bis auf den Hals herabreichende Giftdrüsen in Verbindung, welche durch kräftige Muskeln zusammen- gedrückt werden können und deshalb eine verhältnißmäßig bedeutende Menge von Gift in die durch die Zähne geschlagene Wunde flößen.
Alle Röhrenzähner ohne jegliche Ausnahme sind Nachtthiere. Sie machen sich übertages nur soviel Bewegung, als erforderlich ist, um einen Platz aufzusuchen, auf welchem sie sich die Wohlthat der Besonnung verschaffen können oder um einer sich nahenden Gefahr zu entrinnen, gehen vor Sonnenuntergang niemals auf Jagd aus, sondern nehmen höchstens eine zufällig ihnen sich nahende Beute weg, suchen solche aber des Nachts auf. Die Lebensweise der verschiedenen Arten dieser Zunft ist so übereinstimmend, daß Alles, was von der einen gilt, auch auf die übrigen bezogen werden kann; gleichwohl will ich alle bekannteren Arten der Gruppe in das Bereich unserer Besprechung ziehen.
Unsere Kreuzotter, das einzige giftige Kriechthier Deutschlands, die verbreitetste der drei Gift- schlangen Europas, gilt als Urbild der Vipern(Viperae), einer aus etwa zwanzig Arten bestehenden Familie, deren Mitglieder sich von den übrigen Röhrenzähnern durch den kurzen, gedrungenen Leib und schärfer noch durch das Fehlen einer Grube zwischen den Nasenlöchern und Augen unterscheiden.
Die Kreuzotter oder Adder, Feuer-, Kupfer-, Höllennatter oder bezüglich Schlange(Pelias Berus) vertritt die Sippe der Spießottern, so genannt nach dem Spieße des Achilles, dessen Schaft vom Gebirge Pelion stammte, und kennzeichnet sich durch die am Vorderkopfe zu Schildern umgewandelten Schuppen, die seitlich liegenden, einfachen Nasenlöcher und die in eine Doppelreihe geordneten Schwanzschilder. Jhre Färbung ist überaus verschieden, ein dunkler, längs des ganzen Rückens verlaufender Zickzackstreifen aber stets vorhanden und deshalb als Merkmal beachtenswerth. Eine unschädliche Schlange könnte mit vorstehenden Worten gekennzeichnet werden; die gefährliche Krenzotter verlangt eine eingehende Beschreibung.
Als echte Viper unterscheidet sie sich schon durch ihre Gestalt von den übrigen Schlangen Deutschlands und den meisten Europas, ihre nächsten Verwandten, die Viper und Sandotter, selbst- verständlich ausgenommen. Der Kopf ist hinten viel breiter als der Hals, ziemlich flach, vorn sanft zugerundet, der Hals sehr dentlich abgesetzt, seitlich ein wenig zusammengedrückt, sein Querschnitt also schwach längsrund, der Leib gegen den Hals bedeutend verdickt, auf dem Rücken abgeflacht, breiter als hoch, auf dem Bauche platt, der Schwanz verhältnißmäßig kurz, im letzten Dritttheile seiner Länge auffallend verdünnt, in eine kurze, harte Spitze endigend. Vom Halse an verdickt sich der Leib nur allmählich bis zur Körpermitte und verschmächtigt sich vonhieran wiederum bis zum Schwanze, in welchen er ohne merklichen Absatz übergeht. Männchen und Weibchen unterscheiden sich in der Gestalt dadurch, daß bei ersterem der Leib kürzer und schmächtiger, der Schwanz hingegen verhältniß- mäßig länger und dicker ist als bei letzterem. Die Länge des erwachsenen Männchens beträgt etwa 2 Fuß, selten einen Zoll mehr, meist mehrere Zoll weniger; die Länge des Weibchens kann bis auf 21/2 Fuß ansteigen. Bei einem ausgezeichnet großen Männchen von 2 Fuß 1 Zoll Länge, welches Lenz maß, war der Kopf 1 Zoll lang, der Hinterkopf 81/2 Linien, der Hals 7 Linien, der Leib in der Mitte 10 Linien breit, der Schwanz 3 Zoll und 5 Linien lang. Bei einem verhältnißmäßig ebenso großen Weibchen, dessen Länge 2 Fuß 6 Zoll betrug, nahm der Schwanz 3 Zoll und 1 Linie weg, der Hinterkopf war 101/2, der Leib in der Mitte 12 Linien breit. Als Regel läßt sich also aufstellen, daß der Kopf der Kreuzotter etwa den zwanzigsten Theil, der Schwanz des Männchens den sechsten, der des Weibchens den achten Theil der Leibeslänge beträgt: -- ein Verhältniß, welches bei keiner deutschen Schlange weiter gefunden wird. Genaue Betrachtung der Kreuzotter lehrt, daß sie sich durch ihre Beschuppung von allen anderen deutschen Schlangen unterscheidet. Das Lippenschild ist dreieckig abgerundet, unten zum Durchgange der Zunge bogenförmig ausgeschnitten; jederseits von ihm stehen zwei unregelmäßige, fünfeckige Schilder, neben ihm die großen Nasenlöcher. Der Vorder- scheitel trägt drei kleine, unregelmäßig dreieckige Schilder, deren vorderstes mit seiner Spitze zwischen
Die Schlangen. Vipern. Spießottern.
