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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Froschlurche. Glattfrösche. Teichfrösche.
zugehen, daß die Begattung für diese Thiere unumgängliche Nothwendigkeit, gewissermaßen also eine
gezwungene ist. Die Eier sind größer als die des Teichfrosches, jedoch minder zahlreich. Sie fallen
nach dem Legen zu Boden; ihre Umhüllung faugt sich aber bald voll Wasser, und sie steigen dann
wieder zur Oberfläche empor, hier große, dichte, schleimige Klumpen bildend. Bei der geringen
Wärme, welche im Frühjahre herrscht, verlangsamt sich die Entwicklung. Erst nach vierzehn Tagen
kann man die Larve deutlich wahrnehmen; drei, bei ungünstiger Witterung vier Wochen später kriecht
sie wirklich aus und schwimmt umher, kehrt aber von Zeit zu Zeit zu dem verlassenen Schleime
zurück, wahrscheinlich, um sich von ihm zu nähren. Von nun an beschleunigt sich ihre Entwicklung;
denn schon im Verlaufe von drei Monaten haben sich die Larven in vollkommene Frösche verwandelt.
Letztere verlassen hierauf das Wasser, und zwar unter günstigen Umständen in solchen Scharen, daß
die alte Sage vom Froschregen eine sehr natürliche Erklärung findet.

Fortan beginnt das Thaufröschchen das Leben seiner Eltern. Abweichend von den Verwandten
treibt es sich oft weit vom Wasser entfernt auf Wiesen und in Gärten, in Feldern und Wäldern,
Gebüschen und auf ähnlichen Orten umher, an heißen Tagen unter Steinen, Baumwurzeln, in Erd-
löchern und anderen Schlupfwinkeln sich verkriechend, mit der Dämmerung zum Vorscheine kommend,
um seiner Jagd obzuliegen.

Letztere gilt den verschiedensten Kerbthieren, nackten Erdschnecken und ähnlichem Kleingethier,
bringt uns also nur Nutzen, wahrscheinlich einen weit größeren, als wir wähnen. Bei ihrem
Umherhüpfen, welches gewöhnlich in kleinen Sprüngen geschieht, durchmustern sie ihre Umgebung,
setzen sich, sobald sie ein Kerbthier gewahren, auf die Lauer und erwarten nun, mehr als sie aufsuchen,
die erhoffte Beute. Kommt diese ihnen nah genug, so stürzen sie sich mit blitzschnellem Satze auf
dieselbe los, schlagen die kleberige Zunge heraus und schlucken sie, falls der Fang gelang, ohne
Weiteres hinab, unterscheiden aber sehr wohl zwischen einer und der anderen Art, verschlucken
beispielsweise Bienen, speien aber Wespen wieder aus.

Jn einer Hinsicht stehen die Thaufrösche hinter ihren Verwandten weit zurück: sie sind schlechte
Musikanten. Nur zu gewissen Zeiten, insbesondere während der Paarung lassen sie ein Murren
oder Grunzen vernehmen, welches an Vollklang hinter dem Teichfroschgesang weit zurücksteht und
von dem Weibchen fast ebensogut als vom Männchen hervorgebracht wird. Jm Gegensatze zu den
Teichfröschen darf man sie wohl als stumm bezeichnen, namentlich zur Zeit der Sommermonate,
während welcher sie vollkommen still und geräuschlos ihren Geschäften nachgehen.

Kein Froschlurch hat mehr, kein einziger so viele Feinde als der Thaufrosch. Jhm stellt Groß
und Klein nach, zu Wasser und auf dem Lande; er wird verfolgt in allen Lebenszuständen und ist erst
dann vor Angriffen gesichert, wenn er sich zum Winterschlafe in den Schlamm zurückzieht. Alle
Säugethiere, alle Vögel, welche Kriechthiere oder Lurche fressen, finden in ihm eine jederzeit leicht zu
erlangende Beute; die lurchfressenden Schlangen richten ihr Augenmerk hauptsächlich auf ihn, ja
scheinen ihn verwandten Teichfröschen entschieden vorzuziehen; letztere selbst befehden ihn, wie wir
gesehen haben, wenigstens in den ersten Lebensjahren; selbst die Krebse machen zu seinem Nachtheile
noch einen Unterschied zwischen ihm und dem Teichfrosche. Und diesem fast zahllosen Heere von
Feinden schließt sich außerdem der Mensch an; denn wie der Teichfrosch wird auch er, der feisten
Schenkel halber, gefangen und geschlachtet. Außer dieser berechtigten Verfolgung trifft ihn ein
Theil des Widerwillens, welcher den mit ihm sich umhertreibenden Kröten anhaftet, vergilt man ihm
die Wohlthaten, welche er im Stillen und Geheimen wirkt auf Feldern und Wiesen, in Wäldern und
Gärten mit schnödem Undank, schlägt man ihn todt aus reinem Widerwillen. Aber die Tausende,
welche ihr Leben verlieren, mindern glücklicherweise die Anzahl der nützlichen Thiere nicht oder doch
kaum merklich: ein günstiger Frühling deckt den Verlust von zehn vorhergegangenen Jahren.

