auch noch in anderer Art seine Sorgfalt. Es bessert an dem Neste durch Zufall entstandene oder von einem Beobachter hervorgebrachte Unordnung mit der Schnauze wieder aus; es stellt sich oft vor oder in dem Brutraume auf, bewegt zitternd seine Brustflossen und erneuert so das Wasser innerhalb des Nestes, gleichsam als wisse es, daß den Eiern neuer Sauerstoff zugeführt werden müsse. Couch beobachtete mit Vergnügen, daß ein Seestichling, welcher sein Nest oberhalb der niedrigsten Flutmarke angelegt und von der Ebbe vertrieben wurde, jedesmal mit eintretender Flut zurückkehrte, um die Wiege seiner Kinder zu untersuchen, auszubessern und von Neuem zu bewachen. Sehr häufig werden die treuen Thiere durch mißgünstige andere Männchen, welche ihnen wahrscheinlich das Nest weg- nehmen wollen, oder durch die raublustigen Mütter gestört, und so ist ihre Wachzeit eigentlich ein ununterbrochener Kampf.
Nahen sich endlich die Eier zur Reife, so machen sich neue Sorgen geltend. Es handelt sich jetzt darum, die ungeschützten Jungen zu behüten und zu bewahren. Jn Warrington's Becken wurden in der Nacht des achten Mai von einem Weibchen Eier gelegt und die Mutter schon am nächsten Tage von dem Männchen heftig zurückgejagt. Dieses versah nun sein Wächteramt bis zum achtzehnten desselben Monats und begann an diesem Tage plötzlich das Nest bis auf einige Grund- halme zu zerstören. Aller auf den Eiern liegende Schlamm und Sand wurde auf einer Stelle von drei Zoll Durchmesser sorgfältig mit dem Munde weggenommen und fortgeschafft. Als War- rington, verwundert über das Beginnen des so sorgsamen Vaters, ein Vergrößerungsglas zu Hilfe nahm, entdeckte er die eben ausgekrochenen Jungen. Von jetzt an schwamm das Männchen ununter- brochen die Kreuz und die Quer über den gereinigten Raum umher, seine Wachsamkeit gleichsam verdoppelnd, jeden anderen Fisch, welcher nur bis auf eine gewisse Entfernung sich nahte, zurück- treibend. Nachdem die Jungen etwas an Größe und Stärke zugenommen hatten, schienen sie sich zerstreuen zu wollen, der Vater aber wußte Dies zu verhindern, indem er die Ausreißer mit dem Maule aufnahm, verschluckte und vorsichtig wieder auf das Nest spie. Erst später, als die Brut bereits im Schwimmen sich tüchtig zeigte, nahm die Thätigkeit des Wächters nach und nach ab, und als sie endlich ernährungsfähig waren, bekümmerte der Alte sich gar nicht mehr um sie.
Jm Freien pflegt der männliche Stichling den größten Theil seines Nestes im Schlamme zu verbergen, und Dies mag wohl auch die Hauptursache sein, daß man erst so spät auf seine den Jungen gewidmete Sorgfalt aufmerksam geworden ist. "Als ich", erzählt Siebold, "im Jahre 1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich besuchte, dessen Grund mit Sand bedeckt war, fielen mir darin vereinzelte Stichlinge auf, welche fast unbeweglich im Wasser schwebten und sich durch Nichts verscheuchen ließen. Jch erinnerte mich sogleich Dessen, was ich vor Kurzem über den Nestbau des Fisches gelesen hatte und vermuthete, daß auch diese Stichlinge in der Nähe des Nestes Wache hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Wassers auf dem sandigen Grunde des Teiches nirgends solche Nester entdecken. Als ich mit meinem Stocke auf dem Grunde umherfuhr, bemerkte ich, daß, wenn ich in die Nähe eines Stichlings kam, dieser mit größter Aufmerksamkeit den Bewegungen des Stockes folgte. Jch konnte durch diese Bewegungen der Stichlinge voraussehen, daß sie mir ihr wahrscheinlich im Sande verborgenes Nest zuletzt selbst verrathen würden, und fuhr deshalb um so emsiger fort, mit meinem Stocke auf dem Grunde herumzutasten. Plötzlich stürzte ein Stichling auf den Stock los und suchte ihn durch heftiges Anrennen mit der Schnauze wegzustoßen, woraus ich schloß, daß ich jetzt die Stelle getroffen hätte, wo sein Nest unter dem Sande versteckt liege; ich streifte mit dem Stocke etwas stärker über den Sand hin und entblöste in der That ein aus Wurzelfasern und andern Pflanzenstücken gefertigtes Nest, in welchem angebrüteter Laich enthalten war. Auf ähnliche Weise gelang es bei den übrigen Stichlingen mir den Ort ihrer Nester von ihnen anzeigen zu lassen. Einmal auf eine solche Stelle aufmerksam gemacht, war ich dann leicht im Stande, auf dem Sandgrunde an einer kleinen Oeffnung, aus welcher Wurzelfasern hervorschimmerten und welche ich früher übersehen hatte, das unter dem Sande vollständig versteckte Nest zu erkennen."
