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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Bis[s]ige Schildkröte.

Unter allen nordamerikanischen Schildkröten hat diese Art das schmackhafteste Fleisch. Sie wird
deshalb eifrig verfolgt. Man umstellt ihre Schlasplätze mit Netzen oder fängt sie an Angeln.
Erwachsene müssen übrigens mit Vorsicht behandelt werden, weil sie sich auch dem Menschen gegen-
über zur Wehre stellen und empfindliche Bißwunden beibringen können. Namentlich diejenigen,
welche geangelt wurden, geberden sich wie unsinnig, schnappen, sobald sich ihnen Jemand naht, wieder-
holt in die Luft, suchen überhaupt ihre Wuth in jeder Weise kund zu geben. Bell erzählt, daß einst
eines dieser Thiere seinem ungeschickten Fänger den Finger abbiß.

Die bissige Schildkröte vertritt die Sippe der Dreiklauen, deren Merkmale denen der Familie
entsprechen. Die Nase ist rüsselartig verlängert, der Rand des Rückenschilds knorpelig, das Mittel-
feld knochig; die Vorder- und Hintersüße haben fünf Zehen, tragen aber nur an den vorderen drei
Nägel; die Kiefern sind seitlich mit dicken Lappen bedeckt. Das am Vorderrande spitzzackige, am
Hinterrande höckerig warzige Schild ist oben auf umberbraunem Grunde unregelmäßig gefleckt,
unten weiß, in Folge der durchschimmernden Gefäße fein blutroth gezeichnet. Von der Nase
durch das Auge und am Halse herab verläuft jederseits ein gelber Streifen und ein zweiter nächst dem
Kiefernrande.



Durch die zu Flossen umgestalteten Beine, deren vordere die hinteren an Länge bedeutend über-
ragen, unterscheiden sich die Meerschildkröten (Oicapoda) von ihren Ordnungsverwandten. Jeder
ihrer Füße bildet eine lange, breitgedrückte Flosse, welche, wie Wagler hervorhebt, mit denen der
Robben große Aehnlichkeit hat; die Zehen werden von einer gemeinschaftlichen Haut überzogen und
dadurch unbeweglich, verlieren auch größtentheils die Nägel, da nur die beiden ersten Zehen jedes
Fußes, und diese nicht immer, spitzige Klauen tragen. Außerdem kennzeichnen sich die Meerschild-
kröten durch den wenig gewölbten, gegen das Ende der Rippen unvollkommen verknöcherten Rücken-
panzer, in welchen die Gliedmaßen nicht zurückgezogen werden können, die Bildung des Brust-
panzers, dessen einzelne Stücke kein zusammenstoßendes Schild herstellen, sondern durch Kuorpel
verbunden werden, die Art der Beschuppung oder Beschilderung, den kurzen, dicken, runzeligen,
halb zurückziehbaren Hals, den kurzen, starken, vierseitigen Kopf und die nackten, mit scharfen,
zuweilen am Rande gezähnelten Hornschneiden bedeckten Kiefer, welche sich an der Spitze hakensörmig
überbiegen und so in einander passen, daß die oberen die unteren vollständig in sich aufnehmen, die
großen vorspringenden Augen und sehr kleinen Nasenlöcher, die eigenthümliche Beschilderung des Kopfes
und der Füße, den kurzen, stumpfen, mit Schuppen bekleideten Schwanz etc.

Alle zu dieser Gruppe zählenden Schildkröten leben im Meere und begeben sich, nur um ihre
Eier abzulegen, auf das Land. Jnwiefern sich die Lebensweise der einzelnen Arten unterscheidet, ist
schwer zu sagen, weil man ausführliche Beobachtungen über alle Seeschildkröten eigentlich nur während
der Fortpflanzungszeit oder, richtiger, während des Eierlegens angestellt hat, ihr Leben im Meere aber
noch so gut als gar nicht kennt. Es fragt sich daher auch, ob man, wie die meisten Forscher es thun,
alle Arten zu einer und derselben Familie zählen muß oder sie -- Fitzinger's Vorgange folgend,
in zwei Familien einzureihen hat. Für uns wird es genügen, wenn ich drei der wichtigeren Arten
kurz beschreibe und über die Lebensweise das Bekannte übersichtlich zusammenzustellen versuche.

Die Seeschildkröten im engeren Sinne (Cheloniae) haben einen festen Panzer, dessen
Rücken- und Brusttheil mit Hornplatten bekleidet ist; solche bedecken auch den Kopf und die
Füße, welch letztere je einen oder zwei Nägel tragen. Zu dieser Sippe oder, wie Fitzinger
will, Familie, gehören die Suppen- und die Karettschildkröte, für uns die wichtigsten aller
bekannten Arten.

Erstere (Chelonia Mydas) ist ein sehr großes Thier, welches unter Umständen mehr als
7 Fuß Länge und ein Gewicht von 1000 Pfund erreichen kann. Dreizehn Schilder bilden die

Brehm, Thierleben. V. 4
Biſ[ſ]ige Schildkröte.