Unsere europäischen Frösche sind Zwerge im Vergleich zu gewissen amerikanischen und indischen
Verwandten, Zwerge hinsichtlich ihrer Größe, Schwächlinge rücksichtlich ihrer Stimme. Zu den aus-

Die Froſchlurche. Glattfröſche. Teichfröſche.
zugehen, daß die Begattung für dieſe Thiere unumgängliche Nothwendigkeit, gewiſſermaßen alſo eine
gezwungene iſt. Die Eier ſind größer als die des Teichfroſches, jedoch minder zahlreich. Sie fallen
nach dem Legen zu Boden; ihre Umhüllung faugt ſich aber bald voll Waſſer, und ſie ſteigen dann
wieder zur Oberfläche empor, hier große, dichte, ſchleimige Klumpen bildend. Bei der geringen
Wärme, welche im Frühjahre herrſcht, verlangſamt ſich die Entwicklung. Erſt nach vierzehn Tagen
kann man die Larve deutlich wahrnehmen; drei, bei ungünſtiger Witterung vier Wochen ſpäter kriecht
ſie wirklich aus und ſchwimmt umher, kehrt aber von Zeit zu Zeit zu dem verlaſſenen Schleime
zurück, wahrſcheinlich, um ſich von ihm zu nähren. Von nun an beſchleunigt ſich ihre Entwicklung;
denn ſchon im Verlaufe von drei Monaten haben ſich die Larven in vollkommene Fröſche verwandelt.
Letztere verlaſſen hierauf das Waſſer, und zwar unter günſtigen Umſtänden in ſolchen Scharen, daß
die alte Sage vom Froſchregen eine ſehr natürliche Erklärung findet.

Fortan beginnt das Thaufröſchchen das Leben ſeiner Eltern. Abweichend von den Verwandten
treibt es ſich oft weit vom Waſſer entfernt auf Wieſen und in Gärten, in Feldern und Wäldern,
Gebüſchen und auf ähnlichen Orten umher, an heißen Tagen unter Steinen, Baumwurzeln, in Erd-
löchern und anderen Schlupfwinkeln ſich verkriechend, mit der Dämmerung zum Vorſcheine kommend,
um ſeiner Jagd obzuliegen.

Letztere gilt den verſchiedenſten Kerbthieren, nackten Erdſchnecken und ähnlichem Kleingethier,
bringt uns alſo nur Nutzen, wahrſcheinlich einen weit größeren, als wir wähnen. Bei ihrem
Umherhüpfen, welches gewöhnlich in kleinen Sprüngen geſchieht, durchmuſtern ſie ihre Umgebung,
ſetzen ſich, ſobald ſie ein Kerbthier gewahren, auf die Lauer und erwarten nun, mehr als ſie aufſuchen,
die erhoffte Beute. Kommt dieſe ihnen nah genug, ſo ſtürzen ſie ſich mit blitzſchnellem Satze auf
dieſelbe los, ſchlagen die kleberige Zunge heraus und ſchlucken ſie, falls der Fang gelang, ohne
Weiteres hinab, unterſcheiden aber ſehr wohl zwiſchen einer und der anderen Art, verſchlucken
beiſpielsweiſe Bienen, ſpeien aber Weſpen wieder aus.

