Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Wassernattern.
dieser Zeichnung, welche der Vipernnatter eine täuschende Aehnlichkeit mit der Kreuzotter und Viper verleiht, verlaufen in annähernd gleichem Abstande runde Augenflecken von dunkler Färbung, welche einen weißen oder gilblichweißen Hof einschließen, zuweilen auch sich mit einander verschmelzen und dann der Zahl 8 ähnlich werden; die Unterseite ist gelblich, nach der Bauchmitte zu dunkelgelb, weiter nach unten abwechselnd rothgelb gefleckt und schwarz gewürfelt, der Unterkiefer weiß.
Nach Erber's Beobachtungen kommt die Würfelnatter schon in der Brühl und bei Baden unweit Wiens vor; nach Schinz findet sie sich in Nordwesten der Alpenkette nur bei Genf, jenseits der Alpen jedoch überall in der italienischen Schweiz. Ebel behauptete, daß es am Berge Salvador bei Lugano außerordentlich viele Vipern gäbe, und man ihretwegen genöthigt gewesen sei, die Häuser zu verlassen; Schinz aber fand, daß die vermeintlichen Vipern, deren er einmal funfzehn Stück vom Salvadorberge erhielt, Würfelnattern waren. Sehr häufig sind diese in Jtalien, namentlich in der Lombardei, in Dalmatien und in Spanien. Die Vipernnatter soll, nach Vogt, ebenfalls in Deutsch- land vorkommen; diese Angabe scheint jedoch ungenau zu sein: wenigstens ist mir ein sicherer Fundort innerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes im weiteren Sinne nicht bekannt. Häufig dagegen findet sich gedachte Natter in Jtalien, Südfrankreich und Spanien.
Eine Beschreibung ihrer Lebensweise veröffentlichte der italienische Professor Metaxa im Jahre 1823; ihr will ich das Folgende entnehmen. Die Vipernnatter heißt in der Umgegend von Rom Kuhsauger, weil man sie dort ebenso verläumdet wie bei uns die Ringelnatter. Sie führt ungefähr dieselbe Lebensweise und hat dieselben Sitten und Gewohnheiten wie diese, ist wenig bissig und läßt sich leicht bis zu einem gewissen Grade zähmen, obwohl sie sich im Anfange etwas ungeberdig benimmt, insbesondere den Arm des Fängers oder Pflegers umschlingt und mit bedeutender Kraft zusammen- drückt. Jhre Nahrung besteht hauptsächlich aus Haus- und Feldmäusen, Fröschen und Kröten. "Drei von den letzteren fanden wir in dem Magen einer Vipernnatter; die, welche dem Munde zunächst lag, war noch lebendig, und Dies gab uns Gelegenheit zu bemerken, daß unter allen Thieren, welche von Schlangen gefressen werden, die Kröten im Magen ihrer Räuber am Längsten beim Leben bleiben, ja, daß sogar einzelne Theile ihres Leibes bereits verdaut, sie aber dennoch lebendig sein können. Beim Untersuchen einer Vipernnatter sahen wir eine Kröte aus deren Schlunde hervorkommen und sich davon machen, obgleich eines ihrer Hinterbeine bereits verdaut war und ihr selbstverständlich fehlte."
Die Würfelnatter besitzt, nach Erber's Beobachtungen, eine außerordentliche Gewandtheit, aber auch eine so ausgeprägte Neugier, daß diese oft Ursache ihrer Gefangenschaft wird; selbst im Käfige sucht sie jede Störung zu erforschen und kriecht ohne Furcht auf die ihr vorgehaltene Hand. Jhren Aufenthalt wählt sie in Dalmatien hauptsächlich am Ufer des Meeres, weil sie auch im salzigen Wasser ihrer Fischjagd obliegt. Die Gefangenen fressen Frösche, wenn sie nichts Anderes haben können, Eidechsen niemals, kleine Fische jederzeit.