Unter allen nordamerikaniſchen Schildkröten hat dieſe Art das ſchmackhafteſte Fleiſch. Sie wird
deshalb eifrig verfolgt. Man umſtellt ihre Schlaſplätze mit Netzen oder fängt ſie an Angeln.
Erwachſene müſſen übrigens mit Vorſicht behandelt werden, weil ſie ſich auch dem Menſchen gegen-
über zur Wehre ſtellen und empfindliche Bißwunden beibringen können. Namentlich diejenigen,
welche geangelt wurden, geberden ſich wie unſinnig, ſchnappen, ſobald ſich ihnen Jemand naht, wieder-
holt in die Luft, ſuchen überhaupt ihre Wuth in jeder Weiſe kund zu geben. Bell erzählt, daß einſt
eines dieſer Thiere ſeinem ungeſchickten Fänger den Finger abbiß.

Die biſſige Schildkröte vertritt die Sippe der Dreiklauen, deren Merkmale denen der Familie
entſprechen. Die Naſe iſt rüſſelartig verlängert, der Rand des Rückenſchilds knorpelig, das Mittel-
feld knochig; die Vorder- und Hinterſüße haben fünf Zehen, tragen aber nur an den vorderen drei
Nägel; die Kiefern ſind ſeitlich mit dicken Lappen bedeckt. Das am Vorderrande ſpitzzackige, am
Hinterrande höckerig warzige Schild iſt oben auf umberbraunem Grunde unregelmäßig gefleckt,
unten weiß, in Folge der durchſchimmernden Gefäße fein blutroth gezeichnet. Von der Naſe
durch das Auge und am Halſe herab verläuft jederſeits ein gelber Streifen und ein zweiter nächſt dem
Kiefernrande.



Durch die zu Floſſen umgeſtalteten Beine, deren vordere die hinteren an Länge bedeutend über-
ragen, unterſcheiden ſich die Meerſchildkröten (Oicapoda) von ihren Ordnungsverwandten. Jeder
ihrer Füße bildet eine lange, breitgedrückte Floſſe, welche, wie Wagler hervorhebt, mit denen der
Robben große Aehnlichkeit hat; die Zehen werden von einer gemeinſchaftlichen Haut überzogen und
dadurch unbeweglich, verlieren auch größtentheils die Nägel, da nur die beiden erſten Zehen jedes
Fußes, und dieſe nicht immer, ſpitzige Klauen tragen. Außerdem kennzeichnen ſich die Meerſchild-
kröten durch den wenig gewölbten, gegen das Ende der Rippen unvollkommen verknöcherten Rücken-
panzer, in welchen die Gliedmaßen nicht zurückgezogen werden können, die Bildung des Bruſt-
panzers, deſſen einzelne Stücke kein zuſammenſtoßendes Schild herſtellen, ſondern durch Kuorpel
verbunden werden, die Art der Beſchuppung oder Beſchilderung, den kurzen, dicken, runzeligen,
halb zurückziehbaren Hals, den kurzen, ſtarken, vierſeitigen Kopf und die nackten, mit ſcharfen,
zuweilen am Rande gezähnelten Hornſchneiden bedeckten Kiefer, welche ſich an der Spitze hakenſörmig
überbiegen und ſo in einander paſſen, daß die oberen die unteren vollſtändig in ſich aufnehmen, die
großen vorſpringenden Augen und ſehr kleinen Naſenlöcher, die eigenthümliche Beſchilderung des Kopfes
und der Füße, den kurzen, ſtumpfen, mit Schuppen bekleideten Schwanz ꝛc.

Alle zu dieſer Gruppe zählenden Schildkröten leben im Meere und begeben ſich, nur um ihre
Eier abzulegen, auf das Land. Jnwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, iſt
ſchwer zu ſagen, weil man ausführliche Beobachtungen über alle Seeſchildkröten eigentlich nur während
der Fortpflanzungszeit oder, richtiger, während des Eierlegens angeſtellt hat, ihr Leben im Meere aber
noch ſo gut als gar nicht kennt. Es fragt ſich daher auch, ob man, wie die meiſten Forſcher es thun,
alle Arten zu einer und derſelben Familie zählen muß oder ſie — Fitzinger’s Vorgange folgend,
in zwei Familien einzureihen hat. Für uns wird es genügen, wenn ich drei der wichtigeren Arten
kurz beſchreibe und über die Lebensweiſe das Bekannte überſichtlich zuſammenzuſtellen verſuche.

Die Seeſchildkröten im engeren Sinne (Cheloniae) haben einen feſten Panzer, deſſen
Rücken- und Bruſttheil mit Hornplatten bekleidet iſt; ſolche bedecken auch den Kopf und die
Füße, welch letztere je einen oder zwei Nägel tragen. Zu dieſer Sippe oder, wie Fitzinger
will, Familie, gehören die Suppen- und die Karettſchildkröte, für uns die wichtigſten aller
bekannten Arten.

