denkt man freilich anders als früher und sucht die bis dahin vogelfreien Junglachse soviel als möglich zu schützen, verspürt davon auch bereits jetzt die erfreulichsten Ergebnisse.
Alle Feinde, welche unseren Flußfischen insgemein nachstellen, gefährden auch die Lachse und vertilgen einen so großen Theil von ihnen, daß vielleicht kaum mehr als zehn von hundert gelegten Eiern zur Entwicklung gelangen und ansehnliche Lachse liefern. Der am schlimmsten hausende Feind der Fische ist selbstverständlich der Mensch. Weitaus die meisten Fischer können es nicht über sich gewinnen, rechtzeitig zu hegen, sondern betreiben gerade während der Fortpflanzungszeit den Fang am eifrigsten und schonen nicht einmal diejenigen Lachse, welche gerade mit dem Legen der Eier beschäftigt sind und sich, vom Fortpflanzungstriebe vollständig in Anspruch genommen, mit leichter Mühe aus dem Wasser heben lassen. Sie verfolgen auch, wie wir eben gesehen haben, die Jungen in der unverantwortlichsten Weise, weil sie nicht anerkennen wollen, daß die Schonung der- selben ihnen reichlichen Gewinn bringen müßte. Jn Großbritannien streben die größeren Grundbesitzer jetzt eifrig darnach, sich mit einander zu vereinigen, um den Lachsen während der von ihnen auf- gestellten Schonungszeit nachdrücklicheren Schutz zu gewähren, als die bestehenden Gesetze ihn verleihen konnten; und trotzdem ist man dort allgemein der Ansicht, daß nur nach fünfjähriger Ruhe, d. h. Unterlassung aller Lachsfischerei überhaupt, die Flüsse wiederum in erträglicher Weise bevölkert werden könnten. Eine solang anhaltende Unterdrückung des Fanges aber ist aus dem Grunde kaum durchzuführen, weil mehrere große Grundbesitzer einen sehr wesentlichen Theil ihrer Einnahmen aus dem Lachsfange ziehen, einzelne von ihnen bis zu zwanzigtausend Pfund Sterling jährlich. So beträchtliche Summen können selbst die reicheren Engländer für die Dauer von fünf Jahren nicht entbehren; die Minderbegüterten aber werden sich, selbst wenn jene dieses Opfer bringen wollten, schwerlich herbeilassen, auch ihrerseits fünf Jahre lang nicht zu fischen. So haben sie sich einstweilen auf die künstliche Fischzucht geworfen und dadurch zum wesentlichen Theile die bereits gewonnenen Erfolge erzielt. Jn Deutschland wird sich früher oder später die Nothwendigkeit, ähnlich zu ver- fahren, herausstellen, dann wohl auch unserer Fischerei einigermaßen wiederum aufgeholfen werden. Einstweilen freilich gehören solche Wünsche zu den frommen.
Der Fang geschieht in sehr verschiedener Weise, mit mancherlei Garnen, in Reusen, Lachsfallen, welche oberhalb der Wehre so angebracht werden, daß der Lachs beim Ueberspringen in sie fällt, vermittels Wurfspeeren, sogenannter Gehren, mit denen man vom Boote aus die durch Feuer herbei- gezogenen Fische ansticht, in Großbritannien aber vorzugsweise mittels der Angel, welche für den Lachsfang besonders eingerichtet und von den Engländern mit außerordentlicher Geschicklichkeit gehandhabt wird. Einem leidenschaftlichen Lachsfischer kommt es nämlich keineswegs darauf an, einen Lachs, welcher angebissen, sobald als möglich auf das Land zu bringen, vielmehr, wie man sich ausdrückt, mit ihm zu spielen, d. h. ihn in kunstgerechter Weise zu landen. Große Künstler in diesem Fache "spielen" stundenlang, indem sie den Fisch bald wegschießen lassen, bald wieder heranziehen, jede Bewegung auf das Sorgfältigste überwachend. Man muß ein Engländer sein, um dieses Ver- gnügen seinem vollen Werthe nach zu würdigen. Hoch oben in der Nähe des Nordkap, am Tana- Elf, habe ich sie sitzen sehen, diese unverwüstlichen Fischer, mit einem aus Mücken gebildeten Heiligenscheine umgeben, eingehüllt in dichte Schleier, um sich vor den blutgierigen Kerbthieren wenigstens eingermaßen zu schützen. Jn der Nähe ansprechender Stromschnellen hatten sie Zelte aufgeschlagen, inmitten der Birkenwaldungen sich auf Wochen mit den nothwendigsten Lebens- bedürfnissen versehen, und standhaft wie Helden ertrugen sie Wind und Wetter, Einsamkeit und Mücken, schmale Kost und Mangel an Gesellschaft, zahlten auch ohne Widerrede den Normannen einen Pacht von sechshundert bis tausend Speziesthaler für das Recht, sechs Wochen lang hier fischen zu dürfen, und gaben außerdem noch den größten Theil ihrer Beute unentgeltlich an die Besitzer der benachbarten Gehöfte ab. Solche Aufopferung ist mir wenigstens unverständlich.
