stützung. Ein aus dem Wasser anspringender Laubfrosch glitscht anfänglich allerdings auch von einer glatten Fläche ab, sicherlich aber nur, weil das an den Zehenballen hastende Wasser ihm verwehrt, zwischen diesen und der Anhaftungsfläche einen luftleeren Raum herzustellen. Jn dieser Weise also besteigt unser Frosch die Bäume, von Blatt zu Blatt emporspringend, auf niederem Gebüsche beginnend, von diesem aus zu höheren Sträuchern aufklimmend und endlich bis zur Krone sich erhebend.
Hier, in der luftigen Höhe verlebt er behaglich den Sommer, bei schönem Wetter auf der Ober- seite, bei Regen auf der Unterseite des Blattes sitzend, falls solche Witterung nicht gar zu lange anhält und ihm so unangenehm wird, daß er sich vor dem Regen ins -- Wasser flüchtet. Wie trefflich seine Färbung mit dem Blattgrün im Einklange steht, erfährt Derjenige, welcher ihn auf einem niederen Busche schreien hört und sich längere Zeit vergeblich bemüht, ihn wahrzunehmen. So wenig Verstand der Laubfrosch auch hat: jener Gleichfärbigkeit ist er sich wohl bewußt und sucht sie bestmöglichst auszubeuten. Er weiß, daß Springen ihn verräth: deshalb zieht er es vor, bei Ankunft eines Feindes oder größeren, ihm gefährlich dünkenden Wesens überhaupt sich fest auf das Blatt zu drücken und, die leuchtenden Aeuglein auf den Gegner gerichtet, bewegungslos zu verharren, bis die Gefahr vorüber. Erst im äußersten Nothfalle entschließt er sich zu einem Sprunge; derselbe geschieht auch so plötzlich und wird mit soviel Geschick ausgeführt, daß er ihn meistens rettet.
Die Nahrung des Laubfrosches besteht in mancherlei Kerbthieren, namentlich in Fliegen, Käfern, Schmetterlingen und glatten Raupen. Alle Beute, welche er verzehrt, muß lebendig sein und sich regen; todte oder auch nur regungslose Thiere rührt er gar nicht an. Sein scharfes Gesicht und, wie es scheint, ebenfalls recht wohl entwickeltes Gehör geben ihm Kunde von der heransummenden Mücke oder Fliege; er beobachtet sie scharf und springt nun plötzlich mit gewaltigem Satze nach ihr, weitaus in den meisten Fällen mit Erfolg und immer so, daß er ein anderes Blatt beim Nieder- springen erreicht. Während des Sommers beansprucht er ziemlich viel Nahrung, liegt deshalb auch während des ganzen Tages auf der Lauer, obgleich auch seine Zeit erst nach Sonnenunter- gang beginnt.
Man hält den Laubfrosch allgemein für einen guten Wetterprofeten und glaubt, daß er Ver- änderung der Witterung durch Schreien anzeige. Diese Ansicht ist wenigstens nicht unbedingt richtig. Besonders eifrig läßt der Laubfrosch seine laute Stimme während der Paarungszeit ertönen, schweigt aber auch während des Sommers nicht und schreit mit aufgeblasener Kehle sein fast wie Schellen- geläute klingendes, an den sogenannten Gesang der Cicaden erinnerndes "Kräh kräh, kräh" die halbe Nacht hindurch fast ohne Unterbrechung in die Welt, aber bei trockener und beständiger Witterung ebensowohl als kurz vor dem Regen; nur vor kommendem Gewitter schreit er mehr als sonst; während des Regens selbst oder bei nassem Wetter verstummt er gänzlich.
