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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Sandotter.
durchaus keine Schwierigkeiten; denn man brauche ja nur ein Feuer anzuzünden, dann kämen sie in
Scharen heran, und man könne von ihnen fangen, soviel man wolle. Noch an demselben Abende
wurde dieser Rath von mir befolgt, und das Ergebniß bestätigte die Wahrheit der mir damals
wenig glaublichen Mittheilung: mein Schlangenfänger und ich erbeuteten in der einen Nacht
einundzwanzig Stück."

Nach Erber's Erfahrung nährt sich unsere Schlange von Mäusen, Vögeln und Eidechsen, soll
auch die Vögel sehr listig zu beschleichen wissen und den arglosen, gefiederten Sängern, oft während
des Gesanges, den tödtlichen Biß versetzen. "Der Vogel erhebt sich meistens kläglich schreiend noch
einmal in die Luft, stürzt aber sogleich wieder zur Erde und verendet innerhalb weniger Minuten,
worauf er von der Schlange nach einiger Zeit verzehrt wird."

Ueber die Fortpflanzung liegen besondere Beobachtungen nicht vor; doch läßt sich aus den
Angaben Effeldt's und Erber's entnehmen, daß die Begattungszeit ungefähr in dieselben Wochen
fällt wie bei der Kreuzotter, und daß die Jungen im August oder September geboren werden. Jm
September warf ein Weibchen, welches Erber gefangen hielt, zwei Junge, welche leider beide todt
zur Welt kamen, vielleicht auch nicht ausgetragen, weil noch in dem Eihäutchen eingehüllt waren.

Die ersten gefangenen Sandottern, welche Effeldt erhielt, wurden ihm zugesandt mit dem
Bemerken, daß sie im Käfige niemals Nahrung annähmen; aber gerade diese beiden Stücke wider-
legten solche Behauptung, indem eine von ihnen die vorgeworfene Maus ohne Weiteres ergriff und
verschlang. Jn der Folge wurden dieselben Beobachtungen bei vielen anderen gemacht; ja, einzelne
der gefangenen Sandottern Effeldt's zeichneten sich förmlich aus durch Gefräßigkeit, nahmen
anderen ihrer Art und Verwandten das Futter weg, rissen ihnen selbst die halbverschlungenen Mäuse
wieder aus dem Rachen heraus, durch Zischen und wüthendes Gebahren die schwächeren abschreckend,
und mästeten sich, während jene darben mußten. Da die lebenden Mäuse, welche Effeldt anfangs
fütterte, von den überaus trägen Sandottern manchmal nicht gleich getödtet wurden und dann regel-
mäßig den Kasten benagten, warf ihnen unser Beobachter später nur noch todte Mäuse vor; aber
auch diese wurden nicht verschmäht; ja, die Schlangen gewöhnten sich zuletzt so an dieses Futter, daß
sie es unterließen, von ihren Waffen Gebrauch zu machen, wenn sie eine Maus ergriffen, gleichviel ob
dieselbe todt war oder sich noch regte. Eines Tages nun betäubte Effeldt eine Maus durch einen
Schlag und warf sie den Sandottern vor. Sie wurde augenblicklich erfaßt und verschlungen, erwachte
dabei aber aus ihrer Betäubung und begann sich zu regen und zu zappeln. Da die Otter sie hinten
gepackt hatte, arbeitete sie sich vorwärts, und jene mußte sich auch tüchtig anstrengen, um sie immer
wieder zurückzubringen. Nach längerer Zeit entschloß sich die Schlange, die widerhaarige Beute von
sich zu speien. Die noch lebende Maus erschien als noch unkenntlicher Klumpen, ganz mit Speichel
bedeckt, zappelte noch ein wenig und verendete einige Augenblicke nachher; aber auch die Sandotter
zeigte sich krank und starb etwa drei Stunden später, wahrscheinlich in Folge innerer Verletzung,
welche die Maus ihr zugefügt haben mochte.

