ein Blitz die Wellen durchschneide, sodann wiederum sich wende und zum Boden herabsinke. Ob eine derartige Wendung bei jeder sehr beschleunigten Bewegung geschieht oder nur zufällig vorkommt, will ich unentschieden lassen; soviel scheint mir gewiß, daß der Flachfisch es nicht nöthig hat, in der von Yarrell angegebenen Weise zu schwimmen, sondern ebenso gut auch in seiner gewöhnlichen Lage das Wasser zu zertheilen vermag. Bei sehr langsamem Schwimmen nimmt der ganze Leib an dem wellenförmigen Spiel der Rücken- und Afterflosse theil; bei großer Eile sieht man nur die Schwanz- flosse arbeiten.
Wirklich unterhaltend ist es, eine im Sande halb vergrabene Scholle zu beobachten. Jhre meist verschieden großen, sehr lebhaft gefärbten Augen, denen man einen Ausdruck von Klugheit und Ver- schmitztheit zusprechen möchte, werden abweichend von denen anderer Fische ohne Unterlaß bewegt. Sie können nämlich nicht blos willkürlich gedreht, sondern auch wie die der Frösche emporgehoben oder herausgedrückt und wieder in ihre Höhlen zurückgezogen werden und spielen somit in den verschiedensten Richtungen, weil unter den verschiedensten Winkeln zur Oberfläche des Körpers. Ein förmliches Lid, die sehr entwickelte Nickhaut, trägt zu ihrem Schutze wesentlich bei. Diese lebhaft gefärbten Augen sind, streng genommen, das Einzige, welches man von dem im Sande verborgenen Flachfische wahrnimmt. Die Färbung der Augenseite schmiegt sich dem Grund und Boden des Gewässers genau in demselben Grade an wie das Haarkleid des Hasen dem Acker oder das Gefieder des Schneehuhns dem Alpengelände, und wie bei dem letzteren wechselt die Färbung nach Zeit und Oertlichkeit, nur mit dem Unterschiede, daß der Wechsel nicht blos zweimal im Jahre, sondern bei jeder Ortsveränderung eintritt. Alles, was wir dem Chamäleon andichten, finden wir verwirklicht bei den Flachfischen. Legt sich einer beispielsweise auf sandigen Grund, so währt es gar nicht lange, und Färbung und Zeichnung entsprechen diesem Grunde: die gelbliche Farbe tritt hervor, die dunklere verschwindet. Bringt man denselben Fisch, wie es in kleineren Behältern oft genug geschieht, auf anderen Grund, beispielsweise auf grauen Granitkies, so geht die Färbung der Augenseite sehr bald in dieselbe über, welche dieser Grund hat; die früher gelblich erscheinende Scholle, Butte oder Zunge wird grau. Das jeder Art eigene Gepräge der Farbenvertheilung und Mischung verwischt sich dabei nicht, aber es ändert sich doch bedeutend um; und der Beobachter kommt ganz gewiß zu der Ueber- zeugung, daß bei diesen Fischen auf die Färbung nur sehr wenig Gewicht gelegt werden darf. Den Fischern ist es wohl bekannt, daß in diesem Theile des Meeres eine und dieselbe Art der Flachfische dunkel, in jenem licht gefärbt ist, der Färbung des Bodens stets entsprechend. So nennt man in Großbritannien diejenigen Goldbutten, welche man auf dem sogenannten Diamantgrunde an der Susserküste fängt, Diamantschollen, weil sie sich durch die Reinheit ihrer braunen Färbung und den Glanz ihrer Flecken vor allen anderen auszeichnen und im Einklange mit der Bodendecke des betreffenden Grundes eine so gleichmäßige Färbung und Zeichnung bekommen, daß man, wäre die Veränderlichkeit der Farbe nicht bekannt, versucht sein könnte, eine eigene Art oder Spielart aus ihnen zu bilden.
