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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Barben. Gründlinge.

Das Fleisch der Barbe ist schlecht, d. h. nicht nach Jedermanns Geschmack und dabei so mit
Gräten durchwebt, daß man es kaum genießen kann. Dementsprechend werden gefangene Fische
dieser Art immer billig losgeschlagen, zuweilen nur als Viehfutter oder Dung verwendet. Eigen-
thümlich und bisjetzt noch unerklärlich ist, daß der Rogen giftige Eigenschaften hat. "Seine Eyer",
sagt schon Geßner, "sind gantz schädlich: dann sie führen den Menschen in gefahr Leibes vnd Lebens
mit großer pein und schmertzen: nemlich sie bewegen den gantzen Leib mit starckem treiben oben vnd
vnden auß, mit grosser Angst vnd blödigkeit: welches die täglich erfahrung in vielen Leuthen genugsam
erzeiget. Auß der vrsach soll sein Rogen wie gemeldt zu stundt hinweg geworffen werden, damit er
nit durch vnwissenheit in die Speiß komme". Das ist vollkommen richtig; mögen Einzelne hierüber
spotten, wie sie wollen; ich selbst habe die Wahrheit an mir und meiner Familie erfahren.

Zur Teichwirthschaft eignet sich die Barbe insofern, als sie Leo's berühmt gewordenen "Hecht
im Karpfenteiche" ersetzen kann, d. h. die trägen Karpfen aufrührt, in Bewegung bringt und so, wie
man annimmt, vor Krankheiten bewahrt. Jm engeren Gewahrsam hält sie sich gut und erfreut
durch ihre Vorsicht, Beweglichkeit und Spiellust.



Von den Barben unterscheiden sich die Gründlinge (Gobio) durch die langen Bärteln in den
Mundwinkeln, die hochgestellten Augen, das Fehlen des Stachels in der Rückenflosse, die größeren
Schuppen und die jederseits in zwei Reihen zu drei oder zwei und zu fünf geordneten hakenförmigen
Schlundzähne.

Der Greßling oder Gräsling, die Flußkresse, der Flußgründling (Gobio vulgaris)
erreicht eine Länge von 4 bis 5, höchstens 6 bis 7 Zoll und ist oben auf schwärzlichgrauem Grunde
dunkelgrün oder schwarzblau gefleckt, besonders deutlich längs der Seitenlinie, unten silberglänzend
mit mehr oder minder deutlichem, röthlichen Schimmer; Rücken- und Schwanzflosse zeigen auf
gelblichem Grunde schwarzbraune Flecken; die übrigen sind einfarbig blaßgelb oder roth. Jn der
Rückenflosse stehen 3 und 7, in der Brustflosse 1 und 14, in der Bauchflosse 2 und 17, in der After-
flosse 3 und 6, in der Schwanzflosse 19 Strahlen.

Ueber einen großen Theil Europas verbreitet, herbergt der Greßling vorzugsweise in Seen,
Flüssen und Bächen, findet sich jedoch auch in Sümpfen und selbst in unterirdischen Gewässern, wie
z. B. in der Adelsberger Grotte. Jn den deutschen Strömen gehört er zu den gewöhnlichen Fischen;
in Rußland ist er ebenfalls nicht selten, in Großbritannien und Jrland ebenso häufig als auf dem
Festlande. Reines Wasser mit Sand- oder Kieselgrunde zieht er jedem anderen vor und kommt
dementsprechend auf einzelnen Stellen selten, auf anderen außerordentlich häufig vor. Fast immer
sieht man ihn in zahlreichen, dicht gedrängten Schaaren, da ihm Geselligkeit Bedürfniß zu sein
scheint. Seine Nahrung besteht aus Fischbrut, Würmern, faulendem Fleische und Pflanzenstoffen.
Wegen seiner großen Vorliebe für Aas sagt man, daß er ein Todtengräber sei. Als man nach der
Belagerung von Wien 1683 die erschlagenen Türken nebst den getödteten Pferden, um sie los zu
werden, in die Donau warf, fand man später, wie Marsigli erzählt, sehr viele Gründlinge in der
Nähe des Aases oder in den Leibeshöhlen desselben und bemerkte dabei, daß sie die Menschen den
Rossen entschieden vorzogen.

Jm Frühling steigt der Gründling massenweise aus den Seen in die Flüsse empor, um hier
seinen Laich abzusetzen. Während der Fortpflanzungszeit dunkelt seine Färbung, und gleichzeitig
entwickelt sich beim Männchen ein feinkörniger Ausschlag auf dem Scheitel, auf den Schuppen des
Rückens und der Seiten und den Brustflossenstrahlen, außerdem eine eigenthümliche Hautwucherung.
Das Laichen erfolgt vom Mai an in Absätzen und währt etwa vier Wochen. Rusconi, ein

Die Edelfiſche. Barben. Gründlinge.

