Die Lurche. Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
kammern nicht vorhanden ist. Das aus dem Körper zurückströmende Blut tritt freilich in die rechte, das aus den Lungen kommende in die linke Vorkammer ein, aber beide Massen werden in der ein- fachen Herzkammer gemischt und aus dieser gleichmäßig Körper wie Athemwerkzeuge gespeist."
Wenige Reste vorweltlicher Lurche sind bisher von uns aufgefunden worden, sodaß wir also über die Vorgeschichte dieser Klasse kaum ein Urtheil zu fällen im Stande sind. Gegenwärtig belebt sie alle Erdtheile und verbreitet sich, mit Ausnahme des nördlichsten Theiles der Erde über alle Gürtel. Wärme und Wasser sind, und zwar in noch höherem Grade als bei anderen Klassen, die Bedingung zum Leben und Gedeihen der Lurche. Jhre Abhängigkeit vom Wasser ist so groß, daß sie ohne dasselbe nicht gedacht werden können, da sie, wie wir sahen, vielleicht mit alleiniger Aus- nahme der Schleichenlurche, ihre erste Jugend hier verleben müssen. Die zweite Lebensbedingung, welche ich nannte, die Wärme, macht es erklärlich, daß sich ihre Anzahl gegen den Gleicher hin außer- ordentlich steigert, sodaß man fast sagen kann, die Wendekreisländer seien ihre eigentliche Heimat. Jmmer aber wählen sie sich nur die süßen Wässer zu ihrem Aufenthalte oder zur Erziehungsstätte ihrer Nachkommenschaft und vermeiden gänzlich, soviel bis jetzt bekannt, das Meer oder salzige Gewässer überhaupt. Ein beträchtlicher Theil von ihnen verweilt in allen Lebenszuständen im Wasser, die Mehrzahl nachdem sie ihre Verwandlung durchgemacht, außerhalb desselben, obschon nur in feuchten Gegenden. Da wo die Wüste zur wirklichen Herrschaft gelangt ist, gibt es keine Lurche mehr, da hingegen, wo Wasser, wenn auch nur zeitweilig und alljährlich sich findet, fehlen auch sie nicht; denn ebenso gut als bei uns zu Lande den Winter, verbringen sie dort die ihm entsprechende trockene Jahreszeit, tief eingebettet im Schlamme oder doch in Höhlungen, in einem todtähnlichen Schlafe, aus welchem sie der Beginn des nächsten Frühlings weckt. Jn allen Gegenden der Gleicherländer, wo eine regelmäßig wiederkehrende Regenzeit das Jahr in bestimmte Abschnitte theilt, verschwinden sie gänzlich mit Beginn der Trockenheit und stellen sich wieder ein, nachdem der erste Regen gefallen, wie mit einem Zauberschlage ganze Strecken belebend, auf denen man Tage vorher von ihrem Vorhandensein keine Ahnung hatte. Aber in allen diesen Gegenden ist ihre Anzahl beschränkt im Vergleiche zu den wasserreichen Urwaldungen, welche jahraus, jahrein wenigstens annähernd dieselbe Feuchtigkeit halten, und ihnen selbst in den Wipfeln der Bäume noch die Möglich- keit zur Fortpflanzung gewähren. Jene ungeheueren Waldungen Südamerikas beherbergen einzelne Familien von ihnen in überraschend hoher Anzahl, ebensowohl was die Arten als die Einzelwesen anlangt, und das zwischen breiten Blättern in Baumhöhlungen und sonstwie sich sammelnde Wasser wird von ihnen benutzt, ihren Laich aufzunehmen und ihren Larven zum Aufenthalte zu dienen. Hier ist jedes Plätzchen besiedelt, die Gewässer unten am Boden, die feuchten Stellen desselben wie die Wipfel und Höhlungen der Bäume, während in den verhältnißmäßig trockenen Waldungen Afrikas und Südasiens ungleich weniger Lurche bemerkt werden. Die Sümpfe und die feuchten Urwälder Mittel- und Südamerikas gelten mit Recht als das wahre Paradies der Froschlurche und beherbergen wahrscheinlich ungleich mehr Schwanz- und Schleichenlurche, als wir bis jetzt noch ahnen, während sie in Afrika ganzen Ländertheilen fast gänzlich fehlen. Doch muß zum Vorstehenden nothwendiger- weise bemerkt werden, daß uns jedes neue Jahr neue Entdeckungen bringt, wir also noch nicht entfernt über Verbreitung und Vorkommen dieser Thiere urtheilen können.