Jn dieser absonderlichen Begabung, das Kleid den Verhältnissen anzupassen, erklärt sich wohl am Ersten die unverhältnißmäßige Häufigkeit der Flachfische. Sie sind nicht fruchtbarer als andere Fische, ja, die Anzahl ihrer Eier kann sich mit der vieler Verwandter nicht messen; von den Jungen aber entgehen viel mehr, als es im Allgemeinen die Regel sein dürfte, den räuberischen Nachstellungen und erlangen somit diejenige Größe, welche sie befähigt, sich selbst zu schützen. Denn auch die Flachfische sind Räuber, die großen Arten unter ihnen, welche sich selbst an Fische von der Größe des Kabeljaus wagen, sehr kühne, die kleineren, welche sich mit Krebsen und Muscheln genügen lassen, wenigstens sehr gefräßige. Jn der Mordlust und Raubgier kommen sich die großen wie die kleinen gleich. Sie binden mit jeder Beute an, welche sie bewältigen zu können glauben, und scheuen sich auch nicht, schwächere der eigenen Art anzufallen: unter den norwegischen Fischern gilt es als ausgemacht, daß die Verletzungen der flachen Seiten und der Schwanzgegend, welche man so oft bei ihnen bemerkt, von den größeren derselben Art herrühren. Selbst die schlimmsten Feinde der Familie,
Die Weichfloſſer. Flachfiſche.
ein Blitz die Wellen durchſchneide, ſodann wiederum ſich wende und zum Boden herabſinke. Ob eine derartige Wendung bei jeder ſehr beſchleunigten Bewegung geſchieht oder nur zufällig vorkommt, will ich unentſchieden laſſen; ſoviel ſcheint mir gewiß, daß der Flachfiſch es nicht nöthig hat, in der von Yarrell angegebenen Weiſe zu ſchwimmen, ſondern ebenſo gut auch in ſeiner gewöhnlichen Lage das Waſſer zu zertheilen vermag. Bei ſehr langſamem Schwimmen nimmt der ganze Leib an dem wellenförmigen Spiel der Rücken- und Afterfloſſe theil; bei großer Eile ſieht man nur die Schwanz- floſſe arbeiten.
Wirklich unterhaltend iſt es, eine im Sande halb vergrabene Scholle zu beobachten. Jhre meiſt verſchieden großen, ſehr lebhaft gefärbten Augen, denen man einen Ausdruck von Klugheit und Ver- ſchmitztheit zuſprechen möchte, werden abweichend von denen anderer Fiſche ohne Unterlaß bewegt. Sie können nämlich nicht blos willkürlich gedreht, ſondern auch wie die der Fröſche emporgehoben oder herausgedrückt und wieder in ihre Höhlen zurückgezogen werden und ſpielen ſomit in den verſchiedenſten Richtungen, weil unter den verſchiedenſten Winkeln zur Oberfläche des Körpers. Ein förmliches Lid, die ſehr entwickelte Nickhaut, trägt zu ihrem Schutze weſentlich bei. Dieſe lebhaft gefärbten Augen ſind, ſtreng genommen, das Einzige, welches man von dem im Sande verborgenen Flachfiſche wahrnimmt. Die Färbung der Augenſeite ſchmiegt ſich dem Grund und Boden des Gewäſſers genau in demſelben Grade an wie das Haarkleid des Haſen dem Acker oder das Gefieder des Schneehuhns dem Alpengelände, und wie bei dem letzteren wechſelt die Färbung nach Zeit und Oertlichkeit, nur mit dem Unterſchiede, daß der Wechſel nicht blos zweimal im Jahre, ſondern bei jeder Ortsveränderung eintritt. Alles, was wir dem Chamäleon andichten, finden wir verwirklicht bei den Flachfiſchen. Legt ſich einer beiſpielsweiſe auf ſandigen Grund, ſo währt es gar nicht lange, und Färbung und Zeichnung entſprechen dieſem Grunde: die gelbliche Farbe tritt hervor, die dunklere verſchwindet. Bringt man denſelben Fiſch, wie es in kleineren Behältern oft genug geſchieht, auf anderen Grund, beiſpielsweiſe auf grauen Granitkies, ſo geht die Färbung der Augenſeite ſehr bald in dieſelbe über, welche dieſer Grund hat; die früher gelblich erſcheinende Scholle, Butte oder Zunge wird grau. Das jeder Art eigene Gepräge der Farbenvertheilung und Miſchung verwiſcht ſich dabei nicht, aber es ändert ſich doch bedeutend um; und der Beobachter kommt ganz gewiß zu der Ueber- zeugung, daß bei dieſen Fiſchen auf die Färbung nur ſehr wenig Gewicht gelegt werden darf. Den Fiſchern iſt es wohl bekannt, daß in dieſem Theile des Meeres eine und dieſelbe Art der Flachfiſche dunkel, in jenem licht gefärbt iſt, der Färbung des Bodens ſtets entſprechend. So nennt man in Großbritannien diejenigen Goldbutten, welche man auf dem ſogenannten Diamantgrunde an der Suſſerküſte fängt, Diamantſchollen, weil ſie ſich durch die Reinheit ihrer braunen Färbung und den Glanz ihrer Flecken vor allen anderen auszeichnen und im Einklange mit der Bodendecke des betreffenden Grundes eine ſo gleichmäßige Färbung und Zeichnung bekommen, daß man, wäre die Veränderlichkeit der Farbe nicht bekannt, verſucht ſein könnte, eine eigene Art oder Spielart aus ihnen zu bilden.
