um so wüthender wird die Schlange, und zuletzt erfolgen die Bisse erstaunlich rasch auf einander; schließlich aber stellt sich Ermattung ein, und Furcht tritt an die Stelle der Wuth.
"Eine andere Gelegenheit, die Kraft des Bisses zu erfahren, bot sich mir einmal in der Prairie am Missouri dar. Jch bemerkte einen ausgewachsenen Ochsen, welcher wie wüthend auf mich zukam. Um ihm nicht vor die Hörner zu gerathen, lenkte ich den Kopf meines Pferdes seitwärts und setzte es zugleich in einen kurzen Galopp. Der Ochse strich neben einem niedrigen Strauche dicht an mir vorüber, und dabei sah ich, daß eine große Klapperschlange hinter seiner Kinnlade hing. Jch setzte ihm nach. Er beschrieb einen weiten Bogen, rannte endlich mit aller Kraft in einen Apfelhain, brach auf der anderen Seite durch und hatte seinen Feind abgestreift. Um die Folgen des Bisses zu beobachten, stieg ich ab. Der Ochse ging langsam zu den übrigen grasenden Rindern, weidete aber nicht; einige Minuten später stand er still, hing den Kopf und neigte ihn nach der der Wunde entgegengesetzten Seite; von den Knien hinab nach den Fesselgelenken bemerkte ich ein Schwanken, welches immer mehr zunahm, als ich ihn trieb. Die gebissene Stelle war schon bis zum Ohre hinauf stark geschwollen. Dies war Vormittag zwischen neun und zehn Uhr. Am folgenden Tage gegen vier Uhr Nachmittag kehrte ich zurück und fand das Thier noch auf derselben Stelle, das Maul mit Erde überzogen, trocken, offen, die geschwollene Zunge heraushängend und mit trockener Erde bedeckt; darunter aber war ein ziemlich tiefes Loch in den Boden geleckt worden. Die Bißwunde eiterte und wurde von Schwärmen von Fliegen umlagert. Da Wohnungen nicht in der Nähe waren, konnte ich Nichts für das arme Thier thun; doch schnitt ich ihm einen Arm voll Gras, tauchte es in das Wasser und legte es ihm in fein Maul.
"Sehr verschieden äußern sich die Wirkungen des Giftes, je nachdem die Klapperschlange mehr oder weniger gereizt ist. Als minder giftig gilt der Biß bei feuchtem, kühlen Wetter, als sehr gefährlich gleich nach ihrem Hervorkriechen aus der Winterherberge und während der Hitze des August. Um diese Zeit ist man nirgends sicher vor ihr; sie befindet sich dann in ihrer höchsten Regsamkeit, ist kampflustig und rasselt Einem oft mehrere Schritte entgegen. Unter den Spokers sah ich einen Jndianerknaben, welcher in dieser Jahreszeit gebissen worden war. Alle Mittel, welche die Jndianer kannten, schlugen nicht an. Der Knabe war entsetzlich anzusehen; denn der Brand hatte bereits die Knochen des gebissenen Theiles blosgelegt, und man sah ihn von unten auf buchstäblich verfaulen. Seine Wunden gaben einen so widrigen Gestank von sich, daß man sich ihm fast nicht zu nahen vermochte. Nach sechs Wochen erst starb der arme Knabe.
"Auch die Jndianer besitzen also kein sicheres Mittel gegen den Biß der Klapperschlangen. Jndessen ist anzunehmen, daß mehrere Pflanzenstoffe erfolgreich angewendet worden sind. Hierher gehören Aristolochia serpentaria, Prenanthes serpentaria, Echinacea purpurea, serotina, angustifolia, Eryngium aquaticum. Polygala Senega und P. purpurea stehen in geringem Ansehen. Sonderbar, daß von allen diesen Pflanzen nur die Wurzel angewendet wird. Jndianer führen solche Wurzeln getrocknet bei sich und kauen sie vor der Anwendung zu Brei. Jch bezweifele, daß sie mehr als eine Linderung der Schmerzen hervorzubringen im Stande sind, habe übrigens nie Gelegenheit gehabt, die Wirkung irgend einer zu beobachten.... Das sicherste, wenn auch schmerzhafte Mittel ist, nach übereinstimmenden Erfahrungen der Vogelsteller und Jäger, das häufige und wiederholte Abbrennen von feuchtem Schießpulverhaufen auf der Wunde; dabei wird dem Leidenden auch Schieß- pulver eingegeben, jedesmal eine Ladung etwa. Doch mögen die Jäger des wilden Westens, für welche das Schießpulver einen sehr hohen Werth hat, demselben wohl zu viele Kraft zuschreiben, obschon das Ausbrennen der frischen Wunde jedenfalls gute Folgen hat."