Diese dürftigen Angaben werden durch die gedachten Beobachtungen meines Bruders wesentlich ergänzt. "Beide Nattern", sagt er, "und noch zwei Verwandte, möglicherweise Spielarten der- selben, leben in der Nähe des Schlosses Escorial an großen Teichen und bewohnen hier die zer- klüfteten Steine oder die Mauerritzen der künstlich erbauten Jnseln und Dämme. An einem der größeren Gewässer haben sich mehrere Hunderte von ihnen angesiedelt: auf einem einzigen meiner Rundgänge um die ungefähr 30 Fuß ins Geviert haltende Jnsel, welche ich zum Anstande auf Enten zu benutzen pflege, konnte ich einige sechzig Stück zählen, welche sich vor mir in ihre Wohnungen flüchteten oder in das Wasser stürzten. Beide Arten stellen nur nebenbei den Fröschen, hauptsächlich aber den Fischen nach und richten unter letzteren erhebliche Niederlagen an. Um die Fische zu fangen, durchziehen sie den Teich in allen Richtungen, zwischen einem und drei Fuß unter der Ober- fläche sich hinschlängelnd und von Zeit zu Zeit ihr Köpfchen über das Wasser erhebend, machen also wirklich Jagd auf ihr Wild und verfolgen es längere Zeit. Eine andere, von mir oft beobachtete Art ihres Fischfanges ist die, daß sie sich entweder platt auf die Steine unter Wasser legen oder sich
Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Waſſernattern.
dieſer Zeichnung, welche der Vipernnatter eine täuſchende Aehnlichkeit mit der Kreuzotter und Viper verleiht, verlaufen in annähernd gleichem Abſtande runde Augenflecken von dunkler Färbung, welche einen weißen oder gilblichweißen Hof einſchließen, zuweilen auch ſich mit einander verſchmelzen und dann der Zahl 8 ähnlich werden; die Unterſeite iſt gelblich, nach der Bauchmitte zu dunkelgelb, weiter nach unten abwechſelnd rothgelb gefleckt und ſchwarz gewürfelt, der Unterkiefer weiß.
Nach Erber’s Beobachtungen kommt die Würfelnatter ſchon in der Brühl und bei Baden unweit Wiens vor; nach Schinz findet ſie ſich in Nordweſten der Alpenkette nur bei Genf, jenſeits der Alpen jedoch überall in der italieniſchen Schweiz. Ebel behauptete, daß es am Berge Salvador bei Lugano außerordentlich viele Vipern gäbe, und man ihretwegen genöthigt geweſen ſei, die Häuſer zu verlaſſen; Schinz aber fand, daß die vermeintlichen Vipern, deren er einmal funfzehn Stück vom Salvadorberge erhielt, Würfelnattern waren. Sehr häufig ſind dieſe in Jtalien, namentlich in der Lombardei, in Dalmatien und in Spanien. Die Vipernnatter ſoll, nach Vogt, ebenfalls in Deutſch- land vorkommen; dieſe Angabe ſcheint jedoch ungenau zu ſein: wenigſtens iſt mir ein ſicherer Fundort innerhalb der Grenzen unſeres Vaterlandes im weiteren Sinne nicht bekannt. Häufig dagegen findet ſich gedachte Natter in Jtalien, Südfrankreich und Spanien.
