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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Puffotter.
dem Kopfe fast einen Fuß hoch über den Boden, verfolgt mit glühenden Augen jede Bewegung des
sich ihr nahenden Gegners und wartet den günstigen Augenblick ab, sich vorzuwerfen. Ries ver-
sichert, daß der Kopf im Zorne nicht nur viel breiter wird als sonst, wie Dies bei anderen Schlangen
ja auch der Fall, sondern sich gleichzeitig verfärbe und bald ins Blaue, bald ins Rothbläuliche
spiele. Jhre Nahrung besteht in Mäusen, Ratten, Vögeln und dergleichen, welche sie zumeist an
den Ufern der Flüsse und Bäche aufsuchen soll.

Es wird erzählt, daß die Buschmänner sie eifrig verfolgen, um von ihr das zur Verfertigung
ihrer Pfeile nöthige Gift zu erwerben. Sie sollen beim Fange des Thieres einen erhabenen Muth
und eine bewunderungswürdige Geschicklichkeit an den Tag legen, sich der ruhenden Schlange vorsichtig
nähern, ihr plötzlich den Fuß ins Genick setzen, sie so fest auf den Boden drücken und den Kopf mit
einem raschen Schnitte vom Leibe trennen, die Giftdrüsen ausdrücken und die derart gewonnene
Flüssigkeit mit dem kleberigen Safte einer Pflanze vermischen, welcher letztere dazu dient, es an den
Pfeilspitzen zu befestigen: -- ob etwas Wahres an dieser Geschichte ist, lasse ich, wie billig, dahin-
gestellt. Auch eine andere Angabe, welche ich in Wood's Naturgeschichte finde, fordert noch zu
Zweifeln heraus. Die Hottentotten nämlich sollen die Puffotter durch Tabaksaft umbringen, indem
sie die Spitze eines zerfaserten Stockes in Tabakssaft tauchen und das leicht erzürnbare Thier reizen,
bis es in den Stock beißt. Unmöglich ist es freilich nicht, daß auch diese Leute die Wirksamkeit des
Nikotin kennen gelernt haben; demungeachtet will es mir scheinen, als ob die ganze Geschichte
durchaus nicht das Gepräge der Wahrhaftigkeit an sich trage.

Eine wüthende Puffotter sieht, laut Drayson, abschreckend aus. "Einst", so erzählt er, "sah
ich ein Weibchen dieser Art in der größten Wuth. Es war sammt seinen Jungen von einigen Kaffern
aus seinem Schlupfwinkel, einem umgefallenen Baumstamme, hervorgetrieben worden und hatte offen-
bar die Absicht, sich tapfer zu vertheidigen. Die Kaffern beschlossen, die ganze Familie zu ver-
nichten, fürchteten sich aber, dem ingrimmigen Thiere auf den Leib zu rücken. Zufälligerweise kam
ich kurz nach der Entdeckung der Schlangen zu den noch rathlosen Männern, ordnete sie zum Angriffe,
ließ große Steine herbeischaffen und mit diesen den Kampf eröffnen. Nach wenigen Minuten war
das wüthende Thier sammt seinen Jungen getödtet und die ganze Gesellschaft auf einen Scheiterhaufen
gelegt worden, um verbrannt zu werden, damit keiner der barfüßigen Männer Gefahr laufe, zufällig auf
einen Kopf zu treten und an den noch lange nach dem Tode wirksamen Giftzähnen sich zu verwunden."

Drayson hebt als auffallend hervor, daß man in Südafrika, einem mit Giftschlangen förmlich
verpesteten Lande, so selten von einem durch die Schlange verursachten Unglücksfalle vernimmt und
erklärt sich Dies durch die Furchtsamkeit der Schlange selbst. Jm allgemeinen mag der Mann recht
behalten; was aber die Puffotter anlangt, so gehört diese, den übereinstimmenden Nachrichten der
Reisenden gemäß, sicherlich nicht zu denjenigen Arten, welche ihr Heil in der Flucht suchen, wenn ein
Mensch sich nähert: dazu ist sie übertages zu träge und nachts, wenn sie munter, zu dumm oder zu
boshaft, bezüglich zu sehr von der Unfehlbarkeit ihrer Wassen überzeugt. Aber man reist in Süd-
afrika nur selten nach Sonnenuntergang, wenn die gefährlichen Schlangenarten munter sind, und
umgibt, wenn man im Freien übernachtet, das Lager mit einem Kreise von Feuern, welche die Gift-
schlangen zwar herbeilocken, das Jnnere des Lagers aber doch auch vor ihnen schützen, da die Thiere,
wie ich aus eigener Erfahrung versichern kann, wohlweislich umkehren, wenn sie der Flamme sehr
nah gekommen sind.

