Warum Boje den zierlichen und harmlosen Thieren einen im Alterthume verrufenen Namen ertheilt hat, wissen wir nicht; soviel aber steht fest, daß sie mit der Dipsas der Alten Nichts gemein haben.
"Dise schlang", sagt Geßner, die alte Weisheit wiedergebend, "hat den nammen vom dürsten bekommen, denn sie entzündet den menschen, so sie jn sticht, dermassen daß er dürsts stirbt, daher sie auch brandtschlang vnd prester genannt (wie wol ein vnderscheid zwischen beiden sein soll) die hitzen nemmen dermassen überhand daß der kranck nach dem wasser ficht, nichts denn wasser fordert, vnd sich selb daran zutodt trinckt. Dise durstschlang ist von leyb kleiner denn die hecknater, jr gifft aber vil tödtlicher vnd vergiffter, vnd bringt den Menschen gschwinder vmbs läben. Dises giffts natur ist scharpsshitzig trucken vnd einer dicken substantz, welche die jnerlichen glider deß leybs entzündt, verbrent, tröcknet, zusamen ziecht, daß sie von der hitz gleych wie daß leder vom fheür zusammenstrupffen. Darauff dann ein hesstiger vnersettiger durst volget. Deßgleychen weyl daß geäder zusamenlaufft, auch die schweiß- löcher sich beschliessen, so mag er weder harnen noch schwitzen, vnd wirt jm darzu daß brechen schwer. Derhalben schreyt der kranck, leydet so grosse hitz vnd durst als leg er im fheür, vnd muß zu letst dursts sterben vnd verbrünnen, oder aber trinckt so vil biß daß jm der bauch (er bricht inen mertheils vnden gegen den gemechten auff) zerspringt. Denn je mehr er trinckt vnd innsich sausst je mehr der durst zunimpt. Vnd wenn er schon den gantzen Rhein oder die Donaw außsuffe, so möchte er doch den grausamm Durst nit löschen vnd stillen, dieweyl die hitzen vom trincken gleych wies fheür vom öl nur gemehret angezündt vnd erhalten werden." Jm Anschluß an diese fürchterliche Geschichte gibt er das bekannte Gedicht des Lucanus, in welchem erzählt wird, daß Aulus auf eine Dipsas trat, von ihr verwundet wurde und nunmehr die Qual erleiden mußte, welche vorher geschildert, aber weil er kein Wasser fand, sich zuletzt die Ader öffnete und sein eigenes Blut trank.
Es ist unzweifelhaft, daß die Alten unter der Dipsas irgend eine Viper verstanden, keines- wegs aber an unsere anmuthigen Peitschennattern gedacht haben. "Etlich der alten scribenten", bemerkt Geßner, "zelen sie den hecknateren zu, andere den aspiden. Es ist aber doch nit vil hieran gelegen." Dem dürfen auch wir beistimmen.
Der Verbreitungskreis der Peitschennattern erstreckt sich über beide Erdhälften; nach der neueren Auffassung gehört sogar eine in Europa lebende Schlange dieser Familie an. Alle ohne Ausnahme leben auf Bäumen und kommen nur ausnahmsweise zum Boden herab. Kriechthiere, namentlich Eidechsen und Baumfrösche, scheinen ihre bevorzugte Nahrung zu bilden; nebenbei jagen sie wohl auch auf kleine Vögel, möglicherweise ebenso auf Kerbthiere.
Die europäische Art der Familie ist von Fleischmann zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben und dieser der Name Trugnatter(Tarbophis) zuertheilt, letzterer aber später von Fitzinger in Katzenschlange(Ailurophis) umgeändert worden. Der Leib ist spindelförmig, der Kopf deutlich abgesetzt, etwas platt, der Leib verhältnißmäßig kurz. Die kleinen Augen haben einen geschlitzten Stern. Die vorderen Zähne des Unterkiefers sind viel länger und mehr gekrümmt als die darauf folgenden, die Rinnenzähne in den Oberkinnladen sehr lang und ebenfalls stark gekrümmt.