Jn einer Hinſicht ſtehen die Thaufröſche hinter ihren Verwandten weit zurück: ſie ſind ſchlechte
Muſikanten. Nur zu gewiſſen Zeiten, insbeſondere während der Paarung laſſen ſie ein Murren
oder Grunzen vernehmen, welches an Vollklang hinter dem Teichfroſchgeſang weit zurückſteht und
von dem Weibchen faſt ebenſogut als vom Männchen hervorgebracht wird. Jm Gegenſatze zu den
Teichfröſchen darf man ſie wohl als ſtumm bezeichnen, namentlich zur Zeit der Sommermonate,
während welcher ſie vollkommen ſtill und geräuſchlos ihren Geſchäften nachgehen.

Kein Froſchlurch hat mehr, kein einziger ſo viele Feinde als der Thaufroſch. Jhm ſtellt Groß
und Klein nach, zu Waſſer und auf dem Lande; er wird verfolgt in allen Lebenszuſtänden und iſt erſt
dann vor Angriffen geſichert, wenn er ſich zum Winterſchlafe in den Schlamm zurückzieht. Alle
Säugethiere, alle Vögel, welche Kriechthiere oder Lurche freſſen, finden in ihm eine jederzeit leicht zu
erlangende Beute; die lurchfreſſenden Schlangen richten ihr Augenmerk hauptſächlich auf ihn, ja
ſcheinen ihn verwandten Teichfröſchen entſchieden vorzuziehen; letztere ſelbſt befehden ihn, wie wir
geſehen haben, wenigſtens in den erſten Lebensjahren; ſelbſt die Krebſe machen zu ſeinem Nachtheile
noch einen Unterſchied zwiſchen ihm und dem Teichfroſche. Und dieſem faſt zahlloſen Heere von
Feinden ſchließt ſich außerdem der Menſch an; denn wie der Teichfroſch wird auch er, der feiſten
Schenkel halber, gefangen und geſchlachtet. Außer dieſer berechtigten Verfolgung trifft ihn ein
Theil des Widerwillens, welcher den mit ihm ſich umhertreibenden Kröten anhaftet, vergilt man ihm
die Wohlthaten, welche er im Stillen und Geheimen wirkt auf Feldern und Wieſen, in Wäldern und
Gärten mit ſchnödem Undank, ſchlägt man ihn todt aus reinem Widerwillen. Aber die Tauſende,
welche ihr Leben verlieren, mindern glücklicherweiſe die Anzahl der nützlichen Thiere nicht oder doch
kaum merklich: ein günſtiger Frühling deckt den Verluſt von zehn vorhergegangenen Jahren.

Unſere europäiſchen Fröſche ſind Zwerge im Vergleich zu gewiſſen amerikaniſchen und indiſchen
Verwandten, Zwerge hinſichtlich ihrer Größe, Schwächlinge rückſichtlich ihrer Stimme. Zu den aus-