Salm.
denkt man freilich anders als früher und ſucht die bis dahin vogelfreien Junglachſe ſoviel als möglich zu ſchützen, verſpürt davon auch bereits jetzt die erfreulichſten Ergebniſſe.
Alle Feinde, welche unſeren Flußfiſchen insgemein nachſtellen, gefährden auch die Lachſe und vertilgen einen ſo großen Theil von ihnen, daß vielleicht kaum mehr als zehn von hundert gelegten Eiern zur Entwicklung gelangen und anſehnliche Lachſe liefern. Der am ſchlimmſten hauſende Feind der Fiſche iſt ſelbſtverſtändlich der Menſch. Weitaus die meiſten Fiſcher können es nicht über ſich gewinnen, rechtzeitig zu hegen, ſondern betreiben gerade während der Fortpflanzungszeit den Fang am eifrigſten und ſchonen nicht einmal diejenigen Lachſe, welche gerade mit dem Legen der Eier beſchäftigt ſind und ſich, vom Fortpflanzungstriebe vollſtändig in Anſpruch genommen, mit leichter Mühe aus dem Waſſer heben laſſen. Sie verfolgen auch, wie wir eben geſehen haben, die Jungen in der unverantwortlichſten Weiſe, weil ſie nicht anerkennen wollen, daß die Schonung der- ſelben ihnen reichlichen Gewinn bringen müßte. Jn Großbritannien ſtreben die größeren Grundbeſitzer jetzt eifrig darnach, ſich mit einander zu vereinigen, um den Lachſen während der von ihnen auf- geſtellten Schonungszeit nachdrücklicheren Schutz zu gewähren, als die beſtehenden Geſetze ihn verleihen konnten; und trotzdem iſt man dort allgemein der Anſicht, daß nur nach fünfjähriger Ruhe, d. h. Unterlaſſung aller Lachsfiſcherei überhaupt, die Flüſſe wiederum in erträglicher Weiſe bevölkert werden könnten. Eine ſolang anhaltende Unterdrückung des Fanges aber iſt aus dem Grunde kaum durchzuführen, weil mehrere große Grundbeſitzer einen ſehr weſentlichen Theil ihrer Einnahmen aus dem Lachsfange ziehen, einzelne von ihnen bis zu zwanzigtauſend Pfund Sterling jährlich. So beträchtliche Summen können ſelbſt die reicheren Engländer für die Dauer von fünf Jahren nicht entbehren; die Minderbegüterten aber werden ſich, ſelbſt wenn jene dieſes Opfer bringen wollten, ſchwerlich herbeilaſſen, auch ihrerſeits fünf Jahre lang nicht zu fiſchen. So haben ſie ſich einſtweilen auf die künſtliche Fiſchzucht geworfen und dadurch zum weſentlichen Theile die bereits gewonnenen Erfolge erzielt. Jn Deutſchland wird ſich früher oder ſpäter die Nothwendigkeit, ähnlich zu ver- fahren, herausſtellen, dann wohl auch unſerer Fiſcherei einigermaßen wiederum aufgeholfen werden. Einſtweilen freilich gehören ſolche Wünſche zu den frommen.
