Die Schlangen. Nattern. Laufnattern. Trugschlangen. Baumschlangen.
zusammenlegt, den Gegner dicht herankommen läßt und dann plötzlich den Kopf zum Bisse vorschnellt. Zuweilen soll sie sich in den Lippen der Pferde förmlich festbeißen. Erber fand sie vorzugsweise an Quellen und Bächen und beobachtete, daß Eidechsen und Mäuse die Beute sind, welcher sie nach- stellt. Das Wesen der Schlange bezeichnet er als listig und vorsichtig, weshalb sie auch sehr schwer zu erhalten sein soll. "Jn der Gefangenschaft", schreibt er mir, "bleibt das schöne Thier stets schen, bequemt sich aber bald zum Fressen und wird dann ihren Nachbarinnen meist gefährlich. Nach meinen Beobachtungen verzehrt sie nicht blos die unschuldige Katzenschlange, sondern auch die giftige Sand- viper ohne Bedenken.
Jan rechnet noch eine andere Natter, welche zu Ehren Dahl's benannt wurde, zu den Zornschlangen, obgleich sie sich von diesen durch ihre außerordentlich gestreckte Gestalt unterscheidet und hierin, sowie in ihrem Betragen mehr mit den Baumschlangen übereinkommt. Jhre Länge beträgt 3 bis 31/2 Fuß. Die Färbung der Oberseite ist graugrünlich, an den Seiten des Halses schwärzlich mit drei bis fünf dunkelgelb eingefaßten Augenslecken.
Jn Europa bewohnt die Steignatter, wie wir sie nennen wollen (Zamenis Dahlii), Dalmatien und Griechenland; sie kommt aber auch in Kleinasien, Palästina und Egypten vor. Erber beobachtete sie einzeln bei Salona in Dalmatien, ziemlich häufig dagegen auf der Halbinsel Sabion- cello und im Narentathale. Sie ist, wie ihre Gestalt vermuthen läßt, außerordentlich schnell und gewandt, dabei auch scheu und listig und deshalb schwer zu erhalten. Wenn sie sich verfolgt sieht, flieht sie rasch dem ersten besten Baume zu und klettert auf ihm mit überraschender Fertigkeit empor, macht auch, hier bedroht, von oben herab zwei bis drei Klafter weite Sätze, und verbirgt sich dann sogleich in den Dorngesträuchen. "Erhascht man sie endlich doch, so ist des Beißens kein Ende." Durch kaum merkbare Oeffnungen des Behälters weiß sie zu entkommen. Jn der Gefangenschaft nimmt sie keine Nahrung zu sich und geht deshalb längstens innerhalb drei Monaten zu Grunde; selbst ein Erber konnte sie noch über Winter am Leben erhalten. Letzterer sah sie im Freien kleine Eidechsen ergreifen und fand in getödteten Stücken Feld- und Maulwurf-Grillen.
Jn Süd- und Mittelamerika werden die Weisheitszähner durch die Laufnattern(Dromicus) vertreten, gestreckte Schlangen mit schmalem vom Halse kaum abgesetzten Kopfe, langem Schwanze und glatten, viereckigen Schuppen, welche sich außerordentlich schnell auf dem Boden bewegen, kleinen Kriechthieren und Mäusen nachstellen, bei Anblick eines Menschen oder eines Raubthieres aber schnell entfliehen.
Eine der bekanntesten Arten dieser Gruppe (Dromieus cursor) lebt auf den Antillen, erreicht eine Länge von etwa 2 Fuß, zeigt oben auf rothbraunem Grunde vier Längsbinden und sieht auf der Unterseite einfach gelb aus. Ueber ihre Lebensweise wissen wir nur das vorstehend im allgemeinen Gesagte; dagegen haben wir neuerdings durch Gosse über eine verwandte Art einige Mittheilungen erhalten.
Diese, ihrer dunklen Färbung halber Dromicus ater genannt, die Trauerschlange, wie wir sie benamsen wollen, ist auf der Jnsel außerordentlich häufig und sehr verbreitet, da sie sich ebensowohl an Gebüsch als auf Felsen und altem Mauerwerk findet, dort zwischen den Blättern und dem Gewurzel der Sträucher, hier in Höhlungen und Felsspalten sich verbergend. Stundenlang liegt sie mit halbem Leibe außerhalb ihres Schlupfwinkels und erwartet die Annäherung ihrer Beute, welche hauptsächlich aus kleinen Eidechsen besteht. Unter ihren Sippschaftsverwandten scheint sie die
Die Schlangen. Nattern. Laufnattern. Trugſchlangen. Baumſchlangen.
