Mit Ausnahme Nordeuropas und, nach der Behauptung Dumeril's, auch Großbritanniens, kommt der Laubfrosch in ganz Europa vor, in ebenen Gegenden meist in bedeutender Anzahl, obgleich man davon freilich verhältnißmäßig wenig wahrnimmt. Denn nur während der Paarungs- zeit gesellt er sich im Wasser zu ansehnlichen Scharen; bald nach ihr besteigt er das Gelaube von Gebüschen, Sträuchern und Bäumen und treibt hier, meist ungesehen, sein Wesen. Er ist einer der niedlichsten Lurche, welche wir kennen, gewandter als alle übrigen, welche bei uns vorkommen, gleich befähigt, im Wasser oder auf ebenem Boden wie im Blattgelaube der Bäume sich zu bewegen. Jm Schwimmen gibt er dem Wasserfrosche wenig nach, im Springen -- denn vom Laufen kann man bei ihm kaum reden -- übertrifft er ihn bei Weitem, im Klettern ist er Meister. Jedermann weiß, daß die letztere Bewegung in eigenthümlicher Weise geschieht, keineswegs schreitend nämlich, sondern ebenfalls springend. Wer jemals einen Laubfrosch in dem bekannten, weitmündigen Glase gehalten
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Der Laubfrosch (Hyla arborea).
hat, wird bemerkt haben, daß derselbe jede Ortsveränderung außerhalb des Wassers springend bewerkstelligt, und daß er, wenn er gegen senkrechte Flächen springt, und wären es die glättesten, augenblicklich festklebt. Bei dem in einem Glase gehaltenen Laubfrosche kann man auch deutlich wahrnehmen, in welcher Weise Dies ausgeführt wird. Von einem zähen Schleime, welcher das Thier anleimt, bemerkt man Nichts, vielmehr nur auf der unteren Seite des Polsters eine hellgefärbte Fläche, wie eine Blase, über welcher der obere, scharfe Rand der Fußkolben hervortritt. Drückt nun das Thier den Ballen an, so legt sich die blasige Fläche dicht an den Gegenstand, an welchem sie haften soll; die äußere Luft preßt den Rand auf und hält, da alle Zehenkolben gleichzeitig wirken, das Thier fest. Nöthigenfalls gebraucht letzteres auch noch die Kehlhaut zur Unterstützung, indem es auch diese gegen die betreffende Fläche drückt, und so wird es ihm nie schwer, sich in seiner Lage zu erhalten. Ein deutlicher Beweis, daß nur der Luftdruck wirkt, eine kleberige Feuchtigkeit aber gar nicht ins Spiel kommt, gibt die Luftpumpe. Bringt man nämlich einen Laubfrosch unter die Glocke und verdünnt die in ihr enthaltene Luft, so wird es ihm unmöglich, sich festzuhalten; der Luftdruck ist dann im Verhältniß zu seiner Schwere zu gering und gewährt ihm nicht mehr die nöthige Unter-
Froſchlurche. Baumfröſche. Laubfröſche.
Mit Ausnahme Nordeuropas und, nach der Behauptung Dumeril’s, auch Großbritanniens, kommt der Laubfroſch in ganz Europa vor, in ebenen Gegenden meiſt in bedeutender Anzahl, obgleich man davon freilich verhältnißmäßig wenig wahrnimmt. Denn nur während der Paarungs- zeit geſellt er ſich im Waſſer zu anſehnlichen Scharen; bald nach ihr beſteigt er das Gelaube von Gebüſchen, Sträuchern und Bäumen und treibt hier, meiſt ungeſehen, ſein Weſen. Er iſt einer der niedlichſten Lurche, welche wir kennen, gewandter als alle übrigen, welche bei uns vorkommen, gleich befähigt, im Waſſer oder auf ebenem Boden wie im Blattgelaube der Bäume ſich zu bewegen. Jm Schwimmen gibt er dem Waſſerfroſche wenig nach, im Springen — denn vom Laufen kann man bei ihm kaum reden — übertrifft er ihn bei Weitem, im Klettern iſt er Meiſter. Jedermann weiß, daß die letztere Bewegung in eigenthümlicher Weiſe geſchieht, keineswegs ſchreitend nämlich, ſondern ebenfalls ſpringend. Wer jemals einen Laubfroſch in dem bekannten, weitmündigen Glaſe gehalten
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Der Laubfroſch (Hyla arborea).
