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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelsische. Karpfen.
eyprinorum) und den von allen Schuppen eutblößten Lederkarpfen (Cyprinus nudus) nur als Spiel-
arten und nicht, wie man früher glaubte, als besondere Arten zu betrachten habe, daran hat man sich
lange gewöhnt; daß aber auch Karpfenrassen veränderte Körperumrisse, wie sie bei unseren warm-
blütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weise vorkommen, an sich tragen können, Das mögen
selbst mauche Fischkundige nicht einräumen.... Es kann der Karpfen, dessen Körper in ursprünglicher
Form länglich und etwas seitlich zusammengedrückt erscheint, unter gewissen Einflüssen sich länger
strecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken sich seitlich abrunden oder unter anderen Einflüssen
sich verkürzen und einen steiler ansteigenden, sowie noch mehr zusammengedrückten Rücken erhalten.
Eine dieser Rassen, bei welcher die zuerst erwähnten Veränderungen sich in sehr großer Ausdehnung
gesteigert finden, hat Heckel als besondere Art betrachtet und mit dem Namen See- oder Theis-
karpfen
(Cyprinus hungaricus) bezeichnet. Der Fisch kommt sehr häufig auf den Wiener Fischmarkt;
aber auch auf dem hiesigen (Münchener) Fischmarkte werden von Zeit zu Zeit Teichkarpfen feil-
geboten, welche aus schwäbischen Gegenden stammen und von dem Seekarpfen sich in Nichts unter-
scheiden. Der fast cylindrische Leib, der beinahe ganz gerade verlaufende lange Rücken, welcher seinen
Höhepunkt schon weit vor dem Anfange der Rückenflosse erreicht, die stumpfe Schnauze mit der nur
wenig nach vorn aufsteigenden Mundspalte und der ganz gerade Verlauf des Bauches, alle diese
Merkmale, welche Heckel als hauptsächlichste seines Karpfens hervorhebt, finden sich bei den vorhin
erwähnten, auf dem Münchener Fischmarkte eingetroffenen Teichkarpfen ausgeprägt.

"Eine Mittelform zwischen den weniger gestreckten Teichkarpfen und dem sehr laug gestreckten
ungarischen Seekarpfen stellt die von Bonaparte ebenfalls zu einer besonderen Art erhobene und
als Karpfenkönigin (Cyprinus regina) bezeichnete Spielart dar. Auch diese Rasse kann ich unter
den vielen Zuchtkarpfen, welche aus den verschiedenen Teichen von Baiern, Schwaben, der Oberpfalz,
Franken und Böhmen hierher zu Markte gebracht werden, mit Leichtigkeit herausfinden.

"Eine zweite Reihe der Spielarten, zu welchen der Teichkarpfen auf der anderen Seite ausarten
kann, umfaßt die kurzleibigen, hochrückigen Formen, unter denen die von Heckel und Kner als
Spitzkarpfen (Cyprinus acuminatus) beschriebene und abgebildete, sich als die kürzeste und am
Meisten hochrückige Spielart auszeichnet. Es bewohnt diese Rasse die Donau, den Neusiedler- und
Plattensee. Unter den verschiedenen kurzleibigen und hochrückigen Teichkarpfen, welche nebst den
Spiegelkarpfen in großer Anzahl aus der Umgegend von Dünkelsbühl zum Verkauf hierher geliesert
werden, konnte ich zu wiederholten Malen Formen unterscheiden, auf welche die Beschreibung des
Spitzkarpfens vollständig paßte."

Daß die verschiedenen Karpfenformen ebensowohl in südlichen als nördlichen, in westlichen als
in östlichen Gegenden vorkommen, erklärt sich durch die Leichtigkeit, gerade diesen Fisch zu versenden
und zu verpflanzen, sowie durch die Annnahme, daß gleiche Bedingungen und Ursachen dieselben
Erscheinungen und Wirkungen hervorbringen mögen.