Der Fang geſchieht in ſehr verſchiedener Weiſe, mit mancherlei Garnen, in Reuſen, Lachsfallen, welche oberhalb der Wehre ſo angebracht werden, daß der Lachs beim Ueberſpringen in ſie fällt, vermittels Wurfſpeeren, ſogenannter Gehren, mit denen man vom Boote aus die durch Feuer herbei- gezogenen Fiſche anſticht, in Großbritannien aber vorzugsweiſe mittels der Angel, welche für den Lachsfang beſonders eingerichtet und von den Engländern mit außerordentlicher Geſchicklichkeit gehandhabt wird. Einem leidenſchaftlichen Lachsfiſcher kommt es nämlich keineswegs darauf an, einen Lachs, welcher angebiſſen, ſobald als möglich auf das Land zu bringen, vielmehr, wie man ſich ausdrückt, mit ihm zu ſpielen, d. h. ihn in kunſtgerechter Weiſe zu landen. Große Künſtler in dieſem Fache „ſpielen“ ſtundenlang, indem ſie den Fiſch bald wegſchießen laſſen, bald wieder heranziehen, jede Bewegung auf das Sorgfältigſte überwachend. Man muß ein Engländer ſein, um dieſes Ver- gnügen ſeinem vollen Werthe nach zu würdigen. Hoch oben in der Nähe des Nordkap, am Tana- Elf, habe ich ſie ſitzen ſehen, dieſe unverwüſtlichen Fiſcher, mit einem aus Mücken gebildeten Heiligenſcheine umgeben, eingehüllt in dichte Schleier, um ſich vor den blutgierigen Kerbthieren wenigſtens eingermaßen zu ſchützen. Jn der Nähe anſprechender Stromſchnellen hatten ſie Zelte aufgeſchlagen, inmitten der Birkenwaldungen ſich auf Wochen mit den nothwendigſten Lebens- bedürfniſſen verſehen, und ſtandhaft wie Helden ertrugen ſie Wind und Wetter, Einſamkeit und Mücken, ſchmale Koſt und Mangel an Geſellſchaft, zahlten auch ohne Widerrede den Normannen einen Pacht von ſechshundert bis tauſend Speziesthaler für das Recht, ſechs Wochen lang hier fiſchen zu dürfen, und gaben außerdem noch den größten Theil ihrer Beute unentgeltlich an die Beſitzer der benachbarten Gehöfte ab. Solche Aufopferung iſt mir wenigſtens unverſtändlich.
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Salm.
denkt man freilich anders als früher und ſucht die bis dahin vogelfreien Junglachſe ſoviel als
möglich zu ſchützen, verſpürt davon auch bereits jetzt die erfreulichſten Ergebniſſe.
Alle Feinde, welche unſeren Flußfiſchen insgemein nachſtellen, gefährden auch die Lachſe und
vertilgen einen ſo großen Theil von ihnen, daß vielleicht kaum mehr als zehn von hundert gelegten
Eiern zur Entwicklung gelangen und anſehnliche Lachſe liefern. Der am ſchlimmſten hauſende
Feind der Fiſche iſt ſelbſtverſtändlich der Menſch. Weitaus die meiſten Fiſcher können es nicht über
ſich gewinnen, rechtzeitig zu hegen, ſondern betreiben gerade während der Fortpflanzungszeit den
Fang am eifrigſten und ſchonen nicht einmal diejenigen Lachſe, welche gerade mit dem Legen der
Eier beſchäftigt ſind und ſich, vom Fortpflanzungstriebe vollſtändig in Anſpruch genommen, mit
leichter Mühe aus dem Waſſer heben laſſen. Sie verfolgen auch, wie wir eben geſehen haben, die
Jungen in der unverantwortlichſten Weiſe, weil ſie nicht anerkennen wollen, daß die Schonung der-
ſelben ihnen reichlichen Gewinn bringen müßte. Jn Großbritannien ſtreben die größeren Grundbeſitzer
jetzt eifrig darnach, ſich mit einander zu vereinigen, um den Lachſen während der von ihnen auf-
geſtellten Schonungszeit nachdrücklicheren Schutz zu gewähren, als die beſtehenden Geſetze ihn verleihen
konnten; und trotzdem iſt man dort allgemein der Anſicht, daß nur nach fünfjähriger Ruhe, d. h.
