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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Klapperschlange.
sei und im Sterben liege. Jch fand ihn bewegs- und sprachlos; seine Kinnbacken waren geschlossen,
der Puls unregelmäßig und kaum bemerkbar. Die Menschlichkeit, wie auch mein Vortheil erheischten,
daß ich alles Mögliche zu seiner Rettung versuchte. Jch hatte von der guten Wirkung geistiger
Getränke gehört und beschloß, die stärksten Reizmittel, welche in meinem Besitze waren, anzuwenden,
vermischte deshalb einen Theelöffel voll feingestoßenem spanischen Pfeffer mit einem Glase Schnaps,
ließ die Kinnladen auseinander halten und goß dem Kranken die Mischung ein. Die erste und die
drei oder vier nächsten Gaben wurden ausgebrochen, das fünfte Glas endlich blieb im Magen. Der
Puls hob sich, nachdem fünf bis sechs Gläser gepfefferter Branntwein genommen worden waren, fiel
jedoch schnell wieder, und ich begann deshalb von Neuem Schnaps und Pfeffer einzuflößen. Wie-
wohl ich nun fürchtete, daß die bedeutende Menge des Reizmittels tödtliche Folgen haben könnte, so
mußte ich doch damit fortfahren, weil der Puls alsbald wieder sank, sobald ich das Einflößen aus-
setzte. Nachdem der Kranke mehr als ein Quart Branntwein mit Pfeffer geschluckt hatte, sprach er
mit seinen Landsleuten; nach zwei Stunden, während welcher das Mittel fortgesetzt gereicht wurde,
war er so erstarkt, daß ich ihn einigen Wärtern überlassen konnte. Am nächsten Morgen hatte sich sein
Befinden bedeutend gebessert; doch war er noch äußerst kraftlos. Jch fuhr also während des Tages
damit fort, ihm jede Stunde Hirschhorngeist in mäßigen Gaben, auch stärkende Nahrungsmittel zu
reichen. Während der Nacht wurden drei Quart Branntwein verbraucht, eines davon etwa aber
verschüttet.... Ein guter Theil "des Fleisches" unter dem Kinnbacken wurde brandig und fiel ab,
und um die Wunde herum ging ein Stück von Thalergröße verloren; die Heilung trat jedoch bald
ein, unterstützt von Breiumschlägen und Waschungen mit einer Abkochung der Rinde der Rotheiche.

"Ein Jahr später wurde ich nachts gerufen, um einen ebenfalls von der Klapperschlange
gebissenen Neger zu retten. Er empfand große Schmerzen in der Brust und brach gallige Flüssigkeit
aus. Schnaps und grüner Pfeffer wurden ihm in wiederholten Gaben von je einem Weinglase voll
gereicht, bis der Puls wiederkehrte; der Schmerz ließ nach, und nachdem der Mensch sechs Gläser
geschluckt hatte, befand er sich weit besser; Erbrechen und Schmerz hörten auf, und nach zehn bis zwölf
Stunden war er außer Gefahr. Er hatte ungefähr ein Quart gepfesserten Branntwein zu sich genommen.

"Von einem Freunde erfuhr ich Folgendes: Man fand einen Mann, welcher von einer Gift-
schlange mehr als einmal gebissen worden war, und trug ihn als Todten nach Hause. Nach einiger
Zeit kam er wieder zu sich und befand sich vollkommen wohl. Nach Aussage des übrigen Gesindes
hatte er das Haus im berauschten Zustande verlassen und war wahrscheinlich auf die Schlange
gefallen; das Reizmittel aber hatte die Wirkung des Giftes ohne Zweifel überwunden."

