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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Grubenottern. Klapperschlangen.
Stöcken erschlagen. Jm Bauche derer, welche aufgeschnitten wurden, fanden sich Reste von Vögeln
und Säugethieren.

Ueber die Bißwirkung erfahren wir durch Schomburgk das Nachstehende. "Die Sonne", erzählt
er, "näherte sich schon dem Horizonte, und Essetamaipu war noch nicht zurückgekehrt, was uns nicht
eher auffiel, bis wir einen anderen Jndianer im schnellsten Laufe über die Anhöhe herbeieilen sahen: --
das sicherste Zeichen einer wichtigen Neuigkeit oder einer Unglücksbotschaft, da sich der Jndianer sonst
nur in gemessenen Schritten auf ein Dorf zu bewegt. Der Jndianer hatte Essetamaipu, von
einer Schlange gebissen, besinnungslos in der Savanne liegen gefunden. Mit allen möglichen
Hilfsmitteln versehen, eilten wir der Stelle zu, wo der Unglückliche liegen sollte, und fanden
ihn auch ohne Bewußtsein dort vor. Eine mit dem Messer auf wahrhaft schauderhafte Weise
ausgeschnittene und mit einem Streifen des Schaamschurzes verbundene Wunde über dem Knöchel
des rechten Fußes zeigte uns die Stelle, wo der Arme gebissen worden war. Das Bein war
geschwollen, und die heftigsten Krämpfe durchzuckten den ganzen Körper des Besinnungslosen, den
man fast nicht wieder erkannte, so sehr hatten sich in Folge der Krämpfe die Gesichtszüge verändert.
Als der Arme Essetamaipu durch die Savanne gegangen war, hatte er auf eine Klapperschlange
getreten, in unmittelbarem Rachegefühl sie zunächst getödtet und dann erst die Wunde mit einer nur
dem Jndianer eigenen Gefühllosigkeit ausgeschnitten und verbunden. Da die Verwundung auf der
hochgelegenen Savanne stattgefunden, hatte er sich noch mühsam in die Nähe des Pfades geschleppt,
wo er eher gefunden zu werden hoffen durfte, und war hier besinnungslos zusammengesunken. Als
die Bewohner Piraras uns hatten forteilen sehen, war uns fast die halbe Bevölkerung gefolgt, welche
wahrscheinlich auch die Ursache unserer Eile erfahren hatte und nun, den Unglücklichen schweigsam
ansehend, um ihn herumhockte, während die Frau und die Kinder desselben in ein herzbrechendes
Jammern ausbrachen. Dem geronnenen Blute nach zu urtheilen, mußte die Verwundung schon vor
mehreren Stunden stattgefunden haben; ein Aussaugen und Ausbrennen war daher nicht mehr
anwendbar, weshalb wir die Wunde blos mit Ammoniak auswuschen und solchen, mit Wasser
verdünnt, dem immer noch Besinnungslosen einflößten. Dieses Mittel schien seine Wirkung nicht zu
verfehlen. Die Besinnung kehrte zurück, und der Kranke, welcher über Schmerzen in der Brust-
und Achselgegend, sowie über Ziehen in den Gliedern und Rückenweh klagte, wurde in seiner Hänge-
matte nach Pirara getragen.

"Das Bein blieb mehrere Tage bis zum Hüftgelenk hinauf zu einer unförmlichen Masse
angeschwollen und völlig unbeweglich; dabei fühlte der Leidende bei der leisesten Erschütterung die
unerträglichsten Schmerzen. Nach drei Wochen hatte ein warmer erweichender Umschlag von Cassada-
brot nicht nur die Geschwulst, sondern auch den leichenartigen Ausdruck des Gesichts und die Schmerzen
vertrieben; nach Verlauf von fünf Wochen schloß sich auch die Wunde, und der Kranke konnte den
Fuß wieder gebrauchen.