Unter den bis jetzt in Gefangenschaft gehaltenen Vipern gehört die Puffotter zu denjenigen
Arten, welche am leichtesten an das Futter gehen, wohl deshalb, weil es nicht schwierig ist, ihren
Ansprüchen an das Leben zu genügen. Ein warmer Käfig, dessen Boden mit Sand oder kleinen
Kieselsteinen bestreut wurde, bietet ihr einen durchaus behaglichen Aufenthalt, und wenn ihr dann
Beute vorgeworfen wird, besinnt sie sich selten lange, zuzugreifen. Bei nur einiger Aufmerksamkeit
des Wärters hält sie sich jahrelang, wie die Gefangenen der Thiergärten zu London und Amsterdam
zur Genüge beweisen.

Puffotter.
dem Kopfe faſt einen Fuß hoch über den Boden, verfolgt mit glühenden Augen jede Bewegung des
ſich ihr nahenden Gegners und wartet den günſtigen Augenblick ab, ſich vorzuwerfen. Ries ver-
ſichert, daß der Kopf im Zorne nicht nur viel breiter wird als ſonſt, wie Dies bei anderen Schlangen
ja auch der Fall, ſondern ſich gleichzeitig verfärbe und bald ins Blaue, bald ins Rothbläuliche
ſpiele. Jhre Nahrung beſteht in Mäuſen, Ratten, Vögeln und dergleichen, welche ſie zumeiſt an
den Ufern der Flüſſe und Bäche aufſuchen ſoll.

Es wird erzählt, daß die Buſchmänner ſie eifrig verfolgen, um von ihr das zur Verfertigung
ihrer Pfeile nöthige Gift zu erwerben. Sie ſollen beim Fange des Thieres einen erhabenen Muth
und eine bewunderungswürdige Geſchicklichkeit an den Tag legen, ſich der ruhenden Schlange vorſichtig
nähern, ihr plötzlich den Fuß ins Genick ſetzen, ſie ſo feſt auf den Boden drücken und den Kopf mit
einem raſchen Schnitte vom Leibe trennen, die Giftdrüſen ausdrücken und die derart gewonnene
Flüſſigkeit mit dem kleberigen Safte einer Pflanze vermiſchen, welcher letztere dazu dient, es an den
Pfeilſpitzen zu befeſtigen: — ob etwas Wahres an dieſer Geſchichte iſt, laſſe ich, wie billig, dahin-
geſtellt. Auch eine andere Angabe, welche ich in Wood’s Naturgeſchichte finde, fordert noch zu
Zweifeln heraus. Die Hottentotten nämlich ſollen die Puffotter durch Tabakſaft umbringen, indem
ſie die Spitze eines zerfaſerten Stockes in Tabaksſaft tauchen und das leicht erzürnbare Thier reizen,
bis es in den Stock beißt. Unmöglich iſt es freilich nicht, daß auch dieſe Leute die Wirkſamkeit des
Nikotin kennen gelernt haben; demungeachtet will es mir ſcheinen, als ob die ganze Geſchichte
durchaus nicht das Gepräge der Wahrhaftigkeit an ſich trage.

Eine wüthende Puffotter ſieht, laut Drayſon, abſchreckend aus. „Einſt“, ſo erzählt er, „ſah
ich ein Weibchen dieſer Art in der größten Wuth. Es war ſammt ſeinen Jungen von einigen Kaffern
aus ſeinem Schlupfwinkel, einem umgefallenen Baumſtamme, hervorgetrieben worden und hatte offen-
bar die Abſicht, ſich tapfer zu vertheidigen. Die Kaffern beſchloſſen, die ganze Familie zu ver-
nichten, fürchteten ſich aber, dem ingrimmigen Thiere auf den Leib zu rücken. Zufälligerweiſe kam
ich kurz nach der Entdeckung der Schlangen zu den noch rathloſen Männern, ordnete ſie zum Angriffe,
ließ große Steine herbeiſchaffen und mit dieſen den Kampf eröffnen. Nach wenigen Minuten war
das wüthende Thier ſammt ſeinen Jungen getödtet und die ganze Geſellſchaft auf einen Scheiterhaufen
gelegt worden, um verbrannt zu werden, damit keiner der barfüßigen Männer Gefahr laufe, zufällig auf
einen Kopf zu treten und an den noch lange nach dem Tode wirkſamen Giftzähnen ſich zu verwunden.“