bis auf den Hals herabreichende Giftdrüſen in Verbindung, welche durch kräftige Muskeln zuſammen- gedrückt werden können und deshalb eine verhältnißmäßig bedeutende Menge von Gift in die durch die Zähne geſchlagene Wunde flößen.
Alle Röhrenzähner ohne jegliche Ausnahme ſind Nachtthiere. Sie machen ſich übertages nur ſoviel Bewegung, als erforderlich iſt, um einen Platz aufzuſuchen, auf welchem ſie ſich die Wohlthat der Beſonnung verſchaffen können oder um einer ſich nahenden Gefahr zu entrinnen, gehen vor Sonnenuntergang niemals auf Jagd aus, ſondern nehmen höchſtens eine zufällig ihnen ſich nahende Beute weg, ſuchen ſolche aber des Nachts auf. Die Lebensweiſe der verſchiedenen Arten dieſer Zunft iſt ſo übereinſtimmend, daß Alles, was von der einen gilt, auch auf die übrigen bezogen werden kann; gleichwohl will ich alle bekannteren Arten der Gruppe in das Bereich unſerer Beſprechung ziehen.
Unſere Kreuzotter, das einzige giftige Kriechthier Deutſchlands, die verbreitetſte der drei Gift- ſchlangen Europas, gilt als Urbild der Vipern(Viperae), einer aus etwa zwanzig Arten beſtehenden Familie, deren Mitglieder ſich von den übrigen Röhrenzähnern durch den kurzen, gedrungenen Leib und ſchärfer noch durch das Fehlen einer Grube zwiſchen den Naſenlöchern und Augen unterſcheiden.
Die Kreuzotter oder Adder, Feuer-, Kupfer-, Höllennatter oder bezüglich Schlange(Pelias Berus) vertritt die Sippe der Spießottern, ſo genannt nach dem Spieße des Achilles, deſſen Schaft vom Gebirge Pelion ſtammte, und kennzeichnet ſich durch die am Vorderkopfe zu Schildern umgewandelten Schuppen, die ſeitlich liegenden, einfachen Naſenlöcher und die in eine Doppelreihe geordneten Schwanzſchilder. Jhre Färbung iſt überaus verſchieden, ein dunkler, längs des ganzen Rückens verlaufender Zickzackſtreifen aber ſtets vorhanden und deshalb als Merkmal beachtenswerth. Eine unſchädliche Schlange könnte mit vorſtehenden Worten gekennzeichnet werden; die gefährliche Krenzotter verlangt eine eingehende Beſchreibung.
