Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Aspis oder egyptische Brillenschlange.
als durch die Rücksichten der Berussgenossenschaft bestimmt, uns, also mir, dem europäischen
Schlangenbeschwörer und dessen Freunde, dem berühmten Arzte, eine große Haie mit Gistzähnen zu
bringen. Schon am anderen Tage erschien er mit dem bekannten Ledersacke auf der Schulter wieder
in unserem Zimmer, legte den Sack auf den Voden, öffnete ihn ohne alle Possen mit äußerster Vor-
sicht, hielt seinen Stock bereit und wartete auf das Erscheinen der Schlange. Hervor kam das zierliche
Köpschen: aber ehe noch soviel vom Leibe zu Tag gefördert worden war, daß die Haie zur "Ara"
werden konnte, hatte er sie vermittels des Stockes zu Boden gedrückt, mit der Rechten im Nacken
gepackt, mit der Linken die Leibesmitte sammt des sie umhüllenden Ledersackes gefaßt und -- entgegen
starrten uns bei der Oeffnung des Maules unversehrt beide Gifthaken. "So, mein Bruder", sagte
er, "mein Wort ist das der Wahrheit, meine Rede ohne Trug. Jch habe sie gefangen, die Gefährliche,
ohne sie zu verletzen. Gott, der Erhabene, ist groß und Mahammed sein Profet."

Eine Minute später schwamm die Haie in einer mit Weingeist gefüllten, sehr großen, bauchigen
Flasche und mühete sich vergebens, den Kork derselben auszustoßen. Minutenlang schien der Wein-
geist auf sie nicht den geringsten Einfluß zu äußern; nach Verlauf einer Viertelstunde aber wurden
ihre Bewegungen matter, und wiederum eine Viertelstunde später lag sie, bewegungslos zusammen-
geringelt, am Boden des Gefäßes. --

Ungeachtet aller Vorsicht, welche der Haui beim Fang und bei der Behandlung seiner Schlangen
anwendet, geschieht es doch zuweilen, daß er einen Biß bekommt und an den Folgen desselben verendet.
Ein Gegenmittel wendet er, soviel mir bekannt, nicht an. Jm Kaplande hingegen sind Mittel, denen
man Heilkräfte zuschreibt, allgemein im Gebrauch. Die Engländer bedienen sich des Luzienwassers,
des Salmiakgeistes etc.; die holländischen Bauern schlitzen, laut Anderson, einer lebenden Henne die
Brust auf und legen sie auf die durch den Schlangenbiß entstandene Wunde. Jhre Ansicht ist nun,
daß sich an der Henne sogleich Zeichen der Vergiftung bekunden, wenn das Schlangengift tödtlich ist,
d. h. sie matt wird, den Kopf senkt und stirbt. Nach der ersten nimmt man eine zweite, dritte und
vierte Henne, wenn Dies nöthig scheinen sollte, bis man an einer keine Anzeichen der Vergiftung
mehr bemerkt. Nunmehr, so glaubt man, ist der Gebissene außer aller Gefahr. Ein Frosch, welchen
man auf die nämliche Weise anwendet, thut übrigens denselben Dienst, also wohl gar keinen. Eine
Art weißer Bohne, welche in mehreren Theilen der Ansiedelung wächst und "Herrenbohne" genannt
wird, gilt ebenfalls als Mittel gegen Biß von Schlangen und anderen giftigen Thieren. Sie wird
zerschnitten, auf die Wunde gelegt und setzt sich hier so sest, daß sie nur mit Gewalt wieder entfernt
werden kann, fällt aber ab, nachdem sie das Gift herausgezogen hat. Früher galt Schildkrötenblut
als ein äußerst wirksames Gegenmittel, wurde deshalb von den Eingeborenen auf ihren Reisen
beständig mit geführt und betreffendenfalls eingenommen, auch gleichzeitig auf die wunde Stelle
gelegt. Was man von solchen Mitteln zu halten hat, bedarf keiner Erwähnung.

