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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Ringelnatter. Würfel- und Viperunatter.
eine Vertiefung, bringt den After über dieselbe, biegt den Schwanz in die Höhe und läßt nun die Eier in
die Mulde herabfallen. Ein Ei folgt beim Legen unmittelbar auf das andere und hängt mit dem
vorigen durch eine gallertartige Masse zusammen, sodaß das ganze Gelege perlschnurartig verbunden
ist. Diese Eier sind es, welche vom Volke als Hahneneier bezeichnet werden und in den Augen der
Abergläubischen wunderbare Kräfte besitzen sollen. Drei Wochen nach dem Legen ist ihre Nachreife
vollendet; das nunmehr vollständig entwickelte Junge bohrt ein Loch durch die Schale und beginnt
hierauf das Leben der Eltern, falls nicht frühzeitig eintretende Kälte es zwingt, sich schon jetzt Schutz
gegen die Witterung zu suchen, d. h. in die zur Winterherberge dienenden Löcher zu kriechen. Beim
Ausschlüpfen haben die jungen Ringelnattern eine Länge von etwa sechs Zoll; ihre Zähnchen sind aber
bereits vorhanden, sie selbst also zu einer selbständigen Lebensweise genügend ausgerüstet. Verwehrt
ihnen die Witterung, schon jetzt an Erbeutung der Nahrung zu gehen, so schützt sie das vom Ei mit-
gebrachte Fett, und ihre angeborene Zählebigkeit bis zum nächsten Frühjahre vor dem Verhungern.
Die Mutter bekümmert sich nach dem Legen nicht mehr um die Brut.

Ueber die Feinde der Ringelnatter brauche ich mich nach dem bereits Gesagten nicht weiter aus-
zulassen, will aber trotzdem nochmals um deren Schonung gebeten haben. Für die Ringelnatter selbst
trete ich nicht in die Schranken, da ich sie eher für ein schädliches als für ein nützliches Thier erklären
muß. Ganz abgesehen von ihren Fischdiebereien, welche da, wo man Zuchtteiche hat, wirklich fühlbar
werden können, nährt sie sich, wie wir gesehen haben, nur von Thieren, welche uns durch Wegfangen.
schädlicher Schnecken und Kerse unzweifelhaft Nutzen gewähren, beeinträchtigt also diesen letzteren.
Demungeachtet empfehle auch ich, wie Linck, "nicht etwa blos dem Freunde der Natur, sondern
jedem Freunde vernünstiger Erziehung, neben Zimmervögeln und dergleichen, auch einem und dem
anderen Kriechthiere, vor Allem der Ringelnatter, einen Raum in seiner Umgebung zu gönnen"; denn
ich stimme gedachtem Schlangenfreunde darin bei, daß hierdurch die Volksbildung entschieden
gefördert und Aber- und Afterglaube geschädigt wird, da den Thatsachen, welche der Laie mit Augen
sieht, mit Händen greift, selten der in geistiger Verwahrlosung festgerostete Wahn widersteht.

Die von meinem Bruder in Spanien angestellten trefflichen Beobachtungen über den Fischfang
der Wassernattern veranlassen mich, noch zwei in Südeuropa lebende Arten der Sippe, die Würfel-
und die Vipernnatter, zu besprechen.

Erstere (Tropidonotus tessellatus) hat in ihrer Gestalt viele Aehnlichkeit mit der Ringelnatter,
kommt ihr auch an Größe gleich, unterscheidet sich aber durch die Färbung. Auf der dunkeloliven-
grünen Oberseite verläuft in der Mitte ein schwarzes, mehr oder weniger zusammenhängendes
Zickzackband, zu dessen Seiten man je eine aus vereinzelt stehenden Flecken gebildete Längszeichnung
bemerkt; der einfarbig gelbbraungraue Kopf zeigt hinter den Schildern ein weißliches A, welches
nach hinten hin von einer gleichgestaltigen, schwarzen Figur begrenzt wird. Die Unterseite ist gelb, in
der Mitte schwarz getüpfelt; letztere Färbung bildet einen unterbrochenen Streifen und gestaltet sich
zuletzt zu würfelartigen Flecken um; das Hellgelb des Unterhalses geht im letzten Viertheile des
Bauches in ein lichtes Orangengelb über. Eine mehr im Norden des Verbreitungsgebietes vor-
kommende Spielart weicht hauptsächlich dadurch ab, daß die Rückenslecken kein Zackenband bilden
und die dunkle Färbung der Unterseite nur in kleinen Flecken auftritt.