Gegen den Herbst hin verläßt er die Baumkronen, kommt zum Boden herab, hüpft dem nächsten Wasser zu und verkriecht sich wie seine Ordnungsverwandten im Schlamme. Aber früher als alle anderen Froschlurche ist er bereits wieder da und denkt nun zunächst an die Fortpflanzung. Hierzu wählt er wo möglich solche Teiche, deren Ufer von Gebüschen und Bäumen umsäumt werden, wahr- scheinlich deshalb, weil es ihm schwer wird, vom Wasser aus, seiner Liebesbegeisterung schreiend Ausdruck zu geben. Gewöhnlich verlassen die Männchen Ende Aprils ihre Winterherberge, in guten Jahren früher, in kalten etwas später, immer aber eher als die Weibchen, welche sich erst sechs oder acht Tage nach ihnen zeigen. Unmittelbar nach ihrem Erscheinen geht die Paarung vor sich. Das Männchen umfaßt das Weibchen unter den Achseln und schwimmt nun mit ihm zwei bis drei Tage im Wasser umher, bis die Eier abgehen und von ihm befruchtet werden können. Das Eier- legen selbst währt gewöhnlich kurze Zeit, zwei Stunden etwa, zuweilen auch viel länger, sogar bis achtundvierzig Stunden; dann aber bekommt es das Männchen satt, verläßt das Weibchen und die nunmehr gelegten Eier bleiben unbefruchtet. Etwa zwölf Stunden nachdem letztere den Leib der Mutter verlassen haben, ist der sie umhüllende Schleim so voll Wasser gesogen und aufgebläht, daß er sichtbar wird. Man bemerkt dann in ihm das eigentliche Ei, welches etwa die Größe eines Senf-
Brehm, Thierleben. V. 24
Laubfroſch.
ſtützung. Ein aus dem Waſſer anſpringender Laubfroſch glitſcht anfänglich allerdings auch von einer glatten Fläche ab, ſicherlich aber nur, weil das an den Zehenballen haſtende Waſſer ihm verwehrt, zwiſchen dieſen und der Anhaftungsfläche einen luftleeren Raum herzuſtellen. Jn dieſer Weiſe alſo beſteigt unſer Froſch die Bäume, von Blatt zu Blatt emporſpringend, auf niederem Gebüſche beginnend, von dieſem aus zu höheren Sträuchern aufklimmend und endlich bis zur Krone ſich erhebend.
Hier, in der luftigen Höhe verlebt er behaglich den Sommer, bei ſchönem Wetter auf der Ober- ſeite, bei Regen auf der Unterſeite des Blattes ſitzend, falls ſolche Witterung nicht gar zu lange anhält und ihm ſo unangenehm wird, daß er ſich vor dem Regen ins — Waſſer flüchtet. Wie trefflich ſeine Färbung mit dem Blattgrün im Einklange ſteht, erfährt Derjenige, welcher ihn auf einem niederen Buſche ſchreien hört und ſich längere Zeit vergeblich bemüht, ihn wahrzunehmen. So wenig Verſtand der Laubfroſch auch hat: jener Gleichfärbigkeit iſt er ſich wohl bewußt und ſucht ſie beſtmöglichſt auszubeuten. Er weiß, daß Springen ihn verräth: deshalb zieht er es vor, bei Ankunft eines Feindes oder größeren, ihm gefährlich dünkenden Weſens überhaupt ſich feſt auf das Blatt zu drücken und, die leuchtenden Aeuglein auf den Gegner gerichtet, bewegungslos zu verharren, bis die Gefahr vorüber. Erſt im äußerſten Nothfalle entſchließt er ſich zu einem Sprunge; derſelbe geſchieht auch ſo plötzlich und wird mit ſoviel Geſchick ausgeführt, daß er ihn meiſtens rettet.
Die Nahrung des Laubfroſches beſteht in mancherlei Kerbthieren, namentlich in Fliegen, Käfern, Schmetterlingen und glatten Raupen. Alle Beute, welche er verzehrt, muß lebendig ſein und ſich regen; todte oder auch nur regungsloſe Thiere rührt er gar nicht an. Sein ſcharfes Geſicht und, wie es ſcheint, ebenfalls recht wohl entwickeltes Gehör geben ihm Kunde von der heranſummenden Mücke oder Fliege; er beobachtet ſie ſcharf und ſpringt nun plötzlich mit gewaltigem Satze nach ihr, weitaus in den meiſten Fällen mit Erfolg und immer ſo, daß er ein anderes Blatt beim Nieder- ſpringen erreicht. Während des Sommers beanſprucht er ziemlich viel Nahrung, liegt deshalb auch während des ganzen Tages auf der Lauer, obgleich auch ſeine Zeit erſt nach Sonnenunter- gang beginnt.
