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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Würfel- und Viperunatter. Schlingnatter.
schräg in letzterem aufstellen, wobei der Kopf einen halben Fuß und darüber unterhalb des Wasser-
spiegels steht und der Schwanz zuweilen den Grund berührt, der Leib aber in Windungen gehalten
wird. Aus dieser Stellung schießen sie pfeilschnell vor, wenn Fischchen vorüberziehen, und erhaschen
so fast regelmäßig die einmal ins Auge gefaßte Beute. Gewöhnlich packen sie den Fisch am Bauche,
heben ihn über den Wasserspiegel empor und schwimmen nun dem Lande oder der Jnsel zu, in der
Absicht, das Opfer hier zu verzehren. Von meinem Anstande aus habe ich oft mehrere zu gleicher
Zeit auf mich zuschwimmen sehen; alle aber hatten das Fischchen quer am silberglänzenden Bauche
gepackt und hielten es außer dem Bereiche des Wassers. Als ich das erste Mal eine Schlange mit
ihrer Beute herankommen sah, wußte ich wirklich nicht, welches Thier sich mir näherte; denn ich sah
eben nur einen breiten, glänzenden Gegenstand sich rasch im Wasser fortbewegen, und erst das Jagd-
fernrohr gab mir Ausschluß. Gar nicht selten sah ich in Engpässen und belebten Schwimmstraßen
der Fische sechs bis acht Schlangen, Würfel- und Vipernnattern friedlich nebeneinander, im Wasser
stehen, um die Fische zu erwarten, während andere ruhig auf den am Ufer unterhalb des Wasser-
spiegels befindlichen Steinen lagerten, jedenfalls im Einverständniß mit den übrigen. Daß die
beiden Arten im Nothfalle auch Frösche fangen, unterliegt keinem Zweifel: erst gestern griff ich eine,
welche vor meinen Augen einen Frosch gepackt und verschlungen hatte. Jedenfalls aber bilden Fische,
hier wenigstens, die Hauptnahrung der Vipern- und Würfelnattern, und die eine wie die andere muß
demgemäß unter die unbedingt schädlichen Thiere gezählt werden."



Die meisten Naturforscher zählen die Jachschlangen (Coronella) zu den beschriebenen Nattern,
während Jan, Fitzinger's Vorgange folgend, sie mit anderen in einer besonderen Familie vereinigt
Nattern und Jachschlangen stehen sich aber so nah, daß man beide, ohne der Wissenschaftlichkeit
Eintrag zu thun, vereinigen kann. Als Kennzeichen der Jachschlangen gelten folgende Merkmale:
Der kleine, kaum merklich vom Rumpfe abgesetzte Kopf hat eine abgerundete Schnauze; der Rumpf
ist sehr schlank, rund, nur in der Mitte etwas verdickt, der Schwanz verhältnißmäßig kurz; die kleinen,
aber sehr lebhaften Augen werden anstatt von drei hinteren Augenschildern, wie bei den Wassernattern,
nur von zweien gedeckt; die Nasenlöcher öffnen sich in der Mitte eines einfachen, großen Nasenschildes;
die Rückenschuppen sind eirund, glatt und ohne erhabene Kiele.

Jn ganz Europa vom nördlichen Norwegen an bis zum Süden hinab lebt an geeigneten Orten
hier und da sehr häufig die Schling-, glatte, österreichische, thüringische Natter, Jach-
oder Zornschlange (Coronella laevis oder Zacholus austriacus), eine der zierlichsten, beweglichsten
und lebhaftesten Schlangen unseres Vaterlandes von 2, höchstens 21/4 Fuß Länge. Die Grundfärbung
der Oberseite ist gewöhnlich braun; die Zeichnung besteht aus einem großen, dunkleren Flecken im
Nacken, welcher sich oft nach hinten zu in breite Streifen verlängert, und in zwei Reihen dunkel-
brauner, zuweilen paarweise verbundener Flecken, welche längs des Rückens verlaufen; ein anderer
dunkelbrauner Streifen zieht sich durch das Auge und an den Halsseiten hinab; der Unterleib sieht
entweder stahlblan oder rothgelblich und weißlich aus, ist auch oft dunkler gefleckt. Wie bei den
meisten Schlangen ändern Färbung und Zeichnung vielfach ab: man findet Spielarten von Grau
bis zu Rothbraun in allen dazwischenliegenden Schattirungen.