Eine Beſchreibung ihrer Lebensweiſe veröffentlichte der italieniſche Profeſſor Metaxa im Jahre 1823; ihr will ich das Folgende entnehmen. Die Vipernnatter heißt in der Umgegend von Rom Kuhſauger, weil man ſie dort ebenſo verläumdet wie bei uns die Ringelnatter. Sie führt ungefähr dieſelbe Lebensweiſe und hat dieſelben Sitten und Gewohnheiten wie dieſe, iſt wenig biſſig und läßt ſich leicht bis zu einem gewiſſen Grade zähmen, obwohl ſie ſich im Anfange etwas ungeberdig benimmt, insbeſondere den Arm des Fängers oder Pflegers umſchlingt und mit bedeutender Kraft zuſammen- drückt. Jhre Nahrung beſteht hauptſächlich aus Haus- und Feldmäuſen, Fröſchen und Kröten. „Drei von den letzteren fanden wir in dem Magen einer Vipernnatter; die, welche dem Munde zunächſt lag, war noch lebendig, und Dies gab uns Gelegenheit zu bemerken, daß unter allen Thieren, welche von Schlangen gefreſſen werden, die Kröten im Magen ihrer Räuber am Längſten beim Leben bleiben, ja, daß ſogar einzelne Theile ihres Leibes bereits verdaut, ſie aber dennoch lebendig ſein können. Beim Unterſuchen einer Vipernnatter ſahen wir eine Kröte aus deren Schlunde hervorkommen und ſich davon machen, obgleich eines ihrer Hinterbeine bereits verdaut war und ihr ſelbſtverſtändlich fehlte.“
Die Würfelnatter beſitzt, nach Erber’s Beobachtungen, eine außerordentliche Gewandtheit, aber auch eine ſo ausgeprägte Neugier, daß dieſe oft Urſache ihrer Gefangenſchaft wird; ſelbſt im Käfige ſucht ſie jede Störung zu erforſchen und kriecht ohne Furcht auf die ihr vorgehaltene Hand. Jhren Aufenthalt wählt ſie in Dalmatien hauptſächlich am Ufer des Meeres, weil ſie auch im ſalzigen Waſſer ihrer Fiſchjagd obliegt. Die Gefangenen freſſen Fröſche, wenn ſie nichts Anderes haben können, Eidechſen niemals, kleine Fiſche jederzeit.
Dieſe dürftigen Angaben werden durch die gedachten Beobachtungen meines Bruders weſentlich ergänzt. „Beide Nattern“, ſagt er, „und noch zwei Verwandte, möglicherweiſe Spielarten der- ſelben, leben in der Nähe des Schloſſes Escorial an großen Teichen und bewohnen hier die zer- klüfteten Steine oder die Mauerritzen der künſtlich erbauten Jnſeln und Dämme. An einem der größeren Gewäſſer haben ſich mehrere Hunderte von ihnen angeſiedelt: auf einem einzigen meiner Rundgänge um die ungefähr 30 Fuß ins Geviert haltende Jnſel, welche ich zum Anſtande auf Enten zu benutzen pflege, konnte ich einige ſechzig Stück zählen, welche ſich vor mir in ihre Wohnungen flüchteten oder in das Waſſer ſtürzten. Beide Arten ſtellen nur nebenbei den Fröſchen, hauptſächlich aber den Fiſchen nach und richten unter letzteren erhebliche Niederlagen an. Um die Fiſche zu fangen, durchziehen ſie den Teich in allen Richtungen, zwiſchen einem und drei Fuß unter der Ober- fläche ſich hinſchlängelnd und von Zeit zu Zeit ihr Köpfchen über das Waſſer erhebend, machen alſo wirklich Jagd auf ihr Wild und verfolgen es längere Zeit. Eine andere, von mir oft beobachtete Art ihres Fiſchfanges iſt die, daß ſie ſich entweder platt auf die Steine unter Waſſer legen oder ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0246"n="224"/><fwplace="top"type="header">Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Waſſernattern.</fw><lb/>