Stechbüttel. Zwerg- und Seeſtichling.
auch noch in anderer Art ſeine Sorgfalt. Es beſſert an dem Neſte durch Zufall entſtandene oder von einem Beobachter hervorgebrachte Unordnung mit der Schnauze wieder aus; es ſtellt ſich oft vor oder in dem Brutraume auf, bewegt zitternd ſeine Bruſtfloſſen und erneuert ſo das Waſſer innerhalb des Neſtes, gleichſam als wiſſe es, daß den Eiern neuer Sauerſtoff zugeführt werden müſſe. Couch beobachtete mit Vergnügen, daß ein Seeſtichling, welcher ſein Neſt oberhalb der niedrigſten Flutmarke angelegt und von der Ebbe vertrieben wurde, jedesmal mit eintretender Flut zurückkehrte, um die Wiege ſeiner Kinder zu unterſuchen, auszubeſſern und von Neuem zu bewachen. Sehr häufig werden die treuen Thiere durch mißgünſtige andere Männchen, welche ihnen wahrſcheinlich das Neſt weg- nehmen wollen, oder durch die raubluſtigen Mütter geſtört, und ſo iſt ihre Wachzeit eigentlich ein ununterbrochener Kampf.
Nahen ſich endlich die Eier zur Reife, ſo machen ſich neue Sorgen geltend. Es handelt ſich jetzt darum, die ungeſchützten Jungen zu behüten und zu bewahren. Jn Warrington’s Becken wurden in der Nacht des achten Mai von einem Weibchen Eier gelegt und die Mutter ſchon am nächſten Tage von dem Männchen heftig zurückgejagt. Dieſes verſah nun ſein Wächteramt bis zum achtzehnten deſſelben Monats und begann an dieſem Tage plötzlich das Neſt bis auf einige Grund- halme zu zerſtören. Aller auf den Eiern liegende Schlamm und Sand wurde auf einer Stelle von drei Zoll Durchmeſſer ſorgfältig mit dem Munde weggenommen und fortgeſchafft. Als War- rington, verwundert über das Beginnen des ſo ſorgſamen Vaters, ein Vergrößerungsglas zu Hilfe nahm, entdeckte er die eben ausgekrochenen Jungen. Von jetzt an ſchwamm das Männchen ununter- brochen die Kreuz und die Quer über den gereinigten Raum umher, ſeine Wachſamkeit gleichſam verdoppelnd, jeden anderen Fiſch, welcher nur bis auf eine gewiſſe Entfernung ſich nahte, zurück- treibend. Nachdem die Jungen etwas an Größe und Stärke zugenommen hatten, ſchienen ſie ſich zerſtreuen zu wollen, der Vater aber wußte Dies zu verhindern, indem er die Ausreißer mit dem Maule aufnahm, verſchluckte und vorſichtig wieder auf das Neſt ſpie. Erſt ſpäter, als die Brut bereits im Schwimmen ſich tüchtig zeigte, nahm die Thätigkeit des Wächters nach und nach ab, und als ſie endlich ernährungsfähig waren, bekümmerte der Alte ſich gar nicht mehr um ſie.