"Wird durch die schleunig angewandten Mittel auch den tödtlichen Wirkungen des Schlangen-
bisses vorgebeugt, so schleppt der Verwundete doch sein ganzes Leben hindurch die nachtheiligen Folgen
mit sich herum und unterliegt denselben oft nach mehreren Jahren. Die Wunde bricht meist alle
Jahre wieder auf, und das verwundete Glied bleibt ununterbrochen der schmerzhafteste Wetter-
prophet. --

"Außer den allgemein üblichen Mitteln: Ausschneiden und Aussaugen der Wunde, sowie
frischer Saft vom Zuckerrohr, dessen Genuß nach Aussage der Jndianer auch ein sicheres Mittel bei
Verwundung mit dem Giftpfeil sein soll, besitzt noch jeder Stamm seine eigenthümlichen Arzeneien,
von denen man allerdings eine große Anzahl den eingebildeten zuzählen muß. So dürfen bei einigen
Stämmen weder der Verwundete, noch seine Kinder, noch seine Eltern und Geschwister, sobald solche
mit ihm eine und dieselbe Niederlassung bewohnen, die erste Zeit nach seiner Verwundung Wasser
trinken oder sich baden oder nur in die Nähe des Wassers kommen; einzig seiner Frau ist Dies
gestattet. Ein dünner Kürbißbrei, der aber nur warm genossen werden darf, muß den Durst stillen,

Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen.
Stöcken erſchlagen. Jm Bauche derer, welche aufgeſchnitten wurden, fanden ſich Reſte von Vögeln
und Säugethieren.

Ueber die Bißwirkung erfahren wir durch Schomburgk das Nachſtehende. „Die Sonne“, erzählt
er, „näherte ſich ſchon dem Horizonte, und Eſſetamaipu war noch nicht zurückgekehrt, was uns nicht
eher auffiel, bis wir einen anderen Jndianer im ſchnellſten Laufe über die Anhöhe herbeieilen ſahen: —
das ſicherſte Zeichen einer wichtigen Neuigkeit oder einer Unglücksbotſchaft, da ſich der Jndianer ſonſt
nur in gemeſſenen Schritten auf ein Dorf zu bewegt. Der Jndianer hatte Eſſetamaipu, von
einer Schlange gebiſſen, beſinnungslos in der Savanne liegen gefunden. Mit allen möglichen
Hilfsmitteln verſehen, eilten wir der Stelle zu, wo der Unglückliche liegen ſollte, und fanden
ihn auch ohne Bewußtſein dort vor. Eine mit dem Meſſer auf wahrhaft ſchauderhafte Weiſe
ausgeſchnittene und mit einem Streifen des Schaamſchurzes verbundene Wunde über dem Knöchel
des rechten Fußes zeigte uns die Stelle, wo der Arme gebiſſen worden war. Das Bein war
geſchwollen, und die heftigſten Krämpfe durchzuckten den ganzen Körper des Beſinnungsloſen, den
man faſt nicht wieder erkannte, ſo ſehr hatten ſich in Folge der Krämpfe die Geſichtszüge verändert.
Als der Arme Eſſetamaipu durch die Savanne gegangen war, hatte er auf eine Klapperſchlange
getreten, in unmittelbarem Rachegefühl ſie zunächſt getödtet und dann erſt die Wunde mit einer nur
dem Jndianer eigenen Gefühlloſigkeit ausgeſchnitten und verbunden. Da die Verwundung auf der
hochgelegenen Savanne ſtattgefunden, hatte er ſich noch mühſam in die Nähe des Pfades geſchleppt,
wo er eher gefunden zu werden hoffen durfte, und war hier beſinnungslos zuſammengeſunken. Als
die Bewohner Piraras uns hatten forteilen ſehen, war uns faſt die halbe Bevölkerung gefolgt, welche
wahrſcheinlich auch die Urſache unſerer Eile erfahren hatte und nun, den Unglücklichen ſchweigſam
anſehend, um ihn herumhockte, während die Frau und die Kinder deſſelben in ein herzbrechendes
Jammern ausbrachen. Dem geronnenen Blute nach zu urtheilen, mußte die Verwundung ſchon vor
mehreren Stunden ſtattgefunden haben; ein Ausſaugen und Ausbrennen war daher nicht mehr
anwendbar, weshalb wir die Wunde blos mit Ammoniak auswuſchen und ſolchen, mit Waſſer
verdünnt, dem immer noch Beſinnungsloſen einflößten. Dieſes Mittel ſchien ſeine Wirkung nicht zu
verfehlen. Die Beſinnung kehrte zurück, und der Kranke, welcher über Schmerzen in der Bruſt-
und Achſelgegend, ſowie über Ziehen in den Gliedern und Rückenweh klagte, wurde in ſeiner Hänge-
matte nach Pirara getragen.