Die Vipernnatter (Tropidonotus viperinus) unterscheidet sich von der vorhergehenden wie
von der Ringelnatter durch ihren kurzen, gedrungenen Leib und den dünnen, auffallend rasch
abfallenden Schwanz. Jhre Länge beträgt 2 Fuß, selten darüber. Die Färbung der Oberseite ist
ein mehr oder weniger ins Gelbliche spielendes Dunkelgrau, von welchem sich die Zeichnung lebhaft
abhebt. Letztere beginnt mit zwei dunklen, verschoben viereckigen Flecken am Kopfe, setzt sich als
Zickzackband über den ganzen Rücken fort, bei manchen Stücken auf der Rückenmitte, bei allen auf
der Schwanzspitze in einzelne Flecken sich auflösend und hier rasch sich verjüngend; zu beiden Seiten

Ringelnatter. Würfel- und Viperunatter.
eine Vertiefung, bringt den After über dieſelbe, biegt den Schwanz in die Höhe und läßt nun die Eier in
die Mulde herabfallen. Ein Ei folgt beim Legen unmittelbar auf das andere und hängt mit dem
vorigen durch eine gallertartige Maſſe zuſammen, ſodaß das ganze Gelege perlſchnurartig verbunden
iſt. Dieſe Eier ſind es, welche vom Volke als Hahneneier bezeichnet werden und in den Augen der
Abergläubiſchen wunderbare Kräfte beſitzen ſollen. Drei Wochen nach dem Legen iſt ihre Nachreife
vollendet; das nunmehr vollſtändig entwickelte Junge bohrt ein Loch durch die Schale und beginnt
hierauf das Leben der Eltern, falls nicht frühzeitig eintretende Kälte es zwingt, ſich ſchon jetzt Schutz
gegen die Witterung zu ſuchen, d. h. in die zur Winterherberge dienenden Löcher zu kriechen. Beim
Ausſchlüpfen haben die jungen Ringelnattern eine Länge von etwa ſechs Zoll; ihre Zähnchen ſind aber
bereits vorhanden, ſie ſelbſt alſo zu einer ſelbſtändigen Lebensweiſe genügend ausgerüſtet. Verwehrt
ihnen die Witterung, ſchon jetzt an Erbeutung der Nahrung zu gehen, ſo ſchützt ſie das vom Ei mit-
gebrachte Fett, und ihre angeborene Zählebigkeit bis zum nächſten Frühjahre vor dem Verhungern.
Die Mutter bekümmert ſich nach dem Legen nicht mehr um die Brut.

Ueber die Feinde der Ringelnatter brauche ich mich nach dem bereits Geſagten nicht weiter aus-
zulaſſen, will aber trotzdem nochmals um deren Schonung gebeten haben. Für die Ringelnatter ſelbſt
trete ich nicht in die Schranken, da ich ſie eher für ein ſchädliches als für ein nützliches Thier erklären
muß. Ganz abgeſehen von ihren Fiſchdiebereien, welche da, wo man Zuchtteiche hat, wirklich fühlbar
werden können, nährt ſie ſich, wie wir geſehen haben, nur von Thieren, welche uns durch Wegfangen.
ſchädlicher Schnecken und Kerſe unzweifelhaft Nutzen gewähren, beeinträchtigt alſo dieſen letzteren.
Demungeachtet empfehle auch ich, wie Linck, „nicht etwa blos dem Freunde der Natur, ſondern
jedem Freunde vernünſtiger Erziehung, neben Zimmervögeln und dergleichen, auch einem und dem
anderen Kriechthiere, vor Allem der Ringelnatter, einen Raum in ſeiner Umgebung zu gönnen“; denn
ich ſtimme gedachtem Schlangenfreunde darin bei, daß hierdurch die Volksbildung entſchieden
gefördert und Aber- und Afterglaube geſchädigt wird, da den Thatſachen, welche der Laie mit Augen
ſieht, mit Händen greift, ſelten der in geiſtiger Verwahrloſung feſtgeroſtete Wahn widerſteht.