Mit anderen Schlangen, auch mit ungiftigen, verträgt sich die Sandotter, nach Effeldt's
Beobachtungen, ausgezeichnet, ist überhaupt ein verhältnißmäßig friedfertiges Thier, welches sich um
andere Geschöpfe, Mäuse und Vögel allerdings ausgenommen, nicht kümmert, so lange sie nicht gereizt
wird. Dem Pfleger gegenüber zeigt sie sich von Anfang an minder bissig als die Kreuzotter, nimmt
auch nach und nach bis zu einem gewissen Grade Lehre an, wird wenigstens in höherem Grade zahm
als ihre deutsche Verwandte und gehört deshalb zu den wenigen Giftschlangen, welche dem Liebhaber
wirklich Freude bereiten. Doch bleibt ihr Umgang, wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird,
immer gefährlich.

"Jm September des Jahres 1857", erzählt Erber, "erhielt ich aus Dalmatien zwei Sand-
ottern und anfangs Dezember noch ein drittes Stück. Ein Pärchen von ihnen besitze ich (1863) noch.
Sie hielten bei mir keinen Winterschlaf, obgleich ich sie an einen kühlen Ort stellte, sondern verzehrten
regelmäßig in jeder Woche eine Maus, welche nach dem Bisse nie über fünf Minuten lebte. Zwei

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Sandotter.
durchaus keine Schwierigkeiten; denn man brauche ja nur ein Feuer anzuzünden, dann kämen ſie in
Scharen heran, und man könne von ihnen fangen, ſoviel man wolle. Noch an demſelben Abende
wurde dieſer Rath von mir befolgt, und das Ergebniß beſtätigte die Wahrheit der mir damals
wenig glaublichen Mittheilung: mein Schlangenfänger und ich erbeuteten in der einen Nacht
einundzwanzig Stück.“

Nach Erber’s Erfahrung nährt ſich unſere Schlange von Mäuſen, Vögeln und Eidechſen, ſoll
auch die Vögel ſehr liſtig zu beſchleichen wiſſen und den argloſen, gefiederten Sängern, oft während
des Geſanges, den tödtlichen Biß verſetzen. „Der Vogel erhebt ſich meiſtens kläglich ſchreiend noch
einmal in die Luft, ſtürzt aber ſogleich wieder zur Erde und verendet innerhalb weniger Minuten,
worauf er von der Schlange nach einiger Zeit verzehrt wird.“

Ueber die Fortpflanzung liegen beſondere Beobachtungen nicht vor; doch läßt ſich aus den
Angaben Effeldt’s und Erber’s entnehmen, daß die Begattungszeit ungefähr in dieſelben Wochen
fällt wie bei der Kreuzotter, und daß die Jungen im Auguſt oder September geboren werden. Jm
September warf ein Weibchen, welches Erber gefangen hielt, zwei Junge, welche leider beide todt
zur Welt kamen, vielleicht auch nicht ausgetragen, weil noch in dem Eihäutchen eingehüllt waren.