Der Karpfen war bereits den alten Griechen und Römern bekannt, wurde aber von ihnen minder
geschätzt als von uns. Einzelne Forscher haben hieraus den Schluß gezogen, daß er vom südlichen
Europa her in Deutschland und Frankreich eingebürgert worden sei; es läßt sich jedoch ebensogut
annehmen, daß er unsere größeren Ströme, mindestens die Donau, von jeher bewohnt haben möge.
Nach Pallas findet er sich im kaspischen Meere und seinen Zuflüssen in beträchtlicher Menge, da
er auch in den salzreichsten Sümpfen aushält; nicht minder häufig kommt er in den Flüssen des
schwarzen Meeres, seltener in diesem selbst vor. Während des Sommers hält er sich massenhaft
in den seichten Gewässern zwischen den Watten auf; im Herbst steigt er vom Meere aus in den
Flüssen zu Berge, um hier zu überwintern. Jm nördlichen Nußland und in Sibirien fehlt er, tritt
dagegen in denjenigen Flüssen, welche sich nach Osten hin in die betreffenden Theile des großen Welt-
meeres ergießen, wieder auf. Daß er im nördlichen Europa eingeführt und bezüglich weiter verbreitet
worden ist, unterliegt keinem Zweifel. Jn Altpreußen soll er erst um das Jahr 1769 angesiedelt,
nach den Ostseeprovinzen Rußlands noch später gebracht worden sein. Von Deutschland und

Die Edelſiſche. Karpfen.
eyprinorum) und den von allen Schuppen eutblößten Lederkarpfen (Cyprinus nudus) nur als Spiel-
arten und nicht, wie man früher glaubte, als beſondere Arten zu betrachten habe, daran hat man ſich
lange gewöhnt; daß aber auch Karpfenraſſen veränderte Körperumriſſe, wie ſie bei unſeren warm-
blütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weiſe vorkommen, an ſich tragen können, Das mögen
ſelbſt mauche Fiſchkundige nicht einräumen.... Es kann der Karpfen, deſſen Körper in urſprünglicher
Form länglich und etwas ſeitlich zuſammengedrückt erſcheint, unter gewiſſen Einflüſſen ſich länger
ſtrecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken ſich ſeitlich abrunden oder unter anderen Einflüſſen
ſich verkürzen und einen ſteiler anſteigenden, ſowie noch mehr zuſammengedrückten Rücken erhalten.
Eine dieſer Raſſen, bei welcher die zuerſt erwähnten Veränderungen ſich in ſehr großer Ausdehnung
geſteigert finden, hat Heckel als beſondere Art betrachtet und mit dem Namen See- oder Theis-
karpfen
(Cyprinus hungaricus) bezeichnet. Der Fiſch kommt ſehr häufig auf den Wiener Fiſchmarkt;
aber auch auf dem hieſigen (Münchener) Fiſchmarkte werden von Zeit zu Zeit Teichkarpfen feil-
geboten, welche aus ſchwäbiſchen Gegenden ſtammen und von dem Seekarpfen ſich in Nichts unter-
ſcheiden. Der faſt cylindriſche Leib, der beinahe ganz gerade verlaufende lange Rücken, welcher ſeinen
Höhepunkt ſchon weit vor dem Anfange der Rückenfloſſe erreicht, die ſtumpfe Schnauze mit der nur
wenig nach vorn aufſteigenden Mundſpalte und der ganz gerade Verlauf des Bauches, alle dieſe
Merkmale, welche Heckel als hauptſächlichſte ſeines Karpfens hervorhebt, finden ſich bei den vorhin
erwähnten, auf dem Münchener Fiſchmarkte eingetroffenen Teichkarpfen ausgeprägt.

„Eine Mittelform zwiſchen den weniger geſtreckten Teichkarpfen und dem ſehr laug geſtreckten
ungariſchen Seekarpfen ſtellt die von Bonaparte ebenfalls zu einer beſonderen Art erhobene und
als Karpfenkönigin (Cyprinus regina) bezeichnete Spielart dar. Auch dieſe Raſſe kann ich unter
den vielen Zuchtkarpfen, welche aus den verſchiedenen Teichen von Baiern, Schwaben, der Oberpfalz,
Franken und Böhmen hierher zu Markte gebracht werden, mit Leichtigkeit herausfinden.