hat, wird bemerkt haben, daß derſelbe jede Ortsveränderung außerhalb des Waſſers ſpringend bewerkſtelligt, und daß er, wenn er gegen ſenkrechte Flächen ſpringt, und wären es die glätteſten, augenblicklich feſtklebt. Bei dem in einem Glaſe gehaltenen Laubfroſche kann man auch deutlich wahrnehmen, in welcher Weiſe Dies ausgeführt wird. Von einem zähen Schleime, welcher das Thier anleimt, bemerkt man Nichts, vielmehr nur auf der unteren Seite des Polſters eine hellgefärbte Fläche, wie eine Blaſe, über welcher der obere, ſcharfe Rand der Fußkolben hervortritt. Drückt nun das Thier den Ballen an, ſo legt ſich die blaſige Fläche dicht an den Gegenſtand, an welchem ſie haften ſoll; die äußere Luft preßt den Rand auf und hält, da alle Zehenkolben gleichzeitig wirken, das Thier feſt. Nöthigenfalls gebraucht letzteres auch noch die Kehlhaut zur Unterſtützung, indem es auch dieſe gegen die betreffende Fläche drückt, und ſo wird es ihm nie ſchwer, ſich in ſeiner Lage zu erhalten. Ein deutlicher Beweis, daß nur der Luftdruck wirkt, eine kleberige Feuchtigkeit aber gar nicht ins Spiel kommt, gibt die Luftpumpe. Bringt man nämlich einen Laubfroſch unter die Glocke und verdünnt die in ihr enthaltene Luft, ſo wird es ihm unmöglich, ſich feſtzuhalten; der Luftdruck iſt dann im Verhältniß zu ſeiner Schwere zu gering und gewährt ihm nicht mehr die nöthige Unter-
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Froſchlurche. Baumfröſche. Laubfröſche.
Mit Ausnahme Nordeuropas und, nach der Behauptung Dumeril’s, auch Großbritanniens,
kommt der Laubfroſch in ganz Europa vor, in ebenen Gegenden meiſt in bedeutender Anzahl,
obgleich man davon freilich verhältnißmäßig wenig wahrnimmt. Denn nur während der Paarungs-
zeit geſellt er ſich im Waſſer zu anſehnlichen Scharen; bald nach ihr beſteigt er das Gelaube von
Gebüſchen, Sträuchern und Bäumen und treibt hier, meiſt ungeſehen, ſein Weſen. Er iſt einer der
niedlichſten Lurche, welche wir kennen, gewandter als alle übrigen, welche bei uns vorkommen, gleich
befähigt, im Waſſer oder auf ebenem Boden wie im Blattgelaube der Bäume ſich zu bewegen. Jm
Schwimmen gibt er dem Waſſerfroſche wenig nach, im Springen — denn vom Laufen kann man bei
ihm kaum reden — übertrifft er ihn bei Weitem, im Klettern iſt er Meiſter. Jedermann weiß, daß
die letztere Bewegung in eigenthümlicher Weiſe geſchieht, keineswegs ſchreitend nämlich, ſondern
ebenfalls ſpringend. Wer jemals einen Laubfroſch in dem bekannten, weitmündigen Glaſe gehalten
[Abbildung Der Laubfroſch (Hyla arborea).]
hat, wird bemerkt haben, daß derſelbe jede Ortsveränderung außerhalb des Waſſers ſpringend
bewerkſtelligt, und daß er, wenn er gegen ſenkrechte Flächen ſpringt, und wären es die glätteſten,
augenblicklich feſtklebt. Bei dem in einem Glaſe gehaltenen Laubfroſche kann man auch deutlich
wahrnehmen, in welcher Weiſe Dies ausgeführt wird. Von einem zähen Schleime, welcher das Thier
anleimt, bemerkt man Nichts, vielmehr nur auf der unteren Seite des Polſters eine hellgefärbte
Fläche, wie eine Blaſe, über welcher der obere, ſcharfe Rand der Fußkolben hervortritt. Drückt nun
das Thier den Ballen an, ſo legt ſich die blaſige Fläche dicht an den Gegenſtand, an welchem ſie
haften ſoll; die äußere Luft preßt den Rand auf und hält, da alle Zehenkolben gleichzeitig wirken,
das Thier feſt. Nöthigenfalls gebraucht letzteres auch noch die Kehlhaut zur Unterſtützung, indem es
auch dieſe gegen die betreffende Fläche drückt, und ſo wird es ihm nie ſchwer, ſich in ſeiner Lage zu
erhalten. Ein deutlicher Beweis, daß nur der Luftdruck wirkt, eine kleberige Feuchtigkeit aber gar
nicht ins Spiel kommt, gibt die Luftpumpe. Bringt man nämlich einen Laubfroſch unter die Glocke
und verdünnt die in ihr enthaltene Luft, ſo wird es ihm unmöglich, ſich feſtzuhalten; der Luftdruck
iſt dann im Verhältniß zu ſeiner Schwere zu gering und gewährt ihm nicht mehr die nöthige Unter-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/394>, abgerufen am 22.12.2024.
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