Als echte Viper unterſcheidet ſie ſich ſchon durch ihre Geſtalt von den übrigen Schlangen Deutſchlands und den meiſten Europas, ihre nächſten Verwandten, die Viper und Sandotter, ſelbſt- verſtändlich ausgenommen. Der Kopf iſt hinten viel breiter als der Hals, ziemlich flach, vorn ſanft zugerundet, der Hals ſehr dentlich abgeſetzt, ſeitlich ein wenig zuſammengedrückt, ſein Querſchnitt alſo ſchwach längsrund, der Leib gegen den Hals bedeutend verdickt, auf dem Rücken abgeflacht, breiter als hoch, auf dem Bauche platt, der Schwanz verhältnißmäßig kurz, im letzten Dritttheile ſeiner Länge auffallend verdünnt, in eine kurze, harte Spitze endigend. Vom Halſe an verdickt ſich der Leib nur allmählich bis zur Körpermitte und verſchmächtigt ſich vonhieran wiederum bis zum Schwanze, in welchen er ohne merklichen Abſatz übergeht. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich in der Geſtalt dadurch, daß bei erſterem der Leib kürzer und ſchmächtiger, der Schwanz hingegen verhältniß- mäßig länger und dicker iſt als bei letzterem. Die Länge des erwachſenen Männchens beträgt etwa 2 Fuß, ſelten einen Zoll mehr, meiſt mehrere Zoll weniger; die Länge des Weibchens kann bis auf 2½ Fuß anſteigen. Bei einem ausgezeichnet großen Männchen von 2 Fuß 1 Zoll Länge, welches Lenz maß, war der Kopf 1 Zoll lang, der Hinterkopf 8½ Linien, der Hals 7 Linien, der Leib in der Mitte 10 Linien breit, der Schwanz 3 Zoll und 5 Linien lang. Bei einem verhältnißmäßig ebenſo großen Weibchen, deſſen Länge 2 Fuß 6 Zoll betrug, nahm der Schwanz 3 Zoll und 1 Linie weg, der Hinterkopf war 10½, der Leib in der Mitte 12 Linien breit. Als Regel läßt ſich alſo aufſtellen, daß der Kopf der Kreuzotter etwa den zwanzigſten Theil, der Schwanz des Männchens den ſechsten, der des Weibchens den achten Theil der Leibeslänge beträgt: — ein Verhältniß, welches bei keiner deutſchen Schlange weiter gefunden wird. Genaue Betrachtung der Kreuzotter lehrt, daß ſie ſich durch ihre Beſchuppung von allen anderen deutſchen Schlangen unterſcheidet. Das Lippenſchild iſt dreieckig abgerundet, unten zum Durchgange der Zunge bogenförmig ausgeſchnitten; jederſeits von ihm ſtehen zwei unregelmäßige, fünfeckige Schilder, neben ihm die großen Naſenlöcher. Der Vorder- ſcheitel trägt drei kleine, unregelmäßig dreieckige Schilder, deren vorderſtes mit ſeiner Spitze zwiſchen
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Die Schlangen. Vipern. Spießottern.
bis auf den Hals herabreichende Giftdrüſen in Verbindung, welche durch kräftige Muskeln zuſammen-
gedrückt werden können und deshalb eine verhältnißmäßig bedeutende Menge von Gift in die durch
die Zähne geſchlagene Wunde flößen.
Alle Röhrenzähner ohne jegliche Ausnahme ſind Nachtthiere. Sie machen ſich übertages nur
ſoviel Bewegung, als erforderlich iſt, um einen Platz aufzuſuchen, auf welchem ſie ſich die Wohlthat
der Beſonnung verſchaffen können oder um einer ſich nahenden Gefahr zu entrinnen, gehen vor
Sonnenuntergang niemals auf Jagd aus, ſondern nehmen höchſtens eine zufällig ihnen ſich nahende
Beute weg, ſuchen ſolche aber des Nachts auf. Die Lebensweiſe der verſchiedenen Arten dieſer Zunft
iſt ſo übereinſtimmend, daß Alles, was von der einen gilt, auch auf die übrigen bezogen werden kann;
gleichwohl will ich alle bekannteren Arten der Gruppe in das Bereich unſerer Beſprechung ziehen.
Unſere Kreuzotter, das einzige giftige Kriechthier Deutſchlands, die verbreitetſte der drei Gift-
ſchlangen Europas, gilt als Urbild der Vipern (Viperae), einer aus etwa zwanzig Arten beſtehenden
Familie, deren Mitglieder ſich von den übrigen Röhrenzähnern durch den kurzen, gedrungenen Leib
und ſchärfer noch durch das Fehlen einer Grube zwiſchen den Naſenlöchern und Augen unterſcheiden.