Die Aspis kommt oft lebend nach Europa, gewöhnlich aber auch nur mit ausgerissenen Gift-
zähnen, und geht dann oft zu Grunde, obgleich sie sich leichter als andere Giftschlangen in die
Gefangenschaft fügt, bald zum Fressen bequemt und nach und nach wirklich mit ihrem Geschick aus-
söhnt. Anfangs freilich wird sie, wenn sich der Pfleger ihrem Behältnisse nähert, regelmäßig zur
"Ara" und bleibt nöthigenfalls stundenlang in ihrer aufgerichteten Stellung; später jedoch mindert
sich ihre Reizbarkeit, obschon sie mit ihrem Pfleger wohl niemals in ein freundschaftliches Verhältniß
tritt. Aspiden, welche Effeldt gefangen hielt, gingen, trotzdem sie keine Gifthaken hatten, bald
ans Fressen, nahmen zuerst lebende, später todte Mäuse und Vögel, bevorzugten die Säugethiere den
Vögeln und verschmäheten Kriechthiere und Lurche, griffen diese mindestens nicht an und bewiesen
insofern Abschen vor ihnen, als sie sich zurückzogen, wenn jene sich um sie her bewegten. Wasser
schien zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nöthig zu sein: sie badeten sehr regelmäßig und
verweilten mit ersichtlichem Behagen stundenlang in ihrem Badebecken. Etwa nach Jahresfrist
waren ihre Gifthaken wiederum ausgebildet und sie nunmehr nur mit äußerster Vorsicht zu behandeln,

Aſpis oder egyptiſche Brillenſchlange.
als durch die Rückſichten der Beruſsgenoſſenſchaft beſtimmt, uns, alſo mir, dem europäiſchen
Schlangenbeſchwörer und deſſen Freunde, dem berühmten Arzte, eine große Haie mit Giſtzähnen zu
bringen. Schon am anderen Tage erſchien er mit dem bekannten Lederſacke auf der Schulter wieder
in unſerem Zimmer, legte den Sack auf den Voden, öffnete ihn ohne alle Poſſen mit äußerſter Vor-
ſicht, hielt ſeinen Stock bereit und wartete auf das Erſcheinen der Schlange. Hervor kam das zierliche
Köpſchen: aber ehe noch ſoviel vom Leibe zu Tag gefördert worden war, daß die Haie zur „Ara
werden konnte, hatte er ſie vermittels des Stockes zu Boden gedrückt, mit der Rechten im Nacken
gepackt, mit der Linken die Leibesmitte ſammt des ſie umhüllenden Lederſackes gefaßt und — entgegen
ſtarrten uns bei der Oeffnung des Maules unverſehrt beide Gifthaken. „So, mein Bruder“, ſagte
er, „mein Wort iſt das der Wahrheit, meine Rede ohne Trug. Jch habe ſie gefangen, die Gefährliche,
ohne ſie zu verletzen. Gott, der Erhabene, iſt groß und Mahammed ſein Profet.“

Eine Minute ſpäter ſchwamm die Haie in einer mit Weingeiſt gefüllten, ſehr großen, bauchigen
Flaſche und mühete ſich vergebens, den Kork derſelben auszuſtoßen. Minutenlang ſchien der Wein-
geiſt auf ſie nicht den geringſten Einfluß zu äußern; nach Verlauf einer Viertelſtunde aber wurden
ihre Bewegungen matter, und wiederum eine Viertelſtunde ſpäter lag ſie, bewegungslos zuſammen-
geringelt, am Boden des Gefäßes. —

Ungeachtet aller Vorſicht, welche der Haui beim Fang und bei der Behandlung ſeiner Schlangen
anwendet, geſchieht es doch zuweilen, daß er einen Biß bekommt und an den Folgen deſſelben verendet.