Die erſten gefangenen Sandottern, welche Effeldt erhielt, wurden ihm zugeſandt mit dem
Bemerken, daß ſie im Käfige niemals Nahrung annähmen; aber gerade dieſe beiden Stücke wider-
legten ſolche Behauptung, indem eine von ihnen die vorgeworfene Maus ohne Weiteres ergriff und
verſchlang. Jn der Folge wurden dieſelben Beobachtungen bei vielen anderen gemacht; ja, einzelne
der gefangenen Sandottern Effeldt’s zeichneten ſich förmlich aus durch Gefräßigkeit, nahmen
anderen ihrer Art und Verwandten das Futter weg, riſſen ihnen ſelbſt die halbverſchlungenen Mäuſe
wieder aus dem Rachen heraus, durch Ziſchen und wüthendes Gebahren die ſchwächeren abſchreckend,
und mäſteten ſich, während jene darben mußten. Da die lebenden Mäuſe, welche Effeldt anfangs
fütterte, von den überaus trägen Sandottern manchmal nicht gleich getödtet wurden und dann regel-
mäßig den Kaſten benagten, warf ihnen unſer Beobachter ſpäter nur noch todte Mäuſe vor; aber
auch dieſe wurden nicht verſchmäht; ja, die Schlangen gewöhnten ſich zuletzt ſo an dieſes Futter, daß
ſie es unterließen, von ihren Waffen Gebrauch zu machen, wenn ſie eine Maus ergriffen, gleichviel ob
dieſelbe todt war oder ſich noch regte. Eines Tages nun betäubte Effeldt eine Maus durch einen
Schlag und warf ſie den Sandottern vor. Sie wurde augenblicklich erfaßt und verſchlungen, erwachte
dabei aber aus ihrer Betäubung und begann ſich zu regen und zu zappeln. Da die Otter ſie hinten
gepackt hatte, arbeitete ſie ſich vorwärts, und jene mußte ſich auch tüchtig anſtrengen, um ſie immer
wieder zurückzubringen. Nach längerer Zeit entſchloß ſich die Schlange, die widerhaarige Beute von
ſich zu ſpeien. Die noch lebende Maus erſchien als noch unkenntlicher Klumpen, ganz mit Speichel
bedeckt, zappelte noch ein wenig und verendete einige Augenblicke nachher; aber auch die Sandotter
zeigte ſich krank und ſtarb etwa drei Stunden ſpäter, wahrſcheinlich in Folge innerer Verletzung,
welche die Maus ihr zugefügt haben mochte.

Mit anderen Schlangen, auch mit ungiftigen, verträgt ſich die Sandotter, nach Effeldt’s
Beobachtungen, ausgezeichnet, iſt überhaupt ein verhältnißmäßig friedfertiges Thier, welches ſich um
andere Geſchöpfe, Mäuſe und Vögel allerdings ausgenommen, nicht kümmert, ſo lange ſie nicht gereizt
wird. Dem Pfleger gegenüber zeigt ſie ſich von Anfang an minder biſſig als die Kreuzotter, nimmt
auch nach und nach bis zu einem gewiſſen Grade Lehre an, wird wenigſtens in höherem Grade zahm
als ihre deutſche Verwandte und gehört deshalb zu den wenigen Giftſchlangen, welche dem Liebhaber
wirklich Freude bereiten. Doch bleibt ihr Umgang, wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird,
immer gefährlich.

„Jm September des Jahres 1857“, erzählt Erber, „erhielt ich aus Dalmatien zwei Sand-
ottern und anfangs Dezember noch ein drittes Stück. Ein Pärchen von ihnen beſitze ich (1863) noch.
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regelmäßig in jeder Woche eine Maus, welche nach dem Biſſe nie über fünf Minuten lebte. Zwei