Glücklicherweise verbreitet sich gegenwärtig unter den Amerikanern mehr und mehr die Kenntniß des, wie es scheint, wirksamsten Gegenmittels: man läßt jetzt die Vergisteten vor allen Dingen Branntwein oder Weingeist überhaupt einnehmen. "Jm September des Jahres 1820", erzählt Mayrand, "hörte ich eines Abends das heftige Geschrei einer Weibsperson, wurde nach einigen Minuten gerufen und benachrichtigt, daß der Sklave Esser von einer Klapperschlange gebissen worden
Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen.
um ſo wüthender wird die Schlange, und zuletzt erfolgen die Biſſe erſtaunlich raſch auf einander; ſchließlich aber ſtellt ſich Ermattung ein, und Furcht tritt an die Stelle der Wuth.
„Eine andere Gelegenheit, die Kraft des Biſſes zu erfahren, bot ſich mir einmal in der Prairie am Miſſouri dar. Jch bemerkte einen ausgewachſenen Ochſen, welcher wie wüthend auf mich zukam. Um ihm nicht vor die Hörner zu gerathen, lenkte ich den Kopf meines Pferdes ſeitwärts und ſetzte es zugleich in einen kurzen Galopp. Der Ochſe ſtrich neben einem niedrigen Strauche dicht an mir vorüber, und dabei ſah ich, daß eine große Klapperſchlange hinter ſeiner Kinnlade hing. Jch ſetzte ihm nach. Er beſchrieb einen weiten Bogen, rannte endlich mit aller Kraft in einen Apfelhain, brach auf der anderen Seite durch und hatte ſeinen Feind abgeſtreift. Um die Folgen des Biſſes zu beobachten, ſtieg ich ab. Der Ochſe ging langſam zu den übrigen graſenden Rindern, weidete aber nicht; einige Minuten ſpäter ſtand er ſtill, hing den Kopf und neigte ihn nach der der Wunde entgegengeſetzten Seite; von den Knien hinab nach den Feſſelgelenken bemerkte ich ein Schwanken, welches immer mehr zunahm, als ich ihn trieb. Die gebiſſene Stelle war ſchon bis zum Ohre hinauf ſtark geſchwollen. Dies war Vormittag zwiſchen neun und zehn Uhr. Am folgenden Tage gegen vier Uhr Nachmittag kehrte ich zurück und fand das Thier noch auf derſelben Stelle, das Maul mit Erde überzogen, trocken, offen, die geſchwollene Zunge heraushängend und mit trockener Erde bedeckt; darunter aber war ein ziemlich tiefes Loch in den Boden geleckt worden. Die Bißwunde eiterte und wurde von Schwärmen von Fliegen umlagert. Da Wohnungen nicht in der Nähe waren, konnte ich Nichts für das arme Thier thun; doch ſchnitt ich ihm einen Arm voll Gras, tauchte es in das Waſſer und legte es ihm in fein Maul.
„Sehr verſchieden äußern ſich die Wirkungen des Giftes, je nachdem die Klapperſchlange mehr oder weniger gereizt iſt. Als minder giftig gilt der Biß bei feuchtem, kühlen Wetter, als ſehr gefährlich gleich nach ihrem Hervorkriechen aus der Winterherberge und während der Hitze des Auguſt. Um dieſe Zeit iſt man nirgends ſicher vor ihr; ſie befindet ſich dann in ihrer höchſten Regſamkeit, iſt kampfluſtig und raſſelt Einem oft mehrere Schritte entgegen. Unter den Spokers ſah ich einen Jndianerknaben, welcher in dieſer Jahreszeit gebiſſen worden war. Alle Mittel, welche die Jndianer kannten, ſchlugen nicht an. Der Knabe war entſetzlich anzuſehen; denn der Brand hatte bereits die Knochen des gebiſſenen Theiles blosgelegt, und man ſah ihn von unten auf buchſtäblich verfaulen. Seine Wunden gaben einen ſo widrigen Geſtank von ſich, daß man ſich ihm faſt nicht zu nahen vermochte. Nach ſechs Wochen erſt ſtarb der arme Knabe.
