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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Baumschlangen. Baumnattern.
bemerkte, daß wieder eine Baumschlange in meinem Garten zu Bahia sich angesiedelt hatte. Man
besteigt einen Baum, um ein Vogelnest zu untersuchen, dessen Junge bereits ausgeflogen sind; aber
man findet es in Besitz genommen von einem dieser wundervollen Geschöpfe, welches den mehr
als zwei Fuß langen Leib auf einen Raum zusammengerollt hat, nicht größer als die Höhlung der
Hand. Jmmer und immer scheint die Baumschlange auf ihrer Hut, beständig wachsam zu sein;
denn in dem Augenblicke, in welchem man sie entdeckt, bekundet das rasche Spielen der lang-
gegabelten, schwarzen Zunge, daß man gesehen und erkannt wird. Zeigt man durch die geringste
Bewegung die Absicht an, das Thier zu stören, so flüchtet es sich nach oben über die Zweige und
Blätter mit einer Leichtigkeit, daß letztere sich unter ihrer Last kaum zu biegen scheinen: -- noch einen
Augenblick, und man hat sie aus dem Auge verloren. Mag ich nach Europa zurückkehren, wann es
sei: soviel ist sicher, daß ich in meinem Gewächshause diese unschuldigen und liebenswürdigen
Geschöpfe nicht missen werde."

Die Beute der Baumschlangen scheint aus verschiedenen Klassen gewählt zu werden. Sie
fressen Mäuse, kleine Vögel, mit besonderer Vorliebe aber alle die verschiedenen Echsen und Lurche,
welche mit ihnen denselben Aufenthalt theilen.

Ueber die Fortpflanzung fehlen genaue Beobachtungen. Man nimmt an, daß sie lebendige
Junge zur Welt bringen, ob mit Recht oder Unrecht, bleibt dahingestellt.



Die Baumnattern (Herpetodryas) gehören zu den kräftiger gebauten Arten der Familie,
obwohl ihr Leib noch immer sehr schlank erscheint. Der Kopf ist klein, kurz, schmal, vom Halse
undeutlich geschieden, an der Schnauze stark abgerundet, der Hals sehr dünn, der Körper etwas
zusammengedrückt, auf dem Rücken verschmälert, der Schwanz ungefähr ebenso lang als der übrige
Leib, peitschenförmig, dünn und zugespitzt; die Nasenlöcher stehen an der Seite der Schnauze; die
großen lebhaften Augen treten hervor. Rücksichtlich des Zahnbaues ähneln die hierher gehörigen
Arten den Gleichzähnern, zu welchen sie von einzelnen Forschern gezählt werden.

Jn den Waldungen Brasiliens und Guyanas lebt eine zu dieser Sippe zählende Art, die Sipo
(Herpetodryas carinatus), eine wegen ihrer vielfach wechselnden Färbung unter sehr verschiedenem
Namen beschriebene Baumschlange von 6 bis 7 Fuß Länge und prächtigem Aussehen, möge die Schat-
tirung ihrer Färbung sein, wie sie wolle. Nach der Beschreibung des Prinzen von Wied sind die
oberen Theile von einem schönen, sanften, etwas dunklen Zeisig- oder Olivengrün, welches auf dem
Rücken ins Bräunliche spielt, die unteren Theile grünlich oder hochgelb, wobei zu bemerken, daß erst-
genannte Färbung gewöhnlich auf dem Bauche, letztere auf der Unterseite des Kopfes, der Kehle, des
Halses und des Schwanzes vorherrscht. Die grüne Färbung spielt in allen Schattirungen bis zum
glänzenden Metallbraun; es finden sich auch gewöhnlich dunklere, paarweis gestellte Längsstreifen,
nach Dumeril sechs bis zwölf an der Zahl.

Die Sipo ist nach den Beobachtungen des Prinzen von Wied in Brasilien nächst der
Korallenschlange eine der gemeinsten Arten der Ordnung und kommt namentlich bei Rio de Janeiro,
Cabo Frio, Campos des Goaytacases, am Parahyba und zu Capitania am Espirito Santo vor und
belebt vorzugsweise die auf sandigem Boden stehenden Gebüsche unweit des Meeres. Hier beobachtete
unser Naturforscher außerordentlich große Stücke, solche von sechs bis sieben Fuß Länge und zwei bis
drei Zoll Dicke im Durchmesser. Den sandigen Boden scheint sie besonders zu lieben, ebenso
feuchte und sumpfige Strecken in der Nähe des Meeres, welche mit Binsen, Sumpfgras, Rohr
und ähnlichen Gewächsen bestanden sind und an unsere Wiesen erinnern. Hier findet man sie häufig
in Gebüschen, wo aufrechte, weißblühende Trompetenbäume und die steifen und breitblätterigen