Erſtere (Chelonia Mydas) iſt ein ſehr großes Thier, welches unter Umſtänden mehr als
7 Fuß Länge und ein Gewicht von 1000 Pfund erreichen kann. Dreizehn Schilder bilden die

Brehm, Thierleben. V. 4
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[49/0061] Biſſige Schildkröte. Unter allen nordamerikaniſchen Schildkröten hat dieſe Art das ſchmackhafteſte Fleiſch. Sie wird deshalb eifrig verfolgt. Man umſtellt ihre Schlaſplätze mit Netzen oder fängt ſie an Angeln. Erwachſene müſſen übrigens mit Vorſicht behandelt werden, weil ſie ſich auch dem Menſchen gegen- über zur Wehre ſtellen und empfindliche Bißwunden beibringen können. Namentlich diejenigen, welche geangelt wurden, geberden ſich wie unſinnig, ſchnappen, ſobald ſich ihnen Jemand naht, wieder- holt in die Luft, ſuchen überhaupt ihre Wuth in jeder Weiſe kund zu geben. Bell erzählt, daß einſt eines dieſer Thiere ſeinem ungeſchickten Fänger den Finger abbiß. Die biſſige Schildkröte vertritt die Sippe der Dreiklauen, deren Merkmale denen der Familie entſprechen. Die Naſe iſt rüſſelartig verlängert, der Rand des Rückenſchilds knorpelig, das Mittel- feld knochig; die Vorder- und Hinterſüße haben fünf Zehen, tragen aber nur an den vorderen drei Nägel; die Kiefern ſind ſeitlich mit dicken Lappen bedeckt. Das am Vorderrande ſpitzzackige, am Hinterrande höckerig warzige Schild iſt oben auf umberbraunem Grunde unregelmäßig gefleckt, unten weiß, in Folge der durchſchimmernden Gefäße fein blutroth gezeichnet. Von der Naſe durch das Auge und am Halſe herab verläuft jederſeits ein gelber Streifen und ein zweiter nächſt dem Kiefernrande. Durch die zu Floſſen umgeſtalteten Beine, deren vordere die hinteren an Länge bedeutend über- ragen, unterſcheiden ſich die Meerſchildkröten (Oicapoda) von ihren Ordnungsverwandten. Jeder ihrer Füße bildet eine lange, breitgedrückte Floſſe, welche, wie Wagler hervorhebt, mit denen der Robben große Aehnlichkeit hat; die Zehen werden von einer gemeinſchaftlichen Haut überzogen und dadurch unbeweglich, verlieren auch größtentheils die Nägel, da nur die beiden erſten Zehen jedes Fußes, und dieſe nicht immer, ſpitzige Klauen tragen. Außerdem kennzeichnen ſich die Meerſchild- kröten durch den wenig gewölbten, gegen das Ende der Rippen unvollkommen verknöcherten Rücken- panzer, in welchen die Gliedmaßen nicht zurückgezogen werden können, die Bildung des Bruſt- panzers, deſſen einzelne Stücke kein zuſammenſtoßendes Schild herſtellen, ſondern durch Kuorpel verbunden werden, die Art der Beſchuppung oder Beſchilderung, den kurzen, dicken, runzeligen, halb zurückziehbaren Hals, den kurzen, ſtarken, vierſeitigen Kopf und die nackten, mit ſcharfen, zuweilen am Rande gezähnelten Hornſchneiden bedeckten Kiefer, welche ſich an der Spitze hakenſörmig überbiegen und ſo in einander paſſen, daß die oberen die unteren vollſtändig in ſich aufnehmen, die großen vorſpringenden Augen und ſehr kleinen Naſenlöcher, die eigenthümliche Beſchilderung des Kopfes und der Füße, den kurzen, ſtumpfen, mit Schuppen bekleideten Schwanz ꝛc. Alle zu dieſer Gruppe zählenden Schildkröten leben im Meere und begeben ſich, nur um ihre Eier abzulegen, auf das Land. Jnwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, iſt ſchwer zu ſagen, weil man ausführliche Beobachtungen über alle Seeſchildkröten eigentlich nur während der Fortpflanzungszeit oder, richtiger, während des Eierlegens angeſtellt hat, ihr Leben im Meere aber noch ſo gut als gar nicht kennt. Es fragt ſich daher auch, ob man, wie die meiſten Forſcher es thun, alle Arten zu einer und derſelben Familie zählen muß oder ſie — Fitzinger’s Vorgange folgend, in zwei Familien einzureihen hat. Für uns wird es genügen, wenn ich drei der wichtigeren Arten kurz beſchreibe und über die Lebensweiſe das Bekannte überſichtlich zuſammenzuſtellen verſuche. Die Seeſchildkröten im engeren Sinne (Cheloniae) haben einen feſten Panzer, deſſen Rücken- und Bruſttheil mit Hornplatten bekleidet iſt; ſolche bedecken auch den Kopf und die Füße, welch letztere je einen oder zwei Nägel tragen. Zu dieſer Sippe oder, wie Fitzinger will, Familie, gehören die Suppen- und die Karettſchildkröte, für uns die wichtigſten aller bekannten Arten. Erſtere (Chelonia Mydas) iſt ein ſehr großes Thier, welches unter Umſtänden mehr als 7 Fuß Länge und ein Gewicht von 1000 Pfund erreichen kann. Dreizehn Schilder bilden die Brehm, Thierleben. V. 4

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/61>, abgerufen am 22.12.2024.