Gefangene Klapperschlangen trotzen oft lange, gehen jedoch, falls ihr Käfig nur einigermaßen
zweckentsprechend hergerichtet wurde, schließlich an das Futter, fressen regelmäßig, anfänglich blos
lebende Thiere, welche sie vor dem Verschlingen selbst tödten, später auch todte, ihnen vorgeworfene
oder selbst rohe Fleischstücke und dergleichen. Von einzelnen weiß man, daß sie zwölf Jahre in der
Gefangenschaft ausgehalten haben. Anfänglich befinden sie sich, wie ihre Verwandten, fast fortwährend
in gereiztem Zustande; nach und nach aber mindert sich ihre Bosheit, und schließlich lernen sie ihren
Wärter wirklich als ihren Ernährer kennen, beißen mindestens nicht mehr so unsinnig nach ihm,
bezüglich nach dem sich ihrem Käfige nahenden Menschen als früher. Mit Jhresgleichen vertragen
sie sich ausgezeichnet. "Fünfunddreißig Stück von ihnen", sagt Mitchell, "welche ich in einem
und demselben Käfige zusammenhielt, bekundeten niemals ein Zeichen gegenseitiger Feindschaft, selbst
wenn man eine ihrer Art mitten unter die Gesellschaft warf, während ein in ihren Käfig gesetztes
Kaninchen, eine Taube etc. alle sofort in Aufruhr brachte. Sonst zeigten sie sich überaus unthätig. --
Bei warmer Witterung, wann sie noch am Muntersten, liegen sie verknäuelt durch- und übereinander,
gelegentlich ihre Stellung verändernd, dann aber auf längere Zeit vollkommen regungslos verharrend."
Diese Ruhe ist um so gefährlicher, als sie im grellsten Widerspruche steht zu der blitzartigen
Schnelligkeit ihres Angriffes und leicht zu Täuschungen verleiten kann.

Klapperſchlange.
ſei und im Sterben liege. Jch fand ihn bewegs- und ſprachlos; ſeine Kinnbacken waren geſchloſſen,
der Puls unregelmäßig und kaum bemerkbar. Die Menſchlichkeit, wie auch mein Vortheil erheiſchten,
daß ich alles Mögliche zu ſeiner Rettung verſuchte. Jch hatte von der guten Wirkung geiſtiger
Getränke gehört und beſchloß, die ſtärkſten Reizmittel, welche in meinem Beſitze waren, anzuwenden,
vermiſchte deshalb einen Theelöffel voll feingeſtoßenem ſpaniſchen Pfeffer mit einem Glaſe Schnaps,
ließ die Kinnladen auseinander halten und goß dem Kranken die Miſchung ein. Die erſte und die
drei oder vier nächſten Gaben wurden ausgebrochen, das fünfte Glas endlich blieb im Magen. Der
Puls hob ſich, nachdem fünf bis ſechs Gläſer gepfefferter Branntwein genommen worden waren, fiel
jedoch ſchnell wieder, und ich begann deshalb von Neuem Schnaps und Pfeffer einzuflößen. Wie-
wohl ich nun fürchtete, daß die bedeutende Menge des Reizmittels tödtliche Folgen haben könnte, ſo
mußte ich doch damit fortfahren, weil der Puls alsbald wieder ſank, ſobald ich das Einflößen aus-
ſetzte. Nachdem der Kranke mehr als ein Quart Branntwein mit Pfeffer geſchluckt hatte, ſprach er
mit ſeinen Landsleuten; nach zwei Stunden, während welcher das Mittel fortgeſetzt gereicht wurde,
war er ſo erſtarkt, daß ich ihn einigen Wärtern überlaſſen konnte. Am nächſten Morgen hatte ſich ſein
Befinden bedeutend gebeſſert; doch war er noch äußerſt kraftlos. Jch fuhr alſo während des Tages
damit fort, ihm jede Stunde Hirſchhorngeiſt in mäßigen Gaben, auch ſtärkende Nahrungsmittel zu
reichen. Während der Nacht wurden drei Quart Branntwein verbraucht, eines davon etwa aber
verſchüttet.... Ein guter Theil „des Fleiſches“ unter dem Kinnbacken wurde brandig und fiel ab,
und um die Wunde herum ging ein Stück von Thalergröße verloren; die Heilung trat jedoch bald
ein, unterſtützt von Breiumſchlägen und Waſchungen mit einer Abkochung der Rinde der Rotheiche.

„Ein Jahr ſpäter wurde ich nachts gerufen, um einen ebenfalls von der Klapperſchlange
gebiſſenen Neger zu retten. Er empfand große Schmerzen in der Bruſt und brach gallige Flüſſigkeit
aus. Schnaps und grüner Pfeffer wurden ihm in wiederholten Gaben von je einem Weinglaſe voll
gereicht, bis der Puls wiederkehrte; der Schmerz ließ nach, und nachdem der Menſch ſechs Gläſer
geſchluckt hatte, befand er ſich weit beſſer; Erbrechen und Schmerz hörten auf, und nach zehn bis zwölf
Stunden war er außer Gefahr. Er hatte ungefähr ein Quart gepfeſſerten Branntwein zu ſich genommen.

