Anders verhält es sich, wenn man die Bedeutung, welche die Weichflosser für uns haben, ins Auge faßt. So wenige Familien nämlich diese Ordnung begreift, und so gering die Anzahl der Arten jeder einzelnen Familie, so außerordentlich ist die Wichtigkeit derselben für die Fischerei. Die Weichflosser sind es, welche jahraus, jahrein die Fischmärkte mit den gesuchtesten und beliebtesten Seefischen versorgen, sie, denen zu Gefallen Tausende von Schiffen ausgerüstet werden, welche Hunderttausenden von Menschen Beschäftigung und Verdienst gewähren. Jhretwegen versammeln sich alljährlich die größten aller Flotten an bestimmten Stellen, ihretwegen trotzen die Fischer dem grauenvollsten Wetter und allen damit verbundenen Gefahren. Der Handel mit ihnen verbindet seit Jahrhunderten die entferntesten Völker, ist seit dieser Zeit für einzelne Gegenden und Länder die hauptsächlichste Quelle der Einnahmen, die Quelle des Wohlstandes gewesen und wird eine solche bleiben, "solange es", wie Schleiden in seinem Buche "Das Meer" treffend bemerkt, "noch Priester gibt, die dem Menschen weis machen, man thäte Gott einen Gefallen, wenn man zu gewissen Zeiten kein Fleisch von Landthieren genießt, und solange noch Menschen vorhanden sind, welche derlei blindlings glauben". Die Kirche hat, wie ihr nachgesagt wird, unter der Wohlfahrt der Menschheit von jeher vornehmlich ihren eigenen Nutzen verstanden, durch eines ihrer Gesetze aber wirklich ganzen Völkern zur Wohlfahrt verholfen. Dank der Vorschrift, daß der Gläubige zu gewissen Zeiten das Fleisch der Säugethiere und Vögel meiden muß und als Ersatz desselben nur genießen darf Fleisch von Fischen, Kriech- und Knäkenten, Delfinen, Seehunden, Fisch- ottern, Bibern, Wasserratten und was die kirchengelahrten Thierkundigen sonst noch zu den Fischen zählen, hat der Fang einzelner Mitglieder unserer Ordnung einen Aufschwung gewonnen, welchen er sonst vielleicht niemals erlangt haben möchte. Hierin liegt der tiefe Ernst des entsprechenden Kirchengesetzes. Aber der Ernst hat auch seine heitere Seite, die nämlich, daß der hauptsächlichste Ertrag der Fischerei ungläubigen Ketzern zu Gute kommt -- ein Beweis wiederum, daß jeder Versuch der Dunkelmänner, der geistigen Freiheit des Menschen Fesseln anzulegen, der Menschheit in der einen oder in der anderen Weise zum Heile gereicht.
Das Gewirr der Jnselchen und Schären, welche in dicht geschlungenem Kranze Norwegens Küste umlagern, zeigt dem nach Norden steuernden Reisenden ein anderes Gepräge, wenn jene hohen Breiten erreicht wurden, in denen während der Sommermonate Mitternachtssonne auf den Bergen liegt und während der Wintermonate nur ein Dämmerlicht im Süden von dem Tage spricht, welcher niedereren Breiten aufgegangen. An Stelle der selten mehrere hundert Fuß über dem Spiegel des Meeres emporsteigenden größeren Jnseln erheben sich solche von bedeutend geringerem Umfange bis zu drei- und viertausend Fuß über die See, schon von fern ihre von dem dunklen Felsengrunde grell abstechenden, schneeigen Häupter und die von diesen wie breite silberne Bänder zur Tiefe sich senkenden Gletscher zeigend. Ein meilenbreiter Meeresarm trennt diese Jnseln, die Lofodden, vom Festlande und erscheint auch trotz der starken Strömung, welche in ihm herrscht, als ein ruhiger Binnensee, verglichen mit dem fast jederzeit hochwogenden Eismeere. Schon vom Dampfschiffe aus, welches bald dem Festlande sich nähert, bald wieder nach dem hohen Meere sich zuwendet, um dem in dem dünn bevölkerten Norwegen so trefflichen Postdienste zu genügen, lernt der Reisende erkennen, daß er sich in einem Jnselmeere befindet, in welchem jedes Eiland gleichsam als Mutter erscheint, umlagert von unzähligen Töchtern, kleinen Jnseln und Schären, wie man sie früher gewahrte.
Dem Meere wie den zahllosen Eilanden fehlt der Reichthum des Südens; sie sind jedoch keines- wegs bar aller Schönheit und üben namentlich in den Stunden um Mitternacht, wenn die Sonne groß und blutroth niedrig über dem Gesichtskreise steht und ihr gleichsam verschleierter Glanz auf den
Brehm, Thierleben. V. 38
Tabakspfeife.