zuſammenlegt, den Gegner dicht herankommen läßt und dann plötzlich den Kopf zum Biſſe vorſchnellt. Zuweilen ſoll ſie ſich in den Lippen der Pferde förmlich feſtbeißen. Erber fand ſie vorzugsweiſe an Quellen und Bächen und beobachtete, daß Eidechſen und Mäuſe die Beute ſind, welcher ſie nach- ſtellt. Das Weſen der Schlange bezeichnet er als liſtig und vorſichtig, weshalb ſie auch ſehr ſchwer zu erhalten ſein ſoll. „Jn der Gefangenſchaft“, ſchreibt er mir, „bleibt das ſchöne Thier ſtets ſchen, bequemt ſich aber bald zum Freſſen und wird dann ihren Nachbarinnen meiſt gefährlich. Nach meinen Beobachtungen verzehrt ſie nicht blos die unſchuldige Katzenſchlange, ſondern auch die giftige Sand- viper ohne Bedenken.
Jan rechnet noch eine andere Natter, welche zu Ehren Dahl’s benannt wurde, zu den Zornſchlangen, obgleich ſie ſich von dieſen durch ihre außerordentlich geſtreckte Geſtalt unterſcheidet und hierin, ſowie in ihrem Betragen mehr mit den Baumſchlangen übereinkommt. Jhre Länge beträgt 3 bis 3½ Fuß. Die Färbung der Oberſeite iſt graugrünlich, an den Seiten des Halſes ſchwärzlich mit drei bis fünf dunkelgelb eingefaßten Augenſlecken.
Jn Europa bewohnt die Steignatter, wie wir ſie nennen wollen (Zamenis Dahlii), Dalmatien und Griechenland; ſie kommt aber auch in Kleinaſien, Paläſtina und Egypten vor. Erber beobachtete ſie einzeln bei Salona in Dalmatien, ziemlich häufig dagegen auf der Halbinſel Sabion- cello und im Narentathale. Sie iſt, wie ihre Geſtalt vermuthen läßt, außerordentlich ſchnell und gewandt, dabei auch ſcheu und liſtig und deshalb ſchwer zu erhalten. Wenn ſie ſich verfolgt ſieht, flieht ſie raſch dem erſten beſten Baume zu und klettert auf ihm mit überraſchender Fertigkeit empor, macht auch, hier bedroht, von oben herab zwei bis drei Klafter weite Sätze, und verbirgt ſich dann ſogleich in den Dorngeſträuchen. „Erhaſcht man ſie endlich doch, ſo iſt des Beißens kein Ende.“ Durch kaum merkbare Oeffnungen des Behälters weiß ſie zu entkommen. Jn der Gefangenſchaft nimmt ſie keine Nahrung zu ſich und geht deshalb längſtens innerhalb drei Monaten zu Grunde; ſelbſt ein Erber konnte ſie noch über Winter am Leben erhalten. Letzterer ſah ſie im Freien kleine Eidechſen ergreifen und fand in getödteten Stücken Feld- und Maulwurf-Grillen.
Jn Süd- und Mittelamerika werden die Weisheitszähner durch die Laufnattern(Dromicus) vertreten, geſtreckte Schlangen mit ſchmalem vom Halſe kaum abgeſetzten Kopfe, langem Schwanze und glatten, viereckigen Schuppen, welche ſich außerordentlich ſchnell auf dem Boden bewegen, kleinen Kriechthieren und Mäuſen nachſtellen, bei Anblick eines Menſchen oder eines Raubthieres aber ſchnell entfliehen.
Eine der bekannteſten Arten dieſer Gruppe (Dromieus cursor) lebt auf den Antillen, erreicht eine Länge von etwa 2 Fuß, zeigt oben auf rothbraunem Grunde vier Längsbinden und ſieht auf der Unterſeite einfach gelb aus. Ueber ihre Lebensweiſe wiſſen wir nur das vorſtehend im allgemeinen Geſagte; dagegen haben wir neuerdings durch Goſſe über eine verwandte Art einige Mittheilungen erhalten.
Dieſe, ihrer dunklen Färbung halber Dromicus ater genannt, die Trauerſchlange, wie wir ſie benamſen wollen, iſt auf der Jnſel außerordentlich häufig und ſehr verbreitet, da ſie ſich ebenſowohl an Gebüſch als auf Felſen und altem Mauerwerk findet, dort zwiſchen den Blättern und dem Gewurzel der Sträucher, hier in Höhlungen und Felsſpalten ſich verbergend. Stundenlang liegt ſie mit halbem Leibe außerhalb ihres Schlupfwinkels und erwartet die Annäherung ihrer Beute, welche hauptſächlich aus kleinen Eidechſen beſteht. Unter ihren Sippſchaftsverwandten ſcheint ſie die
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[238/0260]
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Zuweilen ſoll ſie ſich in den Lippen der Pferde förmlich feſtbeißen. Erber fand ſie vorzugsweiſe
an Quellen und Bächen und beobachtete, daß Eidechſen und Mäuſe die Beute ſind, welcher ſie nach-
ſtellt. Das Weſen der Schlange bezeichnet er als liſtig und vorſichtig, weshalb ſie auch ſehr ſchwer
zu erhalten ſein ſoll. „Jn der Gefangenſchaft“, ſchreibt er mir, „bleibt das ſchöne Thier ſtets ſchen,
bequemt ſich aber bald zum Freſſen und wird dann ihren Nachbarinnen meiſt gefährlich. Nach meinen
Beobachtungen verzehrt ſie nicht blos die unſchuldige Katzenſchlange, ſondern auch die giftige Sand-
viper ohne Bedenken.
