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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Aspis oder egyptische Brillenschlange.
zusammenreimten und erzählten. Von der Aspis weiß fast jeder der älteren Schriftsteller zu berichten,
von ihrem Leben und Wirken, von der Verehrung, welche sie genoß, der Verwendung, welche sie
fand, Etwas mitzutheilen, Wahres und Falsches vermischend, Erfahrenes und Erdachtes vereinigend.
Geßner hat, wie immer, die alten Sagen auf Treu und Glauben hingenommen und eifrig Alles
gesammelt, was auf den Namen Aspis Bezug hatte; seine Worte mögen daher hier eine Stelle finden,
schon weil sie mir in der Sprache des sechzehnten Jahrhunderts vorliegen und diejenige Färbung an
sich tragen, welche ich den alten Geschichten zu geben wünsche.

"Sie ist scheützlich vnd grausam anzuschauwen, schleycht gemach, vnd sicht gar schläfferig auß, wie
bald sie aber ein klein gereüsch od ein stimm erhört, so wüscht sie auff, laßt vom schlaffen, windet sich
in ein kugel vnd erhebt auß den krümben jrn kopff entbor. Weyl nun Gott durch sonderliche vorsehung
dise schlang zur raach erschaffen, daß sie den menschen peynige, so hat er mitthin disem übel ein biß
eyngelegt, vnd jro ein blödes gesicht, vnd ein gewächs an der stirnen, als wenn sie schlaffen sölte,
mittgetheilt, den grossen schaden zuwenden vnd abzuschaffen, welchen sie den menschen zufügen wurde,
wenn sie scharpffe vnd gute augen bekommen hette. Wiewol sie aber ein schwach vnd blöd gesicht
hat, so ist doch jro diser mangel durch die scherpffe deß gehörs vast wider ersetzt vnd erstattet. Sie
vergifft die leüt nit nur mit dem beyssen, dann die Ptyas, so vom speüwen jren nammen bekompt,
streckt jren kopff in die höhe, zielet auff die menschen, vnd speüwet jnen jr gifft von ferrn in das
gesicht, vnd wenn die menschen darvon verblent werden (dann sie verfälen nit bald) so eylens wider
umb jrer höle zu, oder verschlieffen sich vnder die velsen. Ettlich sagen das sie auch auf den bäumen
zu zeyten gesehen worden. Dise Aspisschlangen tragen ein eynbrünstige liebe zusammen, werden
nimmer allein sondern allzeyt barecht gefunden, vnd wenn eine hingericht wirt, so wütet die andere
vnd vndersteht sich durch alle weyß vnd wäg sie zu rechen, stellt derhalben dem der sie vmbgebracht
nach, vnd kennet jn vnder der gantzen mänge volcks, laßt sich auch durch kein beschwerd oder forcht von
der raach abtreyben, also das man jro nit bald, wo man nit schnell fleücht, oder über wasser entweycht,
entrünnen mag. Wenn der fluß Nilus die gestad überschwemmet vnd außlaufft, so begeben sie sich
dreyssig tag zünor mit jren jungen jr läben zu fristen, in die höhe. Den eynwoneren in Syria vnd
Aphrica thun sie keinen schaden, darumb legen sie juen jre kinder für, vnd wenn sie von jnen
geschediget werden, so verwerffen sie dieselben als bastarten, wo nit, so werdens aufferzogen vnd für
jre kinder erkennt vnd aufgenommen. Wie rote kleider den stier zum zorn vnd grimm reitzen vnd
verursachen, also wirt die Aspis vom schatten auffgetriben.... Die Jchneumones vnd Aspiden
füren ein stäten streyt gegen einander (vergl. Band I, Seite 474), vnd wenn der Jchneumon streyten
wil, so greyfft er disem sein feynd nit allein, sonder mit sampt anderen an. Wiewol die Aspiden
gar schädlich, so werden sie doch von Egyptiern zam gemacht, vnd bey den kindern ohne verhinderniß
aufferzogen, vnd in grossen ehren gehalten. Ja sie erzeigen sich so fründtlich vnd gastfrey gegen
jnen, daß sie nach der malzeyt sonderbare trachten auß honig weyn vnd mäl jnen zu lieb zurüsten,
vnd über tisch tragen lassen. Wenn mans zum ässen berüsst (welchs mit schnellen vnd klopffen der
händ beschicht), so schleichens daher, vmbstellen den tisch, vnd erheben den kopff von der erden die
speyß zuniessen, biß daß sie ersettiget sind. Vnd so es sich begibt, das die Egyptij zunacht aufstehen,
oder sonst finster im hauß hin vnd wider wandlen müssen, als denn pflegen sie die Aspiden mit dem
hand klepffen zu warnen, daß sie sich in die schlüpsswinckel verschlahen, auff daß sie nit zertretten oder
sonst geschediget werden.... Die Egypter sind dermassen verblendt vnd versteckt, daß sie eh etwas
grosses begiengen, eh sie ein aspis schlangen oder ein Crocodyll, oder ein jbisvogel etc. beschedigeten
vnd tödten. Ja sie achten die, so von aspis schlangen gebissen werden, für glückhafftig vnd selig....