Anders verhält es ſich, wenn man die Bedeutung, welche die Weichfloſſer für uns haben, ins Auge faßt. So wenige Familien nämlich dieſe Ordnung begreift, und ſo gering die Anzahl der Arten jeder einzelnen Familie, ſo außerordentlich iſt die Wichtigkeit derſelben für die Fiſcherei. Die Weichfloſſer ſind es, welche jahraus, jahrein die Fiſchmärkte mit den geſuchteſten und beliebteſten Seefiſchen verſorgen, ſie, denen zu Gefallen Tauſende von Schiffen ausgerüſtet werden, welche Hunderttauſenden von Menſchen Beſchäftigung und Verdienſt gewähren. Jhretwegen verſammeln ſich alljährlich die größten aller Flotten an beſtimmten Stellen, ihretwegen trotzen die Fiſcher dem grauenvollſten Wetter und allen damit verbundenen Gefahren. Der Handel mit ihnen verbindet ſeit Jahrhunderten die entfernteſten Völker, iſt ſeit dieſer Zeit für einzelne Gegenden und Länder die hauptſächlichſte Quelle der Einnahmen, die Quelle des Wohlſtandes geweſen und wird eine ſolche bleiben, „ſolange es“, wie Schleiden in ſeinem Buche „Das Meer“ treffend bemerkt, „noch Prieſter gibt, die dem Menſchen weis machen, man thäte Gott einen Gefallen, wenn man zu gewiſſen Zeiten kein Fleiſch von Landthieren genießt, und ſolange noch Menſchen vorhanden ſind, welche derlei blindlings glauben“. Die Kirche hat, wie ihr nachgeſagt wird, unter der Wohlfahrt der Menſchheit von jeher vornehmlich ihren eigenen Nutzen verſtanden, durch eines ihrer Geſetze aber wirklich ganzen Völkern zur Wohlfahrt verholfen. Dank der Vorſchrift, daß der Gläubige zu gewiſſen Zeiten das Fleiſch der Säugethiere und Vögel meiden muß und als Erſatz deſſelben nur genießen darf Fleiſch von Fiſchen, Kriech- und Knäkenten, Delfinen, Seehunden, Fiſch- ottern, Bibern, Waſſerratten und was die kirchengelahrten Thierkundigen ſonſt noch zu den Fiſchen zählen, hat der Fang einzelner Mitglieder unſerer Ordnung einen Aufſchwung gewonnen, welchen er ſonſt vielleicht niemals erlangt haben möchte. Hierin liegt der tiefe Ernſt des entſprechenden Kirchengeſetzes. Aber der Ernſt hat auch ſeine heitere Seite, die nämlich, daß der hauptſächlichſte Ertrag der Fiſcherei ungläubigen Ketzern zu Gute kommt — ein Beweis wiederum, daß jeder Verſuch der Dunkelmänner, der geiſtigen Freiheit des Menſchen Feſſeln anzulegen, der Menſchheit in der einen oder in der anderen Weiſe zum Heile gereicht.
Das Gewirr der Jnſelchen und Schären, welche in dicht geſchlungenem Kranze Norwegens Küſte umlagern, zeigt dem nach Norden ſteuernden Reiſenden ein anderes Gepräge, wenn jene hohen Breiten erreicht wurden, in denen während der Sommermonate Mitternachtsſonne auf den Bergen liegt und während der Wintermonate nur ein Dämmerlicht im Süden von dem Tage ſpricht, welcher niedereren Breiten aufgegangen. An Stelle der ſelten mehrere hundert Fuß über dem Spiegel des Meeres emporſteigenden größeren Jnſeln erheben ſich ſolche von bedeutend geringerem Umfange bis zu drei- und viertauſend Fuß über die See, ſchon von fern ihre von dem dunklen Felſengrunde grell abſtechenden, ſchneeigen Häupter und die von dieſen wie breite ſilberne Bänder zur Tiefe ſich ſenkenden Gletſcher zeigend. Ein meilenbreiter Meeresarm trennt dieſe Jnſeln, die Lofodden, vom Feſtlande und erſcheint auch trotz der ſtarken Strömung, welche in ihm herrſcht, als ein ruhiger Binnenſee, verglichen mit dem faſt jederzeit hochwogenden Eismeere. Schon vom Dampfſchiffe aus, welches bald dem Feſtlande ſich nähert, bald wieder nach dem hohen Meere ſich zuwendet, um dem in dem dünn bevölkerten Norwegen ſo trefflichen Poſtdienſte zu genügen, lernt der Reiſende erkennen, daß er ſich in einem Jnſelmeere befindet, in welchem jedes Eiland gleichſam als Mutter erſcheint, umlagert von unzähligen Töchtern, kleinen Jnſeln und Schären, wie man ſie früher gewahrte.
Dem Meere wie den zahlloſen Eilanden fehlt der Reichthum des Südens; ſie ſind jedoch keines- wegs bar aller Schönheit und üben namentlich in den Stunden um Mitternacht, wenn die Sonne groß und blutroth niedrig über dem Geſichtskreiſe ſteht und ihr gleichſam verſchleierter Glanz auf den
Brehm, Thierleben. V. 38
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Tabakspfeife.