Jan rechnet noch eine andere Natter, welche zu Ehren Dahl’s benannt wurde, zu den
Zornſchlangen, obgleich ſie ſich von dieſen durch ihre außerordentlich geſtreckte Geſtalt unterſcheidet
und hierin, ſowie in ihrem Betragen mehr mit den Baumſchlangen übereinkommt. Jhre Länge
beträgt 3 bis 3½ Fuß. Die Färbung der Oberſeite iſt graugrünlich, an den Seiten des Halſes
ſchwärzlich mit drei bis fünf dunkelgelb eingefaßten Augenſlecken.
Jn Europa bewohnt die Steignatter, wie wir ſie nennen wollen (Zamenis Dahlii), Dalmatien
und Griechenland; ſie kommt aber auch in Kleinaſien, Paläſtina und Egypten vor. Erber
beobachtete ſie einzeln bei Salona in Dalmatien, ziemlich häufig dagegen auf der Halbinſel Sabion-
cello und im Narentathale. Sie iſt, wie ihre Geſtalt vermuthen läßt, außerordentlich ſchnell und
gewandt, dabei auch ſcheu und liſtig und deshalb ſchwer zu erhalten. Wenn ſie ſich verfolgt ſieht,
flieht ſie raſch dem erſten beſten Baume zu und klettert auf ihm mit überraſchender Fertigkeit empor,
macht auch, hier bedroht, von oben herab zwei bis drei Klafter weite Sätze, und verbirgt ſich dann
ſogleich in den Dorngeſträuchen. „Erhaſcht man ſie endlich doch, ſo iſt des Beißens kein Ende.“
Durch kaum merkbare Oeffnungen des Behälters weiß ſie zu entkommen. Jn der Gefangenſchaft
nimmt ſie keine Nahrung zu ſich und geht deshalb längſtens innerhalb drei Monaten zu Grunde;
ſelbſt ein Erber konnte ſie noch über Winter am Leben erhalten. Letzterer ſah ſie im Freien kleine
Eidechſen ergreifen und fand in getödteten Stücken Feld- und Maulwurf-Grillen.
Jn Süd- und Mittelamerika werden die Weisheitszähner durch die Laufnattern (Dromicus)
vertreten, geſtreckte Schlangen mit ſchmalem vom Halſe kaum abgeſetzten Kopfe, langem Schwanze
und glatten, viereckigen Schuppen, welche ſich außerordentlich ſchnell auf dem Boden bewegen, kleinen
Kriechthieren und Mäuſen nachſtellen, bei Anblick eines Menſchen oder eines Raubthieres aber ſchnell
entfliehen.
Eine der bekannteſten Arten dieſer Gruppe (Dromieus cursor) lebt auf den Antillen, erreicht
eine Länge von etwa 2 Fuß, zeigt oben auf rothbraunem Grunde vier Längsbinden und ſieht auf der
Unterſeite einfach gelb aus. Ueber ihre Lebensweiſe wiſſen wir nur das vorſtehend im allgemeinen
Geſagte; dagegen haben wir neuerdings durch Goſſe über eine verwandte Art einige Mittheilungen
erhalten.
Dieſe, ihrer dunklen Färbung halber Dromicus ater genannt, die Trauerſchlange, wie wir
ſie benamſen wollen, iſt auf der Jnſel außerordentlich häufig und ſehr verbreitet, da ſie ſich ebenſowohl
an Gebüſch als auf Felſen und altem Mauerwerk findet, dort zwiſchen den Blättern und dem
Gewurzel der Sträucher, hier in Höhlungen und Felsſpalten ſich verbergend. Stundenlang liegt ſie
mit halbem Leibe außerhalb ihres Schlupfwinkels und erwartet die Annäherung ihrer Beute, welche
hauptſächlich aus kleinen Eidechſen beſteht. Unter ihren Sippſchaftsverwandten ſcheint ſie die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/260>, abgerufen am 22.12.2024.
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