Jm Freien pflegt der männliche Stichling den größten Theil ſeines Neſtes im Schlamme zu verbergen, und Dies mag wohl auch die Haupturſache ſein, daß man erſt ſo ſpät auf ſeine den Jungen gewidmete Sorgfalt aufmerkſam geworden iſt. „Als ich“, erzählt Siebold, „im Jahre 1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich beſuchte, deſſen Grund mit Sand bedeckt war, fielen mir darin vereinzelte Stichlinge auf, welche faſt unbeweglich im Waſſer ſchwebten und ſich durch Nichts verſcheuchen ließen. Jch erinnerte mich ſogleich Deſſen, was ich vor Kurzem über den Neſtbau des Fiſches geleſen hatte und vermuthete, daß auch dieſe Stichlinge in der Nähe des Neſtes Wache hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Waſſers auf dem ſandigen Grunde des Teiches nirgends ſolche Neſter entdecken. Als ich mit meinem Stocke auf dem Grunde umherfuhr, bemerkte ich, daß, wenn ich in die Nähe eines Stichlings kam, dieſer mit größter Aufmerkſamkeit den Bewegungen des Stockes folgte. Jch konnte durch dieſe Bewegungen der Stichlinge vorausſehen, daß ſie mir ihr wahrſcheinlich im Sande verborgenes Neſt zuletzt ſelbſt verrathen würden, und fuhr deshalb um ſo emſiger fort, mit meinem Stocke auf dem Grunde herumzutaſten. Plötzlich ſtürzte ein Stichling auf den Stock los und ſuchte ihn durch heftiges Anrennen mit der Schnauze wegzuſtoßen, woraus ich ſchloß, daß ich jetzt die Stelle getroffen hätte, wo ſein Neſt unter dem Sande verſteckt liege; ich ſtreifte mit dem Stocke etwas ſtärker über den Sand hin und entblöſte in der That ein aus Wurzelfaſern und andern Pflanzenſtücken gefertigtes Neſt, in welchem angebrüteter Laich enthalten war. Auf ähnliche Weiſe gelang es bei den übrigen Stichlingen mir den Ort ihrer Neſter von ihnen anzeigen zu laſſen. Einmal auf eine ſolche Stelle aufmerkſam gemacht, war ich dann leicht im Stande, auf dem Sandgrunde an einer kleinen Oeffnung, aus welcher Wurzelfaſern hervorſchimmerten und welche ich früher überſehen hatte, das unter dem Sande vollſtändig verſteckte Neſt zu erkennen.“
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Stechbüttel. Zwerg- und Seeſtichling.
auch noch in anderer Art ſeine Sorgfalt. Es beſſert an dem Neſte durch Zufall entſtandene oder von
einem Beobachter hervorgebrachte Unordnung mit der Schnauze wieder aus; es ſtellt ſich oft vor
oder in dem Brutraume auf, bewegt zitternd ſeine Bruſtfloſſen und erneuert ſo das Waſſer innerhalb
des Neſtes, gleichſam als wiſſe es, daß den Eiern neuer Sauerſtoff zugeführt werden müſſe. Couch
beobachtete mit Vergnügen, daß ein Seeſtichling, welcher ſein Neſt oberhalb der niedrigſten Flutmarke
angelegt und von der Ebbe vertrieben wurde, jedesmal mit eintretender Flut zurückkehrte, um die
Wiege ſeiner Kinder zu unterſuchen, auszubeſſern und von Neuem zu bewachen. Sehr häufig werden
die treuen Thiere durch mißgünſtige andere Männchen, welche ihnen wahrſcheinlich das Neſt weg-
nehmen wollen, oder durch die raubluſtigen Mütter geſtört, und ſo iſt ihre Wachzeit eigentlich ein
ununterbrochener Kampf.