Mehr als alle übrigen Wirbelthiere sind die Lurche an eine und dieselbe Oertlichkeit gebunden. Jhr Wohnkreis beschränkt sich oft auf den Raum weniger Geviertruthen: ein mittelgroßer Teich, ja, eine Pfütze, in welcher sich regelmäßig Wasser sammelt, kann das Wohngebiet von Hunderten dieser begnügsamen Geschöpfe sein, ohne daß sie es sich gelüsten lassen, auszuwandern; ein einziger Baum im Urwalde beherbergt vielleicht andere jahraus, jahrein, und zwar die Larven wie die Erwachsenen. Andere Arten treiben sich in einem größeren Wohnkreise umher, scheinen aber ebenfalls an einem
Die Lurche. Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
kammern nicht vorhanden iſt. Das aus dem Körper zurückſtrömende Blut tritt freilich in die rechte, das aus den Lungen kommende in die linke Vorkammer ein, aber beide Maſſen werden in der ein- fachen Herzkammer gemiſcht und aus dieſer gleichmäßig Körper wie Athemwerkzeuge geſpeiſt.“
Wenige Reſte vorweltlicher Lurche ſind bisher von uns aufgefunden worden, ſodaß wir alſo über die Vorgeſchichte dieſer Klaſſe kaum ein Urtheil zu fällen im Stande ſind. Gegenwärtig belebt ſie alle Erdtheile und verbreitet ſich, mit Ausnahme des nördlichſten Theiles der Erde über alle Gürtel. Wärme und Waſſer ſind, und zwar in noch höherem Grade als bei anderen Klaſſen, die Bedingung zum Leben und Gedeihen der Lurche. Jhre Abhängigkeit vom Waſſer iſt ſo groß, daß ſie ohne daſſelbe nicht gedacht werden können, da ſie, wie wir ſahen, vielleicht mit alleiniger Aus- nahme der Schleichenlurche, ihre erſte Jugend hier verleben müſſen. Die zweite Lebensbedingung, welche ich nannte, die Wärme, macht es erklärlich, daß ſich ihre Anzahl gegen den Gleicher hin außer- ordentlich ſteigert, ſodaß man faſt ſagen kann, die Wendekreisländer ſeien ihre eigentliche Heimat. Jmmer aber wählen ſie ſich nur die ſüßen Wäſſer zu ihrem Aufenthalte oder zur Erziehungsſtätte ihrer Nachkommenſchaft und vermeiden gänzlich, ſoviel bis jetzt bekannt, das Meer oder ſalzige Gewäſſer überhaupt. Ein beträchtlicher Theil von ihnen verweilt in allen Lebenszuſtänden im Waſſer, die Mehrzahl nachdem ſie ihre Verwandlung durchgemacht, außerhalb deſſelben, obſchon nur in feuchten Gegenden. Da wo die Wüſte zur wirklichen Herrſchaft gelangt iſt, gibt es keine Lurche mehr, da hingegen, wo Waſſer, wenn auch nur zeitweilig und alljährlich ſich findet, fehlen auch ſie nicht; denn ebenſo gut als bei uns zu Lande den Winter, verbringen ſie dort die ihm entſprechende trockene Jahreszeit, tief eingebettet im Schlamme oder doch in Höhlungen, in einem todtähnlichen Schlafe, aus welchem ſie der Beginn des nächſten Frühlings weckt. Jn allen Gegenden der Gleicherländer, wo eine regelmäßig wiederkehrende Regenzeit das Jahr in beſtimmte Abſchnitte theilt, verſchwinden ſie gänzlich mit Beginn der Trockenheit und ſtellen ſich wieder ein, nachdem der erſte Regen gefallen, wie mit einem Zauberſchlage ganze Strecken belebend, auf denen man Tage vorher von ihrem Vorhandenſein keine Ahnung hatte. Aber in allen dieſen Gegenden iſt ihre Anzahl beſchränkt im Vergleiche zu den waſſerreichen Urwaldungen, welche