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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Froschlurche. Glattfrösche. Wasserfrösche.
anderer Feinde nicht zu gedenken. Bei uns zu Lande begnügt sich der Mensch, ihrer übergroßen
Vermehrung dadurch zu steuern, daß er die Laichklumpen aus dem Wasser zieht und auf dem trockenen
Lande verkümmern läßt; schon in Süddeutschland und im ganzen übrigen südlichen Europa stellt er
ihnen eifrig nach, weil Froschschenkel mit Recht als ein angenehmes, nahrhaftes und gesundes Gericht
gelten, keineswegs aber, wie der alte Geßner behauptet, ein "häßliches, ungesundes Essen sind,
welches den Leib derer, so sie brauchend, bleifarb macht." Namentlich im Herbste, wenn die Thiere
am fettesten, wird ihnen eifrig nachgestellt, und zwar in sehr verschiedener Weise mit Gerten
oder Peitschen, Angeln, Bogen und Netzen. Mit der Angel kann man sie sehr leicht fangen, da man
ihnen als Köder nur ein rothes Läppchen vorzuwerfen und dieses zu bewegen braucht; sie mit dem
durch eine dünne Schnur an dem Bogen befestigten Pfeil zu erlegen, erfordert schon größere Uebung,
und die Netzfischerei ist blos im Anfange ergiebig, weil sie die Nachstellung sehr bald merken und dann
im Schlamme sich verkriechen. Jn Deutschland pflegt man blos die Hinterschenkel zu genießen; in
Jtalien dagegen verspeist man den ganzen Frosch, nachdem man ihn vorher ausgeweidet hat.

Der Thau-, Gras- oder Brachfrosch (Rana temporaria) erreicht dieselbe Größe wie sein
eben geschilderter Verwandter, unterscheidet sich von ihm aber durch Färbung und Lebensweise, sodaß
ihn wohl Niemand mit jenem verwechseln kann. Die oberen Theile sind auf braunem oder roth-
braunem Grunde mit hell- und dunkelbraunen Flecken, die Schläfe mit einem gleichfarbigen Längs-
streifen gezeichnet, die Beine dunkel quergestreift, Brust und Bauch beim Männchen graulichweiß, bei
dem etwas größeren Weibchen auf röthlichem Grunde braungelb marmorirt. Neuerdings hat
Stenstrup darauf aufmerksam gemacht, daß die Grasfrösche in zwei Arten zerfallen, welche sich
durch mehr oder weniger zugespitzte Schnauze kennzeichnen und demgemäß benannt worden sind.
Der spitzschnänzige Grasfrosch (Rana oxyrhinus) zeigt einen kegelförmig zugespitzten Kopf, dessen
Oberkiefer über den unteren sich verlängert, einen großen, knorpelharten Höcker an der Wurzel der
äußeren Zehe und Schwimmhäute, welche beim Männchen bis an das zweitäußerste Glied der längsten
Zehe reichen; die stumpfschnäuzige Art hingegen (Rana platyrhinus) hat einen breiten, gerundeten
Kopf mit stumpfer Schnauze, einen kleineren Höcker und Schwimmhäute, welche bei beiden
Geschlechtern bis an das zweite Glied der längsten Zehe reichen. Bei jenen sind die Stirnbeine
gewölbt und schmal, bei diesen flach, sogar ausgehöhlt, und sehr breit. Angeregt durch diese Angabe
des dänischen Forschers haben sich Andere mit der Beobachtung des Grasfrosches beschäftigt und
nicht blos diese Unterschiede bestätigt gefunden, sondern auch wahrgenommen, daß beide Arten eine
verschiedene Lebensweise führen. Fortgesetzte Beobachtungen und Forschungen werden entscheiden,
ob es sich wirklich um zwei verschiedene Arten oder nur um Spielarten ein und desselben
Thieres handelt.