Anders verhält es ſich, wenn man die Bedeutung, welche die Weichfloſſer für uns haben, ins
Auge faßt. So wenige Familien nämlich dieſe Ordnung begreift, und ſo gering die Anzahl der
Arten jeder einzelnen Familie, ſo außerordentlich iſt die Wichtigkeit derſelben für die Fiſcherei. Die
Weichfloſſer ſind es, welche jahraus, jahrein die Fiſchmärkte mit den geſuchteſten und beliebteſten
Seefiſchen verſorgen, ſie, denen zu Gefallen Tauſende von Schiffen ausgerüſtet werden, welche
Hunderttauſenden von Menſchen Beſchäftigung und Verdienſt gewähren. Jhretwegen verſammeln
ſich alljährlich die größten aller Flotten an beſtimmten Stellen, ihretwegen trotzen die Fiſcher dem
grauenvollſten Wetter und allen damit verbundenen Gefahren. Der Handel mit ihnen verbindet
ſeit Jahrhunderten die entfernteſten Völker, iſt ſeit dieſer Zeit für einzelne Gegenden und Länder die
hauptſächlichſte Quelle der Einnahmen, die Quelle des Wohlſtandes geweſen und wird eine ſolche
bleiben, „ſolange es“, wie Schleiden in ſeinem Buche „Das Meer“ treffend bemerkt, „noch
Prieſter gibt, die dem Menſchen weis machen, man thäte Gott einen Gefallen, wenn man zu
gewiſſen Zeiten kein Fleiſch von Landthieren genießt, und ſolange noch Menſchen vorhanden
ſind, welche derlei blindlings glauben“. Die Kirche hat, wie ihr nachgeſagt wird, unter der
Wohlfahrt der Menſchheit von jeher vornehmlich ihren eigenen Nutzen verſtanden, durch eines
ihrer Geſetze aber wirklich ganzen Völkern zur Wohlfahrt verholfen. Dank der Vorſchrift, daß der
Gläubige zu gewiſſen Zeiten das Fleiſch der Säugethiere und Vögel meiden muß und als Erſatz
deſſelben nur genießen darf Fleiſch von Fiſchen, Kriech- und Knäkenten, Delfinen, Seehunden, Fiſch-
ottern, Bibern, Waſſerratten und was die kirchengelahrten Thierkundigen ſonſt noch zu den Fiſchen
zählen, hat der Fang einzelner Mitglieder unſerer Ordnung einen Aufſchwung gewonnen, welchen er
ſonſt vielleicht niemals erlangt haben möchte. Hierin liegt der tiefe Ernſt des entſprechenden
Kirchengeſetzes. Aber der Ernſt hat auch ſeine heitere Seite, die nämlich, daß der hauptſächlichſte
Ertrag der Fiſcherei ungläubigen Ketzern zu Gute kommt — ein Beweis wiederum, daß jeder
Verſuch der Dunkelmänner, der geiſtigen Freiheit des Menſchen Feſſeln anzulegen, der Menſchheit in
der einen oder in der anderen Weiſe zum Heile gereicht.
Das Gewirr der Jnſelchen und Schären, welche in dicht geſchlungenem Kranze Norwegens
Küſte umlagern, zeigt dem nach Norden ſteuernden Reiſenden ein anderes Gepräge, wenn jene
hohen Breiten erreicht wurden, in denen während der Sommermonate Mitternachtsſonne auf den
Bergen liegt und während der Wintermonate nur ein Dämmerlicht im Süden von dem Tage
ſpricht, welcher niedereren Breiten aufgegangen. An Stelle der ſelten mehrere hundert Fuß über dem
Spiegel des Meeres emporſteigenden größeren Jnſeln erheben ſich ſolche von bedeutend geringerem
Umfange bis zu drei- und viertauſend Fuß über die See, ſchon von fern ihre von dem dunklen
Felſengrunde grell abſtechenden, ſchneeigen Häupter und die von dieſen wie breite ſilberne Bänder
zur Tiefe ſich ſenkenden Gletſcher zeigend. Ein meilenbreiter Meeresarm trennt dieſe Jnſeln,
die Lofodden, vom Feſtlande und erſcheint auch trotz der ſtarken Strömung, welche in ihm herrſcht,
als ein ruhiger Binnenſee, verglichen mit dem faſt jederzeit hochwogenden Eismeere. Schon vom
Dampfſchiffe aus, welches bald dem Feſtlande ſich nähert, bald wieder nach dem hohen Meere ſich
zuwendet, um dem in dem dünn bevölkerten Norwegen ſo trefflichen Poſtdienſte zu genügen, lernt der
Reiſende erkennen, daß er ſich in einem Jnſelmeere befindet, in welchem jedes Eiland gleichſam als
Mutter erſcheint, umlagert von unzähligen Töchtern, kleinen Jnſeln und Schären, wie man ſie
früher gewahrte.
Dem Meere wie den zahlloſen Eilanden fehlt der Reichthum des Südens; ſie ſind jedoch keines-
wegs bar aller Schönheit und üben namentlich in den Stunden um Mitternacht, wenn die Sonne
groß und blutroth niedrig über dem Geſichtskreiſe ſteht und ihr gleichſam verſchleierter Glanz auf den
Brehm, Thierleben. V. 38
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/629>, abgerufen am 23.12.2024.
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