Man hält den Laubfroſch allgemein für einen guten Wetterprofeten und glaubt, daß er Ver- änderung der Witterung durch Schreien anzeige. Dieſe Anſicht iſt wenigſtens nicht unbedingt richtig. Beſonders eifrig läßt der Laubfroſch ſeine laute Stimme während der Paarungszeit ertönen, ſchweigt aber auch während des Sommers nicht und ſchreit mit aufgeblaſener Kehle ſein faſt wie Schellen- geläute klingendes, an den ſogenannten Geſang der Cicaden erinnerndes „Kräh kräh, kräh“ die halbe Nacht hindurch faſt ohne Unterbrechung in die Welt, aber bei trockener und beſtändiger Witterung ebenſowohl als kurz vor dem Regen; nur vor kommendem Gewitter ſchreit er mehr als ſonſt; während des Regens ſelbſt oder bei naſſem Wetter verſtummt er gänzlich.
Gegen den Herbſt hin verläßt er die Baumkronen, kommt zum Boden herab, hüpft dem nächſten Waſſer zu und verkriecht ſich wie ſeine Ordnungsverwandten im Schlamme. Aber früher als alle anderen Froſchlurche iſt er bereits wieder da und denkt nun zunächſt an die Fortpflanzung. Hierzu wählt er wo möglich ſolche Teiche, deren Ufer von Gebüſchen und Bäumen umſäumt werden, wahr- ſcheinlich deshalb, weil es ihm ſchwer wird, vom Waſſer aus, ſeiner Liebesbegeiſterung ſchreiend Ausdruck zu geben. Gewöhnlich verlaſſen die Männchen Ende Aprils ihre Winterherberge, in guten Jahren früher, in kalten etwas ſpäter, immer aber eher als die Weibchen, welche ſich erſt ſechs oder acht Tage nach ihnen zeigen. Unmittelbar nach ihrem Erſcheinen geht die Paarung vor ſich. Das Männchen umfaßt das Weibchen unter den Achſeln und ſchwimmt nun mit ihm zwei bis drei Tage im Waſſer umher, bis die Eier abgehen und von ihm befruchtet werden können. Das Eier- legen ſelbſt währt gewöhnlich kurze Zeit, zwei Stunden etwa, zuweilen auch viel länger, ſogar bis achtundvierzig Stunden; dann aber bekommt es das Männchen ſatt, verläßt das Weibchen und die nunmehr gelegten Eier bleiben unbefruchtet. Etwa zwölf Stunden nachdem letztere den Leib der Mutter verlaſſen haben, iſt der ſie umhüllende Schleim ſo voll Waſſer geſogen und aufgebläht, daß er ſichtbar wird. Man bemerkt dann in ihm das eigentliche Ei, welches etwa die Größe eines Senf-
Brehm, Thierleben. V. 24
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[369/0395]
Laubfroſch.
ſtützung. Ein aus dem Waſſer anſpringender Laubfroſch glitſcht anfänglich allerdings auch von einer
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zwiſchen dieſen und der Anhaftungsfläche einen luftleeren Raum herzuſtellen. Jn dieſer Weiſe alſo
beſteigt unſer Froſch die Bäume, von Blatt zu Blatt emporſpringend, auf niederem Gebüſche
beginnend, von dieſem aus zu höheren Sträuchern aufklimmend und endlich bis zur Krone ſich erhebend.
Hier, in der luftigen Höhe verlebt er behaglich den Sommer, bei ſchönem Wetter auf der Ober-
ſeite, bei Regen auf der Unterſeite des Blattes ſitzend, falls ſolche Witterung nicht gar zu lange
anhält und ihm ſo unangenehm wird, daß er ſich vor dem Regen ins — Waſſer flüchtet. Wie
trefflich ſeine Färbung mit dem Blattgrün im Einklange ſteht, erfährt Derjenige, welcher ihn auf
einem niederen Buſche ſchreien hört und ſich längere Zeit vergeblich bemüht, ihn wahrzunehmen. So
wenig Verſtand der Laubfroſch auch hat: jener Gleichfärbigkeit iſt er ſich wohl bewußt und ſucht ſie
beſtmöglichſt auszubeuten. Er weiß, daß Springen ihn verräth: deshalb zieht er es vor, bei Ankunft
eines Feindes oder größeren, ihm gefährlich dünkenden Weſens überhaupt ſich feſt auf das Blatt zu
drücken und, die leuchtenden Aeuglein auf den Gegner gerichtet, bewegungslos zu verharren, bis die
Gefahr vorüber. Erſt im äußerſten Nothfalle entſchließt er ſich zu einem Sprunge; derſelbe geſchieht
auch ſo plötzlich und wird mit ſoviel Geſchick ausgeführt, daß er ihn meiſtens rettet.