Ein Gegenmittel wendet er, ſoviel mir bekannt, nicht an. Jm Kaplande hingegen ſind Mittel, denen
man Heilkräfte zuſchreibt, allgemein im Gebrauch. Die Engländer bedienen ſich des Luzienwaſſers,
des Salmiakgeiſtes ꝛc.; die holländiſchen Bauern ſchlitzen, laut Anderſon, einer lebenden Henne die
Bruſt auf und legen ſie auf die durch den Schlangenbiß entſtandene Wunde. Jhre Anſicht iſt nun,
daß ſich an der Henne ſogleich Zeichen der Vergiftung bekunden, wenn das Schlangengift tödtlich iſt,
d. h. ſie matt wird, den Kopf ſenkt und ſtirbt. Nach der erſten nimmt man eine zweite, dritte und
vierte Henne, wenn Dies nöthig ſcheinen ſollte, bis man an einer keine Anzeichen der Vergiftung
mehr bemerkt. Nunmehr, ſo glaubt man, iſt der Gebiſſene außer aller Gefahr. Ein Froſch, welchen
man auf die nämliche Weiſe anwendet, thut übrigens denſelben Dienſt, alſo wohl gar keinen. Eine
Art weißer Bohne, welche in mehreren Theilen der Anſiedelung wächſt und „Herrenbohne“ genannt
wird, gilt ebenfalls als Mittel gegen Biß von Schlangen und anderen giftigen Thieren. Sie wird
zerſchnitten, auf die Wunde gelegt und ſetzt ſich hier ſo ſeſt, daß ſie nur mit Gewalt wieder entfernt
werden kann, fällt aber ab, nachdem ſie das Gift herausgezogen hat. Früher galt Schildkrötenblut
als ein äußerſt wirkſames Gegenmittel, wurde deshalb von den Eingeborenen auf ihren Reiſen
beſtändig mit geführt und betreffendenfalls eingenommen, auch gleichzeitig auf die wunde Stelle
gelegt. Was man von ſolchen Mitteln zu halten hat, bedarf keiner Erwähnung.

Die Aſpis kommt oft lebend nach Europa, gewöhnlich aber auch nur mit ausgeriſſenen Gift-
zähnen, und geht dann oft zu Grunde, obgleich ſie ſich leichter als andere Giftſchlangen in die
Gefangenſchaft fügt, bald zum Freſſen bequemt und nach und nach wirklich mit ihrem Geſchick aus-
ſöhnt. Anfangs freilich wird ſie, wenn ſich der Pfleger ihrem Behältniſſe nähert, regelmäßig zur
„Ara“ und bleibt nöthigenfalls ſtundenlang in ihrer aufgerichteten Stellung; ſpäter jedoch mindert
ſich ihre Reizbarkeit, obſchon ſie mit ihrem Pfleger wohl niemals in ein freundſchaftliches Verhältniß
tritt. Aſpiden, welche Effeldt gefangen hielt, gingen, trotzdem ſie keine Gifthaken hatten, bald
ans Freſſen, nahmen zuerſt lebende, ſpäter todte Mäuſe und Vögel, bevorzugten die Säugethiere den
Vögeln und verſchmäheten Kriechthiere und Lurche, griffen dieſe mindeſtens nicht an und bewieſen
inſofern Abſchen vor ihnen, als ſie ſich zurückzogen, wenn jene ſich um ſie her bewegten. Waſſer
ſchien zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nöthig zu ſein: ſie badeten ſehr regelmäßig und
verweilten mit erſichtlichem Behagen ſtundenlang in ihrem Badebecken. Etwa nach Jahresfriſt
waren ihre Gifthaken wiederum ausgebildet und ſie nunmehr nur mit äußerſter Vorſicht zu behandeln,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0305" n="281"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">A&#x017F;pis oder egypti&#x017F;che Brillen&#x017F;chlange</hi>.</fw><lb/>
als durch die Rück&#x017F;ichten der Beru&#x017F;sgeno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft be&#x017F;timmt, uns, al&#x017F;o mir, dem europäi&#x017F;chen<lb/>
Schlangenbe&#x017F;chwörer und de&#x017F;&#x017F;en Freunde, dem berühmten Arzte, eine große Haie mit Gi&#x017F;tzähnen zu<lb/>
bringen. Schon am anderen Tage er&#x017F;chien er mit dem bekannten Leder&#x017F;acke auf der Schulter wieder<lb/>