Das Fleiſch der Barbe iſt ſchlecht, d. h. nicht nach Jedermanns Geſchmack und dabei ſo mit
Gräten durchwebt, daß man es kaum genießen kann. Dementſprechend werden gefangene Fiſche
dieſer Art immer billig losgeſchlagen, zuweilen nur als Viehfutter oder Dung verwendet. Eigen-
thümlich und bisjetzt noch unerklärlich iſt, daß der Rogen giftige Eigenſchaften hat. „Seine Eyer“,
ſagt ſchon Geßner, „ſind gantz ſchädlich: dann ſie führen den Menſchen in gefahr Leibes vnd Lebens
mit großer pein und ſchmertzen: nemlich ſie bewegen den gantzen Leib mit ſtarckem treiben oben vnd
vnden auß, mit groſſer Angſt vnd blödigkeit: welches die täglich erfahrung in vielen Leuthen genugſam
erzeiget. Auß der vrſach ſoll ſein Rogen wie gemeldt zu ſtundt hinweg geworffen werden, damit er
nit durch vnwiſſenheit in die Speiß komme“. Das iſt vollkommen richtig; mögen Einzelne hierüber
ſpotten, wie ſie wollen; ich ſelbſt habe die Wahrheit an mir und meiner Familie erfahren.

Zur Teichwirthſchaft eignet ſich die Barbe inſofern, als ſie Leo’s berühmt gewordenen „Hecht
im Karpfenteiche“ erſetzen kann, d. h. die trägen Karpfen aufrührt, in Bewegung bringt und ſo, wie
man annimmt, vor Krankheiten bewahrt. Jm engeren Gewahrſam hält ſie ſich gut und erfreut
durch ihre Vorſicht, Beweglichkeit und Spielluſt.



Von den Barben unterſcheiden ſich die Gründlinge (Gobio) durch die langen Bärteln in den
Mundwinkeln, die hochgeſtellten Augen, das Fehlen des Stachels in der Rückenfloſſe, die größeren
Schuppen und die jederſeits in zwei Reihen zu drei oder zwei und zu fünf geordneten hakenförmigen
Schlundzähne.

Der Greßling oder Gräsling, die Flußkreſſe, der Flußgründling (Gobio vulgaris)
erreicht eine Länge von 4 bis 5, höchſtens 6 bis 7 Zoll und iſt oben auf ſchwärzlichgrauem Grunde
dunkelgrün oder ſchwarzblau gefleckt, beſonders deutlich längs der Seitenlinie, unten ſilberglänzend
mit mehr oder minder deutlichem, röthlichen Schimmer; Rücken- und Schwanzfloſſe zeigen auf
gelblichem Grunde ſchwarzbraune Flecken; die übrigen ſind einfarbig blaßgelb oder roth. Jn der
Rückenfloſſe ſtehen 3 und 7, in der Bruſtfloſſe 1 und 14, in der Bauchfloſſe 2 und 17, in der After-
floſſe 3 und 6, in der Schwanzfloſſe 19 Strahlen.

Ueber einen großen Theil Europas verbreitet, herbergt der Greßling vorzugsweiſe in Seen,
Flüſſen und Bächen, findet ſich jedoch auch in Sümpfen und ſelbſt in unterirdiſchen Gewäſſern, wie
z. B. in der Adelsberger Grotte. Jn den deutſchen Strömen gehört er zu den gewöhnlichen Fiſchen;
in Rußland iſt er ebenfalls nicht ſelten, in Großbritannien und Jrland ebenſo häufig als auf dem
Feſtlande. Reines Waſſer mit Sand- oder Kieſelgrunde zieht er jedem anderen vor und kommt
dementſprechend auf einzelnen Stellen ſelten, auf anderen außerordentlich häufig vor. Faſt immer
ſieht man ihn in zahlreichen, dicht gedrängten Schaaren, da ihm Geſelligkeit Bedürfniß zu ſein
ſcheint. Seine Nahrung beſteht aus Fiſchbrut, Würmern, faulendem Fleiſche und Pflanzenſtoffen.
Wegen ſeiner großen Vorliebe für Aas ſagt man, daß er ein Todtengräber ſei. Als man nach der
Belagerung von Wien 1683 die erſchlagenen Türken nebſt den getödteten Pferden, um ſie los zu
werden, in die Donau warf, fand man ſpäter, wie Marſigli erzählt, ſehr viele Gründlinge in der
Nähe des Aaſes oder in den Leibeshöhlen deſſelben und bemerkte dabei, daß ſie die Menſchen den
Roſſen entſchieden vorzogen.