Die Katzenschlange(Ailurophis vivax) ist oben auf schmuziggrauem Grunde mit kleinen schwarzen Pünktchen, auf den Kopfschildern mit kastanienbraunen Flecken, im Nacken mit einem großen rothbraunen und auf dem Rücken mit ähnlich gefärbten, in Reihen stehenden Flecken gezeichnet; eine dunkle Binde verläuft vom Auge zum Mundwinkel, eine Reihe kleiner Flecken längs jeder Seite des Leibes; die unteren Theile sehen weißgelb aus. Die Länge beträgt gegen 3 Fuß.
Nach Dumeril und Bibron verbreitet sich die Katzenschlange über mehrere Länder um das Mittelmeer. Man hat sie erhalten aus Jstrien, Dalmatien, Albanien und Griechenland, ebenso aber auch aus Egypten, Kleinasien, den Gebirgsländern am schwarzen und vonhieraus bis zum
Mondſchlange. Wolfszahunatter. Katzenſchlange.
Warum Boje den zierlichen und harmloſen Thieren einen im Alterthume verrufenen Namen ertheilt hat, wiſſen wir nicht; ſoviel aber ſteht feſt, daß ſie mit der Dipsas der Alten Nichts gemein haben.
„Diſe ſchlang“, ſagt Geßner, die alte Weisheit wiedergebend, „hat den nammen vom dürſten bekommen, denn ſie entzündet den menſchen, ſo ſie jn ſticht, dermaſſen daß er dürſts ſtirbt, daher ſie auch brandtſchlang vnd preſter genannt (wie wol ein vnderſcheid zwiſchen beiden ſein ſoll) die hitzen nemmen dermaſſen überhand daß der kranck nach dem waſſer ficht, nichts denn waſſer fordert, vnd ſich ſelb daran zutodt trinckt. Diſe durſtſchlang iſt von leyb kleiner denn die hecknater, jr gifft aber vil tödtlicher vnd vergiffter, vnd bringt den Menſchen gſchwinder vmbs läben. Diſes giffts natur iſt ſcharpſſhitzig trucken vnd einer dicken ſubſtantz, welche die jnerlichen glider deß leybs entzündt, verbrent, tröcknet, zuſamen ziecht, daß ſie von der hitz gleych wie daß leder vom fheür zuſammenſtrupffen. Darauff dann ein heſſtiger vnerſettiger durſt volget. Deßgleychen weyl daß geäder zuſamenlaufft, auch die ſchweiß- löcher ſich beſchlieſſen, ſo mag er weder harnen noch ſchwitzen, vnd wirt jm darzu daß brechen ſchwer. Derhalben ſchreyt der kranck, leydet ſo groſſe hitz vnd durſt als leg er im fheür, vnd muß zu letſt durſts ſterben vnd verbrünnen, oder aber trinckt ſo vil biß daß jm der bauch (er bricht inen mertheils vnden gegen den gemechten auff) zerſpringt. Denn je mehr er trinckt vnd innſich ſauſſt je mehr der durſt zunimpt. Vnd wenn er ſchon den gantzen Rhein oder die Donaw außſuffe, ſo möchte er doch den grauſamm Durſt nit löſchen vnd ſtillen, dieweyl die hitzen vom trincken gleych wies fheür vom öl nur gemehret angezündt vnd erhalten werden.“ Jm Anſchluß an dieſe fürchterliche Geſchichte gibt er das bekannte Gedicht des Lucanus, in welchem erzählt wird, daß Aulus auf eine Dipſas trat, von ihr verwundet wurde und nunmehr die Qual erleiden mußte, welche vorher geſchildert, aber weil er kein Waſſer fand, ſich zuletzt die Ader öffnete und ſein eigenes Blut trank.
Es iſt unzweifelhaft, daß die Alten unter der Dipſas irgend eine Viper verſtanden, keines- wegs aber an unſere anmuthigen Peitſchennattern gedacht haben. „Etlich der alten ſcribenten“, bemerkt Geßner, „zelen ſie den hecknateren zu, andere den aſpiden. Es iſt aber doch nit vil hieran gelegen.“ Dem dürfen auch wir beiſtimmen.