in un&#x017F;erem Zimmer, legte den Sack auf den Voden, öffnete ihn ohne alle Po&#x017F;&#x017F;en mit äußer&#x017F;ter Vor-<lb/>
&#x017F;icht, hielt &#x017F;einen Stock bereit und wartete auf das Er&#x017F;cheinen der Schlange. Hervor kam das zierliche<lb/>
Köp&#x017F;chen: aber ehe noch &#x017F;oviel vom Leibe zu Tag gefördert worden war, daß die Haie zur &#x201E;<hi rendition="#g">Ara</hi>&#x201C;<lb/>
werden konnte, hatte er &#x017F;ie vermittels des Stockes zu Boden gedrückt, mit der Rechten im Nacken<lb/>
gepackt, mit der Linken die Leibesmitte &#x017F;ammt des &#x017F;ie umhüllenden Leder&#x017F;ackes gefaßt und &#x2014; entgegen<lb/>
&#x017F;tarrten uns bei der Oeffnung des Maules unver&#x017F;ehrt beide Gifthaken. &#x201E;So, mein Bruder&#x201C;, &#x017F;agte<lb/>
er, &#x201E;mein Wort i&#x017F;t das der Wahrheit, meine Rede ohne Trug. Jch habe &#x017F;ie gefangen, die Gefährliche,<lb/>
ohne &#x017F;ie zu verletzen. Gott, der Erhabene, i&#x017F;t groß und Mahammed &#x017F;ein Profet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Eine Minute &#x017F;päter &#x017F;chwamm die Haie in einer mit Weingei&#x017F;t gefüllten, &#x017F;ehr großen, bauchigen<lb/>
Fla&#x017F;che und mühete &#x017F;ich vergebens, den Kork der&#x017F;elben auszu&#x017F;toßen. Minutenlang &#x017F;chien der Wein-<lb/>
gei&#x017F;t auf &#x017F;ie nicht den gering&#x017F;ten Einfluß zu äußern; nach Verlauf einer Viertel&#x017F;tunde aber wurden<lb/>
ihre Bewegungen matter, und wiederum eine Viertel&#x017F;tunde &#x017F;päter lag &#x017F;ie, bewegungslos zu&#x017F;ammen-<lb/>
geringelt, am Boden des Gefäßes. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ungeachtet aller Vor&#x017F;icht, welche der Haui beim Fang und bei der Behandlung &#x017F;einer Schlangen<lb/>
anwendet, ge&#x017F;chieht es doch zuweilen, daß er einen Biß bekommt und an den Folgen de&#x017F;&#x017F;elben verendet.<lb/>
Ein Gegenmittel wendet er, &#x017F;oviel mir bekannt, nicht an. Jm Kaplande hingegen &#x017F;ind Mittel, denen<lb/>
man Heilkräfte zu&#x017F;chreibt, allgemein im Gebrauch. Die Engländer bedienen &#x017F;ich des Luzienwa&#x017F;&#x017F;ers,<lb/>
des Salmiakgei&#x017F;tes &#xA75B;c.; die holländi&#x017F;chen Bauern &#x017F;chlitzen, laut <hi rendition="#g">Ander&#x017F;on</hi>, einer lebenden Henne die<lb/>
Bru&#x017F;t auf und legen &#x017F;ie auf die durch den Schlangenbiß ent&#x017F;tandene Wunde. Jhre An&#x017F;icht i&#x017F;t nun,<lb/>
daß &#x017F;ich an der Henne &#x017F;ogleich Zeichen der Vergiftung bekunden, wenn das Schlangengift tödtlich i&#x017F;t,<lb/>
d. h. &#x017F;ie matt wird, den Kopf &#x017F;enkt und &#x017F;tirbt. Nach der er&#x017F;ten nimmt man eine zweite, dritte und<lb/>
vierte Henne, wenn Dies nöthig &#x017F;cheinen &#x017F;ollte, bis man an einer keine Anzeichen der Vergiftung<lb/>
mehr bemerkt. Nunmehr, &#x017F;o glaubt man, i&#x017F;t der Gebi&#x017F;&#x017F;ene außer aller Gefahr. Ein Fro&#x017F;ch, welchen<lb/>
man auf die nämliche Wei&#x017F;e anwendet, thut übrigens den&#x017F;elben Dien&#x017F;t, al&#x017F;o wohl gar keinen. Eine<lb/>
Art weißer Bohne, welche in mehreren Theilen der An&#x017F;iedelung wäch&#x017F;t und &#x201E;Herrenbohne&#x201C; genannt<lb/>
wird, gilt ebenfalls als Mittel gegen Biß von Schlangen und anderen giftigen Thieren. Sie wird<lb/>
zer&#x017F;chnitten, auf die Wunde gelegt und &#x017F;etzt &#x017F;ich hier &#x017F;o &#x017F;e&#x017F;t, daß &#x017F;ie nur mit Gewalt wieder entfernt<lb/>