dieſer Zeichnung, welche der Vipernnatter eine täuſchende Aehnlichkeit mit der Kreuzotter und Viper<lb/>
verleiht, verlaufen in annähernd gleichem Abſtande runde Augenflecken von dunkler Färbung, welche<lb/>
einen weißen oder gilblichweißen Hof einſchließen, zuweilen auch ſich mit einander verſchmelzen und<lb/>
dann der Zahl 8 ähnlich werden; die Unterſeite iſt gelblich, nach der Bauchmitte zu dunkelgelb, weiter<lb/>
nach unten abwechſelnd rothgelb gefleckt und ſchwarz gewürfelt, der Unterkiefer weiß.</p><lb/><p>Nach <hirendition="#g">Erber’s</hi> Beobachtungen kommt die Würfelnatter ſchon in der Brühl und bei Baden<lb/>
unweit Wiens vor; nach <hirendition="#g">Schinz</hi> findet ſie ſich in Nordweſten der Alpenkette nur bei Genf, jenſeits<lb/>
der Alpen jedoch überall in der italieniſchen Schweiz. <hirendition="#g">Ebel</hi> behauptete, daß es am Berge Salvador<lb/>
bei Lugano außerordentlich viele Vipern gäbe, und man ihretwegen genöthigt geweſen ſei, die Häuſer<lb/>
zu verlaſſen; <hirendition="#g">Schinz</hi> aber fand, daß die vermeintlichen Vipern, deren er einmal funfzehn Stück vom<lb/>
Salvadorberge erhielt, Würfelnattern waren. Sehr häufig ſind dieſe in Jtalien, namentlich in der<lb/>
Lombardei, in Dalmatien und in Spanien. Die Vipernnatter ſoll, nach <hirendition="#g">Vogt</hi>, ebenfalls in Deutſch-<lb/>
land vorkommen; dieſe Angabe ſcheint jedoch ungenau zu ſein: wenigſtens iſt mir ein ſicherer Fundort<lb/>
innerhalb der Grenzen unſeres Vaterlandes im weiteren Sinne nicht bekannt. Häufig dagegen findet<lb/>ſich gedachte Natter in Jtalien, Südfrankreich und Spanien.</p><lb/><p>Eine Beſchreibung ihrer Lebensweiſe veröffentlichte der italieniſche Profeſſor <hirendition="#g">Metaxa</hi> im Jahre<lb/>
1823; ihr will ich das Folgende entnehmen. Die Vipernnatter heißt in der Umgegend von Rom<lb/>
Kuhſauger, weil man ſie dort ebenſo verläumdet wie bei uns die Ringelnatter. Sie führt ungefähr<lb/>
dieſelbe Lebensweiſe und hat dieſelben Sitten und Gewohnheiten wie dieſe, iſt wenig biſſig und läßt<lb/>ſich leicht bis zu einem gewiſſen Grade zähmen, obwohl ſie ſich im Anfange etwas ungeberdig benimmt,<lb/>
insbeſondere den Arm des Fängers oder Pflegers umſchlingt und mit bedeutender Kraft zuſammen-<lb/>
drückt. Jhre Nahrung beſteht hauptſächlich aus Haus- und Feldmäuſen, Fröſchen und Kröten.<lb/>„Drei von den letzteren fanden wir in dem Magen einer Vipernnatter; die, welche dem Munde<lb/>
zunächſt lag, war noch lebendig, und Dies gab uns Gelegenheit zu bemerken, daß unter allen<lb/>
Thieren, welche von Schlangen gefreſſen werden, die Kröten im Magen ihrer Räuber am Längſten<lb/>
beim Leben bleiben, ja, daß ſogar einzelne Theile ihres Leibes bereits verdaut, ſie aber dennoch<lb/>
lebendig ſein können. Beim Unterſuchen einer Vipernnatter ſahen wir eine Kröte aus deren Schlunde<lb/>
hervorkommen und ſich davon machen, obgleich eines ihrer Hinterbeine bereits verdaut war und ihr<lb/>ſelbſtverſtändlich fehlte.“</p><lb/><p>Die Würfelnatter beſitzt, nach <hirendition="#g">Erber’s</hi> Beobachtungen, eine außerordentliche Gewandtheit,<lb/>
aber auch eine ſo ausgeprägte Neugier, daß dieſe oft Urſache ihrer Gefangenſchaft wird; ſelbſt im<lb/>