Jn Norwegen kommt die Jachschlange wie alle Ordnungsverwandten blos an besonders günstigen
Stellen und überall selten vor; in England findet sie sich, laut Wood, nur auf Kalkbergen, welche
häufig von Eidechsen bewohnt werden; in Deutschland trifft man sie nicht selten auf dem Harze und dem
Thüringerwalde, vonhieraus südlich aber auf allen Mittelgebirgen an, ebenso in den Alpenländern
durch ganz Steiermark, Kärnthen, Krain, in Dalmatien, Griechenland, Jtalien, Frankreich und
Spanien. Jan unterscheidet die in Jtalien lebende unter dem Namen girondische Jachschlange
(Coronella girondica oder Coluber Riccioli) aufgestellte Verwandte als eigene Art, während er die

Brehm, Thierleben. V. 15

Würfel- und Viperunatter. Schlingnatter.
ſchräg in letzterem aufſtellen, wobei der Kopf einen halben Fuß und darüber unterhalb des Waſſer-
ſpiegels ſteht und der Schwanz zuweilen den Grund berührt, der Leib aber in Windungen gehalten
wird. Aus dieſer Stellung ſchießen ſie pfeilſchnell vor, wenn Fiſchchen vorüberziehen, und erhaſchen
ſo faſt regelmäßig die einmal ins Auge gefaßte Beute. Gewöhnlich packen ſie den Fiſch am Bauche,
heben ihn über den Waſſerſpiegel empor und ſchwimmen nun dem Lande oder der Jnſel zu, in der
Abſicht, das Opfer hier zu verzehren. Von meinem Anſtande aus habe ich oft mehrere zu gleicher
Zeit auf mich zuſchwimmen ſehen; alle aber hatten das Fiſchchen quer am ſilberglänzenden Bauche
gepackt und hielten es außer dem Bereiche des Waſſers. Als ich das erſte Mal eine Schlange mit
ihrer Beute herankommen ſah, wußte ich wirklich nicht, welches Thier ſich mir näherte; denn ich ſah
eben nur einen breiten, glänzenden Gegenſtand ſich raſch im Waſſer fortbewegen, und erſt das Jagd-
fernrohr gab mir Auſſchluß. Gar nicht ſelten ſah ich in Engpäſſen und belebten Schwimmſtraßen
der Fiſche ſechs bis acht Schlangen, Würfel- und Vipernnattern friedlich nebeneinander, im Waſſer
ſtehen, um die Fiſche zu erwarten, während andere ruhig auf den am Ufer unterhalb des Waſſer-
ſpiegels befindlichen Steinen lagerten, jedenfalls im Einverſtändniß mit den übrigen. Daß die
beiden Arten im Nothfalle auch Fröſche fangen, unterliegt keinem Zweifel: erſt geſtern griff ich eine,
welche vor meinen Augen einen Froſch gepackt und verſchlungen hatte. Jedenfalls aber bilden Fiſche,
hier wenigſtens, die Hauptnahrung der Vipern- und Würfelnattern, und die eine wie die andere muß
demgemäß unter die unbedingt ſchädlichen Thiere gezählt werden.“



Die meiſten Naturforſcher zählen die Jachſchlangen (Coronella) zu den beſchriebenen Nattern,
während Jan, Fitzinger’s Vorgange folgend, ſie mit anderen in einer beſonderen Familie vereinigt
Nattern und Jachſchlangen ſtehen ſich aber ſo nah, daß man beide, ohne der Wiſſenſchaftlichkeit
Eintrag zu thun, vereinigen kann. Als Kennzeichen der Jachſchlangen gelten folgende Merkmale:
Der kleine, kaum merklich vom Rumpfe abgeſetzte Kopf hat eine abgerundete Schnauze; der Rumpf
iſt ſehr ſchlank, rund, nur in der Mitte etwas verdickt, der Schwanz verhältnißmäßig kurz; die kleinen,
aber ſehr lebhaften Augen werden anſtatt von drei hinteren Augenſchildern, wie bei den Waſſernattern,
nur von zweien gedeckt; die Naſenlöcher öffnen ſich in der Mitte eines einfachen, großen Naſenſchildes;
die Rückenſchuppen ſind eirund, glatt und ohne erhabene Kiele.