„Von einem Freunde erfuhr ich Folgendes: Man fand einen Mann, welcher von einer Gift-
ſchlange mehr als einmal gebiſſen worden war, und trug ihn als Todten nach Hauſe. Nach einiger
Zeit kam er wieder zu ſich und befand ſich vollkommen wohl. Nach Ausſage des übrigen Geſindes
hatte er das Haus im berauſchten Zuſtande verlaſſen und war wahrſcheinlich auf die Schlange
gefallen; das Reizmittel aber hatte die Wirkung des Giftes ohne Zweifel überwunden.“

Gefangene Klapperſchlangen trotzen oft lange, gehen jedoch, falls ihr Käfig nur einigermaßen
zweckentſprechend hergerichtet wurde, ſchließlich an das Futter, freſſen regelmäßig, anfänglich blos
lebende Thiere, welche ſie vor dem Verſchlingen ſelbſt tödten, ſpäter auch todte, ihnen vorgeworfene
oder ſelbſt rohe Fleiſchſtücke und dergleichen. Von einzelnen weiß man, daß ſie zwölf Jahre in der
Gefangenſchaft ausgehalten haben. Anfänglich befinden ſie ſich, wie ihre Verwandten, faſt fortwährend
in gereiztem Zuſtande; nach und nach aber mindert ſich ihre Bosheit, und ſchließlich lernen ſie ihren
Wärter wirklich als ihren Ernährer kennen, beißen mindeſtens nicht mehr ſo unſinnig nach ihm,
bezüglich nach dem ſich ihrem Käfige nahenden Menſchen als früher. Mit Jhresgleichen vertragen
ſie ſich ausgezeichnet. „Fünfunddreißig Stück von ihnen“, ſagt Mitchell, „welche ich in einem
und demſelben Käfige zuſammenhielt, bekundeten niemals ein Zeichen gegenſeitiger Feindſchaft, ſelbſt
wenn man eine ihrer Art mitten unter die Geſellſchaft warf, während ein in ihren Käfig geſetztes
Kaninchen, eine Taube ꝛc. alle ſofort in Aufruhr brachte. Sonſt zeigten ſie ſich überaus unthätig. —
Bei warmer Witterung, wann ſie noch am Munterſten, liegen ſie verknäuelt durch- und übereinander,
gelegentlich ihre Stellung verändernd, dann aber auf längere Zeit vollkommen regungslos verharrend.“
Dieſe Ruhe iſt um ſo gefährlicher, als ſie im grellſten Widerſpruche ſteht zu der blitzartigen
Schnelligkeit ihres Angriffes und leicht zu Täuſchungen verleiten kann.

