leblos daliegt, je nach Größe und
Beſchaffenheit des Biſſens drei oder vier Tage lang in einer und derſelben Lage verharrend, wird ſie
von den Ameiſen angegriffen, welche durch alle Oeffnungen des Leibes eindringen und das wehrloſe
Kriechthier in kürzeſter Zeit aufzehren.
Man erſieht aus dieſer Schilderung zur Genüge, daß Matthews ſelbſtändige Beobachtungen
nicht geſammelt, ſondern eben nur allerlei fades und haltloſes Geſchwätz roher Neger zuſammen-
getragen, vielleicht auch ſeine albernen Geſchichten ſelbſt erfunden hat. Wenn wir annehmen, daß
die drei genannten Schlangen gleichartig ſind oder doch annähernd dieſelbe Lebensweiſe führen und
das hierauf in Erfahrung Gebrachte zuſammenſtellen, wird eine Schilderung der Sitten dieſer Thiere
ungefähr folgendermaßen lauten müſſen: Die Felſenſchlange, Aſſala, Tenne oder wie man ſie ſonſt
nennen will, ſcheint nirgends häufig und aus den bewohnten Gegenden vielleicht verdrängt worden
zu ſein. Alte Stücke von 20 Fuß und darüber gehören zu den größten Seltenheiten; ſchon ſolche
von 15 Fuß kommen dem beobachtenden und ſammeluden Forſcher nur ausnahmsweiſe zu Geſicht.
Barth erwähnt, daß von ſeinen Leuten am Tſchadſee eine Felſenſchlange von 18 Fuß 7 Zoll Länge
erlegt wurde, und Ruſſegger ſpricht von einer außerordentlich großen, welche man während
ſeiner Reiſe in Sennar tödtete; ich ſelbſt habe nur zwei gemeſſen, eine von 8 und eine von 10
pariſer Fuß Länge. Letztere galt in den Augen der Sudahneſen als ein wahres Ungeheuer: hier-
nach wird man alſo wohl beurtheilen können, was es mit den 30, 40 und 50 Fuß Länge, welche
gewiſſe Berichterſtatter unſeren Thieren zuſprechen, auf ſich hat.
Möglicherweiſe kommt die Schlange häufiger vor, als man glaubt; denn man findet ſie ebenfalls
nur zufällig auf, wenn ſie einmal den Graswald oder das Buſchdickicht, ihre beliebteſten, ja faſt
ausſchließlichen Aufenthaltsorte, verlaſſen, ſich in das Freie herausgewagt hat und hier, ſich ſonnend,
liegen geblieben iſt. Wäre es möglich, des Nachts in ihr Wohngebiet einzudringen und Beob-
achtungen anzuſtellen, ſo würde man ſie wahrſcheinlich weit öfter bemerken, da ja auch ſie erſt nach
Sonnenuntergang ihre Thätigkeit beginnt, insbeſondere auf Raub ausgeht. Alle Aſſala’s, mit denen
wir zuſammentrafen oder von denen wir reden hörten, waren augenſcheinlich in ihrer Tageruhe geſtört
worden und ſuchten ſich ſo eilig als möglich aus dem Staube zu machen, ſobald ſie merkten, daß wir
ſie entdeckt hatten. Oft genug mag es vorkommen, daß man nah an einer ruhenden Schlange dieſer
Art vorübergeht oder reitet, ohne ſie zu bemerken, weil ſie keine Veranlaſſung findet, ſich zu bewegen,
während man ſie mit Hilfe von jagdgeübten Pferden oder feinſpürenden Hunden, denen ſie ſich durch
ihre Ausdünſtung verräth, unzweifelhaft wahrnehmen würde. Eine ſehr erklärliche Folge dieſes
ſeltenen Zuſammentreffens iſt die in ganz Afrika herrſchende Unkenntniß von der Lebensweiſe der
Schlange. Nicht einmal über die Beute, welcher ſie nachſtellt, iſt man genügend unterrichtet, und
gerade deshalb gefällt ſich die rege Einbildungskraft der Afrikaner in den unſinnigſten Erzählungen.
Höchſt wahrſcheinlich werden kleine, auf dem Boden lebende Säugethiere und verſchiedene Erdvögel
am meiſten ihren Nachſtellungen ausgeſetzt ſein. Jn dem Magen der von mir unterſuchten fand ich
ein Perlhuhn, und hiermit ſteht auch eine Angabe Drayſon’s im Einklange. Letzterer erzählt, daß
er in Natal einſtmals einen kleinen Trappen wiederholt auffliegen ſah und beim Näherreiten bemerkte,
daß Dies geſchah, weil er von einer Felſenſchlange hartnäckig verfolgt wurde. Nachdem er auf dem
Wahlplatze erſchienen war und den wohlſchmeckenden Vogel erlegt hatte, hielt es die Schlange für
das Gerathenſte, ſich ſo eilig als möglich davon zu machen, wurde aber von dem eifrigen Jäger,
welcher ſchon längſt gewünſcht hatte, ein derartiges Kriechthier zu fangen, nach kurzer Jagd eingeholt
und durch einen Knüppelhieb erlegt oder doch wenigſtens betäubt. Anderſon berichtet, Erzählungen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/233>, abgerufen am 22.12.2024.
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