Ganz Europa, nach Noels Befund vom Nordkap an bis zum äußersten Süden, und ein bis
jetzt noch nicht umgrenzter Theil Asiens, nach Osten hin bis Japan, sind die Heimat des Thau-
frosches, welcher auch im Gebirge bis zu 6000 Fuß und höher emporsteigt, beispielsweise noch auf
dem Grimsel, neben dem Spithal, oder im Ober-Alpensee auf dem Gotthard gesunden wird, obgleich
diese Seen oft bis zum Juli mit Eis bedeckt sind. Jn der Ebene hält er sich nur während der
Paarungszeit und in den Wintermonaten im Wasser auf; im Hochgebirge hingegen vertritt er
gewissermaßen den Teichfrosch, indem er das Wasser nach einem im ersten Jugendzustande unter-
nommenen Ausfluge kaum wieder verläßt. Seine verhältnißmäßige Unempfindlichkeit gegen die
Kälte gestattet ihm eine derartige Verbreitung. Er ist der erste von allen Froschlurchen, welcher aus dem
Winterschlafe erwacht und zum Vorscheine kommt; er paart sich, noch ehe die Gewässer frei vom Eise
geworden, und seine Eier sind bereits ausgeschlüpft, bevor ein anderer Verwandter die seinigen gelegt
hat; die Larven entwickeln sich auch viel schneller als die anderer Frösche, und so wird es ihm möglich,
noch in solchen Gegenden dauernd sich anzusiedeln, in denen der Sommer blos wenige Wochen währt,
wie beispielsweise in der Höhe jener Alpenseen. Der Wasserfrosch, welcher sich viel später begattet

Die Froſchlurche. Glattfröſche. Waſſerfröſche.
anderer Feinde nicht zu gedenken. Bei uns zu Lande begnügt ſich der Menſch, ihrer übergroßen
Vermehrung dadurch zu ſteuern, daß er die Laichklumpen aus dem Waſſer zieht und auf dem trockenen
Lande verkümmern läßt; ſchon in Süddeutſchland und im ganzen übrigen ſüdlichen Europa ſtellt er
ihnen eifrig nach, weil Froſchſchenkel mit Recht als ein angenehmes, nahrhaftes und geſundes Gericht
gelten, keineswegs aber, wie der alte Geßner behauptet, ein „häßliches, ungeſundes Eſſen ſind,
welches den Leib derer, ſo ſie brauchend, bleifarb macht.“ Namentlich im Herbſte, wenn die Thiere
am fetteſten, wird ihnen eifrig nachgeſtellt, und zwar in ſehr verſchiedener Weiſe mit Gerten
oder Peitſchen, Angeln, Bogen und Netzen. Mit der Angel kann man ſie ſehr leicht fangen, da man
ihnen als Köder nur ein rothes Läppchen vorzuwerfen und dieſes zu bewegen braucht; ſie mit dem
durch eine dünne Schnur an dem Bogen befeſtigten Pfeil zu erlegen, erfordert ſchon größere Uebung,
und die Netzfiſcherei iſt blos im Anfange ergiebig, weil ſie die Nachſtellung ſehr bald merken und dann
im Schlamme ſich verkriechen. Jn Deutſchland pflegt man blos die Hinterſchenkel zu genießen; in
Jtalien dagegen verſpeiſt man den ganzen Froſch, nachdem man ihn vorher ausgeweidet hat.

Der Thau-, Gras- oder Brachfroſch (Rana temporaria) erreicht dieſelbe Größe wie ſein
eben geſchilderter Verwandter, unterſcheidet ſich von ihm aber durch Färbung und Lebensweiſe, ſodaß
ihn wohl Niemand mit jenem verwechſeln kann. Die oberen Theile ſind auf braunem oder roth-
braunem Grunde mit hell- und dunkelbraunen Flecken, die Schläfe mit einem gleichfarbigen Längs-
ſtreifen gezeichnet, die Beine dunkel quergeſtreift, Bruſt und Bauch beim Männchen graulichweiß, bei
dem etwas größeren Weibchen auf röthlichem Grunde braungelb marmorirt. Neuerdings hat
Stenſtrup darauf aufmerkſam gemacht, daß die Grasfröſche in zwei Arten zerfallen, welche ſich
durch mehr oder weniger zugeſpitzte Schnauze kennzeichnen und demgemäß benannt worden ſind.
