Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Wassernattern.
scheint sie Wassermolche sehr gern zu fressen und weiß sich aller drei bei uns vorkommenden Arten auf dem Lande, wie im Wasser zu bemächtigen. Nächst den Lurchen jagt sie wie alle Verwandten mit besonderer Vorliebe auf kleine Fische, kann deshalb hier und da wirklich Schaden anrichten. Linck bezweifelt, weil er sie im freien Wasser Fische nie erjagen sah, ob ihr irgend Jemand, auf eigene Anschauung gestützt, die zum Fischfange nöthige Fertigkeit nachzurühmen vermöge: schon Lenz aber, dieser treue und gewissenhafte Beobachter, läßt hierüber keinen Zweifel bestehen, und mein Bruder hat den Fischfang der Kielrücken überhaupt so oft beobachtet, daß diese Frage als vollständig erledigt angesehen werden darf. Lenz fand in dem Magen der bei der Untersuchung getödteten Ringelnattern, daß sie vorzugsweise Schmerlen, Gründlinge, Schleien gefressen hatten, und beobachtete, daß ihm frischgefangene oft diese Fischarten vor die Füße spieen.
Sehr hübsch schildert Linck die Jagd einer Ringelnatter auf ein Stück ihres Lieblingswildes, einen feisten Grasfrosch. "Dieser merkt in Zeiten die Absichten der nahenden Natter, in der ihn Natur und je zuweilen die Erinnerung an eine glücklich überstandene ähnliche Gefahr den grimmigen Feind erkennen ließ, und macht sich sofort auf die Beine, wobei er, wie jedes gejagte Wild, um so hastiger ausgreift, je mehr sich der Abstand zwischen ihm und dem Feinde im Rücken verringert. Die Angst raubt ihm die Besinnung, sodaß er selten und nur in kleinen Absätzen hüpft (obgleich ihm aus den gewaltigen Sätzen, welche er sonst wohl zu vollführen im Stande ist, noch am ersten Rettung erblühen könnte), vielmehr nur mit verdoppelter Eile und wiederholtem Purzeln durch Laufen zu entkommen sucht. Höchst seltsam klingt dabei das verzweiflungsvolle Wehegeschrei des Geängsteten, welches mit den Lauten, die wir sonst von den Fröschen zu hören bekommen, gar keine Aehnlichkeit hat und dem Nicht- kundigen von jedem anderen Geschöpfe eher als von einem Frosche herzurühren scheint: -- fast wie ein wimmerndes, gezogenes Schafsblöken, aber gedehnter, und wahrhaft mitleiderregend dringt es in die Ohren." Eine derartige Verfolgung, bei welcher die Schlange gegen alles Andere blind zu sein scheint, währt selten lange Zeit; das Wild wird vielmehr in der Regel schon nach Verlauf einer Minute ergriffen, gepackt und dann verschlungen. Linck meint, daß an der sogenaunten Zauberkraft der Schlangen doch etwas Wahres sein könne, weil ihm ein glaubwürdiger Mann von einer Natter erzählt hat, welche eben einen sehr großen Frosch hinunterschlang und von einem halben Dutzend anderer Frösche umgeben war, die aus Leibeskräften wehklagten, aber keinen Versuch machten, dem Schicksale ihres Genossen zu entrinnen, sodaß wirklich noch einer und ein anderer von ihr ergriffen und hinabgewürgt wurden: ich glaube bei dem früher Gesagten beharren zu dürfen, schon deshalb, weil auch ich mehr als einmal die von Linck so anschaulich beschriebene Jagd auf Frösche mit angesehen habe. Auch wenn man einen Frosch mit der Ringelnatter zusammen in einen Käfig steckt, sucht dieser so eilig als möglich zu entrinnen, und erst wenn er sieht, daß ihm Dies unmöglich, ergibt er sich sogut als widerstandslos in sein Schicksal.