Jn dieſer abſonderlichen Begabung, das Kleid den Verhältniſſen anzupaſſen, erklärt ſich wohl am Erſten die unverhältnißmäßige Häufigkeit der Flachfiſche. Sie ſind nicht fruchtbarer als andere Fiſche, ja, die Anzahl ihrer Eier kann ſich mit der vieler Verwandter nicht meſſen; von den Jungen aber entgehen viel mehr, als es im Allgemeinen die Regel ſein dürfte, den räuberiſchen Nachſtellungen und erlangen ſomit diejenige Größe, welche ſie befähigt, ſich ſelbſt zu ſchützen. Denn auch die Flachfiſche ſind Räuber, die großen Arten unter ihnen, welche ſich ſelbſt an Fiſche von der Größe des Kabeljaus wagen, ſehr kühne, die kleineren, welche ſich mit Krebſen und Muſcheln genügen laſſen, wenigſtens ſehr gefräßige. Jn der Mordluſt und Raubgier kommen ſich die großen wie die kleinen gleich. Sie binden mit jeder Beute an, welche ſie bewältigen zu können glauben, und ſcheuen ſich auch nicht, ſchwächere der eigenen Art anzufallen: unter den norwegiſchen Fiſchern gilt es als ausgemacht, daß die Verletzungen der flachen Seiten und der Schwanzgegend, welche man ſo oft bei ihnen bemerkt, von den größeren derſelben Art herrühren. Selbſt die ſchlimmſten Feinde der Familie,
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[612/0650]
Die Weichfloſſer. Flachfiſche.
ein Blitz die Wellen durchſchneide, ſodann wiederum ſich wende und zum Boden herabſinke. Ob eine
derartige Wendung bei jeder ſehr beſchleunigten Bewegung geſchieht oder nur zufällig vorkommt, will
ich unentſchieden laſſen; ſoviel ſcheint mir gewiß, daß der Flachfiſch es nicht nöthig hat, in der von
Yarrell angegebenen Weiſe zu ſchwimmen, ſondern ebenſo gut auch in ſeiner gewöhnlichen Lage das
Waſſer zu zertheilen vermag. Bei ſehr langſamem Schwimmen nimmt der ganze Leib an dem
wellenförmigen Spiel der Rücken- und Afterfloſſe theil; bei großer Eile ſieht man nur die Schwanz-
floſſe arbeiten.
Wirklich unterhaltend iſt es, eine im Sande halb vergrabene Scholle zu beobachten. Jhre meiſt
verſchieden großen, ſehr lebhaft gefärbten Augen, denen man einen Ausdruck von Klugheit und Ver-
ſchmitztheit zuſprechen möchte, werden abweichend von denen anderer Fiſche ohne Unterlaß bewegt.