Der Verbreitungskreis der Peitſchennattern erſtreckt ſich über beide Erdhälften; nach der neueren Auffaſſung gehört ſogar eine in Europa lebende Schlange dieſer Familie an. Alle ohne Ausnahme leben auf Bäumen und kommen nur ausnahmsweiſe zum Boden herab. Kriechthiere, namentlich Eidechſen und Baumfröſche, ſcheinen ihre bevorzugte Nahrung zu bilden; nebenbei jagen ſie wohl auch auf kleine Vögel, möglicherweiſe ebenſo auf Kerbthiere.
Die europäiſche Art der Familie iſt von Fleiſchmann zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben und dieſer der Name Trugnatter(Tarbophis) zuertheilt, letzterer aber ſpäter von Fitzinger in Katzenſchlange(Ailurophis) umgeändert worden. Der Leib iſt ſpindelförmig, der Kopf deutlich abgeſetzt, etwas platt, der Leib verhältnißmäßig kurz. Die kleinen Augen haben einen geſchlitzten Stern. Die vorderen Zähne des Unterkiefers ſind viel länger und mehr gekrümmt als die darauf folgenden, die Rinnenzähne in den Oberkinnladen ſehr lang und ebenfalls ſtark gekrümmt.
Die Katzenſchlange(Ailurophis vivax) iſt oben auf ſchmuziggrauem Grunde mit kleinen ſchwarzen Pünktchen, auf den Kopfſchildern mit kaſtanienbraunen Flecken, im Nacken mit einem großen rothbraunen und auf dem Rücken mit ähnlich gefärbten, in Reihen ſtehenden Flecken gezeichnet; eine dunkle Binde verläuft vom Auge zum Mundwinkel, eine Reihe kleiner Flecken längs jeder Seite des Leibes; die unteren Theile ſehen weißgelb aus. Die Länge beträgt gegen 3 Fuß.
Nach Dumeril und Bibron verbreitet ſich die Katzenſchlange über mehrere Länder um das Mittelmeer. Man hat ſie erhalten aus Jſtrien, Dalmatien, Albanien und Griechenland, ebenſo aber auch aus Egypten, Kleinaſien, den Gebirgsländern am ſchwarzen und vonhieraus bis zum
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Mondſchlange. Wolfszahunatter. Katzenſchlange.
Warum Boje den zierlichen und harmloſen Thieren einen im Alterthume verrufenen Namen
ertheilt hat, wiſſen wir nicht; ſoviel aber ſteht feſt, daß ſie mit der Dipsas der Alten Nichts
gemein haben.
„Diſe ſchlang“, ſagt Geßner, die alte Weisheit wiedergebend, „hat den nammen vom dürſten
bekommen, denn ſie entzündet den menſchen, ſo ſie jn ſticht, dermaſſen daß er dürſts ſtirbt, daher ſie
auch brandtſchlang vnd preſter genannt (wie wol ein vnderſcheid zwiſchen beiden ſein ſoll) die hitzen
nemmen dermaſſen überhand daß der kranck nach dem waſſer ficht, nichts denn waſſer fordert, vnd ſich
ſelb daran zutodt trinckt. Diſe durſtſchlang iſt von leyb kleiner denn die hecknater, jr gifft aber vil
tödtlicher vnd vergiffter, vnd bringt den Menſchen gſchwinder vmbs läben. Diſes giffts natur iſt
ſcharpſſhitzig trucken vnd einer dicken ſubſtantz, welche die jnerlichen glider deß leybs entzündt, verbrent,
tröcknet, zuſamen ziecht, daß ſie von der hitz gleych wie daß leder vom fheür zuſammenſtrupffen. Darauff
dann ein heſſtiger vnerſettiger durſt volget. Deßgleychen weyl daß geäder zuſamenlaufft, auch die ſchweiß-
löcher ſich beſchlieſſen, ſo mag er weder harnen noch ſchwitzen, vnd wirt jm darzu daß brechen ſchwer.