jahraus, jahrein wenigſtens annähernd dieſelbe Feuchtigkeit halten, und ihnen ſelbſt in den Wipfeln der Bäume noch die Möglich- keit zur Fortpflanzung gewähren. Jene ungeheueren Waldungen Südamerikas beherbergen einzelne Familien von ihnen in überraſchend hoher Anzahl, ebenſowohl was die Arten als die Einzelweſen anlangt, und das zwiſchen breiten Blättern in Baumhöhlungen und ſonſtwie ſich ſammelnde Waſſer wird von ihnen benutzt, ihren Laich aufzunehmen und ihren Larven zum Aufenthalte zu dienen. Hier iſt jedes Plätzchen beſiedelt, die Gewäſſer unten am Boden, die feuchten Stellen deſſelben wie die Wipfel und Höhlungen der Bäume, während in den verhältnißmäßig trockenen Waldungen Afrikas und Südaſiens ungleich weniger Lurche bemerkt werden. Die Sümpfe und die feuchten Urwälder Mittel- und Südamerikas gelten mit Recht als das wahre Paradies der Froſchlurche und beherbergen wahrſcheinlich ungleich mehr Schwanz- und Schleichenlurche, als wir bis jetzt noch ahnen, während ſie in Afrika ganzen Ländertheilen faſt gänzlich fehlen. Doch muß zum Vorſtehenden nothwendiger- weiſe bemerkt werden, daß uns jedes neue Jahr neue Entdeckungen bringt, wir alſo noch nicht entfernt über Verbreitung und Vorkommen dieſer Thiere urtheilen können.
Mehr als alle übrigen Wirbelthiere ſind die Lurche an eine und dieſelbe Oertlichkeit gebunden. Jhr Wohnkreis beſchränkt ſich oft auf den Raum weniger Geviertruthen: ein mittelgroßer Teich, ja, eine Pfütze, in welcher ſich regelmäßig Waſſer ſammelt, kann das Wohngebiet von Hunderten dieſer begnügſamen Geſchöpfe ſein, ohne daß ſie es ſich gelüſten laſſen, auszuwandern; ein einziger Baum im Urwalde beherbergt vielleicht andere jahraus, jahrein, und zwar die Larven wie die Erwachſenen. Andere Arten treiben ſich in einem größeren Wohnkreiſe umher, ſcheinen aber ebenfalls an einem
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Die Lurche. Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
kammern nicht vorhanden iſt. Das aus dem Körper zurückſtrömende Blut tritt freilich in die rechte,
das aus den Lungen kommende in die linke Vorkammer ein, aber beide Maſſen werden in der ein-
fachen Herzkammer gemiſcht und aus dieſer gleichmäßig Körper wie Athemwerkzeuge geſpeiſt.“
Wenige Reſte vorweltlicher Lurche ſind bisher von uns aufgefunden worden, ſodaß wir alſo
über die Vorgeſchichte dieſer Klaſſe kaum ein Urtheil zu fällen im Stande ſind. Gegenwärtig belebt
ſie alle Erdtheile und verbreitet ſich, mit Ausnahme des nördlichſten Theiles der Erde über alle
Gürtel. Wärme und Waſſer ſind, und zwar in noch höherem Grade als bei anderen Klaſſen, die
Bedingung zum Leben und Gedeihen der Lurche. Jhre Abhängigkeit vom Waſſer iſt ſo groß, daß
ſie ohne daſſelbe nicht gedacht werden können, da ſie, wie wir ſahen, vielleicht mit alleiniger Aus-
nahme der Schleichenlurche, ihre erſte Jugend hier verleben müſſen. Die zweite Lebensbedingung,
welche ich nannte, die Wärme, macht es erklärlich, daß ſich ihre Anzahl gegen den Gleicher hin außer-
ordentlich ſteigert, ſodaß man faſt ſagen kann, die Wendekreisländer ſeien ihre eigentliche Heimat.