Drayſon hebt als auffallend hervor, daß man in Südafrika, einem mit Giftſchlangen förmlich
verpeſteten Lande, ſo ſelten von einem durch die Schlange verurſachten Unglücksfalle vernimmt und
erklärt ſich Dies durch die Furchtſamkeit der Schlange ſelbſt. Jm allgemeinen mag der Mann recht
behalten; was aber die Puffotter anlangt, ſo gehört dieſe, den übereinſtimmenden Nachrichten der
Reiſenden gemäß, ſicherlich nicht zu denjenigen Arten, welche ihr Heil in der Flucht ſuchen, wenn ein
Menſch ſich nähert: dazu iſt ſie übertages zu träge und nachts, wenn ſie munter, zu dumm oder zu
boshaft, bezüglich zu ſehr von der Unfehlbarkeit ihrer Waſſen überzeugt. Aber man reiſt in Süd-
afrika nur ſelten nach Sonnenuntergang, wenn die gefährlichen Schlangenarten munter ſind, und
umgibt, wenn man im Freien übernachtet, das Lager mit einem Kreiſe von Feuern, welche die Gift-
ſchlangen zwar herbeilocken, das Jnnere des Lagers aber doch auch vor ihnen ſchützen, da die Thiere,
wie ich aus eigener Erfahrung verſichern kann, wohlweislich umkehren, wenn ſie der Flamme ſehr
nah gekommen ſind.