Sie können nämlich nicht blos willkürlich gedreht, ſondern auch wie die der Fröſche emporgehoben
oder herausgedrückt und wieder in ihre Höhlen zurückgezogen werden und ſpielen ſomit in den
verſchiedenſten Richtungen, weil unter den verſchiedenſten Winkeln zur Oberfläche des Körpers. Ein
förmliches Lid, die ſehr entwickelte Nickhaut, trägt zu ihrem Schutze weſentlich bei. Dieſe lebhaft
gefärbten Augen ſind, ſtreng genommen, das Einzige, welches man von dem im Sande verborgenen
Flachfiſche wahrnimmt. Die Färbung der Augenſeite ſchmiegt ſich dem Grund und Boden des
Gewäſſers genau in demſelben Grade an wie das Haarkleid des Haſen dem Acker oder das Gefieder
des Schneehuhns dem Alpengelände, und wie bei dem letzteren wechſelt die Färbung nach Zeit und
Oertlichkeit, nur mit dem Unterſchiede, daß der Wechſel nicht blos zweimal im Jahre, ſondern bei
jeder Ortsveränderung eintritt. Alles, was wir dem Chamäleon andichten, finden wir verwirklicht
bei den Flachfiſchen. Legt ſich einer beiſpielsweiſe auf ſandigen Grund, ſo währt es gar nicht lange,
und Färbung und Zeichnung entſprechen dieſem Grunde: die gelbliche Farbe tritt hervor, die dunklere
verſchwindet. Bringt man denſelben Fiſch, wie es in kleineren Behältern oft genug geſchieht, auf
anderen Grund, beiſpielsweiſe auf grauen Granitkies, ſo geht die Färbung der Augenſeite ſehr bald
in dieſelbe über, welche dieſer Grund hat; die früher gelblich erſcheinende Scholle, Butte oder Zunge
wird grau. Das jeder Art eigene Gepräge der Farbenvertheilung und Miſchung verwiſcht ſich dabei
nicht, aber es ändert ſich doch bedeutend um; und der Beobachter kommt ganz gewiß zu der Ueber-
zeugung, daß bei dieſen Fiſchen auf die Färbung nur ſehr wenig Gewicht gelegt werden darf. Den
Fiſchern iſt es wohl bekannt, daß in dieſem Theile des Meeres eine und dieſelbe Art der Flachfiſche
dunkel, in jenem licht gefärbt iſt, der Färbung des Bodens ſtets entſprechend. So nennt man in
Großbritannien diejenigen Goldbutten, welche man auf dem ſogenannten Diamantgrunde an der
Suſſerküſte fängt, Diamantſchollen, weil ſie ſich durch die Reinheit ihrer braunen Färbung und
den Glanz ihrer Flecken vor allen anderen auszeichnen und im Einklange mit der Bodendecke des
betreffenden Grundes eine ſo gleichmäßige Färbung und Zeichnung bekommen, daß man, wäre die
Veränderlichkeit der Farbe nicht bekannt, verſucht ſein könnte, eine eigene Art oder Spielart aus
ihnen zu bilden.
Jn dieſer abſonderlichen Begabung, das Kleid den Verhältniſſen anzupaſſen, erklärt ſich wohl
am Erſten die unverhältnißmäßige Häufigkeit der Flachfiſche. Sie ſind nicht fruchtbarer als andere
Fiſche, ja, die Anzahl ihrer Eier kann ſich mit der vieler Verwandter nicht meſſen; von den
Jungen aber entgehen viel mehr, als es im Allgemeinen die Regel ſein dürfte, den räuberiſchen
Nachſtellungen und erlangen ſomit diejenige Größe, welche ſie befähigt, ſich ſelbſt zu ſchützen. Denn
auch die Flachfiſche ſind Räuber, die großen Arten unter ihnen, welche ſich ſelbſt an Fiſche von der
Größe des Kabeljaus wagen, ſehr kühne, die kleineren, welche ſich mit Krebſen und Muſcheln genügen
laſſen, wenigſtens ſehr gefräßige. Jn der Mordluſt und Raubgier kommen ſich die großen wie die
kleinen gleich. Sie binden mit jeder Beute an, welche ſie bewältigen zu können glauben, und ſcheuen
ſich auch nicht, ſchwächere der eigenen Art anzufallen: unter den norwegiſchen Fiſchern gilt es als
ausgemacht, daß die Verletzungen der flachen Seiten und der Schwanzgegend, welche man ſo oft bei
ihnen bemerkt, von den größeren derſelben Art herrühren. Selbſt die ſchlimmſten Feinde der Familie,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/650>, abgerufen am 23.12.2024.
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