Die von meinem Bruder in Spanien angeſtellten trefflichen Beobachtungen über den Fiſchfang
der Waſſernattern veranlaſſen mich, noch zwei in Südeuropa lebende Arten der Sippe, die Würfel-
und die Vipernnatter, zu beſprechen.

Erſtere (Tropidonotus tessellatus) hat in ihrer Geſtalt viele Aehnlichkeit mit der Ringelnatter,
kommt ihr auch an Größe gleich, unterſcheidet ſich aber durch die Färbung. Auf der dunkeloliven-
grünen Oberſeite verläuft in der Mitte ein ſchwarzes, mehr oder weniger zuſammenhängendes
Zickzackband, zu deſſen Seiten man je eine aus vereinzelt ſtehenden Flecken gebildete Längszeichnung
bemerkt; der einfarbig gelbbraungraue Kopf zeigt hinter den Schildern ein weißliches A, welches
nach hinten hin von einer gleichgeſtaltigen, ſchwarzen Figur begrenzt wird. Die Unterſeite iſt gelb, in
der Mitte ſchwarz getüpfelt; letztere Färbung bildet einen unterbrochenen Streifen und geſtaltet ſich
zuletzt zu würfelartigen Flecken um; das Hellgelb des Unterhalſes geht im letzten Viertheile des
Bauches in ein lichtes Orangengelb über. Eine mehr im Norden des Verbreitungsgebietes vor-
kommende Spielart weicht hauptſächlich dadurch ab, daß die Rückenſlecken kein Zackenband bilden
und die dunkle Färbung der Unterſeite nur in kleinen Flecken auftritt.