„Das Bein blieb mehrere Tage bis zum Hüftgelenk hinauf zu einer unförmlichen Maſſe
angeſchwollen und völlig unbeweglich; dabei fühlte der Leidende bei der leiſeſten Erſchütterung die
unerträglichſten Schmerzen. Nach drei Wochen hatte ein warmer erweichender Umſchlag von Caſſada-
brot nicht nur die Geſchwulſt, ſondern auch den leichenartigen Ausdruck des Geſichts und die Schmerzen
vertrieben; nach Verlauf von fünf Wochen ſchloß ſich auch die Wunde, und der Kranke konnte den
Fuß wieder gebrauchen.

„Wird durch die ſchleunig angewandten Mittel auch den tödtlichen Wirkungen des Schlangen-
biſſes vorgebeugt, ſo ſchleppt der Verwundete doch ſein ganzes Leben hindurch die nachtheiligen Folgen
mit ſich herum und unterliegt denſelben oft nach mehreren Jahren. Die Wunde bricht meiſt alle
Jahre wieder auf, und das verwundete Glied bleibt ununterbrochen der ſchmerzhafteſte Wetter-
prophet. —

„Außer den allgemein üblichen Mitteln: Ausſchneiden und Ausſaugen der Wunde, ſowie
friſcher Saft vom Zuckerrohr, deſſen Genuß nach Ausſage der Jndianer auch ein ſicheres Mittel bei
Verwundung mit dem Giftpfeil ſein ſoll, beſitzt noch jeder Stamm ſeine eigenthümlichen Arzeneien,
von denen man allerdings eine große Anzahl den eingebildeten zuzählen muß. So dürfen bei einigen
Stämmen weder der Verwundete, noch ſeine Kinder, noch ſeine Eltern und Geſchwiſter, ſobald ſolche
mit ihm eine und dieſelbe Niederlaſſung bewohnen, die erſte Zeit nach ſeiner Verwundung Waſſer
trinken oder ſich baden oder nur in die Nähe des Waſſers kommen; einzig ſeiner Frau iſt Dies
geſtattet. Ein dünner Kürbißbrei, der aber nur warm genoſſen werden darf, muß den Durſt ſtillen,