Käfige ſucht ſie jede Störung zu erforſchen und kriecht ohne Furcht auf die ihr vorgehaltene Hand.<lb/>
Jhren Aufenthalt wählt ſie in Dalmatien hauptſächlich am Ufer des Meeres, weil ſie auch im<lb/>ſalzigen Waſſer ihrer Fiſchjagd obliegt. Die Gefangenen freſſen Fröſche, wenn ſie nichts Anderes<lb/>
haben können, Eidechſen niemals, kleine Fiſche jederzeit.</p><lb/><p>Dieſe dürftigen Angaben werden durch die gedachten Beobachtungen meines Bruders weſentlich<lb/>
ergänzt. „Beide Nattern“, ſagt er, „und noch zwei Verwandte, möglicherweiſe Spielarten der-<lb/>ſelben, leben in der Nähe des Schloſſes Escorial an großen Teichen und bewohnen hier die zer-<lb/>
klüfteten Steine oder die Mauerritzen der künſtlich erbauten Jnſeln und Dämme. An einem der<lb/>
größeren Gewäſſer haben ſich mehrere Hunderte von ihnen angeſiedelt: auf einem einzigen meiner<lb/>
Rundgänge um die ungefähr 30 Fuß ins Geviert haltende Jnſel, welche ich zum Anſtande auf Enten<lb/>
zu benutzen pflege, konnte ich einige ſechzig Stück zählen, welche ſich vor mir in ihre Wohnungen<lb/>
flüchteten oder in das Waſſer ſtürzten. Beide Arten ſtellen nur nebenbei den Fröſchen, hauptſächlich<lb/>
aber den Fiſchen nach und richten unter letzteren erhebliche Niederlagen an. Um die Fiſche zu<lb/>
fangen, durchziehen ſie den Teich in allen Richtungen, zwiſchen einem und drei Fuß unter der Ober-<lb/>
fläche ſich hinſchlängelnd und von Zeit zu Zeit ihr Köpfchen über das Waſſer erhebend, machen alſo<lb/>
wirklich Jagd auf ihr Wild und verfolgen es längere Zeit. Eine andere, von mir oft beobachtete<lb/>
Art ihres Fiſchfanges iſt die, daß ſie ſich entweder platt auf die Steine unter Waſſer legen oder ſich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[224/0246]
Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Waſſernattern.
dieſer Zeichnung, welche der Vipernnatter eine täuſchende Aehnlichkeit mit der Kreuzotter und Viper
verleiht, verlaufen in annähernd gleichem Abſtande runde Augenflecken von dunkler Färbung, welche
einen weißen oder gilblichweißen Hof einſchließen, zuweilen auch ſich mit einander verſchmelzen und
dann der Zahl 8 ähnlich werden; die Unterſeite iſt gelblich, nach der Bauchmitte zu dunkelgelb, weiter
nach unten abwechſelnd rothgelb gefleckt und ſchwarz gewürfelt, der Unterkiefer weiß.
Nach Erber’s Beobachtungen kommt die Würfelnatter ſchon in der Brühl und bei Baden
unweit Wiens vor; nach Schinz findet ſie ſich in Nordweſten der Alpenkette nur bei Genf, jenſeits
der Alpen jedoch überall in der italieniſchen Schweiz. Ebel behauptete, daß es am Berge Salvador
bei Lugano außerordentlich viele Vipern gäbe, und man ihretwegen genöthigt geweſen ſei, die Häuſer
zu verlaſſen; Schinz aber fand, daß die vermeintlichen Vipern, deren er einmal funfzehn Stück vom
Salvadorberge erhielt, Würfelnattern waren. Sehr häufig ſind dieſe in Jtalien, namentlich in der
Lombardei, in Dalmatien und in Spanien. Die Vipernnatter ſoll, nach Vogt, ebenfalls in Deutſch-
land vorkommen; dieſe Angabe ſcheint jedoch ungenau zu ſein: wenigſtens iſt mir ein ſicherer Fundort
innerhalb der Grenzen unſeres Vaterlandes im weiteren Sinne nicht bekannt. Häufig dagegen findet
ſich gedachte Natter in Jtalien, Südfrankreich und Spanien.