Die Vipernnatter (Tropidonotus viperinus) unterſcheidet ſich von der vorhergehenden wie
von der Ringelnatter durch ihren kurzen, gedrungenen Leib und den dünnen, auffallend raſch
abfallenden Schwanz. Jhre Länge beträgt 2 Fuß, ſelten darüber. Die Färbung der Oberſeite iſt
ein mehr oder weniger ins Gelbliche ſpielendes Dunkelgrau, von welchem ſich die Zeichnung lebhaft
abhebt. Letztere beginnt mit zwei dunklen, verſchoben viereckigen Flecken am Kopfe, ſetzt ſich als
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[223/0245] Ringelnatter. Würfel- und Viperunatter. eine Vertiefung, bringt den After über dieſelbe, biegt den Schwanz in die Höhe und läßt nun die Eier in die Mulde herabfallen. Ein Ei folgt beim Legen unmittelbar auf das andere und hängt mit dem vorigen durch eine gallertartige Maſſe zuſammen, ſodaß das ganze Gelege perlſchnurartig verbunden iſt. Dieſe Eier ſind es, welche vom Volke als Hahneneier bezeichnet werden und in den Augen der Abergläubiſchen wunderbare Kräfte beſitzen ſollen. Drei Wochen nach dem Legen iſt ihre Nachreife vollendet; das nunmehr vollſtändig entwickelte Junge bohrt ein Loch durch die Schale und beginnt hierauf das Leben der Eltern, falls nicht frühzeitig eintretende Kälte es zwingt, ſich ſchon jetzt Schutz gegen die Witterung zu ſuchen, d. h. in die zur Winterherberge dienenden Löcher zu kriechen. Beim Ausſchlüpfen haben die jungen Ringelnattern eine Länge von etwa ſechs Zoll; ihre Zähnchen ſind aber bereits vorhanden, ſie ſelbſt alſo zu einer ſelbſtändigen Lebensweiſe genügend ausgerüſtet. Verwehrt ihnen die Witterung, ſchon jetzt an Erbeutung der Nahrung zu gehen, ſo ſchützt ſie das vom Ei mit- gebrachte Fett, und ihre angeborene Zählebigkeit bis zum nächſten Frühjahre vor dem Verhungern. Die Mutter bekümmert ſich nach dem Legen nicht mehr um die Brut. Ueber die Feinde der Ringelnatter brauche ich mich nach dem bereits Geſagten nicht weiter aus- zulaſſen, will aber trotzdem nochmals um deren Schonung gebeten haben. Für die Ringelnatter ſelbſt trete ich nicht in die Schranken, da ich ſie eher für ein ſchädliches als für ein nützliches Thier erklären muß. Ganz abgeſehen von ihren Fiſchdiebereien, welche da, wo man Zuchtteiche hat, wirklich fühlbar werden können, nährt ſie ſich, wie wir geſehen haben, nur von Thieren, welche uns durch Wegfangen. ſchädlicher Schnecken und Kerſe unzweifelhaft Nutzen gewähren, beeinträchtigt alſo dieſen letzteren. Demungeachtet empfehle auch ich, wie Linck, „nicht etwa blos dem Freunde der Natur, ſondern jedem Freunde vernünſtiger Erziehung, neben Zimmervögeln und dergleichen, auch einem und dem anderen Kriechthiere, vor Allem der Ringelnatter, einen Raum in ſeiner Umgebung zu gönnen“; denn ich ſtimme gedachtem Schlangenfreunde darin bei, daß hierdurch die Volksbildung entſchieden gefördert und Aber- und Afterglaube geſchädigt wird, da den Thatſachen, welche der Laie mit Augen ſieht, mit Händen greift, ſelten der in geiſtiger Verwahrloſung feſtgeroſtete Wahn widerſteht. Die von meinem Bruder in Spanien angeſtellten trefflichen Beobachtungen über den Fiſchfang der Waſſernattern veranlaſſen mich, noch zwei in Südeuropa lebende Arten der Sippe, die Würfel- und die Vipernnatter, zu beſprechen. Erſtere (Tropidonotus tessellatus) hat in ihrer Geſtalt viele Aehnlichkeit mit der Ringelnatter, kommt ihr auch an Größe gleich, unterſcheidet ſich aber durch die Färbung. Auf der dunkeloliven- grünen Oberſeite verläuft in der Mitte ein ſchwarzes, mehr oder weniger zuſammenhängendes Zickzackband, zu deſſen Seiten man je eine aus vereinzelt ſtehenden Flecken gebildete Längszeichnung bemerkt; der einfarbig gelbbraungraue Kopf zeigt hinter den Schildern ein weißliches A, welches nach hinten hin von einer gleichgeſtaltigen, ſchwarzen Figur begrenzt wird. Die Unterſeite iſt gelb, in der Mitte ſchwarz getüpfelt; letztere Färbung bildet einen unterbrochenen Streifen und geſtaltet ſich zuletzt zu würfelartigen Flecken um; das Hellgelb des Unterhalſes geht im letzten Viertheile des Bauches in ein lichtes Orangengelb über. Eine mehr im Norden des Verbreitungsgebietes vor- kommende Spielart weicht hauptſächlich dadurch ab, daß die Rückenſlecken kein Zackenband bilden und die dunkle Färbung der Unterſeite nur in kleinen Flecken auftritt. Die Vipernnatter (Tropidonotus viperinus) unterſcheidet ſich von der vorhergehenden wie von der Ringelnatter durch ihren kurzen, gedrungenen Leib und den dünnen, auffallend raſch abfallenden Schwanz. Jhre Länge beträgt 2 Fuß, ſelten darüber. Die Färbung der Oberſeite iſt ein mehr oder weniger ins Gelbliche ſpielendes Dunkelgrau, von welchem ſich die Zeichnung lebhaft abhebt. Letztere beginnt mit zwei dunklen, verſchoben viereckigen Flecken am Kopfe, ſetzt ſich als Zickzackband über den ganzen Rücken fort, bei manchen Stücken auf der Rückenmitte, bei allen auf der Schwanzſpitze in einzelne Flecken ſich auflöſend und hier raſch ſich verjüngend; zu beiden Seiten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/245>, abgerufen am 22.12.2024.