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[332/0358] Die Schlangen. Grubenottern. Klapperſchlangen. Stöcken erſchlagen. Jm Bauche derer, welche aufgeſchnitten wurden, fanden ſich Reſte von Vögeln und Säugethieren. Ueber die Bißwirkung erfahren wir durch Schomburgk das Nachſtehende. „Die Sonne“, erzählt er, „näherte ſich ſchon dem Horizonte, und Eſſetamaipu war noch nicht zurückgekehrt, was uns nicht eher auffiel, bis wir einen anderen Jndianer im ſchnellſten Laufe über die Anhöhe herbeieilen ſahen: — das ſicherſte Zeichen einer wichtigen Neuigkeit oder einer Unglücksbotſchaft, da ſich der Jndianer ſonſt nur in gemeſſenen Schritten auf ein Dorf zu bewegt. Der Jndianer hatte Eſſetamaipu, von einer Schlange gebiſſen, beſinnungslos in der Savanne liegen gefunden. Mit allen möglichen Hilfsmitteln verſehen, eilten wir der Stelle zu, wo der Unglückliche liegen ſollte, und fanden ihn auch ohne Bewußtſein dort vor. Eine mit dem Meſſer auf wahrhaft ſchauderhafte Weiſe ausgeſchnittene und mit einem Streifen des Schaamſchurzes verbundene Wunde über dem Knöchel des rechten Fußes zeigte uns die Stelle, wo der Arme gebiſſen worden war. Das Bein war geſchwollen, und die heftigſten Krämpfe durchzuckten den ganzen Körper des Beſinnungsloſen, den man faſt nicht wieder erkannte, ſo ſehr hatten ſich in Folge der Krämpfe die Geſichtszüge verändert. Als der Arme Eſſetamaipu durch die Savanne gegangen war, hatte er auf eine Klapperſchlange getreten, in unmittelbarem Rachegefühl ſie zunächſt getödtet und dann erſt die Wunde mit einer nur dem Jndianer eigenen Gefühlloſigkeit ausgeſchnitten und verbunden. Da die Verwundung auf der hochgelegenen Savanne ſtattgefunden, hatte er ſich noch mühſam in die Nähe des Pfades geſchleppt, wo er eher gefunden zu werden hoffen durfte, und war hier beſinnungslos zuſammengeſunken. Als die Bewohner Piraras uns hatten forteilen ſehen, war uns faſt die halbe Bevölkerung gefolgt, welche wahrſcheinlich auch die Urſache unſerer Eile erfahren hatte und nun, den Unglücklichen ſchweigſam anſehend, um ihn herumhockte, während die Frau und die Kinder deſſelben in ein herzbrechendes Jammern ausbrachen. Dem geronnenen Blute nach zu urtheilen, mußte die Verwundung ſchon vor mehreren Stunden ſtattgefunden haben; ein Ausſaugen und Ausbrennen war daher nicht mehr anwendbar, weshalb wir die Wunde blos mit Ammoniak auswuſchen und ſolchen, mit Waſſer verdünnt, dem immer noch Beſinnungsloſen einflößten. Dieſes Mittel ſchien ſeine Wirkung nicht zu verfehlen. Die Beſinnung kehrte zurück, und der Kranke, welcher über Schmerzen in der Bruſt- und Achſelgegend, ſowie über Ziehen in den Gliedern und Rückenweh klagte, wurde in ſeiner Hänge- matte nach Pirara getragen. „Das Bein blieb mehrere Tage bis zum Hüftgelenk hinauf zu einer unförmlichen Maſſe angeſchwollen und völlig unbeweglich; dabei fühlte der Leidende bei der leiſeſten Erſchütterung die unerträglichſten Schmerzen. Nach drei Wochen hatte ein warmer erweichender Umſchlag von Caſſada- brot nicht nur die Geſchwulſt, ſondern auch den leichenartigen Ausdruck des Geſichts und die Schmerzen vertrieben; nach Verlauf von fünf Wochen ſchloß ſich auch die Wunde, und der Kranke konnte den Fuß wieder gebrauchen. „Wird durch die ſchleunig angewandten Mittel auch den tödtlichen Wirkungen des Schlangen- biſſes vorgebeugt, ſo ſchleppt der Verwundete doch ſein ganzes Leben hindurch die nachtheiligen Folgen mit ſich herum und unterliegt denſelben oft nach mehreren Jahren. Die Wunde bricht meiſt alle Jahre wieder auf, und das verwundete Glied bleibt ununterbrochen der ſchmerzhafteſte Wetter- prophet. — „Außer den allgemein üblichen Mitteln: Ausſchneiden und Ausſaugen der Wunde, ſowie friſcher Saft vom Zuckerrohr, deſſen Genuß nach Ausſage der Jndianer auch ein ſicheres Mittel bei Verwundung mit dem Giftpfeil ſein ſoll, beſitzt noch jeder Stamm ſeine eigenthümlichen Arzeneien, von denen man allerdings eine große Anzahl den eingebildeten zuzählen muß. So dürfen bei einigen Stämmen weder der Verwundete, noch ſeine Kinder, noch ſeine Eltern und Geſchwiſter, ſobald ſolche mit ihm eine und dieſelbe Niederlaſſung bewohnen, die erſte Zeit nach ſeiner Verwundung Waſſer trinken oder ſich baden oder nur in die Nähe des Waſſers kommen; einzig ſeiner Frau iſt Dies geſtattet. Ein dünner Kürbißbrei, der aber nur warm genoſſen werden darf, muß den Durſt ſtillen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/358>, abgerufen am 22.12.2024.