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[329/0355] Klapperſchlange. ſei und im Sterben liege. Jch fand ihn bewegs- und ſprachlos; ſeine Kinnbacken waren geſchloſſen, der Puls unregelmäßig und kaum bemerkbar. Die Menſchlichkeit, wie auch mein Vortheil erheiſchten, daß ich alles Mögliche zu ſeiner Rettung verſuchte. Jch hatte von der guten Wirkung geiſtiger Getränke gehört und beſchloß, die ſtärkſten Reizmittel, welche in meinem Beſitze waren, anzuwenden, vermiſchte deshalb einen Theelöffel voll feingeſtoßenem ſpaniſchen Pfeffer mit einem Glaſe Schnaps, ließ die Kinnladen auseinander halten und goß dem Kranken die Miſchung ein. Die erſte und die drei oder vier nächſten Gaben wurden ausgebrochen, das fünfte Glas endlich blieb im Magen. Der Puls hob ſich, nachdem fünf bis ſechs Gläſer gepfefferter Branntwein genommen worden waren, fiel jedoch ſchnell wieder, und ich begann deshalb von Neuem Schnaps und Pfeffer einzuflößen. Wie- wohl ich nun fürchtete, daß die bedeutende Menge des Reizmittels tödtliche Folgen haben könnte, ſo mußte ich doch damit fortfahren, weil der Puls alsbald wieder ſank, ſobald ich das Einflößen aus- ſetzte. Nachdem der Kranke mehr als ein Quart Branntwein mit Pfeffer geſchluckt hatte, ſprach er mit ſeinen Landsleuten; nach zwei Stunden, während welcher das Mittel fortgeſetzt gereicht wurde, war er ſo erſtarkt, daß ich ihn einigen Wärtern überlaſſen konnte. Am nächſten Morgen hatte ſich ſein Befinden bedeutend gebeſſert; doch war er noch äußerſt kraftlos. Jch fuhr alſo während des Tages damit fort, ihm jede Stunde Hirſchhorngeiſt in mäßigen Gaben, auch ſtärkende Nahrungsmittel zu reichen. Während der Nacht wurden drei Quart Branntwein verbraucht, eines davon etwa aber verſchüttet.... Ein guter Theil „des Fleiſches“ unter dem Kinnbacken wurde brandig und fiel ab, und um die Wunde herum ging ein Stück von Thalergröße verloren; die Heilung trat jedoch bald ein, unterſtützt von Breiumſchlägen und Waſchungen mit einer Abkochung der Rinde der Rotheiche. „Ein Jahr ſpäter wurde ich nachts gerufen, um einen ebenfalls von der Klapperſchlange gebiſſenen Neger zu retten. Er empfand große Schmerzen in der Bruſt und brach gallige Flüſſigkeit aus. Schnaps und grüner Pfeffer wurden ihm in wiederholten Gaben von je einem Weinglaſe voll gereicht, bis der Puls wiederkehrte; der Schmerz ließ nach, und nachdem der Menſch ſechs Gläſer geſchluckt hatte, befand er ſich weit beſſer; Erbrechen und Schmerz hörten auf, und nach zehn bis zwölf Stunden war er außer Gefahr. Er hatte ungefähr ein Quart gepfeſſerten Branntwein zu ſich genommen. „Von einem Freunde erfuhr ich Folgendes: Man fand einen Mann, welcher von einer Gift- ſchlange mehr als einmal gebiſſen worden war, und trug ihn als Todten nach Hauſe. Nach einiger Zeit kam er wieder zu ſich und befand ſich vollkommen wohl. Nach Ausſage des übrigen Geſindes hatte er das Haus im berauſchten Zuſtande verlaſſen und war wahrſcheinlich auf die Schlange gefallen; das Reizmittel aber hatte die Wirkung des Giftes ohne Zweifel überwunden.“ Gefangene Klapperſchlangen trotzen oft lange, gehen jedoch, falls ihr Käfig nur einigermaßen zweckentſprechend hergerichtet wurde, ſchließlich an das Futter, freſſen regelmäßig, anfänglich blos lebende Thiere, welche ſie vor dem Verſchlingen ſelbſt tödten, ſpäter auch todte, ihnen vorgeworfene oder ſelbſt rohe Fleiſchſtücke und dergleichen. Von einzelnen weiß man, daß ſie zwölf Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten haben. Anfänglich befinden ſie ſich, wie ihre Verwandten, faſt fortwährend in gereiztem Zuſtande; nach und nach aber mindert ſich ihre Bosheit, und ſchließlich lernen ſie ihren Wärter wirklich als ihren Ernährer kennen, beißen mindeſtens nicht mehr ſo unſinnig nach ihm, bezüglich nach dem ſich ihrem Käfige nahenden Menſchen als früher. Mit Jhresgleichen vertragen ſie ſich ausgezeichnet. „Fünfunddreißig Stück von ihnen“, ſagt Mitchell, „welche ich in einem und demſelben Käfige zuſammenhielt, bekundeten niemals ein Zeichen gegenſeitiger Feindſchaft, ſelbſt wenn man eine ihrer Art mitten unter die Geſellſchaft warf, während ein in ihren Käfig geſetztes Kaninchen, eine Taube ꝛc. alle ſofort in Aufruhr brachte. Sonſt zeigten ſie ſich überaus unthätig. — Bei warmer Witterung, wann ſie noch am Munterſten, liegen ſie verknäuelt durch- und übereinander, gelegentlich ihre Stellung verändernd, dann aber auf längere Zeit vollkommen regungslos verharrend.“ Dieſe Ruhe iſt um ſo gefährlicher, als ſie im grellſten Widerſpruche ſteht zu der blitzartigen Schnelligkeit ihres Angriffes und leicht zu Täuſchungen verleiten kann.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/355>, abgerufen am 22.12.2024.