Die Art und Weise, wie die Ringelnatter ihren Raub verschlingt, widert den Beschauer aus dem Grunde besonders an, weil sie sich nicht damit aufhält, ihr Opfer erst zu tödten, sondern dasselbe noch lebend im Jnnern ihres Magens begräbt. Gewöhnlich sucht sie allerdings den Frosch beim Kopfe zu packen; wenn ihr Dies aber nicht gelingt, greist sie zu, wie es eben gehen will, faßt bei- spielsweise beide Hinterbeine und zieht sie langsam in den Schlund hinab, wobei der Frosch selbstver- ständlich gewaltig zappelt und jämmerlich quakst, solange er noch das Maul öffnen kann. Es verursacht der Schlange nicht geringe Mühe, das bewegliche Wild zu fesseln; demungeachtet gelingt es letzterem äußerst selten, sich wieder von seiner unerbittlichen Feindin zu befreien. Kleine Frösche werden weit leichter verschluckt als größere, bei denen die Arbeit oft mehrere Stunden dauert und die Ringelnatter sehr zu ermatten scheint, während sie von jenen bei regem Hunger oft ein halbes Dutzend nacheinander ergreift und hinabwürgt. Bei großem Hunger frißt sie kurz nacheinander hundert Kaulpadden oder funfzig Fröschchen, welche ihre Verwandlung eben beendet haben. Erschreckt und in Angst gesetzt, speit sie, wie andere Schlangen auch, die aufgenommene Nahrung regel- mäßig wieder aus, wobei sie, wenn das aufgenommene Thier sehr groß ist, den Rachen entsetzlich
Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Waſſernattern.
ſcheint ſie Waſſermolche ſehr gern zu freſſen und weiß ſich aller drei bei uns vorkommenden Arten auf dem Lande, wie im Waſſer zu bemächtigen. Nächſt den Lurchen jagt ſie wie alle Verwandten mit beſonderer Vorliebe auf kleine Fiſche, kann deshalb hier und da wirklich Schaden anrichten. Linck bezweifelt, weil er ſie im freien Waſſer Fiſche nie erjagen ſah, ob ihr irgend Jemand, auf eigene Anſchauung geſtützt, die zum Fiſchfange nöthige Fertigkeit nachzurühmen vermöge: ſchon Lenz aber, dieſer treue und gewiſſenhafte Beobachter, läßt hierüber keinen Zweifel beſtehen, und mein Bruder hat den Fiſchfang der Kielrücken überhaupt ſo oft beobachtet, daß dieſe Frage als vollſtändig erledigt angeſehen werden darf. Lenz fand in dem Magen der bei der Unterſuchung getödteten Ringelnattern, daß ſie vorzugsweiſe Schmerlen, Gründlinge, Schleien gefreſſen hatten, und beobachtete, daß ihm friſchgefangene oft dieſe Fiſcharten vor die Füße ſpieen.
Sehr hübſch ſchildert Linck die Jagd einer Ringelnatter auf ein Stück ihres Lieblingswildes, einen feiſten Grasfroſch. „Dieſer merkt in Zeiten die Abſichten der nahenden Natter, in der ihn Natur und je zuweilen die Erinnerung an eine glücklich überſtandene ähnliche Gefahr den grimmigen Feind erkennen ließ, und macht ſich ſofort auf die Beine, wobei er, wie jedes gejagte Wild, um ſo haſtiger ausgreift, je mehr ſich der Abſtand zwiſchen ihm und dem Feinde im Rücken verringert. Die Angſt raubt ihm die Beſinnung, ſodaß er ſelten und nur in kleinen Abſätzen hüpft (obgleich ihm aus den gewaltigen Sätzen, welche er ſonſt wohl zu vollführen im Stande iſt, noch am erſten Rettung erblühen könnte), vielmehr nur mit verdoppelter Eile und wiederholtem Purzeln durch Laufen zu entkommen ſucht. Höchſt ſeltſam klingt dabei das verzweiflungsvolle Wehegeſchrei des Geängſteten, welches mit den Lauten, die wir ſonſt von den Fröſchen zu hören bekommen, gar keine Aehnlichkeit hat und dem Nicht- kundigen von jedem anderen Geſchöpfe eher als von einem Froſche herzurühren ſcheint: — faſt wie ein wimmerndes, gezogenes Schafsblöken, aber gedehnter, und wahrhaft mitleiderregend dringt es in die Ohren.“ Eine derartige Verfolgung, bei welcher die Schlange gegen alles Andere blind zu ſein ſcheint, währt ſelten lange Zeit; das Wild wird vielmehr in der Regel ſchon nach Verlauf einer Minute ergriffen, gepackt und dann verſchlungen. Linck meint, daß an der ſogenaunten Zauberkraft der Schlangen doch etwas Wahres ſein könne, weil ihm ein glaubwürdiger Mann von einer Natter erzählt hat, welche eben einen ſehr großen Froſch hinunterſchlang und von einem halben Dutzend anderer Fröſche umgeben war, die aus Leibeskräften wehklagten, aber keinen Verſuch machten, dem Schickſale ihres Genoſſen zu entrinnen, ſodaß wirklich noch einer und ein anderer von ihr ergriffen und hinabgewürgt wurden: ich glaube bei dem früher Geſagten beharren zu dürfen, ſchon deshalb, weil auch ich mehr als einmal die von Linck ſo anſchaulich beſchriebene Jagd auf Fröſche mit angeſehen habe. Auch wenn man einen Froſch mit der Ringelnatter zuſammen in einen Käfig ſteckt, ſucht dieſer ſo eilig als möglich zu entrinnen, und erſt wenn er ſieht, daß ihm Dies unmöglich, ergibt er ſich ſogut als widerſtandslos in ſein Schickſal.