Bei den Egyptischen Königen ists ein alt herkommen gewesen, daß sie in jre kron ein aspis schlangen
haben mallen lassen, darmit zubedeuten, daß wie jr gifft vnüberwindtlich, also auch jr reych vnd
regiment vnangefochten vnd steyff bestehn sölle. Es söllen auch jre priester hoche hüt getragen haben,
mit einer binden oder schnür von zusammen gewundenen aspiden gemachet, zu einem zeichen, das die,
so sich wider den König entpören vnd setzen wurden, grosse straff zuerwarten hetten.... Die Marsier

Aſpis oder egyptiſche Brillenſchlange.
zuſammenreimten und erzählten. Von der Aſpis weiß faſt jeder der älteren Schriftſteller zu berichten,
von ihrem Leben und Wirken, von der Verehrung, welche ſie genoß, der Verwendung, welche ſie
fand, Etwas mitzutheilen, Wahres und Falſches vermiſchend, Erfahrenes und Erdachtes vereinigend.
Geßner hat, wie immer, die alten Sagen auf Treu und Glauben hingenommen und eifrig Alles
geſammelt, was auf den Namen Aſpis Bezug hatte; ſeine Worte mögen daher hier eine Stelle finden,
ſchon weil ſie mir in der Sprache des ſechzehnten Jahrhunderts vorliegen und diejenige Färbung an
ſich tragen, welche ich den alten Geſchichten zu geben wünſche.

„Sie iſt ſcheützlich vnd grauſam anzuſchauwen, ſchleycht gemach, vnd ſicht gar ſchläfferig auß, wie
bald ſie aber ein klein gereüſch od ein ſtimm erhört, ſo wüſcht ſie auff, laßt vom ſchlaffen, windet ſich
in ein kugel vnd erhebt auß den krümben jrn kopff entbor. Weyl nun Gott durch ſonderliche vorſehung
diſe ſchlang zur raach erſchaffen, daß ſie den menſchen peynige, ſo hat er mitthin diſem übel ein biß
eyngelegt, vnd jro ein blödes geſicht, vnd ein gewächs an der ſtirnen, als wenn ſie ſchlaffen ſölte,
mittgetheilt, den groſſen ſchaden zuwenden vnd abzuſchaffen, welchen ſie den menſchen zufügen wurde,
wenn ſie ſcharpffe vnd gute augen bekommen hette. Wiewol ſie aber ein ſchwach vnd blöd geſicht
hat, ſo iſt doch jro diſer mangel durch die ſcherpffe deß gehörs vaſt wider erſetzt vnd erſtattet. Sie
vergifft die leüt nit nur mit dem beyſſen, dann die Ptyas, ſo vom ſpeüwen jren nammen bekompt,
ſtreckt jren kopff in die höhe, zielet auff die menſchen, vnd ſpeüwet jnen jr gifft von ferrn in das
geſicht, vnd wenn die menſchen darvon verblent werden (dann ſie verfälen nit bald) ſo eylens wider
umb jrer höle zu, oder verſchlieffen ſich vnder die velſen. Ettlich ſagen das ſie auch auf den bäumen
zu zeyten geſehen worden. Diſe Aſpisſchlangen tragen ein eynbrünſtige liebe zuſammen, werden
nimmer allein ſondern allzeyt barecht gefunden, vnd wenn eine hingericht wirt, ſo wütet die andere
vnd vnderſteht ſich durch alle weyß vnd wäg ſie zu rechen, ſtellt derhalben dem der ſie vmbgebracht
nach, vnd kennet jn vnder der gantzen mänge volcks, laßt ſich auch durch kein beſchwerd oder forcht von
der raach abtreyben, alſo das man jro nit bald, wo man nit ſchnell fleücht, oder über waſſer entweycht,
entrünnen mag. Wenn der fluß Nilus die geſtad überſchwemmet vnd außlaufft, ſo begeben ſie ſich
dreyſſig tag zünor mit jren jungen jr läben zu friſten, in die höhe. Den eynwoneren in Syria vnd
Aphrica thun ſie keinen ſchaden, darumb legen ſie juen jre kinder für, vnd wenn ſie von jnen
geſchediget werden, ſo verwerffen ſie dieſelben als baſtarten, wo nit, ſo werdens aufferzogen vnd für
jre kinder erkennt vnd aufgenommen. Wie rote kleider den ſtier zum zorn vnd grimm reitzen vnd