Die Schlangen. Baumſchlangen. Baumnattern.
bemerkte, daß wieder eine Baumſchlange in meinem Garten zu Bahia ſich angeſiedelt hatte. Man
beſteigt einen Baum, um ein Vogelneſt zu unterſuchen, deſſen Junge bereits ausgeflogen ſind; aber
man findet es in Beſitz genommen von einem dieſer wundervollen Geſchöpfe, welches den mehr
als zwei Fuß langen Leib auf einen Raum zuſammengerollt hat, nicht größer als die Höhlung der
Hand. Jmmer und immer ſcheint die Baumſchlange auf ihrer Hut, beſtändig wachſam zu ſein;
denn in dem Augenblicke, in welchem man ſie entdeckt, bekundet das raſche Spielen der lang-
gegabelten, ſchwarzen Zunge, daß man geſehen und erkannt wird. Zeigt man durch die geringſte
Bewegung die Abſicht an, das Thier zu ſtören, ſo flüchtet es ſich nach oben über die Zweige und
Blätter mit einer Leichtigkeit, daß letztere ſich unter ihrer Laſt kaum zu biegen ſcheinen: — noch einen
Augenblick, und man hat ſie aus dem Auge verloren. Mag ich nach Europa zurückkehren, wann es
ſei: ſoviel iſt ſicher, daß ich in meinem Gewächshauſe dieſe unſchuldigen und liebenswürdigen
Geſchöpfe nicht miſſen werde.“

Die Beute der Baumſchlangen ſcheint aus verſchiedenen Klaſſen gewählt zu werden. Sie
freſſen Mäuſe, kleine Vögel, mit beſonderer Vorliebe aber alle die verſchiedenen Echſen und Lurche,
welche mit ihnen denſelben Aufenthalt theilen.

Ueber die Fortpflanzung fehlen genaue Beobachtungen. Man nimmt an, daß ſie lebendige
Junge zur Welt bringen, ob mit Recht oder Unrecht, bleibt dahingeſtellt.



Die Baumnattern (Herpetodryas) gehören zu den kräftiger gebauten Arten der Familie,
obwohl ihr Leib noch immer ſehr ſchlank erſcheint. Der Kopf iſt klein, kurz, ſchmal, vom Halſe
undeutlich geſchieden, an der Schnauze ſtark abgerundet, der Hals ſehr dünn, der Körper etwas
zuſammengedrückt, auf dem Rücken verſchmälert, der Schwanz ungefähr ebenſo lang als der übrige
Leib, peitſchenförmig, dünn und zugeſpitzt; die Naſenlöcher ſtehen an der Seite der Schnauze; die
großen lebhaften Augen treten hervor. Rückſichtlich des Zahnbaues ähneln die hierher gehörigen
Arten den Gleichzähnern, zu welchen ſie von einzelnen Forſchern gezählt werden.

Jn den Waldungen Braſiliens und Guyanas lebt eine zu dieſer Sippe zählende Art, die Sipo
(Herpetodryas carinatus), eine wegen ihrer vielfach wechſelnden Färbung unter ſehr verſchiedenem
Namen beſchriebene Baumſchlange von 6 bis 7 Fuß Länge und prächtigem Ausſehen, möge die Schat-
tirung ihrer Färbung ſein, wie ſie wolle. Nach der Beſchreibung des Prinzen von Wied ſind die
oberen Theile von einem ſchönen, ſanften, etwas dunklen Zeiſig- oder Olivengrün, welches auf dem
Rücken ins Bräunliche ſpielt, die unteren Theile grünlich oder hochgelb, wobei zu bemerken, daß erſt-
genannte Färbung gewöhnlich auf dem Bauche, letztere auf der Unterſeite des Kopfes, der Kehle, des
Halſes und des Schwanzes vorherrſcht. Die grüne Färbung ſpielt in allen Schattirungen bis zum
glänzenden Metallbraun; es finden ſich auch gewöhnlich dunklere, paarweis geſtellte Längsſtreifen,
nach Dumeril ſechs bis zwölf an der Zahl.

Die Sipo iſt nach den Beobachtungen des Prinzen von Wied in Braſilien nächſt der
Korallenſchlange eine der gemeinſten Arten der Ordnung und kommt namentlich bei Rio de Janeiro,
Cabo Frio, Campos des Goaytacaſes, am Parahyba und zu Capitania am Eſpirito Santo vor und
belebt vorzugsweiſe die auf ſandigem Boden ſtehenden Gebüſche unweit des Meeres. Hier beobachtete
unſer Naturforſcher außerordentlich große Stücke, ſolche von ſechs bis ſieben Fuß Länge und zwei bis
drei Zoll Dicke im Durchmeſſer. Den ſandigen Boden ſcheint ſie beſonders zu lieben, ebenſo
feuchte und ſumpfige Strecken in der Nähe des Meeres, welche mit Binſen, Sumpfgras, Rohr
und ähnlichen Gewächſen beſtanden ſind und an unſere Wieſen erinnern. Hier findet man ſie häufig
in Gebüſchen, wo aufrechte, weißblühende Trompetenbäume und die ſteifen und breitblätterigen