Jn ganz Europa vom nördlichen Norwegen an bis zum Süden hinab lebt an geeigneten Orten
hier und da ſehr häufig die Schling-, glatte, öſterreichiſche, thüringiſche Natter, Jach-
oder Zornſchlange (Coronella laevis oder Zacholus austriacus), eine der zierlichſten, beweglichſten
und lebhafteſten Schlangen unſeres Vaterlandes von 2, höchſtens 2¼ Fuß Länge. Die Grundfärbung
der Oberſeite iſt gewöhnlich braun; die Zeichnung beſteht aus einem großen, dunkleren Flecken im
Nacken, welcher ſich oft nach hinten zu in breite Streifen verlängert, und in zwei Reihen dunkel-
brauner, zuweilen paarweiſe verbundener Flecken, welche längs des Rückens verlaufen; ein anderer
dunkelbrauner Streifen zieht ſich durch das Auge und an den Halsſeiten hinab; der Unterleib ſieht
entweder ſtahlblan oder rothgelblich und weißlich aus, iſt auch oft dunkler gefleckt. Wie bei den
meiſten Schlangen ändern Färbung und Zeichnung vielfach ab: man findet Spielarten von Grau
bis zu Rothbraun in allen dazwiſchenliegenden Schattirungen.

Jn Norwegen kommt die Jachſchlange wie alle Ordnungsverwandten blos an beſonders günſtigen
Stellen und überall ſelten vor; in England findet ſie ſich, laut Wood, nur auf Kalkbergen, welche
häufig von Eidechſen bewohnt werden; in Deutſchland trifft man ſie nicht ſelten auf dem Harze und dem
Thüringerwalde, vonhieraus ſüdlich aber auf allen Mittelgebirgen an, ebenſo in den Alpenländern
durch ganz Steiermark, Kärnthen, Krain, in Dalmatien, Griechenland, Jtalien, Frankreich und
Spanien. Jan unterſcheidet die in Jtalien lebende unter dem Namen girondiſche Jachſchlange
(Coronella girondica oder Coluber Riccioli) aufgeſtellte Verwandte als eigene Art, während er die