verurſachen, alſo wirt die Aſpis vom ſchatten auffgetriben.... Die Jchneumones vnd Aſpiden
füren ein ſtäten ſtreyt gegen einander (vergl. Band I, Seite 474), vnd wenn der Jchneumon ſtreyten
wil, ſo greyfft er diſem ſein feynd nit allein, ſonder mit ſampt anderen an. Wiewol die Aſpiden
gar ſchädlich, ſo werden ſie doch von Egyptiern zam gemacht, vnd bey den kindern ohne verhinderniß
aufferzogen, vnd in groſſen ehren gehalten. Ja ſie erzeigen ſich ſo fründtlich vnd gaſtfrey gegen
jnen, daß ſie nach der malzeyt ſonderbare trachten auß honig weyn vnd mäl jnen zu lieb zurüſten,
vnd über tiſch tragen laſſen. Wenn mans zum äſſen berüſſt (welchs mit ſchnellen vnd klopffen der
händ beſchicht), ſo ſchleichens daher, vmbſtellen den tiſch, vnd erheben den kopff von der erden die
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oder ſonſt finſter im hauß hin vnd wider wandlen müſſen, als denn pflegen ſie die Aſpiden mit dem
hand klepffen zu warnen, daß ſie ſich in die ſchlüpſſwinckel verſchlahen, auff daß ſie nit zertretten oder
ſonſt geſchediget werden.... Die Egypter ſind dermaſſen verblendt vnd verſteckt, daß ſie eh etwas
groſſes begiengen, eh ſie ein aſpis ſchlangen oder ein Crocodyll, oder ein jbisvogel ꝛc. beſchedigeten
vnd tödten. Ja ſie achten die, ſo von aſpis ſchlangen gebiſſen werden, für glückhafftig vnd ſelig....
Bei den Egyptiſchen Königen iſts ein alt herkommen geweſen, daß ſie in jre kron ein aſpis ſchlangen
haben mallen laſſen, darmit zubedeuten, daß wie jr gifft vnüberwindtlich, alſo auch jr reych vnd
regiment vnangefochten vnd ſteyff beſtehn ſölle. Es ſöllen auch jre prieſter hoche hüt getragen haben,
mit einer binden oder ſchnür von zuſammen gewundenen aſpiden gemachet, zu einem zeichen, das die,
ſo ſich wider den König entpören vnd ſetzen wurden, groſſe ſtraff zuerwarten hetten.... Die Marſier

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[277/0299] Aſpis oder egyptiſche Brillenſchlange. zuſammenreimten und erzählten. Von der Aſpis weiß faſt jeder der älteren Schriftſteller zu berichten, von ihrem Leben und Wirken, von der Verehrung, welche ſie genoß, der Verwendung, welche ſie fand, Etwas mitzutheilen, Wahres und Falſches vermiſchend, Erfahrenes und Erdachtes vereinigend. Geßner hat, wie immer, die alten Sagen auf Treu und Glauben hingenommen und eifrig Alles geſammelt, was auf den Namen Aſpis Bezug hatte; ſeine Worte mögen daher hier eine Stelle finden, ſchon weil ſie mir in der Sprache des ſechzehnten Jahrhunderts vorliegen und diejenige Färbung an ſich tragen, welche ich den alten Geſchichten zu geben wünſche. „Sie iſt ſcheützlich vnd grauſam anzuſchauwen, ſchleycht gemach, vnd ſicht gar ſchläfferig auß, wie bald ſie aber ein klein gereüſch od ein ſtimm erhört, ſo wüſcht ſie auff, laßt vom ſchlaffen, windet ſich in ein kugel vnd erhebt auß den krümben jrn kopff entbor. Weyl nun Gott durch ſonderliche vorſehung diſe ſchlang zur raach erſchaffen, daß ſie den menſchen peynige, ſo hat er mitthin diſem übel ein biß eyngelegt, vnd jro ein blödes geſicht, vnd ein gewächs an der ſtirnen, als wenn ſie ſchlaffen ſölte, mittgetheilt, den groſſen ſchaden zuwenden vnd abzuſchaffen, welchen ſie den menſchen zufügen wurde, wenn ſie ſcharpffe vnd gute augen bekommen hette. Wiewol ſie aber ein ſchwach vnd blöd geſicht hat, ſo iſt doch jro diſer mangel durch die ſcherpffe deß gehörs vaſt wider erſetzt vnd