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[240/0262] Die Schlangen. Baumſchlangen. Baumnattern. bemerkte, daß wieder eine Baumſchlange in meinem Garten zu Bahia ſich angeſiedelt hatte. Man beſteigt einen Baum, um ein Vogelneſt zu unterſuchen, deſſen Junge bereits ausgeflogen ſind; aber man findet es in Beſitz genommen von einem dieſer wundervollen Geſchöpfe, welches den mehr als zwei Fuß langen Leib auf einen Raum zuſammengerollt hat, nicht größer als die Höhlung der Hand. Jmmer und immer ſcheint die Baumſchlange auf ihrer Hut, beſtändig wachſam zu ſein; denn in dem Augenblicke, in welchem man ſie entdeckt, bekundet das raſche Spielen der lang- gegabelten, ſchwarzen Zunge, daß man geſehen und erkannt wird. Zeigt man durch die geringſte Bewegung die Abſicht an, das Thier zu ſtören, ſo flüchtet es ſich nach oben über die Zweige und Blätter mit einer Leichtigkeit, daß letztere ſich unter ihrer Laſt kaum zu biegen ſcheinen: — noch einen Augenblick, und man hat ſie aus dem Auge verloren. Mag ich nach Europa zurückkehren, wann es ſei: ſoviel iſt ſicher, daß ich in meinem Gewächshauſe dieſe unſchuldigen und liebenswürdigen Geſchöpfe nicht miſſen werde.“ Die Beute der Baumſchlangen ſcheint aus verſchiedenen Klaſſen gewählt zu werden. Sie freſſen Mäuſe, kleine Vögel, mit beſonderer Vorliebe aber alle die verſchiedenen Echſen und Lurche, welche mit ihnen denſelben Aufenthalt theilen. Ueber die Fortpflanzung fehlen genaue Beobachtungen. Man nimmt an, daß ſie lebendige Junge zur Welt bringen, ob mit Recht oder Unrecht, bleibt dahingeſtellt. Die Baumnattern (Herpetodryas) gehören zu den kräftiger gebauten Arten der Familie, obwohl ihr Leib noch immer ſehr ſchlank erſcheint. Der Kopf iſt klein, kurz, ſchmal, vom Halſe undeutlich geſchieden, an der Schnauze ſtark abgerundet, der Hals ſehr dünn, der Körper etwas zuſammengedrückt, auf dem Rücken verſchmälert, der Schwanz ungefähr ebenſo lang als der übrige Leib, peitſchenförmig, dünn und zugeſpitzt; die Naſenlöcher ſtehen an der Seite der Schnauze; die großen lebhaften Augen treten hervor. Rückſichtlich des Zahnbaues ähneln die hierher gehörigen Arten den Gleichzähnern, zu welchen ſie von einzelnen Forſchern gezählt werden. Jn den Waldungen Braſiliens und Guyanas lebt eine zu dieſer Sippe zählende Art, die Sipo (Herpetodryas carinatus), eine wegen ihrer vielfach wechſelnden Färbung unter ſehr verſchiedenem Namen beſchriebene Baumſchlange von 6 bis 7 Fuß Länge und prächtigem Ausſehen, möge die Schat- tirung ihrer Färbung ſein, wie ſie wolle. Nach der Beſchreibung des Prinzen von Wied ſind die oberen Theile von einem ſchönen, ſanften, etwas dunklen Zeiſig- oder Olivengrün, welches auf dem Rücken ins Bräunliche ſpielt, die unteren Theile grünlich oder hochgelb, wobei zu bemerken, daß erſt- genannte Färbung gewöhnlich auf dem Bauche, letztere auf der Unterſeite des Kopfes, der Kehle, des Halſes und des Schwanzes vorherrſcht. Die grüne Färbung ſpielt in allen Schattirungen bis zum glänzenden Metallbraun; es finden ſich auch gewöhnlich dunklere, paarweis geſtellte Längsſtreifen, nach Dumeril ſechs bis zwölf an der Zahl. Die Sipo iſt nach den Beobachtungen des Prinzen von Wied in Braſilien nächſt der Korallenſchlange eine der gemeinſten Arten der Ordnung und kommt namentlich bei Rio de Janeiro, Cabo Frio, Campos des Goaytacaſes, am Parahyba und zu Capitania am Eſpirito Santo vor und belebt vorzugsweiſe die auf ſandigem Boden ſtehenden Gebüſche unweit des Meeres. Hier beobachtete unſer Naturforſcher außerordentlich große Stücke, ſolche von ſechs bis ſieben Fuß Länge und zwei bis drei Zoll Dicke im Durchmeſſer. Den ſandigen Boden ſcheint ſie beſonders zu lieben, ebenſo feuchte und ſumpfige Strecken in der Nähe des Meeres, welche mit Binſen, Sumpfgras, Rohr und ähnlichen Gewächſen beſtanden ſind und an unſere Wieſen erinnern. Hier findet man ſie häufig in Gebüſchen, wo aufrechte, weißblühende Trompetenbäume und die ſteifen und breitblätterigen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/262>, abgerufen am 22.12.2024.