Brehm, Thierleben. V. 15
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[225/0247] Würfel- und Viperunatter. Schlingnatter. ſchräg in letzterem aufſtellen, wobei der Kopf einen halben Fuß und darüber unterhalb des Waſſer- ſpiegels ſteht und der Schwanz zuweilen den Grund berührt, der Leib aber in Windungen gehalten wird. Aus dieſer Stellung ſchießen ſie pfeilſchnell vor, wenn Fiſchchen vorüberziehen, und erhaſchen ſo faſt regelmäßig die einmal ins Auge gefaßte Beute. Gewöhnlich packen ſie den Fiſch am Bauche, heben ihn über den Waſſerſpiegel empor und ſchwimmen nun dem Lande oder der Jnſel zu, in der Abſicht, das Opfer hier zu verzehren. Von meinem Anſtande aus habe ich oft mehrere zu gleicher Zeit auf mich zuſchwimmen ſehen; alle aber hatten das Fiſchchen quer am ſilberglänzenden Bauche gepackt und hielten es außer dem Bereiche des Waſſers. Als ich das erſte Mal eine Schlange mit ihrer Beute herankommen ſah, wußte ich wirklich nicht, welches Thier ſich mir näherte; denn ich ſah eben nur einen breiten, glänzenden Gegenſtand ſich raſch im Waſſer fortbewegen, und erſt das Jagd- fernrohr gab mir Auſſchluß. Gar nicht ſelten ſah ich in Engpäſſen und belebten Schwimmſtraßen der Fiſche ſechs bis acht Schlangen, Würfel- und Vipernnattern friedlich nebeneinander, im Waſſer ſtehen, um die Fiſche zu erwarten, während andere ruhig auf den am Ufer unterhalb des Waſſer- ſpiegels befindlichen Steinen lagerten, jedenfalls im Einverſtändniß mit den übrigen. Daß die beiden Arten im Nothfalle auch Fröſche fangen, unterliegt keinem Zweifel: erſt geſtern griff ich eine, welche vor meinen Augen einen Froſch gepackt und verſchlungen hatte. Jedenfalls aber bilden Fiſche, hier wenigſtens, die Hauptnahrung der Vipern- und Würfelnattern, und die eine wie die andere muß demgemäß unter die unbedingt ſchädlichen Thiere gezählt werden.“ Die meiſten Naturforſcher zählen die Jachſchlangen (Coronella) zu den beſchriebenen Nattern, während Jan, Fitzinger’s Vorgange folgend, ſie mit anderen in einer beſonderen Familie vereinigt Nattern und Jachſchlangen ſtehen ſich aber ſo nah, daß man beide, ohne der Wiſſenſchaftlichkeit Eintrag zu thun, vereinigen kann. Als Kennzeichen der Jachſchlangen gelten folgende Merkmale: Der kleine, kaum merklich vom Rumpfe abgeſetzte Kopf hat eine abgerundete Schnauze; der Rumpf iſt ſehr ſchlank, rund, nur in der Mitte etwas verdickt, der Schwanz verhältnißmäßig kurz; die kleinen, aber ſehr lebhaften Augen werden anſtatt von drei hinteren Augenſchildern, wie bei den Waſſernattern, nur von zweien gedeckt; die Naſenlöcher öffnen ſich in der Mitte eines einfachen, großen Naſenſchildes; die Rückenſchuppen ſind eirund, glatt und ohne erhabene Kiele. Jn ganz Europa vom nördlichen Norwegen an bis zum Süden hinab lebt an geeigneten Orten hier und da ſehr häufig die Schling-, glatte, öſterreichiſche, thüringiſche Natter, Jach- oder Zornſchlange (Coronella laevis oder Zacholus austriacus), eine der zierlichſten, beweglichſten und lebhafteſten Schlangen unſeres Vaterlandes von 2, höchſtens 2¼ Fuß Länge. Die Grundfärbung der Oberſeite iſt gewöhnlich braun; die Zeichnung beſteht aus einem großen, dunkleren Flecken im Nacken, welcher ſich oft nach hinten zu in breite Streifen verlängert, und in zwei Reihen dunkel- brauner, zuweilen paarweiſe verbundener Flecken, welche längs des Rückens verlaufen; ein anderer dunkelbrauner Streifen zieht ſich durch das Auge und an den Halsſeiten hinab; der Unterleib ſieht entweder ſtahlblan oder rothgelblich und weißlich aus, iſt auch oft dunkler gefleckt. Wie bei den meiſten Schlangen ändern Färbung und Zeichnung vielfach ab: man findet Spielarten von Grau bis zu Rothbraun in allen dazwiſchenliegenden Schattirungen. Jn Norwegen kommt die Jachſchlange wie alle Ordnungsverwandten blos an beſonders günſtigen Stellen und überall ſelten vor; in England findet ſie ſich, laut Wood, nur auf Kalkbergen, welche häufig von Eidechſen bewohnt werden; in Deutſchland trifft man ſie nicht ſelten auf dem Harze und dem Thüringerwalde, vonhieraus ſüdlich aber auf allen Mittelgebirgen an, ebenſo in den Alpenländern durch ganz Steiermark, Kärnthen, Krain, in Dalmatien, Griechenland, Jtalien, Frankreich und Spanien. Jan unterſcheidet die in Jtalien lebende unter dem Namen girondiſche Jachſchlange (Coronella girondica oder Coluber Riccioli) aufgeſtellte Verwandte als eigene Art, während er die Brehm, Thierleben. V. 15

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/247>, abgerufen am 22.12.2024.