„Auch die Jndianer beſitzen alſo kein ſicheres Mittel gegen den Biß der Klapperſchlangen. Jndeſſen iſt anzunehmen, daß mehrere Pflanzenſtoffe erfolgreich angewendet worden ſind. Hierher gehören Aristolochia serpentaria, Prenanthes serpentaria, Echinacea purpurea, serotina, angustifolia, Eryngium aquaticum. Polygala Senega und P. purpurea ſtehen in geringem Anſehen. Sonderbar, daß von allen dieſen Pflanzen nur die Wurzel angewendet wird. Jndianer führen ſolche Wurzeln getrocknet bei ſich und kauen ſie vor der Anwendung zu Brei. Jch bezweifele, daß ſie mehr als eine Linderung der Schmerzen hervorzubringen im Stande ſind, habe übrigens nie Gelegenheit gehabt, die Wirkung irgend einer zu beobachten.... Das ſicherſte, wenn auch ſchmerzhafte Mittel iſt, nach übereinſtimmenden Erfahrungen der Vogelſteller und Jäger, das häufige und wiederholte Abbrennen von feuchtem Schießpulverhaufen auf der Wunde; dabei wird dem Leidenden auch Schieß- pulver eingegeben, jedesmal eine Ladung etwa. Doch mögen die Jäger des wilden Weſtens, für welche das Schießpulver einen ſehr hohen Werth hat, demſelben wohl zu viele Kraft zuſchreiben, obſchon das Ausbrennen der friſchen Wunde jedenfalls gute Folgen hat.“
Glücklicherweiſe verbreitet ſich gegenwärtig unter den Amerikanern mehr und mehr die Kenntniß des, wie es ſcheint, wirkſamſten Gegenmittels: man läßt jetzt die Vergiſteten vor allen Dingen Branntwein oder Weingeiſt überhaupt einnehmen. „Jm September des Jahres 1820“, erzählt Mayrand, „hörte ich eines Abends das heftige Geſchrei einer Weibsperſon, wurde nach einigen Minuten gerufen und benachrichtigt, daß der Sklave Eſſer von einer Klapperſchlange gebiſſen worden
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Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen.
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ſchließlich aber ſtellt ſich Ermattung ein, und Furcht tritt an die Stelle der Wuth.
„Eine andere Gelegenheit, die Kraft des Biſſes zu erfahren, bot ſich mir einmal in der Prairie
am Miſſouri dar. Jch bemerkte einen ausgewachſenen Ochſen, welcher wie wüthend auf mich zukam.
Um ihm nicht vor die Hörner zu gerathen, lenkte ich den Kopf meines Pferdes ſeitwärts und ſetzte es
zugleich in einen kurzen Galopp. Der Ochſe ſtrich neben einem niedrigen Strauche dicht an mir
vorüber, und dabei ſah ich, daß eine große Klapperſchlange hinter ſeiner Kinnlade hing. Jch ſetzte
ihm nach. Er beſchrieb einen weiten Bogen, rannte endlich mit aller Kraft in einen Apfelhain,
brach auf der anderen Seite durch und hatte ſeinen Feind abgeſtreift. Um die Folgen des Biſſes zu
beobachten, ſtieg ich ab. Der Ochſe ging langſam zu den übrigen graſenden Rindern, weidete aber
nicht; einige Minuten ſpäter ſtand er ſtill, hing den Kopf und neigte ihn nach der der Wunde
entgegengeſetzten Seite; von den Knien hinab nach den Feſſelgelenken bemerkte ich ein Schwanken,
welches immer mehr zunahm, als ich ihn trieb. Die gebiſſene Stelle war ſchon bis zum Ohre hinauf
ſtark geſchwollen. Dies war Vormittag zwiſchen neun und zehn Uhr. Am folgenden Tage gegen
vier Uhr Nachmittag kehrte ich zurück und fand das Thier noch auf derſelben Stelle, das Maul mit
Erde überzogen, trocken, offen, die geſchwollene Zunge heraushängend und mit trockener Erde bedeckt;
darunter aber war ein ziemlich tiefes Loch in den Boden geleckt worden. Die Bißwunde eiterte und
wurde von Schwärmen von Fliegen umlagert. Da Wohnungen nicht in der Nähe waren, konnte ich
Nichts für das arme Thier thun; doch ſchnitt ich ihm einen Arm voll Gras, tauchte es in das Waſſer
und legte es ihm in fein Maul.