„Eine zweite Reihe der Spielarten, zu welchen der Teichkarpfen auf der anderen Seite ausarten
kann, umfaßt die kurzleibigen, hochrückigen Formen, unter denen die von Heckel und Kner als
Spitzkarpfen (Cyprinus acuminatus) beſchriebene und abgebildete, ſich als die kürzeſte und am
Meiſten hochrückige Spielart auszeichnet. Es bewohnt dieſe Raſſe die Donau, den Neuſiedler- und
Plattenſee. Unter den verſchiedenen kurzleibigen und hochrückigen Teichkarpfen, welche nebſt den
Spiegelkarpfen in großer Anzahl aus der Umgegend von Dünkelsbühl zum Verkauf hierher gelieſert
werden, konnte ich zu wiederholten Malen Formen unterſcheiden, auf welche die Beſchreibung des
Spitzkarpfens vollſtändig paßte.“

Daß die verſchiedenen Karpfenformen ebenſowohl in ſüdlichen als nördlichen, in weſtlichen als
in öſtlichen Gegenden vorkommen, erklärt ſich durch die Leichtigkeit, gerade dieſen Fiſch zu verſenden
und zu verpflanzen, ſowie durch die Annnahme, daß gleiche Bedingungen und Urſachen dieſelben
Erſcheinungen und Wirkungen hervorbringen mögen.