Die Kreuzotter oder Adder, Feuer-, Kupfer-, Höllennatter oder bezüglich
Schlange (Pelias Berus) vertritt die Sippe der Spießottern, ſo genannt nach dem Spieße des
Achilles, deſſen Schaft vom Gebirge Pelion ſtammte, und kennzeichnet ſich durch die am Vorderkopfe
zu Schildern umgewandelten Schuppen, die ſeitlich liegenden, einfachen Naſenlöcher und die in eine
Doppelreihe geordneten Schwanzſchilder. Jhre Färbung iſt überaus verſchieden, ein dunkler, längs
des ganzen Rückens verlaufender Zickzackſtreifen aber ſtets vorhanden und deshalb als Merkmal
beachtenswerth. Eine unſchädliche Schlange könnte mit vorſtehenden Worten gekennzeichnet werden;
die gefährliche Krenzotter verlangt eine eingehende Beſchreibung.
Als echte Viper unterſcheidet ſie ſich ſchon durch ihre Geſtalt von den übrigen Schlangen
Deutſchlands und den meiſten Europas, ihre nächſten Verwandten, die Viper und Sandotter, ſelbſt-
verſtändlich ausgenommen. Der Kopf iſt hinten viel breiter als der Hals, ziemlich flach, vorn ſanft
zugerundet, der Hals ſehr dentlich abgeſetzt, ſeitlich ein wenig zuſammengedrückt, ſein Querſchnitt alſo
ſchwach längsrund, der Leib gegen den Hals bedeutend verdickt, auf dem Rücken abgeflacht, breiter als
hoch, auf dem Bauche platt, der Schwanz verhältnißmäßig kurz, im letzten Dritttheile ſeiner Länge
auffallend verdünnt, in eine kurze, harte Spitze endigend. Vom Halſe an verdickt ſich der Leib nur
allmählich bis zur Körpermitte und verſchmächtigt ſich vonhieran wiederum bis zum Schwanze, in
welchen er ohne merklichen Abſatz übergeht. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich in der
Geſtalt dadurch, daß bei erſterem der Leib kürzer und ſchmächtiger, der Schwanz hingegen verhältniß-
mäßig länger und dicker iſt als bei letzterem. Die Länge des erwachſenen Männchens beträgt etwa
2 Fuß, ſelten einen Zoll mehr, meiſt mehrere Zoll weniger; die Länge des Weibchens kann bis auf
2½ Fuß anſteigen. Bei einem ausgezeichnet großen Männchen von 2 Fuß 1 Zoll Länge, welches
Lenz maß, war der Kopf 1 Zoll lang, der Hinterkopf 8½ Linien, der Hals 7 Linien, der Leib in der
Mitte 10 Linien breit, der Schwanz 3 Zoll und 5 Linien lang. Bei einem verhältnißmäßig ebenſo
großen Weibchen, deſſen Länge 2 Fuß 6 Zoll betrug, nahm der Schwanz 3 Zoll und 1 Linie weg,
der Hinterkopf war 10½, der Leib in der Mitte 12 Linien breit. Als Regel läßt ſich alſo aufſtellen,
daß der Kopf der Kreuzotter etwa den zwanzigſten Theil, der Schwanz des Männchens den ſechsten,
der des Weibchens den achten Theil der Leibeslänge beträgt: — ein Verhältniß, welches bei keiner
deutſchen Schlange weiter gefunden wird. Genaue Betrachtung der Kreuzotter lehrt, daß ſie ſich
durch ihre Beſchuppung von allen anderen deutſchen Schlangen unterſcheidet. Das Lippenſchild iſt
dreieckig abgerundet, unten zum Durchgange der Zunge bogenförmig ausgeſchnitten; jederſeits von
ihm ſtehen zwei unregelmäßige, fünfeckige Schilder, neben ihm die großen Naſenlöcher. Der Vorder-
ſcheitel trägt drei kleine, unregelmäßig dreieckige Schilder, deren vorderſtes mit ſeiner Spitze zwiſchen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/312>, abgerufen am 22.12.2024.
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