erſtattet. Sie vergifft die leüt nit nur mit dem beyſſen, dann die Ptyas, ſo vom ſpeüwen jren nammen bekompt, ſtreckt jren kopff in die höhe, zielet auff die menſchen, vnd ſpeüwet jnen jr gifft von ferrn in das geſicht, vnd wenn die menſchen darvon verblent werden (dann ſie verfälen nit bald) ſo eylens wider umb jrer höle zu, oder verſchlieffen ſich vnder die velſen. Ettlich ſagen das ſie auch auf den bäumen zu zeyten geſehen worden. Diſe Aſpisſchlangen tragen ein eynbrünſtige liebe zuſammen, werden nimmer allein ſondern allzeyt barecht gefunden, vnd wenn eine hingericht wirt, ſo wütet die andere vnd vnderſteht ſich durch alle weyß vnd wäg ſie zu rechen, ſtellt derhalben dem der ſie vmbgebracht nach, vnd kennet jn vnder der gantzen mänge volcks, laßt ſich auch durch kein beſchwerd oder forcht von der raach abtreyben, alſo das man jro nit bald, wo man nit ſchnell fleücht, oder über waſſer entweycht, entrünnen mag. Wenn der fluß Nilus die geſtad überſchwemmet vnd außlaufft, ſo begeben ſie ſich dreyſſig tag zünor mit jren jungen jr läben zu friſten, in die höhe. Den eynwoneren in Syria vnd Aphrica thun ſie keinen ſchaden, darumb legen ſie juen jre kinder für, vnd wenn ſie von jnen geſchediget werden, ſo verwerffen ſie dieſelben als baſtarten, wo nit, ſo werdens aufferzogen vnd für jre kinder erkennt vnd aufgenommen. Wie rote kleider den ſtier zum zorn vnd grimm reitzen vnd verurſachen, alſo wirt die Aſpis vom ſchatten auffgetriben.... Die Jchneumones vnd Aſpiden füren ein ſtäten ſtreyt gegen einander (vergl. Band I, Seite 474), vnd wenn der Jchneumon ſtreyten wil, ſo greyfft er diſem ſein feynd nit allein, ſonder mit ſampt anderen an. Wiewol die Aſpiden gar ſchädlich, ſo werden ſie doch von Egyptiern zam gemacht, vnd bey den kindern ohne verhinderniß aufferzogen, vnd in groſſen ehren gehalten. Ja ſie erzeigen ſich ſo fründtlich vnd gaſtfrey gegen jnen, daß ſie nach der malzeyt ſonderbare trachten auß honig weyn vnd mäl jnen zu lieb zurüſten, vnd über tiſch tragen laſſen. Wenn mans zum äſſen berüſſt (welchs mit ſchnellen vnd klopffen der händ beſchicht), ſo ſchleichens daher, vmbſtellen den tiſch, vnd erheben den kopff von der erden die ſpeyß zunieſſen, biß daß ſie erſettiget ſind. Vnd ſo es ſich begibt, das die Egyptij zunacht aufſtehen, oder ſonſt finſter im hauß hin vnd wider wandlen müſſen, als denn pflegen ſie die Aſpiden mit dem hand klepffen zu warnen, daß ſie ſich in die ſchlüpſſwinckel verſchlahen, auff daß ſie nit zertretten oder ſonſt geſchediget werden.... Die Egypter ſind dermaſſen verblendt vnd verſteckt, daß ſie eh etwas groſſes begiengen, eh ſie ein aſpis ſchlangen oder ein Crocodyll, oder ein jbisvogel ꝛc. beſchedigeten vnd tödten. Ja ſie achten die, ſo von aſpis ſchlangen gebiſſen werden, für glückhafftig vnd ſelig.... Bei den Egyptiſchen Königen iſts ein alt herkommen geweſen, daß ſie in jre kron ein aſpis ſchlangen haben mallen laſſen, darmit zubedeuten, daß wie jr gifft vnüberwindtlich, alſo auch jr reych vnd regiment vnangefochten vnd ſteyff beſtehn ſölle. Es ſöllen auch jre prieſter hoche hüt getragen haben, mit einer binden oder ſchnür von zuſammen gewundenen aſpiden gemachet, zu einem zeichen, das die, ſo ſich wider den König entpören vnd ſetzen wurden, groſſe ſtraff zuerwarten hetten.... Die Marſier

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/299>, abgerufen am 22.12.2024.