Unter den bis jetzt in Gefangenſchaft gehaltenen Vipern gehört die Puffotter zu denjenigen
Arten, welche am leichteſten an das Futter gehen, wohl deshalb, weil es nicht ſchwierig iſt, ihren
Anſprüchen an das Leben zu genügen. Ein warmer Käfig, deſſen Boden mit Sand oder kleinen
Kieſelſteinen beſtreut wurde, bietet ihr einen durchaus behaglichen Aufenthalt, und wenn ihr dann
Beute vorgeworfen wird, beſinnt ſie ſich ſelten lange, zuzugreifen. Bei nur einiger Aufmerkſamkeit
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[311/0337] Puffotter. dem Kopfe faſt einen Fuß hoch über den Boden, verfolgt mit glühenden Augen jede Bewegung des ſich ihr nahenden Gegners und wartet den günſtigen Augenblick ab, ſich vorzuwerfen. Ries ver- ſichert, daß der Kopf im Zorne nicht nur viel breiter wird als ſonſt, wie Dies bei anderen Schlangen ja auch der Fall, ſondern ſich gleichzeitig verfärbe und bald ins Blaue, bald ins Rothbläuliche ſpiele. Jhre Nahrung beſteht in Mäuſen, Ratten, Vögeln und dergleichen, welche ſie zumeiſt an den Ufern der Flüſſe und Bäche aufſuchen ſoll. Es wird erzählt, daß die Buſchmänner ſie eifrig verfolgen, um von ihr das zur Verfertigung ihrer Pfeile nöthige Gift zu erwerben. Sie ſollen beim Fange des Thieres einen erhabenen Muth und eine bewunderungswürdige Geſchicklichkeit an den Tag legen, ſich der ruhenden Schlange vorſichtig nähern, ihr plötzlich den Fuß ins Genick ſetzen, ſie ſo feſt auf den Boden drücken und den Kopf mit einem raſchen Schnitte vom Leibe trennen, die Giftdrüſen ausdrücken und die derart gewonnene Flüſſigkeit mit dem kleberigen Safte einer Pflanze vermiſchen, welcher letztere dazu dient, es an den Pfeilſpitzen zu befeſtigen: — ob etwas Wahres an dieſer Geſchichte iſt, laſſe ich, wie billig, dahin- geſtellt. Auch eine andere Angabe, welche ich in Wood’s Naturgeſchichte finde, fordert noch zu Zweifeln heraus. Die Hottentotten nämlich ſollen die Puffotter durch Tabakſaft umbringen, indem ſie die Spitze eines zerfaſerten Stockes in Tabaksſaft tauchen und das leicht erzürnbare Thier reizen, bis es in den Stock beißt. Unmöglich iſt es freilich nicht, daß auch dieſe Leute die Wirkſamkeit des Nikotin kennen gelernt haben; demungeachtet will es mir ſcheinen, als ob die ganze Geſchichte durchaus nicht das Gepräge der Wahrhaftigkeit an ſich trage. Eine wüthende Puffotter ſieht, laut Drayſon, abſchreckend aus. „Einſt“, ſo erzählt er, „ſah ich ein Weibchen dieſer Art in der größten Wuth. Es war ſammt ſeinen Jungen von einigen Kaffern aus ſeinem Schlupfwinkel, einem umgefallenen Baumſtamme, hervorgetrieben worden und hatte offen- bar die Abſicht, ſich tapfer zu vertheidigen. Die Kaffern beſchloſſen, die ganze Familie zu ver- nichten, fürchteten ſich aber, dem ingrimmigen Thiere auf den Leib zu rücken. Zufälligerweiſe kam ich kurz nach der Entdeckung der Schlangen zu den noch rathloſen Männern, ordnete ſie zum Angriffe, ließ große Steine herbeiſchaffen und mit dieſen den Kampf eröffnen. Nach wenigen Minuten war das wüthende Thier ſammt ſeinen Jungen getödtet und die ganze Geſellſchaft auf einen Scheiterhaufen gelegt worden, um verbrannt zu werden, damit keiner der barfüßigen Männer Gefahr laufe, zufällig auf einen Kopf zu treten und an den noch lange nach dem Tode wirkſamen Giftzähnen ſich zu verwunden.“ Drayſon hebt als auffallend hervor, daß man in Südafrika, einem mit Giftſchlangen förmlich verpeſteten Lande, ſo ſelten von einem durch die Schlange verurſachten Unglücksfalle vernimmt und erklärt ſich Dies durch die Furchtſamkeit der Schlange ſelbſt. Jm allgemeinen mag der Mann recht behalten; was aber die Puffotter anlangt, ſo gehört dieſe, den übereinſtimmenden Nachrichten der Reiſenden gemäß, ſicherlich nicht zu denjenigen Arten, welche ihr Heil in der Flucht ſuchen, wenn ein Menſch ſich nähert: dazu iſt ſie übertages zu träge und nachts, wenn ſie munter, zu dumm oder zu boshaft, bezüglich zu ſehr von der Unfehlbarkeit ihrer Waſſen überzeugt. Aber man reiſt in Süd- afrika nur ſelten nach Sonnenuntergang, wenn die gefährlichen Schlangenarten munter ſind, und umgibt, wenn man im Freien übernachtet, das Lager mit einem Kreiſe von Feuern, welche die Gift- ſchlangen zwar herbeilocken, das Jnnere des Lagers aber doch auch vor ihnen ſchützen, da die Thiere, wie ich aus eigener Erfahrung verſichern kann, wohlweislich umkehren, wenn ſie der Flamme ſehr nah gekommen ſind. Unter den bis jetzt in Gefangenſchaft gehaltenen Vipern gehört die Puffotter zu denjenigen Arten, welche am leichteſten an das Futter gehen, wohl deshalb, weil es nicht ſchwierig iſt, ihren Anſprüchen an das Leben zu genügen. Ein warmer Käfig, deſſen Boden mit Sand oder kleinen Kieſelſteinen beſtreut wurde, bietet ihr einen durchaus behaglichen Aufenthalt, und wenn ihr dann Beute vorgeworfen wird, beſinnt ſie ſich ſelten lange, zuzugreifen. Bei nur einiger Aufmerkſamkeit des Wärters hält ſie ſich jahrelang, wie die Gefangenen der Thiergärten zu London und Amſterdam zur Genüge beweiſen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/337>, abgerufen am 17.07.2024.