Jm Frühling ſteigt der Gründling maſſenweiſe aus den Seen in die Flüſſe empor, um hier
ſeinen Laich abzuſetzen. Während der Fortpflanzungszeit dunkelt ſeine Färbung, und gleichzeitig
entwickelt ſich beim Männchen ein feinkörniger Ausſchlag auf dem Scheitel, auf den Schuppen des
Rückens und der Seiten und den Bruſtfloſſenſtrahlen, außerdem eine eigenthümliche Hautwucherung.
Das Laichen erfolgt vom Mai an in Abſätzen und währt etwa vier Wochen. Rusconi, ein

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[656/0694] Die Edelfiſche. Barben. Gründlinge. Das Fleiſch der Barbe iſt ſchlecht, d. h. nicht nach Jedermanns Geſchmack und dabei ſo mit Gräten durchwebt, daß man es kaum genießen kann. Dementſprechend werden gefangene Fiſche dieſer Art immer billig losgeſchlagen, zuweilen nur als Viehfutter oder Dung verwendet. Eigen- thümlich und bisjetzt noch unerklärlich iſt, daß der Rogen giftige Eigenſchaften hat. „Seine Eyer“, ſagt ſchon Geßner, „ſind gantz ſchädlich: dann ſie führen den Menſchen in gefahr Leibes vnd Lebens mit großer pein und ſchmertzen: nemlich ſie bewegen den gantzen Leib mit ſtarckem treiben oben vnd vnden auß, mit groſſer Angſt vnd blödigkeit: welches die täglich erfahrung in vielen Leuthen genugſam erzeiget. Auß der vrſach ſoll ſein Rogen wie gemeldt zu ſtundt hinweg geworffen werden, damit er nit durch vnwiſſenheit in die Speiß komme“. Das iſt vollkommen richtig; mögen Einzelne hierüber ſpotten, wie ſie wollen; ich ſelbſt habe die Wahrheit an mir und meiner Familie erfahren. Zur Teichwirthſchaft eignet ſich die Barbe inſofern, als ſie Leo’s berühmt gewordenen „Hecht im Karpfenteiche“ erſetzen kann, d. h. die trägen Karpfen aufrührt, in Bewegung bringt und ſo, wie man annimmt, vor Krankheiten bewahrt. Jm engeren Gewahrſam hält ſie ſich gut und erfreut durch ihre Vorſicht, Beweglichkeit und Spielluſt. Von den Barben unterſcheiden ſich die Gründlinge (Gobio) durch die langen Bärteln in den Mundwinkeln, die hochgeſtellten Augen, das Fehlen des Stachels in der Rückenfloſſe, die größeren Schuppen und die jederſeits in zwei Reihen zu drei oder zwei und zu fünf geordneten hakenförmigen Schlundzähne. Der Greßling oder Gräsling, die Flußkreſſe, der Flußgründling (Gobio vulgaris) erreicht eine Länge von 4 bis 5, höchſtens 6 bis 7 Zoll und iſt oben auf ſchwärzlichgrauem Grunde dunkelgrün oder ſchwarzblau gefleckt, beſonders deutlich längs der Seitenlinie, unten ſilberglänzend mit mehr oder minder deutlichem, röthlichen Schimmer; Rücken- und Schwanzfloſſe zeigen auf gelblichem Grunde ſchwarzbraune Flecken; die übrigen ſind einfarbig blaßgelb oder roth. Jn der Rückenfloſſe ſtehen 3 und 7, in der Bruſtfloſſe 1 und 14, in der Bauchfloſſe 2 und 17, in der After- floſſe 3 und 6, in der Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Ueber einen großen Theil Europas verbreitet, herbergt der Greßling vorzugsweiſe in Seen, Flüſſen und Bächen, findet ſich jedoch auch in Sümpfen und ſelbſt in unterirdiſchen Gewäſſern, wie z. B. in der Adelsberger Grotte. Jn den deutſchen Strömen gehört er zu den gewöhnlichen Fiſchen; in Rußland iſt er ebenfalls nicht ſelten, in Großbritannien und Jrland ebenſo häufig als auf dem Feſtlande. Reines Waſſer mit Sand- oder Kieſelgrunde zieht er jedem anderen vor und kommt dementſprechend auf einzelnen Stellen ſelten, auf anderen außerordentlich häufig vor. Faſt immer ſieht man ihn in zahlreichen, dicht gedrängten Schaaren, da ihm Geſelligkeit Bedürfniß zu ſein ſcheint. Seine Nahrung beſteht aus Fiſchbrut, Würmern, faulendem Fleiſche und Pflanzenſtoffen. Wegen ſeiner großen Vorliebe für Aas ſagt man, daß er ein Todtengräber ſei. Als man nach der Belagerung von Wien 1683 die erſchlagenen Türken nebſt den getödteten Pferden, um ſie los zu werden, in die Donau warf, fand man ſpäter, wie Marſigli erzählt, ſehr viele Gründlinge in der Nähe des Aaſes oder in den Leibeshöhlen deſſelben und bemerkte dabei, daß ſie die Menſchen den Roſſen entſchieden vorzogen. Jm Frühling ſteigt der Gründling maſſenweiſe aus den Seen in die Flüſſe empor, um hier ſeinen Laich abzuſetzen. Während der Fortpflanzungszeit dunkelt ſeine Färbung, und gleichzeitig entwickelt ſich beim Männchen ein feinkörniger Ausſchlag auf dem Scheitel, auf den Schuppen des Rückens und der Seiten und den Bruſtfloſſenſtrahlen, außerdem eine eigenthümliche Hautwucherung. Das Laichen erfolgt vom Mai an in Abſätzen und währt etwa vier Wochen. Rusconi, ein

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/694>, abgerufen am 22.12.2024.