Nahen ſich endlich die Eier zur Reife, ſo machen ſich neue Sorgen geltend. Es handelt ſich
jetzt darum, die ungeſchützten Jungen zu behüten und zu bewahren. Jn Warrington’s Becken
wurden in der Nacht des achten Mai von einem Weibchen Eier gelegt und die Mutter ſchon am
nächſten Tage von dem Männchen heftig zurückgejagt. Dieſes verſah nun ſein Wächteramt bis zum
achtzehnten deſſelben Monats und begann an dieſem Tage plötzlich das Neſt bis auf einige Grund-
halme zu zerſtören. Aller auf den Eiern liegende Schlamm und Sand wurde auf einer Stelle
von drei Zoll Durchmeſſer ſorgfältig mit dem Munde weggenommen und fortgeſchafft. Als War-
rington, verwundert über das Beginnen des ſo ſorgſamen Vaters, ein Vergrößerungsglas zu Hilfe
nahm, entdeckte er die eben ausgekrochenen Jungen. Von jetzt an ſchwamm das Männchen ununter-
brochen die Kreuz und die Quer über den gereinigten Raum umher, ſeine Wachſamkeit gleichſam
verdoppelnd, jeden anderen Fiſch, welcher nur bis auf eine gewiſſe Entfernung ſich nahte, zurück-
treibend. Nachdem die Jungen etwas an Größe und Stärke zugenommen hatten, ſchienen ſie ſich
zerſtreuen zu wollen, der Vater aber wußte Dies zu verhindern, indem er die Ausreißer mit dem
Maule aufnahm, verſchluckte und vorſichtig wieder auf das Neſt ſpie. Erſt ſpäter, als die Brut
bereits im Schwimmen ſich tüchtig zeigte, nahm die Thätigkeit des Wächters nach und nach ab, und
als ſie endlich ernährungsfähig waren, bekümmerte der Alte ſich gar nicht mehr um ſie.
Jm Freien pflegt der männliche Stichling den größten Theil ſeines Neſtes im Schlamme zu
verbergen, und Dies mag wohl auch die Haupturſache ſein, daß man erſt ſo ſpät auf ſeine den
Jungen gewidmete Sorgfalt aufmerkſam geworden iſt. „Als ich“, erzählt Siebold, „im Jahre
1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich beſuchte, deſſen Grund mit Sand bedeckt war, fielen
mir darin vereinzelte Stichlinge auf, welche faſt unbeweglich im Waſſer ſchwebten und ſich durch
Nichts verſcheuchen ließen. Jch erinnerte mich ſogleich Deſſen, was ich vor Kurzem über den Neſtbau
des Fiſches geleſen hatte und vermuthete, daß auch dieſe Stichlinge in der Nähe des Neſtes Wache
hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Waſſers auf dem ſandigen Grunde des Teiches nirgends
ſolche Neſter entdecken. Als ich mit meinem Stocke auf dem Grunde umherfuhr, bemerkte ich, daß,
wenn ich in die Nähe eines Stichlings kam, dieſer mit größter Aufmerkſamkeit den Bewegungen des
Stockes folgte. Jch konnte durch dieſe Bewegungen der Stichlinge vorausſehen, daß ſie mir ihr
wahrſcheinlich im Sande verborgenes Neſt zuletzt ſelbſt verrathen würden, und fuhr deshalb um ſo
emſiger fort, mit meinem Stocke auf dem Grunde herumzutaſten. Plötzlich ſtürzte ein Stichling auf
den Stock los und ſuchte ihn durch heftiges Anrennen mit der Schnauze wegzuſtoßen, woraus ich
ſchloß, daß ich jetzt die Stelle getroffen hätte, wo ſein Neſt unter dem Sande verſteckt liege; ich ſtreifte
mit dem Stocke etwas ſtärker über den Sand hin und entblöſte in der That ein aus Wurzelfaſern
und andern Pflanzenſtücken gefertigtes Neſt, in welchem angebrüteter Laich enthalten war. Auf
ähnliche Weiſe gelang es bei den übrigen Stichlingen mir den Ort ihrer Neſter von ihnen anzeigen
zu laſſen. Einmal auf eine ſolche Stelle aufmerkſam gemacht, war ich dann leicht im Stande, auf
dem Sandgrunde an einer kleinen Oeffnung, aus welcher Wurzelfaſern hervorſchimmerten und welche
ich früher überſehen hatte, das unter dem Sande vollſtändig verſteckte Neſt zu erkennen.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/573>, abgerufen am 23.12.2024.
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