Der Karpfen war bereits den alten Griechen und Römern bekannt, wurde aber von ihnen minder
geſchätzt als von uns. Einzelne Forſcher haben hieraus den Schluß gezogen, daß er vom ſüdlichen
Europa her in Deutſchland und Frankreich eingebürgert worden ſei; es läßt ſich jedoch ebenſogut
annehmen, daß er unſere größeren Ströme, mindeſtens die Donau, von jeher bewohnt haben möge.
Nach Pallas findet er ſich im kaspiſchen Meere und ſeinen Zuflüſſen in beträchtlicher Menge, da
er auch in den ſalzreichſten Sümpfen aushält; nicht minder häufig kommt er in den Flüſſen des
ſchwarzen Meeres, ſeltener in dieſem ſelbſt vor. Während des Sommers hält er ſich maſſenhaft
in den ſeichten Gewäſſern zwiſchen den Watten auf; im Herbſt ſteigt er vom Meere aus in den
Flüſſen zu Berge, um hier zu überwintern. Jm nördlichen Nußland und in Sibirien fehlt er, tritt
dagegen in denjenigen Flüſſen, welche ſich nach Oſten hin in die betreffenden Theile des großen Welt-
meeres ergießen, wieder auf. Daß er im nördlichen Europa eingeführt und bezüglich weiter verbreitet
worden iſt, unterliegt keinem Zweifel. Jn Altpreußen ſoll er erſt um das Jahr 1769 angeſiedelt,
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[646/0684] Die Edelſiſche. Karpfen. eyprinorum) und den von allen Schuppen eutblößten Lederkarpfen (Cyprinus nudus) nur als Spiel- arten und nicht, wie man früher glaubte, als beſondere Arten zu betrachten habe, daran hat man ſich lange gewöhnt; daß aber auch Karpfenraſſen veränderte Körperumriſſe, wie ſie bei unſeren warm- blütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weiſe vorkommen, an ſich tragen können, Das mögen ſelbſt mauche Fiſchkundige nicht einräumen.... Es kann der Karpfen, deſſen Körper in urſprünglicher Form länglich und etwas ſeitlich zuſammengedrückt erſcheint, unter gewiſſen Einflüſſen ſich länger ſtrecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken ſich ſeitlich abrunden oder unter anderen Einflüſſen ſich verkürzen und einen ſteiler anſteigenden, ſowie noch mehr zuſammengedrückten Rücken erhalten. Eine dieſer Raſſen, bei welcher die zuerſt erwähnten Veränderungen ſich in ſehr großer Ausdehnung geſteigert finden, hat Heckel als beſondere Art betrachtet und mit dem Namen See- oder Theis- karpfen (Cyprinus hungaricus) bezeichnet. Der Fiſch kommt ſehr häufig auf den Wiener Fiſchmarkt; aber auch auf dem hieſigen (Münchener) Fiſchmarkte werden von Zeit zu Zeit Teichkarpfen feil- geboten, welche aus ſchwäbiſchen Gegenden ſtammen und von dem Seekarpfen ſich in Nichts unter- ſcheiden. Der faſt cylindriſche Leib, der beinahe ganz gerade verlaufende lange Rücken, welcher ſeinen Höhepunkt ſchon weit vor dem Anfange der Rückenfloſſe erreicht, die ſtumpfe Schnauze mit der nur wenig nach vorn aufſteigenden Mundſpalte und der ganz gerade Verlauf des Bauches, alle dieſe Merkmale, welche Heckel als hauptſächlichſte ſeines Karpfens hervorhebt, finden ſich bei den vorhin erwähnten, auf dem Münchener Fiſchmarkte eingetroffenen Teichkarpfen ausgeprägt. „Eine Mittelform zwiſchen den weniger geſtreckten Teichkarpfen und dem ſehr laug geſtreckten ungariſchen Seekarpfen ſtellt die von Bonaparte ebenfalls zu einer beſonderen Art erhobene und als Karpfenkönigin (Cyprinus regina) bezeichnete Spielart dar. Auch dieſe Raſſe kann ich unter den vielen Zuchtkarpfen, welche aus den verſchiedenen Teichen von Baiern, Schwaben, der Oberpfalz, Franken und Böhmen hierher zu Markte gebracht werden, mit Leichtigkeit herausfinden. „Eine zweite Reihe der Spielarten, zu welchen der Teichkarpfen auf der anderen Seite ausarten kann, umfaßt die kurzleibigen, hochrückigen Formen, unter denen die von Heckel und Kner als Spitzkarpfen (Cyprinus acuminatus) beſchriebene und abgebildete, ſich als die kürzeſte und am Meiſten hochrückige Spielart auszeichnet. Es bewohnt dieſe Raſſe die Donau, den Neuſiedler- und Plattenſee. Unter den verſchiedenen kurzleibigen und hochrückigen Teichkarpfen, welche nebſt den Spiegelkarpfen in großer Anzahl aus der Umgegend von Dünkelsbühl zum Verkauf hierher gelieſert werden, konnte ich zu wiederholten Malen Formen unterſcheiden, auf welche die Beſchreibung des Spitzkarpfens vollſtändig paßte.“ Daß die verſchiedenen Karpfenformen ebenſowohl in ſüdlichen als nördlichen, in weſtlichen als in öſtlichen Gegenden vorkommen, erklärt ſich durch die Leichtigkeit, gerade dieſen Fiſch zu verſenden und zu verpflanzen, ſowie durch die Annnahme, daß gleiche Bedingungen und Urſachen dieſelben Erſcheinungen und Wirkungen hervorbringen mögen. Der Karpfen war bereits den alten Griechen und Römern bekannt, wurde aber von ihnen minder geſchätzt als von uns. Einzelne Forſcher haben hieraus den Schluß gezogen, daß er vom ſüdlichen Europa her in Deutſchland und Frankreich eingebürgert worden ſei; es läßt ſich jedoch ebenſogut annehmen, daß er unſere größeren Ströme, mindeſtens die Donau, von jeher bewohnt haben möge. Nach Pallas findet er ſich im kaspiſchen Meere und ſeinen Zuflüſſen in beträchtlicher Menge, da er auch in den ſalzreichſten Sümpfen aushält; nicht minder häufig kommt er in den Flüſſen des ſchwarzen Meeres, ſeltener in dieſem ſelbſt vor. Während des Sommers hält er ſich maſſenhaft in den ſeichten Gewäſſern zwiſchen den Watten auf; im Herbſt ſteigt er vom Meere aus in den Flüſſen zu Berge, um hier zu überwintern. Jm nördlichen Nußland und in Sibirien fehlt er, tritt dagegen in denjenigen Flüſſen, welche ſich nach Oſten hin in die betreffenden Theile des großen Welt- meeres ergießen, wieder auf. Daß er im nördlichen Europa eingeführt und bezüglich weiter verbreitet worden iſt, unterliegt keinem Zweifel. Jn Altpreußen ſoll er erſt um das Jahr 1769 angeſiedelt, nach den Oſtſeeprovinzen Rußlands noch ſpäter gebracht worden ſein. Von Deutſchland und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/684>, abgerufen am 22.12.2024.