Jmmer aber wählen ſie ſich nur die ſüßen Wäſſer zu ihrem Aufenthalte oder zur Erziehungsſtätte
ihrer Nachkommenſchaft und vermeiden gänzlich, ſoviel bis jetzt bekannt, das Meer oder ſalzige
Gewäſſer überhaupt. Ein beträchtlicher Theil von ihnen verweilt in allen Lebenszuſtänden im
Waſſer, die Mehrzahl nachdem ſie ihre Verwandlung durchgemacht, außerhalb deſſelben, obſchon
nur in feuchten Gegenden. Da wo die Wüſte zur wirklichen Herrſchaft gelangt iſt, gibt es keine
Lurche mehr, da hingegen, wo Waſſer, wenn auch nur zeitweilig und alljährlich ſich findet, fehlen auch
ſie nicht; denn ebenſo gut als bei uns zu Lande den Winter, verbringen ſie dort die ihm entſprechende
trockene Jahreszeit, tief eingebettet im Schlamme oder doch in Höhlungen, in einem todtähnlichen
Schlafe, aus welchem ſie der Beginn des nächſten Frühlings weckt. Jn allen Gegenden der
Gleicherländer, wo eine regelmäßig wiederkehrende Regenzeit das Jahr in beſtimmte Abſchnitte theilt,
verſchwinden ſie gänzlich mit Beginn der Trockenheit und ſtellen ſich wieder ein, nachdem der erſte
Regen gefallen, wie mit einem Zauberſchlage ganze Strecken belebend, auf denen man Tage vorher
von ihrem Vorhandenſein keine Ahnung hatte. Aber in allen dieſen Gegenden iſt ihre Anzahl
beſchränkt im Vergleiche zu den waſſerreichen Urwaldungen, welche jahraus, jahrein wenigſtens
annähernd dieſelbe Feuchtigkeit halten, und ihnen ſelbſt in den Wipfeln der Bäume noch die Möglich-
keit zur Fortpflanzung gewähren. Jene ungeheueren Waldungen Südamerikas beherbergen einzelne
Familien von ihnen in überraſchend hoher Anzahl, ebenſowohl was die Arten als die Einzelweſen
anlangt, und das zwiſchen breiten Blättern in Baumhöhlungen und ſonſtwie ſich ſammelnde Waſſer
wird von ihnen benutzt, ihren Laich aufzunehmen und ihren Larven zum Aufenthalte zu dienen. Hier
iſt jedes Plätzchen beſiedelt, die Gewäſſer unten am Boden, die feuchten Stellen deſſelben wie die
Wipfel und Höhlungen der Bäume, während in den verhältnißmäßig trockenen Waldungen Afrikas
und Südaſiens ungleich weniger Lurche bemerkt werden. Die Sümpfe und die feuchten Urwälder
Mittel- und Südamerikas gelten mit Recht als das wahre Paradies der Froſchlurche und beherbergen
wahrſcheinlich ungleich mehr Schwanz- und Schleichenlurche, als wir bis jetzt noch ahnen, während
ſie in Afrika ganzen Ländertheilen faſt gänzlich fehlen. Doch muß zum Vorſtehenden nothwendiger-
weiſe bemerkt werden, daß uns jedes neue Jahr neue Entdeckungen bringt, wir alſo noch nicht
entfernt über Verbreitung und Vorkommen dieſer Thiere urtheilen können.
Mehr als alle übrigen Wirbelthiere ſind die Lurche an eine und dieſelbe Oertlichkeit gebunden.
Jhr Wohnkreis beſchränkt ſich oft auf den Raum weniger Geviertruthen: ein mittelgroßer Teich, ja,
eine Pfütze, in welcher ſich regelmäßig Waſſer ſammelt, kann das Wohngebiet von Hunderten dieſer
begnügſamen Geſchöpfe ſein, ohne daß ſie es ſich gelüſten laſſen, auszuwandern; ein einziger Baum
im Urwalde beherbergt vielleicht andere jahraus, jahrein, und zwar die Larven wie die Erwachſenen.
Andere Arten treiben ſich in einem größeren Wohnkreiſe umher, ſcheinen aber ebenfalls an einem
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/386>, abgerufen am 22.12.2024.
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