Die Art und Weiſe, wie die Ringelnatter ihren Raub verſchlingt, widert den Beſchauer aus dem Grunde beſonders an, weil ſie ſich nicht damit aufhält, ihr Opfer erſt zu tödten, ſondern daſſelbe noch lebend im Jnnern ihres Magens begräbt. Gewöhnlich ſucht ſie allerdings den Froſch beim Kopfe zu packen; wenn ihr Dies aber nicht gelingt, greiſt ſie zu, wie es eben gehen will, faßt bei- ſpielsweiſe beide Hinterbeine und zieht ſie langſam in den Schlund hinab, wobei der Froſch ſelbſtver- ſtändlich gewaltig zappelt und jämmerlich quakſt, ſolange er noch das Maul öffnen kann. Es verurſacht der Schlange nicht geringe Mühe, das bewegliche Wild zu feſſeln; demungeachtet gelingt es letzterem äußerſt ſelten, ſich wieder von ſeiner unerbittlichen Feindin zu befreien. Kleine Fröſche werden weit leichter verſchluckt als größere, bei denen die Arbeit oft mehrere Stunden dauert und die Ringelnatter ſehr zu ermatten ſcheint, während ſie von jenen bei regem Hunger oft ein halbes Dutzend nacheinander ergreift und hinabwürgt. Bei großem Hunger frißt ſie kurz nacheinander hundert Kaulpadden oder funfzig Fröſchchen, welche ihre Verwandlung eben beendet haben. Erſchreckt und in Angſt geſetzt, ſpeit ſie, wie andere Schlangen auch, die aufgenommene Nahrung regel- mäßig wieder aus, wobei ſie, wenn das aufgenommene Thier ſehr groß iſt, den Rachen entſetzlich
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Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Waſſernattern.
ſcheint ſie Waſſermolche ſehr gern zu freſſen und weiß ſich aller drei bei uns vorkommenden Arten auf
dem Lande, wie im Waſſer zu bemächtigen. Nächſt den Lurchen jagt ſie wie alle Verwandten mit
beſonderer Vorliebe auf kleine Fiſche, kann deshalb hier und da wirklich Schaden anrichten. Linck
bezweifelt, weil er ſie im freien Waſſer Fiſche nie erjagen ſah, ob ihr irgend Jemand, auf eigene
Anſchauung geſtützt, die zum Fiſchfange nöthige Fertigkeit nachzurühmen vermöge: ſchon Lenz aber,
dieſer treue und gewiſſenhafte Beobachter, läßt hierüber keinen Zweifel beſtehen, und mein Bruder hat
den Fiſchfang der Kielrücken überhaupt ſo oft beobachtet, daß dieſe Frage als vollſtändig erledigt
angeſehen werden darf. Lenz fand in dem Magen der bei der Unterſuchung getödteten Ringelnattern,
daß ſie vorzugsweiſe Schmerlen, Gründlinge, Schleien gefreſſen hatten, und beobachtete, daß ihm
friſchgefangene oft dieſe Fiſcharten vor die Füße ſpieen.