Eine Beſchreibung ihrer Lebensweiſe veröffentlichte der italieniſche Profeſſor Metaxa im Jahre
1823; ihr will ich das Folgende entnehmen. Die Vipernnatter heißt in der Umgegend von Rom
Kuhſauger, weil man ſie dort ebenſo verläumdet wie bei uns die Ringelnatter. Sie führt ungefähr
dieſelbe Lebensweiſe und hat dieſelben Sitten und Gewohnheiten wie dieſe, iſt wenig biſſig und läßt
ſich leicht bis zu einem gewiſſen Grade zähmen, obwohl ſie ſich im Anfange etwas ungeberdig benimmt,
insbeſondere den Arm des Fängers oder Pflegers umſchlingt und mit bedeutender Kraft zuſammen-
drückt. Jhre Nahrung beſteht hauptſächlich aus Haus- und Feldmäuſen, Fröſchen und Kröten.
„Drei von den letzteren fanden wir in dem Magen einer Vipernnatter; die, welche dem Munde
zunächſt lag, war noch lebendig, und Dies gab uns Gelegenheit zu bemerken, daß unter allen
Thieren, welche von Schlangen gefreſſen werden, die Kröten im Magen ihrer Räuber am Längſten
beim Leben bleiben, ja, daß ſogar einzelne Theile ihres Leibes bereits verdaut, ſie aber dennoch
lebendig ſein können. Beim Unterſuchen einer Vipernnatter ſahen wir eine Kröte aus deren Schlunde
hervorkommen und ſich davon machen, obgleich eines ihrer Hinterbeine bereits verdaut war und ihr
ſelbſtverſtändlich fehlte.“
Die Würfelnatter beſitzt, nach Erber’s Beobachtungen, eine außerordentliche Gewandtheit,
aber auch eine ſo ausgeprägte Neugier, daß dieſe oft Urſache ihrer Gefangenſchaft wird; ſelbſt im
Käfige ſucht ſie jede Störung zu erforſchen und kriecht ohne Furcht auf die ihr vorgehaltene Hand.
Jhren Aufenthalt wählt ſie in Dalmatien hauptſächlich am Ufer des Meeres, weil ſie auch im
ſalzigen Waſſer ihrer Fiſchjagd obliegt. Die Gefangenen freſſen Fröſche, wenn ſie nichts Anderes
haben können, Eidechſen niemals, kleine Fiſche jederzeit.
Dieſe dürftigen Angaben werden durch die gedachten Beobachtungen meines Bruders weſentlich
ergänzt. „Beide Nattern“, ſagt er, „und noch zwei Verwandte, möglicherweiſe Spielarten der-
ſelben, leben in der Nähe des Schloſſes Escorial an großen Teichen und bewohnen hier die zer-
klüfteten Steine oder die Mauerritzen der künſtlich erbauten Jnſeln und Dämme. An einem der
größeren Gewäſſer haben ſich mehrere Hunderte von ihnen angeſiedelt: auf einem einzigen meiner
Rundgänge um die ungefähr 30 Fuß ins Geviert haltende Jnſel, welche ich zum Anſtande auf Enten
zu benutzen pflege, konnte ich einige ſechzig Stück zählen, welche ſich vor mir in ihre Wohnungen
flüchteten oder in das Waſſer ſtürzten. Beide Arten ſtellen nur nebenbei den Fröſchen, hauptſächlich
aber den Fiſchen nach und richten unter letzteren erhebliche Niederlagen an. Um die Fiſche zu
fangen, durchziehen ſie den Teich in allen Richtungen, zwiſchen einem und drei Fuß unter der Ober-
fläche ſich hinſchlängelnd und von Zeit zu Zeit ihr Köpfchen über das Waſſer erhebend, machen alſo
wirklich Jagd auf ihr Wild und verfolgen es längere Zeit. Eine andere, von mir oft beobachtete
Art ihres Fiſchfanges iſt die, daß ſie ſich entweder platt auf die Steine unter Waſſer legen oder ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/246>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.