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[307/0333] Sandotter. durchaus keine Schwierigkeiten; denn man brauche ja nur ein Feuer anzuzünden, dann kämen ſie in Scharen heran, und man könne von ihnen fangen, ſoviel man wolle. Noch an demſelben Abende wurde dieſer Rath von mir befolgt, und das Ergebniß beſtätigte die Wahrheit der mir damals wenig glaublichen Mittheilung: mein Schlangenfänger und ich erbeuteten in der einen Nacht einundzwanzig Stück.“ Nach Erber’s Erfahrung nährt ſich unſere Schlange von Mäuſen, Vögeln und Eidechſen, ſoll auch die Vögel ſehr liſtig zu beſchleichen wiſſen und den argloſen, gefiederten Sängern, oft während des Geſanges, den tödtlichen Biß verſetzen. „Der Vogel erhebt ſich meiſtens kläglich ſchreiend noch einmal in die Luft, ſtürzt aber ſogleich wieder zur Erde und verendet innerhalb weniger Minuten, worauf er von der Schlange nach einiger Zeit verzehrt wird.“ Ueber die Fortpflanzung liegen beſondere Beobachtungen nicht vor; doch läßt ſich aus den Angaben Effeldt’s und Erber’s entnehmen, daß die Begattungszeit ungefähr in dieſelben Wochen fällt wie bei der Kreuzotter, und daß die Jungen im Auguſt oder September geboren werden. Jm September warf ein Weibchen, welches Erber gefangen hielt, zwei Junge, welche leider beide todt zur Welt kamen, vielleicht auch nicht ausgetragen, weil noch in dem Eihäutchen eingehüllt waren. Die erſten gefangenen Sandottern, welche Effeldt erhielt, wurden ihm zugeſandt mit dem Bemerken, daß ſie im Käfige niemals Nahrung annähmen; aber gerade dieſe beiden Stücke wider- legten ſolche Behauptung, indem eine von ihnen die vorgeworfene Maus ohne Weiteres ergriff und verſchlang. Jn der Folge wurden dieſelben Beobachtungen bei vielen anderen gemacht; ja, einzelne der gefangenen Sandottern Effeldt’s zeichneten ſich förmlich aus durch Gefräßigkeit, nahmen anderen ihrer Art und Verwandten das Futter weg, riſſen ihnen ſelbſt die halbverſchlungenen Mäuſe wieder aus dem Rachen heraus, durch Ziſchen und wüthendes Gebahren die ſchwächeren abſchreckend, und mäſteten ſich, während jene darben mußten. Da die lebenden Mäuſe, welche Effeldt anfangs fütterte, von den überaus trägen Sandottern manchmal nicht gleich getödtet wurden und dann regel- mäßig den Kaſten benagten, warf ihnen unſer Beobachter ſpäter nur noch todte Mäuſe vor; aber auch dieſe wurden nicht verſchmäht; ja, die Schlangen gewöhnten ſich zuletzt ſo an dieſes Futter, daß ſie es unterließen, von ihren Waffen Gebrauch zu machen, wenn ſie eine Maus ergriffen, gleichviel ob dieſelbe todt war oder ſich noch regte. Eines Tages nun betäubte Effeldt eine Maus durch einen Schlag und warf ſie den Sandottern vor. Sie wurde augenblicklich erfaßt und verſchlungen, erwachte dabei aber aus ihrer Betäubung und begann ſich zu regen und zu zappeln. Da die Otter ſie hinten gepackt hatte, arbeitete ſie ſich vorwärts, und jene mußte ſich auch tüchtig anſtrengen, um ſie immer wieder zurückzubringen. Nach längerer Zeit entſchloß ſich die Schlange, die widerhaarige Beute von ſich zu ſpeien. Die noch lebende Maus erſchien als noch unkenntlicher Klumpen, ganz mit Speichel bedeckt, zappelte noch ein wenig und verendete einige Augenblicke nachher; aber auch die Sandotter zeigte ſich krank und ſtarb etwa drei Stunden ſpäter, wahrſcheinlich in Folge innerer Verletzung, welche die Maus ihr zugefügt haben mochte. Mit anderen Schlangen, auch mit ungiftigen, verträgt ſich die Sandotter, nach Effeldt’s Beobachtungen, ausgezeichnet, iſt überhaupt ein verhältnißmäßig friedfertiges Thier, welches ſich um andere Geſchöpfe, Mäuſe und Vögel allerdings ausgenommen, nicht kümmert, ſo lange ſie nicht gereizt wird. Dem Pfleger gegenüber zeigt ſie ſich von Anfang an minder biſſig als die Kreuzotter, nimmt auch nach und nach bis zu einem gewiſſen Grade Lehre an, wird wenigſtens in höherem Grade zahm als ihre deutſche Verwandte und gehört deshalb zu den wenigen Giftſchlangen, welche dem Liebhaber wirklich Freude bereiten. Doch bleibt ihr Umgang, wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird, immer gefährlich. „Jm September des Jahres 1857“, erzählt Erber, „erhielt ich aus Dalmatien zwei Sand- ottern und anfangs Dezember noch ein drittes Stück. Ein Pärchen von ihnen beſitze ich (1863) noch. Sie hielten bei mir keinen Winterſchlaf, obgleich ich ſie an einen kühlen Ort ſtellte, ſondern verzehrten regelmäßig in jeder Woche eine Maus, welche nach dem Biſſe nie über fünf Minuten lebte. Zwei 20*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/333>, abgerufen am 22.12.2024.