Sehr hübſch ſchildert Linck die Jagd einer Ringelnatter auf ein Stück ihres Lieblingswildes,
einen feiſten Grasfroſch. „Dieſer merkt in Zeiten die Abſichten der nahenden Natter, in der ihn
Natur und je zuweilen die Erinnerung an eine glücklich überſtandene ähnliche Gefahr den grimmigen
Feind erkennen ließ, und macht ſich ſofort auf die Beine, wobei er, wie jedes gejagte Wild, um ſo
haſtiger ausgreift, je mehr ſich der Abſtand zwiſchen ihm und dem Feinde im Rücken verringert. Die
Angſt raubt ihm die Beſinnung, ſodaß er ſelten und nur in kleinen Abſätzen hüpft (obgleich ihm aus
den gewaltigen Sätzen, welche er ſonſt wohl zu vollführen im Stande iſt, noch am erſten Rettung erblühen
könnte), vielmehr nur mit verdoppelter Eile und wiederholtem Purzeln durch Laufen zu entkommen
ſucht. Höchſt ſeltſam klingt dabei das verzweiflungsvolle Wehegeſchrei des Geängſteten, welches mit den
Lauten, die wir ſonſt von den Fröſchen zu hören bekommen, gar keine Aehnlichkeit hat und dem Nicht-
kundigen von jedem anderen Geſchöpfe eher als von einem Froſche herzurühren ſcheint: — faſt wie
ein wimmerndes, gezogenes Schafsblöken, aber gedehnter, und wahrhaft mitleiderregend dringt es
in die Ohren.“ Eine derartige Verfolgung, bei welcher die Schlange gegen alles Andere blind zu
ſein ſcheint, währt ſelten lange Zeit; das Wild wird vielmehr in der Regel ſchon nach Verlauf einer
Minute ergriffen, gepackt und dann verſchlungen. Linck meint, daß an der ſogenaunten Zauberkraft
der Schlangen doch etwas Wahres ſein könne, weil ihm ein glaubwürdiger Mann von einer Natter
erzählt hat, welche eben einen ſehr großen Froſch hinunterſchlang und von einem halben Dutzend
anderer Fröſche umgeben war, die aus Leibeskräften wehklagten, aber keinen Verſuch machten,
dem Schickſale ihres Genoſſen zu entrinnen, ſodaß wirklich noch einer und ein anderer von ihr ergriffen
und hinabgewürgt wurden: ich glaube bei dem früher Geſagten beharren zu dürfen, ſchon deshalb,
weil auch ich mehr als einmal die von Linck ſo anſchaulich beſchriebene Jagd auf Fröſche mit angeſehen
habe. Auch wenn man einen Froſch mit der Ringelnatter zuſammen in einen Käfig ſteckt, ſucht dieſer
ſo eilig als möglich zu entrinnen, und erſt wenn er ſieht, daß ihm Dies unmöglich, ergibt er ſich
ſogut als widerſtandslos in ſein Schickſal.
Die Art und Weiſe, wie die Ringelnatter ihren Raub verſchlingt, widert den Beſchauer aus dem
Grunde beſonders an, weil ſie ſich nicht damit aufhält, ihr Opfer erſt zu tödten, ſondern daſſelbe
noch lebend im Jnnern ihres Magens begräbt. Gewöhnlich ſucht ſie allerdings den Froſch beim
Kopfe zu packen; wenn ihr Dies aber nicht gelingt, greiſt ſie zu, wie es eben gehen will, faßt bei-
ſpielsweiſe beide Hinterbeine und zieht ſie langſam in den Schlund hinab, wobei der Froſch ſelbſtver-
ſtändlich gewaltig zappelt und jämmerlich quakſt, ſolange er noch das Maul öffnen kann. Es
verurſacht der Schlange nicht geringe Mühe, das bewegliche Wild zu feſſeln; demungeachtet gelingt
es letzterem äußerſt ſelten, ſich wieder von ſeiner unerbittlichen Feindin zu befreien. Kleine
Fröſche werden weit leichter verſchluckt als größere, bei denen die Arbeit oft mehrere Stunden dauert
und die Ringelnatter ſehr zu ermatten ſcheint, während ſie von jenen bei regem Hunger oft ein halbes
Dutzend nacheinander ergreift und hinabwürgt. Bei großem Hunger frißt ſie kurz nacheinander
hundert Kaulpadden oder funfzig Fröſchchen, welche ihre Verwandlung eben beendet haben. Erſchreckt
und in Angſt geſetzt, ſpeit ſie, wie andere Schlangen auch, die aufgenommene Nahrung regel-
mäßig wieder aus, wobei ſie, wenn das aufgenommene Thier ſehr groß iſt, den Rachen entſetzlich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/242>, abgerufen am 22.12.2024.
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