werden kann, fällt aber ab, nachdem &#x017F;ie das Gift herausgezogen hat. Früher galt Schildkrötenblut<lb/>
als ein äußer&#x017F;t wirk&#x017F;ames Gegenmittel, wurde deshalb von den Eingeborenen auf ihren Rei&#x017F;en<lb/>
be&#x017F;tändig mit geführt und betreffendenfalls eingenommen, auch gleichzeitig auf die wunde Stelle<lb/>
gelegt. Was man von &#x017F;olchen Mitteln zu halten hat, bedarf keiner Erwähnung.</p><lb/>
          <p>Die A&#x017F;pis kommt oft lebend nach Europa, gewöhnlich aber auch nur mit ausgeri&#x017F;&#x017F;enen Gift-<lb/>
zähnen, und geht dann oft zu Grunde, obgleich &#x017F;ie &#x017F;ich leichter als andere Gift&#x017F;chlangen in die<lb/>
Gefangen&#x017F;chaft fügt, bald zum Fre&#x017F;&#x017F;en bequemt und nach und nach wirklich mit ihrem Ge&#x017F;chick aus-<lb/>
&#x017F;öhnt. Anfangs freilich wird &#x017F;ie, wenn &#x017F;ich der Pfleger ihrem Behältni&#x017F;&#x017F;e nähert, regelmäßig zur<lb/>
&#x201E;Ara&#x201C; und bleibt nöthigenfalls &#x017F;tundenlang in ihrer aufgerichteten Stellung; &#x017F;päter jedoch mindert<lb/>
&#x017F;ich ihre Reizbarkeit, ob&#x017F;chon &#x017F;ie mit ihrem Pfleger wohl niemals in ein freund&#x017F;chaftliches Verhältniß<lb/>
tritt. A&#x017F;piden, welche <hi rendition="#g">Effeldt</hi> gefangen hielt, gingen, trotzdem &#x017F;ie keine Gifthaken hatten, bald<lb/>
ans Fre&#x017F;&#x017F;en, nahmen zuer&#x017F;t lebende, &#x017F;päter todte Mäu&#x017F;e und Vögel, bevorzugten die Säugethiere den<lb/>
Vögeln und ver&#x017F;chmäheten Kriechthiere und Lurche, griffen die&#x017F;e minde&#x017F;tens nicht an und bewie&#x017F;en<lb/>
in&#x017F;ofern Ab&#x017F;chen vor ihnen, als &#x017F;ie &#x017F;ich zurückzogen, wenn jene &#x017F;ich um &#x017F;ie her bewegten. Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;chien zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nöthig zu &#x017F;ein: &#x017F;ie badeten &#x017F;ehr regelmäßig und<lb/>
verweilten mit er&#x017F;ichtlichem Behagen &#x017F;tundenlang in ihrem Badebecken. Etwa nach Jahresfri&#x017F;t<lb/>
waren ihre Gifthaken wiederum ausgebildet und &#x017F;ie nunmehr nur mit äußer&#x017F;ter Vor&#x017F;icht zu behandeln,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0305] Aſpis oder egyptiſche Brillenſchlange. als durch die Rückſichten der Beruſsgenoſſenſchaft beſtimmt, uns, alſo mir, dem europäiſchen Schlangenbeſchwörer und deſſen Freunde, dem berühmten Arzte, eine große Haie mit Giſtzähnen zu bringen. Schon am anderen Tage erſchien er mit dem bekannten Lederſacke auf der Schulter wieder in unſerem Zimmer, legte den Sack auf den Voden, öffnete ihn ohne alle Poſſen mit äußerſter Vor- ſicht, hielt ſeinen Stock bereit und wartete auf das Erſcheinen der Schlange. Hervor kam das zierliche Köpſchen: aber ehe noch ſoviel vom Leibe zu Tag gefördert worden war, daß die Haie zur „Ara“ werden konnte, hatte er ſie vermittels des Stockes zu Boden gedrückt, mit der Rechten im Nacken gepackt, mit der Linken die Leibesmitte ſammt des ſie umhüllenden Lederſackes gefaßt und — entgegen ſtarrten uns bei der Oeffnung des Maules unverſehrt beide Gifthaken. „So, mein Bruder“, ſagte er, „mein Wort iſt das der Wahrheit, meine Rede ohne Trug. Jch habe ſie gefangen, die Gefährliche, ohne ſie zu verletzen. Gott, der Erhabene, iſt groß und Mahammed ſein Profet.