Der ſpitzſchnänzige Grasfroſch (Rana oxyrhinus) zeigt einen kegelförmig zugeſpitzten Kopf, deſſen
Oberkiefer über den unteren ſich verlängert, einen großen, knorpelharten Höcker an der Wurzel der
äußeren Zehe und Schwimmhäute, welche beim Männchen bis an das zweitäußerſte Glied der längſten
Zehe reichen; die ſtumpfſchnäuzige Art hingegen (Rana platyrhinus) hat einen breiten, gerundeten
Kopf mit ſtumpfer Schnauze, einen kleineren Höcker und Schwimmhäute, welche bei beiden
Geſchlechtern bis an das zweite Glied der längſten Zehe reichen. Bei jenen ſind die Stirnbeine
gewölbt und ſchmal, bei dieſen flach, ſogar ausgehöhlt, und ſehr breit. Angeregt durch dieſe Angabe
des däniſchen Forſchers haben ſich Andere mit der Beobachtung des Grasfroſches beſchäftigt und
nicht blos dieſe Unterſchiede beſtätigt gefunden, ſondern auch wahrgenommen, daß beide Arten eine
verſchiedene Lebensweiſe führen. Fortgeſetzte Beobachtungen und Forſchungen werden entſcheiden,
ob es ſich wirklich um zwei verſchiedene Arten oder nur um Spielarten ein und deſſelben
Thieres handelt.

Ganz Europa, nach Noëls Befund vom Nordkap an bis zum äußerſten Süden, und ein bis
jetzt noch nicht umgrenzter Theil Aſiens, nach Oſten hin bis Japan, ſind die Heimat des Thau-
froſches, welcher auch im Gebirge bis zu 6000 Fuß und höher emporſteigt, beiſpielsweiſe noch auf
dem Grimſel, neben dem Spithal, oder im Ober-Alpenſee auf dem Gotthard geſunden wird, obgleich
dieſe Seen oft bis zum Juli mit Eis bedeckt ſind. Jn der Ebene hält er ſich nur während der
Paarungszeit und in den Wintermonaten im Waſſer auf; im Hochgebirge hingegen vertritt er
gewiſſermaßen den Teichfroſch, indem er das Waſſer nach einem im erſten Jugendzuſtande unter-
nommenen Ausfluge kaum wieder verläßt. Seine verhältnißmäßige Unempfindlichkeit gegen die
Kälte geſtattet ihm eine derartige Verbreitung. Er iſt der erſte von allen Froſchlurchen, welcher aus dem
Winterſchlafe erwacht und zum Vorſcheine kommt; er paart ſich, noch ehe die Gewäſſer frei vom Eiſe
geworden, und ſeine Eier ſind bereits ausgeſchlüpft, bevor ein anderer Verwandter die ſeinigen gelegt
hat; die Larven entwickeln ſich auch viel ſchneller als die anderer Fröſche, und ſo wird es ihm möglich,
noch in ſolchen Gegenden dauernd ſich anzuſiedeln, in denen der Sommer blos wenige Wochen währt,
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[384/0412] Die Froſchlurche. Glattfröſche. Waſſerfröſche. anderer Feinde nicht zu gedenken. Bei uns zu Lande begnügt ſich der Menſch, ihrer übergroßen Vermehrung dadurch zu ſteuern, daß er die Laichklumpen aus dem Waſſer zieht und auf dem trockenen Lande verkümmern läßt; ſchon in Süddeutſchland und im ganzen übrigen ſüdlichen Europa ſtellt er ihnen eifrig nach, weil Froſchſchenkel mit Recht als ein angenehmes, nahrhaftes und geſundes Gericht gelten, keineswegs aber, wie der alte Geßner behauptet, ein „häßliches, ungeſundes Eſſen ſind, welches den Leib derer, ſo ſie brauchend, bleifarb macht.