Derhalben ſchreyt der kranck, leydet ſo groſſe hitz vnd durſt als leg er im fheür, vnd muß zu letſt
durſts ſterben vnd verbrünnen, oder aber trinckt ſo vil biß daß jm der bauch (er bricht inen mertheils
vnden gegen den gemechten auff) zerſpringt. Denn je mehr er trinckt vnd innſich ſauſſt je mehr der
durſt zunimpt. Vnd wenn er ſchon den gantzen Rhein oder die Donaw außſuffe, ſo möchte er doch
den grauſamm Durſt nit löſchen vnd ſtillen, dieweyl die hitzen vom trincken gleych wies fheür vom
öl nur gemehret angezündt vnd erhalten werden.“ Jm Anſchluß an dieſe fürchterliche Geſchichte
gibt er das bekannte Gedicht des Lucanus, in welchem erzählt wird, daß Aulus auf eine Dipſas
trat, von ihr verwundet wurde und nunmehr die Qual erleiden mußte, welche vorher geſchildert,
aber weil er kein Waſſer fand, ſich zuletzt die Ader öffnete und ſein eigenes Blut trank.
Es iſt unzweifelhaft, daß die Alten unter der Dipſas irgend eine Viper verſtanden, keines-
wegs aber an unſere anmuthigen Peitſchennattern gedacht haben. „Etlich der alten ſcribenten“,
bemerkt Geßner, „zelen ſie den hecknateren zu, andere den aſpiden. Es iſt aber doch nit vil hieran
gelegen.“ Dem dürfen auch wir beiſtimmen.
Der Verbreitungskreis der Peitſchennattern erſtreckt ſich über beide Erdhälften; nach der neueren
Auffaſſung gehört ſogar eine in Europa lebende Schlange dieſer Familie an. Alle ohne Ausnahme
leben auf Bäumen und kommen nur ausnahmsweiſe zum Boden herab. Kriechthiere, namentlich
Eidechſen und Baumfröſche, ſcheinen ihre bevorzugte Nahrung zu bilden; nebenbei jagen ſie wohl auch
auf kleine Vögel, möglicherweiſe ebenſo auf Kerbthiere.
Die europäiſche Art der Familie iſt von Fleiſchmann zum Vertreter einer eigenen Sippe
erhoben und dieſer der Name Trugnatter (Tarbophis) zuertheilt, letzterer aber ſpäter von
Fitzinger in Katzenſchlange (Ailurophis) umgeändert worden. Der Leib iſt ſpindelförmig, der
Kopf deutlich abgeſetzt, etwas platt, der Leib verhältnißmäßig kurz. Die kleinen Augen haben
einen geſchlitzten Stern. Die vorderen Zähne des Unterkiefers ſind viel länger und mehr
gekrümmt als die darauf folgenden, die Rinnenzähne in den Oberkinnladen ſehr lang und ebenfalls
ſtark gekrümmt.
Die Katzenſchlange (Ailurophis vivax) iſt oben auf ſchmuziggrauem Grunde mit kleinen
ſchwarzen Pünktchen, auf den Kopfſchildern mit kaſtanienbraunen Flecken, im Nacken mit einem
großen rothbraunen und auf dem Rücken mit ähnlich gefärbten, in Reihen ſtehenden Flecken gezeichnet;
eine dunkle Binde verläuft vom Auge zum Mundwinkel, eine Reihe kleiner Flecken längs jeder Seite
des Leibes; die unteren Theile ſehen weißgelb aus. Die Länge beträgt gegen 3 Fuß.
Nach Dumeril und Bibron verbreitet ſich die Katzenſchlange über mehrere Länder um das
Mittelmeer. Man hat ſie erhalten aus Jſtrien, Dalmatien, Albanien und Griechenland, ebenſo
aber auch aus Egypten, Kleinaſien, den Gebirgsländern am ſchwarzen und vonhieraus bis zum
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/271>, abgerufen am 22.12.2024.
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