“ Eine Minute ſpäter ſchwamm die Haie in einer mit Weingeiſt gefüllten, ſehr großen, bauchigen Flaſche und mühete ſich vergebens, den Kork derſelben auszuſtoßen. Minutenlang ſchien der Wein- geiſt auf ſie nicht den geringſten Einfluß zu äußern; nach Verlauf einer Viertelſtunde aber wurden ihre Bewegungen matter, und wiederum eine Viertelſtunde ſpäter lag ſie, bewegungslos zuſammen- geringelt, am Boden des Gefäßes. — Ungeachtet aller Vorſicht, welche der Haui beim Fang und bei der Behandlung ſeiner Schlangen anwendet, geſchieht es doch zuweilen, daß er einen Biß bekommt und an den Folgen deſſelben verendet. Ein Gegenmittel wendet er, ſoviel mir bekannt, nicht an. Jm Kaplande hingegen ſind Mittel, denen man Heilkräfte zuſchreibt, allgemein im Gebrauch. Die Engländer bedienen ſich des Luzienwaſſers, des Salmiakgeiſtes ꝛc.; die holländiſchen Bauern ſchlitzen, laut Anderſon, einer lebenden Henne die Bruſt auf und legen ſie auf die durch den Schlangenbiß entſtandene Wunde. Jhre Anſicht iſt nun, daß ſich an der Henne ſogleich Zeichen der Vergiftung bekunden, wenn das Schlangengift tödtlich iſt, d. h. ſie matt wird, den Kopf ſenkt und ſtirbt. Nach der erſten nimmt man eine zweite, dritte und vierte Henne, wenn Dies nöthig ſcheinen ſollte, bis man an einer keine Anzeichen der Vergiftung mehr bemerkt. Nunmehr, ſo glaubt man, iſt der Gebiſſene außer aller Gefahr. Ein Froſch, welchen man auf die nämliche Weiſe anwendet, thut übrigens denſelben Dienſt, alſo wohl gar keinen. Eine Art weißer Bohne, welche in mehreren Theilen der Anſiedelung wächſt und „Herrenbohne“ genannt wird, gilt ebenfalls als Mittel gegen Biß von Schlangen und anderen giftigen Thieren. Sie wird zerſchnitten, auf die Wunde gelegt und ſetzt ſich hier ſo ſeſt, daß ſie nur mit Gewalt wieder entfernt werden kann, fällt aber ab, nachdem ſie das Gift herausgezogen hat. Früher galt Schildkrötenblut als ein äußerſt wirkſames Gegenmittel, wurde deshalb von den Eingeborenen auf ihren Reiſen beſtändig mit geführt und betreffendenfalls eingenommen, auch gleichzeitig auf die wunde Stelle gelegt. Was man von ſolchen Mitteln zu halten hat, bedarf keiner Erwähnung. Die Aſpis kommt oft lebend nach Europa, gewöhnlich aber auch nur mit ausgeriſſenen Gift- zähnen, und geht dann oft zu Grunde, obgleich ſie ſich leichter als andere Giftſchlangen in die Gefangenſchaft fügt, bald zum Freſſen bequemt und nach und nach wirklich mit ihrem Geſchick aus- ſöhnt. Anfangs freilich wird ſie, wenn ſich der Pfleger ihrem Behältniſſe nähert, regelmäßig zur „Ara“ und bleibt nöthigenfalls ſtundenlang in ihrer aufgerichteten Stellung; ſpäter jedoch mindert ſich ihre Reizbarkeit, obſchon ſie mit ihrem Pfleger wohl niemals in ein freundſchaftliches Verhältniß tritt. Aſpiden, welche Effeldt gefangen hielt, gingen, trotzdem ſie keine Gifthaken hatten, bald ans Freſſen, nahmen zuerſt lebende, ſpäter todte Mäuſe und Vögel, bevorzugten die Säugethiere den Vögeln und verſchmäheten Kriechthiere und Lurche, griffen dieſe mindeſtens nicht an und bewieſen inſofern Abſchen vor ihnen, als ſie ſich zurückzogen, wenn jene ſich um ſie her bewegten. Waſſer ſchien zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nöthig zu ſein: ſie badeten ſehr regelmäßig und verweilten mit erſichtlichem Behagen ſtundenlang in ihrem Badebecken. Etwa nach Jahresfriſt waren ihre Gifthaken wiederum ausgebildet und ſie nunmehr nur mit äußerſter Vorſicht zu behandeln,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/305
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/305>, abgerufen am 22.12.2024.