Die Nahrung des Laubfroſches beſteht in mancherlei Kerbthieren, namentlich in Fliegen,
Käfern, Schmetterlingen und glatten Raupen. Alle Beute, welche er verzehrt, muß lebendig ſein
und ſich regen; todte oder auch nur regungsloſe Thiere rührt er gar nicht an. Sein ſcharfes Geſicht
und, wie es ſcheint, ebenfalls recht wohl entwickeltes Gehör geben ihm Kunde von der heranſummenden
Mücke oder Fliege; er beobachtet ſie ſcharf und ſpringt nun plötzlich mit gewaltigem Satze nach ihr,
weitaus in den meiſten Fällen mit Erfolg und immer ſo, daß er ein anderes Blatt beim Nieder-
ſpringen erreicht. Während des Sommers beanſprucht er ziemlich viel Nahrung, liegt deshalb
auch während des ganzen Tages auf der Lauer, obgleich auch ſeine Zeit erſt nach Sonnenunter-
gang beginnt.
Man hält den Laubfroſch allgemein für einen guten Wetterprofeten und glaubt, daß er Ver-
änderung der Witterung durch Schreien anzeige. Dieſe Anſicht iſt wenigſtens nicht unbedingt richtig.
Beſonders eifrig läßt der Laubfroſch ſeine laute Stimme während der Paarungszeit ertönen, ſchweigt
aber auch während des Sommers nicht und ſchreit mit aufgeblaſener Kehle ſein faſt wie Schellen-
geläute klingendes, an den ſogenannten Geſang der Cicaden erinnerndes „Kräh kräh, kräh“ die halbe
Nacht hindurch faſt ohne Unterbrechung in die Welt, aber bei trockener und beſtändiger Witterung
ebenſowohl als kurz vor dem Regen; nur vor kommendem Gewitter ſchreit er mehr als ſonſt;
während des Regens ſelbſt oder bei naſſem Wetter verſtummt er gänzlich.
Gegen den Herbſt hin verläßt er die Baumkronen, kommt zum Boden herab, hüpft dem nächſten
Waſſer zu und verkriecht ſich wie ſeine Ordnungsverwandten im Schlamme. Aber früher als alle
anderen Froſchlurche iſt er bereits wieder da und denkt nun zunächſt an die Fortpflanzung. Hierzu
wählt er wo möglich ſolche Teiche, deren Ufer von Gebüſchen und Bäumen umſäumt werden, wahr-
ſcheinlich deshalb, weil es ihm ſchwer wird, vom Waſſer aus, ſeiner Liebesbegeiſterung ſchreiend
Ausdruck zu geben. Gewöhnlich verlaſſen die Männchen Ende Aprils ihre Winterherberge, in
guten Jahren früher, in kalten etwas ſpäter, immer aber eher als die Weibchen, welche ſich erſt ſechs
oder acht Tage nach ihnen zeigen. Unmittelbar nach ihrem Erſcheinen geht die Paarung vor ſich.
Das Männchen umfaßt das Weibchen unter den Achſeln und ſchwimmt nun mit ihm zwei bis drei
Tage im Waſſer umher, bis die Eier abgehen und von ihm befruchtet werden können. Das Eier-
legen ſelbſt währt gewöhnlich kurze Zeit, zwei Stunden etwa, zuweilen auch viel länger, ſogar bis
achtundvierzig Stunden; dann aber bekommt es das Männchen ſatt, verläßt das Weibchen und die
nunmehr gelegten Eier bleiben unbefruchtet. Etwa zwölf Stunden nachdem letztere den Leib der
Mutter verlaſſen haben, iſt der ſie umhüllende Schleim ſo voll Waſſer geſogen und aufgebläht, daß
er ſichtbar wird. Man bemerkt dann in ihm das eigentliche Ei, welches etwa die Größe eines Senf-
Brehm, Thierleben. V. 24
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/395>, abgerufen am 22.12.2024.
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