“ Namentlich im Herbſte, wenn die Thiere am fetteſten, wird ihnen eifrig nachgeſtellt, und zwar in ſehr verſchiedener Weiſe mit Gerten oder Peitſchen, Angeln, Bogen und Netzen. Mit der Angel kann man ſie ſehr leicht fangen, da man ihnen als Köder nur ein rothes Läppchen vorzuwerfen und dieſes zu bewegen braucht; ſie mit dem durch eine dünne Schnur an dem Bogen befeſtigten Pfeil zu erlegen, erfordert ſchon größere Uebung, und die Netzfiſcherei iſt blos im Anfange ergiebig, weil ſie die Nachſtellung ſehr bald merken und dann im Schlamme ſich verkriechen. Jn Deutſchland pflegt man blos die Hinterſchenkel zu genießen; in Jtalien dagegen verſpeiſt man den ganzen Froſch, nachdem man ihn vorher ausgeweidet hat. Der Thau-, Gras- oder Brachfroſch (Rana temporaria) erreicht dieſelbe Größe wie ſein eben geſchilderter Verwandter, unterſcheidet ſich von ihm aber durch Färbung und Lebensweiſe, ſodaß ihn wohl Niemand mit jenem verwechſeln kann. Die oberen Theile ſind auf braunem oder roth- braunem Grunde mit hell- und dunkelbraunen Flecken, die Schläfe mit einem gleichfarbigen Längs- ſtreifen gezeichnet, die Beine dunkel quergeſtreift, Bruſt und Bauch beim Männchen graulichweiß, bei dem etwas größeren Weibchen auf röthlichem Grunde braungelb marmorirt. Neuerdings hat Stenſtrup darauf aufmerkſam gemacht, daß die Grasfröſche in zwei Arten zerfallen, welche ſich durch mehr oder weniger zugeſpitzte Schnauze kennzeichnen und demgemäß benannt worden ſind. Der ſpitzſchnänzige Grasfroſch (Rana oxyrhinus) zeigt einen kegelförmig zugeſpitzten Kopf, deſſen Oberkiefer über den unteren ſich verlängert, einen großen, knorpelharten Höcker an der Wurzel der äußeren Zehe und Schwimmhäute, welche beim Männchen bis an das zweitäußerſte Glied der längſten Zehe reichen; die ſtumpfſchnäuzige Art hingegen (Rana platyrhinus) hat einen breiten, gerundeten Kopf mit ſtumpfer Schnauze, einen kleineren Höcker und Schwimmhäute, welche bei beiden Geſchlechtern bis an das zweite Glied der längſten Zehe reichen. Bei jenen ſind die Stirnbeine gewölbt und ſchmal, bei dieſen flach, ſogar ausgehöhlt, und ſehr breit. Angeregt durch dieſe Angabe des däniſchen Forſchers haben ſich Andere mit der Beobachtung des Grasfroſches beſchäftigt und nicht blos dieſe Unterſchiede beſtätigt gefunden, ſondern auch wahrgenommen, daß beide Arten eine verſchiedene Lebensweiſe führen. Fortgeſetzte Beobachtungen und Forſchungen werden entſcheiden, ob es ſich wirklich um zwei verſchiedene Arten oder nur um Spielarten ein und deſſelben Thieres handelt. Ganz Europa, nach Noëls Befund vom Nordkap an bis zum äußerſten Süden, und ein bis jetzt noch nicht umgrenzter Theil Aſiens, nach Oſten hin bis Japan, ſind die Heimat des Thau- froſches, welcher auch im Gebirge bis zu 6000 Fuß und höher emporſteigt, beiſpielsweiſe noch auf dem Grimſel, neben dem Spithal, oder im Ober-Alpenſee auf dem Gotthard geſunden wird, obgleich dieſe Seen oft bis zum Juli mit Eis bedeckt ſind. Jn der Ebene hält er ſich nur während der Paarungszeit und in den Wintermonaten im Waſſer auf; im Hochgebirge hingegen vertritt er gewiſſermaßen den Teichfroſch, indem er das Waſſer nach einem im erſten Jugendzuſtande unter- nommenen Ausfluge kaum wieder verläßt. Seine verhältnißmäßige Unempfindlichkeit gegen die Kälte geſtattet ihm eine derartige Verbreitung. Er iſt der erſte von allen Froſchlurchen, welcher aus dem Winterſchlafe erwacht und zum Vorſcheine kommt; er paart ſich, noch ehe die Gewäſſer frei vom Eiſe geworden, und ſeine Eier ſind bereits ausgeſchlüpft, bevor ein anderer Verwandter die ſeinigen gelegt hat; die Larven entwickeln ſich auch viel ſchneller als die anderer Fröſche, und ſo wird es ihm möglich, noch in ſolchen Gegenden dauernd ſich anzuſiedeln, in denen der Sommer blos wenige Wochen währt, wie beiſpielsweiſe in der Höhe jener Alpenſeen. Der Waſſerfroſch, welcher ſich viel ſpäter begattet

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/412>, abgerufen am 22.12.2024.