„Sehr verſchieden äußern ſich die Wirkungen des Giftes, je nachdem die Klapperſchlange mehr
oder weniger gereizt iſt. Als minder giftig gilt der Biß bei feuchtem, kühlen Wetter, als ſehr
gefährlich gleich nach ihrem Hervorkriechen aus der Winterherberge und während der Hitze des Auguſt.
Um dieſe Zeit iſt man nirgends ſicher vor ihr; ſie befindet ſich dann in ihrer höchſten Regſamkeit, iſt
kampfluſtig und raſſelt Einem oft mehrere Schritte entgegen. Unter den Spokers ſah ich einen
Jndianerknaben, welcher in dieſer Jahreszeit gebiſſen worden war. Alle Mittel, welche die Jndianer
kannten, ſchlugen nicht an. Der Knabe war entſetzlich anzuſehen; denn der Brand hatte bereits die
Knochen des gebiſſenen Theiles blosgelegt, und man ſah ihn von unten auf buchſtäblich verfaulen.
Seine Wunden gaben einen ſo widrigen Geſtank von ſich, daß man ſich ihm faſt nicht zu nahen
vermochte. Nach ſechs Wochen erſt ſtarb der arme Knabe.
„Auch die Jndianer beſitzen alſo kein ſicheres Mittel gegen den Biß der Klapperſchlangen.
Jndeſſen iſt anzunehmen, daß mehrere Pflanzenſtoffe erfolgreich angewendet worden ſind. Hierher
gehören Aristolochia serpentaria, Prenanthes serpentaria, Echinacea purpurea, serotina, angustifolia,
Eryngium aquaticum. Polygala Senega und P. purpurea ſtehen in geringem Anſehen. Sonderbar,
daß von allen dieſen Pflanzen nur die Wurzel angewendet wird. Jndianer führen ſolche Wurzeln
getrocknet bei ſich und kauen ſie vor der Anwendung zu Brei. Jch bezweifele, daß ſie mehr als
eine Linderung der Schmerzen hervorzubringen im Stande ſind, habe übrigens nie Gelegenheit
gehabt, die Wirkung irgend einer zu beobachten.... Das ſicherſte, wenn auch ſchmerzhafte Mittel
iſt, nach übereinſtimmenden Erfahrungen der Vogelſteller und Jäger, das häufige und wiederholte
Abbrennen von feuchtem Schießpulverhaufen auf der Wunde; dabei wird dem Leidenden auch Schieß-
pulver eingegeben, jedesmal eine Ladung etwa. Doch mögen die Jäger des wilden Weſtens, für
welche das Schießpulver einen ſehr hohen Werth hat, demſelben wohl zu viele Kraft zuſchreiben,
obſchon das Ausbrennen der friſchen Wunde jedenfalls gute Folgen hat.“
Glücklicherweiſe verbreitet ſich gegenwärtig unter den Amerikanern mehr und mehr die Kenntniß
des, wie es ſcheint, wirkſamſten Gegenmittels: man läßt jetzt die Vergiſteten vor allen Dingen
Branntwein oder Weingeiſt überhaupt einnehmen. „Jm September des Jahres 1820“, erzählt
Mayrand, „hörte ich eines Abends das heftige Geſchrei einer Weibsperſon, wurde nach einigen
Minuten gerufen und benachrichtigt, daß der Sklave Eſſer von einer Klapperſchlange gebiſſen worden
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/354>, abgerufen am 22.12.2024.
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