Unterlaſſung aller Lachsfiſcherei überhaupt, die Flüſſe wiederum in erträglicher Weiſe bevölkert
werden könnten. Eine ſolang anhaltende Unterdrückung des Fanges aber iſt aus dem Grunde kaum
durchzuführen, weil mehrere große Grundbeſitzer einen ſehr weſentlichen Theil ihrer Einnahmen aus
dem Lachsfange ziehen, einzelne von ihnen bis zu zwanzigtauſend Pfund Sterling jährlich. So
beträchtliche Summen können ſelbſt die reicheren Engländer für die Dauer von fünf Jahren nicht
entbehren; die Minderbegüterten aber werden ſich, ſelbſt wenn jene dieſes Opfer bringen wollten,
ſchwerlich herbeilaſſen, auch ihrerſeits fünf Jahre lang nicht zu fiſchen. So haben ſie ſich einſtweilen
auf die künſtliche Fiſchzucht geworfen und dadurch zum weſentlichen Theile die bereits gewonnenen
Erfolge erzielt. Jn Deutſchland wird ſich früher oder ſpäter die Nothwendigkeit, ähnlich zu ver-
fahren, herausſtellen, dann wohl auch unſerer Fiſcherei einigermaßen wiederum aufgeholfen werden.
Einſtweilen freilich gehören ſolche Wünſche zu den frommen.
Der Fang geſchieht in ſehr verſchiedener Weiſe, mit mancherlei Garnen, in Reuſen, Lachsfallen,
welche oberhalb der Wehre ſo angebracht werden, daß der Lachs beim Ueberſpringen in ſie fällt,
vermittels Wurfſpeeren, ſogenannter Gehren, mit denen man vom Boote aus die durch Feuer herbei-
gezogenen Fiſche anſticht, in Großbritannien aber vorzugsweiſe mittels der Angel, welche für den
Lachsfang beſonders eingerichtet und von den Engländern mit außerordentlicher Geſchicklichkeit
gehandhabt wird. Einem leidenſchaftlichen Lachsfiſcher kommt es nämlich keineswegs darauf an,
einen Lachs, welcher angebiſſen, ſobald als möglich auf das Land zu bringen, vielmehr, wie man ſich
ausdrückt, mit ihm zu ſpielen, d. h. ihn in kunſtgerechter Weiſe zu landen. Große Künſtler in dieſem
Fache „ſpielen“ ſtundenlang, indem ſie den Fiſch bald wegſchießen laſſen, bald wieder heranziehen,
jede Bewegung auf das Sorgfältigſte überwachend. Man muß ein Engländer ſein, um dieſes Ver-
gnügen ſeinem vollen Werthe nach zu würdigen. Hoch oben in der Nähe des Nordkap, am Tana-
Elf, habe ich ſie ſitzen ſehen, dieſe unverwüſtlichen Fiſcher, mit einem aus Mücken gebildeten
Heiligenſcheine umgeben, eingehüllt in dichte Schleier, um ſich vor den blutgierigen Kerbthieren
wenigſtens eingermaßen zu ſchützen. Jn der Nähe anſprechender Stromſchnellen hatten ſie Zelte
aufgeſchlagen, inmitten der Birkenwaldungen ſich auf Wochen mit den nothwendigſten Lebens-
bedürfniſſen verſehen, und ſtandhaft wie Helden ertrugen ſie Wind und Wetter, Einſamkeit und
Mücken, ſchmale Koſt und Mangel an Geſellſchaft, zahlten auch ohne Widerrede den Normannen
einen Pacht von ſechshundert bis tauſend Speziesthaler für das Recht, ſechs Wochen lang hier
fiſchen zu dürfen, und gaben außerdem noch den größten Theil ihrer Beute unentgeltlich an die
Beſitzer der benachbarten Gehöfte ab. Solche Aufopferung iſt mir wenigſtens unverſtändlich.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/751>, abgerufen am 22.12.2024.
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