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[386/0414] Die Froſchlurche. Glattfröſche. Teichfröſche. zugehen, daß die Begattung für dieſe Thiere unumgängliche Nothwendigkeit, gewiſſermaßen alſo eine gezwungene iſt. Die Eier ſind größer als die des Teichfroſches, jedoch minder zahlreich. Sie fallen nach dem Legen zu Boden; ihre Umhüllung faugt ſich aber bald voll Waſſer, und ſie ſteigen dann wieder zur Oberfläche empor, hier große, dichte, ſchleimige Klumpen bildend. Bei der geringen Wärme, welche im Frühjahre herrſcht, verlangſamt ſich die Entwicklung. Erſt nach vierzehn Tagen kann man die Larve deutlich wahrnehmen; drei, bei ungünſtiger Witterung vier Wochen ſpäter kriecht ſie wirklich aus und ſchwimmt umher, kehrt aber von Zeit zu Zeit zu dem verlaſſenen Schleime zurück, wahrſcheinlich, um ſich von ihm zu nähren. Von nun an beſchleunigt ſich ihre Entwicklung; denn ſchon im Verlaufe von drei Monaten haben ſich die Larven in vollkommene Fröſche verwandelt. Letztere verlaſſen hierauf das Waſſer, und zwar unter günſtigen Umſtänden in ſolchen Scharen, daß die alte Sage vom Froſchregen eine ſehr natürliche Erklärung findet. Fortan beginnt das Thaufröſchchen das Leben ſeiner Eltern. Abweichend von den Verwandten treibt es ſich oft weit vom Waſſer entfernt auf Wieſen und in Gärten, in Feldern und Wäldern, Gebüſchen und auf ähnlichen Orten umher, an heißen Tagen unter Steinen, Baumwurzeln, in Erd- löchern und anderen Schlupfwinkeln ſich verkriechend, mit der Dämmerung zum Vorſcheine kommend, um ſeiner Jagd obzuliegen. Letztere gilt den verſchiedenſten Kerbthieren, nackten Erdſchnecken und ähnlichem Kleingethier, bringt uns alſo nur Nutzen, wahrſcheinlich einen weit größeren, als wir wähnen. Bei ihrem Umherhüpfen, welches gewöhnlich in kleinen Sprüngen geſchieht, durchmuſtern ſie ihre Umgebung, ſetzen ſich, ſobald ſie ein Kerbthier gewahren, auf die Lauer und erwarten nun, mehr als ſie aufſuchen, die erhoffte Beute. Kommt dieſe ihnen nah genug, ſo ſtürzen ſie ſich mit blitzſchnellem Satze auf dieſelbe los, ſchlagen die kleberige Zunge heraus und ſchlucken ſie, falls der Fang gelang, ohne Weiteres hinab, unterſcheiden aber ſehr wohl zwiſchen einer und der anderen Art, verſchlucken beiſpielsweiſe Bienen, ſpeien aber Weſpen wieder aus. Jn einer Hinſicht ſtehen die Thaufröſche hinter ihren Verwandten weit zurück: ſie ſind ſchlechte Muſikanten. Nur zu gewiſſen Zeiten, insbeſondere während der Paarung laſſen ſie ein Murren oder Grunzen vernehmen, welches an Vollklang hinter dem Teichfroſchgeſang weit zurückſteht und von dem Weibchen faſt ebenſogut als vom Männchen hervorgebracht wird. Jm Gegenſatze zu den Teichfröſchen darf man ſie wohl als ſtumm bezeichnen, namentlich zur Zeit der Sommermonate, während welcher ſie vollkommen ſtill und geräuſchlos ihren Geſchäften nachgehen. Kein Froſchlurch hat mehr, kein einziger ſo viele Feinde als der Thaufroſch. Jhm ſtellt Groß und Klein nach, zu Waſſer und auf dem Lande; er wird verfolgt in allen Lebenszuſtänden und iſt erſt dann vor Angriffen geſichert, wenn er ſich zum Winterſchlafe in den Schlamm zurückzieht. Alle Säugethiere, alle Vögel, welche Kriechthiere oder Lurche freſſen, finden in ihm eine jederzeit leicht zu erlangende Beute; die lurchfreſſenden Schlangen richten ihr Augenmerk hauptſächlich auf ihn, ja ſcheinen ihn verwandten Teichfröſchen entſchieden vorzuziehen; letztere ſelbſt befehden ihn, wie wir geſehen haben, wenigſtens in den erſten Lebensjahren; ſelbſt die Krebſe machen zu ſeinem Nachtheile noch einen Unterſchied zwiſchen ihm und dem Teichfroſche. Und dieſem faſt zahlloſen Heere von Feinden ſchließt ſich außerdem der Menſch an; denn wie der Teichfroſch wird auch er, der feiſten Schenkel halber, gefangen und geſchlachtet. Außer dieſer berechtigten Verfolgung trifft ihn ein Theil des Widerwillens, welcher den mit ihm ſich umhertreibenden Kröten anhaftet, vergilt man ihm die Wohlthaten, welche er im Stillen und Geheimen wirkt auf Feldern und Wieſen, in Wäldern und Gärten mit ſchnödem Undank, ſchlägt man ihn todt aus reinem Widerwillen. Aber die Tauſende, welche ihr Leben verlieren, mindern glücklicherweiſe die Anzahl der nützlichen Thiere nicht oder doch kaum merklich: ein günſtiger Frühling deckt den Verluſt von zehn vorhergegangenen Jahren. Unſere europäiſchen Fröſche ſind Zwerge im Vergleich zu gewiſſen amerikaniſchen und indiſchen Verwandten, Zwerge hinſichtlich ihrer Größe, Schwächlinge rückſichtlich ihrer Stimme. Zu den aus-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/414>, abgerufen am 22.12.2024.