Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Hundsfisch. Hering.
Zeit so zahm und zutraulich, daß sie sich beim Erblicken einer bekannten Person an die Wände des
Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand schnappen. Das Laichgeschäft vollführen
sie jedoch in der Gefangenschaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen
Gartenbecken sich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hirsekorngroßen Eiern
strotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangenschaft stirbt, folgen die anderen bald nach. Sie
wurden früher aus den Sümpfen des Neusiedlersees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch
stets nur als zufällige Beute zwischen die oft großen Massen von Schlammbeißern eingemengt, welche
von dort hierher gelangen; denn die Fischer entfernen sie sorgfältig, da sie nach ihrer Meinung giftig
sind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten sich daher auch
für beleidigt, wenn man Hundsfische von ihnen verlangt."



Die Bedeutsamkeit der Fische für den Haushalt des Menschen läßt sich mit dem einzigen Worte
Hering verständlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfisch kann man leben; von den Schollen und
den meisten anderen Seefischen haben bis jetzt, streng genommen, nur die Küstenbewohner Genuß
und Gewinn; die Fische des süßen Wassers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den seltenern
Gerichten auf dem Tische des Binnenländers: der Hering und seine Verwandten aber bringen den
Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegenste Hütte. Wenn irgend ein Fisch es verdient,
Speise des Armen genannt zu werden, so ist es dieser, welcher, auch dem Dürftigsten noch käuflich,
in gar vielen Häusern die Stelle des Fleisches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent-
behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er.

Die ihm zu Ehren benannten Heringe (Clupeae) insgemein sind beschuppte Fische ohne Fett-
flossen, deren Maul in der Mitte vom Zwischenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird;
ihr Magen hat einen Blindsack, der Darm der meisten Blinddärme; eine Schwimmblase ist
gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk-
male hebt Johannes Müller, dessen Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit
hat, noch hervor, daß sich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durchsichtige Augenlider,
welche einen großen Theil des Auges bedecken. Besonders auffallend macht sich Dies bei einem
brasilianischen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier sind die Augenlider zirkelförmig, wie beim
Chamäleon, aber vollkommen durchsichtig und lassen nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine
kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer
gallertartigen, durchsichtigen Fortsetzung der Haut überzogen. Die Schwimmblase steht bei
einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen
nicht der Fall ist.

Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im süßen
Wasser gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flüssen aufwärts
gehen, um hier zu laichen. Diesem verschiedenartigen Aufenthalte entsprechend, ändert auch die
Lebensweise ab; für die wichtigsten Mitglieder der Familie aber läßt sich im Allgemeinen sagen, daß
sie im Wesentlichen mit den Renken übereinstimmen und sozufagen für das Meer Dasselbe sind, was
jene für die Binnenseen. Außer der Laichzeit halten sie sich in großen Tiefen auf; der Fort-
pflanzungstrieb bewegt sie, zu den oberen Schichten emporzusteigen. Alle, ohne Ausnahme, scheinen
Raubfische zu sein, welche sich nicht blos an kleinem Wassergethier, sondern auch an Fischen
vergreifen. Die Vermehrung ist nicht sehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und derselben
Art jedoch außerordentlich groß, dementsprechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Dieser
Zunahme entspricht jedoch ebenso der Abgang, und schon jetzt hat man alle Ursache, darauf zu denken,
wie der Mensch dem ungeheueren Verbrauch dieser Fische gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;

Hundsfiſch. Hering.
Zeit ſo zahm und zutraulich, daß ſie ſich beim Erblicken einer bekannten Perſon an die Wände des
Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand ſchnappen. Das Laichgeſchäft vollführen
ſie jedoch in der Gefangenſchaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen
Gartenbecken ſich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hirſekorngroßen Eiern
ſtrotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangenſchaft ſtirbt, folgen die anderen bald nach. Sie
wurden früher aus den Sümpfen des Neuſiedlerſees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch
ſtets nur als zufällige Beute zwiſchen die oft großen Maſſen von Schlammbeißern eingemengt, welche
von dort hierher gelangen; denn die Fiſcher entfernen ſie ſorgfältig, da ſie nach ihrer Meinung giftig
ſind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten ſich daher auch
für beleidigt, wenn man Hundsfiſche von ihnen verlangt.“



Die Bedeutſamkeit der Fiſche für den Haushalt des Menſchen läßt ſich mit dem einzigen Worte
Hering verſtändlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfiſch kann man leben; von den Schollen und
den meiſten anderen Seefiſchen haben bis jetzt, ſtreng genommen, nur die Küſtenbewohner Genuß
und Gewinn; die Fiſche des ſüßen Waſſers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den ſeltenern
Gerichten auf dem Tiſche des Binnenländers: der Hering und ſeine Verwandten aber bringen den
Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegenſte Hütte. Wenn irgend ein Fiſch es verdient,
Speiſe des Armen genannt zu werden, ſo iſt es dieſer, welcher, auch dem Dürftigſten noch käuflich,
in gar vielen Häuſern die Stelle des Fleiſches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent-
behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er.

Die ihm zu Ehren benannten Heringe (Clupeae) insgemein ſind beſchuppte Fiſche ohne Fett-
floſſen, deren Maul in der Mitte vom Zwiſchenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird;
ihr Magen hat einen Blindſack, der Darm der meiſten Blinddärme; eine Schwimmblaſe iſt
gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk-
male hebt Johannes Müller, deſſen Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit
hat, noch hervor, daß ſich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durchſichtige Augenlider,
welche einen großen Theil des Auges bedecken. Beſonders auffallend macht ſich Dies bei einem
braſilianiſchen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier ſind die Augenlider zirkelförmig, wie beim
Chamäleon, aber vollkommen durchſichtig und laſſen nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine
kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer
gallertartigen, durchſichtigen Fortſetzung der Haut überzogen. Die Schwimmblaſe ſteht bei
einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen
nicht der Fall iſt.

Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im ſüßen
Waſſer gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flüſſen aufwärts
gehen, um hier zu laichen. Dieſem verſchiedenartigen Aufenthalte entſprechend, ändert auch die
Lebensweiſe ab; für die wichtigſten Mitglieder der Familie aber läßt ſich im Allgemeinen ſagen, daß
ſie im Weſentlichen mit den Renken übereinſtimmen und ſozufagen für das Meer Daſſelbe ſind, was
jene für die Binnenſeen. Außer der Laichzeit halten ſie ſich in großen Tiefen auf; der Fort-
pflanzungstrieb bewegt ſie, zu den oberen Schichten emporzuſteigen. Alle, ohne Ausnahme, ſcheinen
Raubfiſche zu ſein, welche ſich nicht blos an kleinem Waſſergethier, ſondern auch an Fiſchen
vergreifen. Die Vermehrung iſt nicht ſehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und derſelben
Art jedoch außerordentlich groß, dementſprechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Dieſer
Zunahme entſpricht jedoch ebenſo der Abgang, und ſchon jetzt hat man alle Urſache, darauf zu denken,
wie der Menſch dem ungeheueren Verbrauch dieſer Fiſche gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0759" n="719"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hundsfi&#x017F;ch. Hering</hi>.</fw><lb/>
Zeit &#x017F;o zahm und zutraulich, daß &#x017F;ie &#x017F;ich beim Erblicken einer bekannten Per&#x017F;on an die Wände des<lb/>
Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand &#x017F;chnappen. Das Laichge&#x017F;chäft vollführen<lb/>
&#x017F;ie jedoch in der Gefangen&#x017F;chaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen<lb/>
Gartenbecken &#x017F;ich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hir&#x017F;ekorngroßen Eiern<lb/>
&#x017F;trotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangen&#x017F;chaft &#x017F;tirbt, folgen die anderen bald nach. Sie<lb/>
wurden früher aus den Sümpfen des Neu&#x017F;iedler&#x017F;ees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch<lb/>
&#x017F;tets nur als zufällige Beute zwi&#x017F;chen die oft großen Ma&#x017F;&#x017F;en von Schlammbeißern eingemengt, welche<lb/>
von dort hierher gelangen; denn die Fi&#x017F;cher entfernen &#x017F;ie &#x017F;orgfältig, da &#x017F;ie nach ihrer Meinung giftig<lb/>
&#x017F;ind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten &#x017F;ich daher auch<lb/>
für beleidigt, wenn man Hundsfi&#x017F;che von ihnen verlangt.&#x201C;</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Die Bedeut&#x017F;amkeit der Fi&#x017F;che für den Haushalt des Men&#x017F;chen läßt &#x017F;ich mit dem einzigen Worte<lb/><hi rendition="#g">Hering</hi> ver&#x017F;tändlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfi&#x017F;ch kann man leben; von den Schollen und<lb/>
den mei&#x017F;ten anderen Seefi&#x017F;chen haben bis jetzt, &#x017F;treng genommen, nur die Kü&#x017F;tenbewohner Genuß<lb/>
und Gewinn; die Fi&#x017F;che des &#x017F;üßen Wa&#x017F;&#x017F;ers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den &#x017F;eltenern<lb/>
Gerichten auf dem Ti&#x017F;che des Binnenländers: der Hering und &#x017F;eine Verwandten aber bringen den<lb/>
Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegen&#x017F;te Hütte. Wenn irgend ein Fi&#x017F;ch es verdient,<lb/>
Spei&#x017F;e des Armen genannt zu werden, &#x017F;o i&#x017F;t es die&#x017F;er, welcher, auch dem Dürftig&#x017F;ten noch käuflich,<lb/>
in gar vielen Häu&#x017F;ern die Stelle des Flei&#x017F;ches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent-<lb/>
behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er.</p><lb/>
            <p>Die ihm zu Ehren benannten <hi rendition="#g">Heringe</hi> (<hi rendition="#aq">Clupeae</hi>) insgemein &#x017F;ind be&#x017F;chuppte Fi&#x017F;che ohne Fett-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en, deren Maul in der Mitte vom Zwi&#x017F;chenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird;<lb/>
ihr Magen hat einen Blind&#x017F;ack, der Darm der mei&#x017F;ten Blinddärme; eine Schwimmbla&#x017F;e i&#x017F;t<lb/>
gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk-<lb/>
male hebt <hi rendition="#g">Johannes Müller,</hi> de&#x017F;&#x017F;en Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit<lb/>
hat, noch hervor, daß &#x017F;ich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durch&#x017F;ichtige Augenlider,<lb/>
welche einen großen Theil des Auges bedecken. Be&#x017F;onders auffallend macht &#x017F;ich Dies bei einem<lb/>
bra&#x017F;iliani&#x017F;chen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier &#x017F;ind die Augenlider zirkelförmig, wie beim<lb/>
Chamäleon, aber vollkommen durch&#x017F;ichtig und la&#x017F;&#x017F;en nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine<lb/>
kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer<lb/>
gallertartigen, durch&#x017F;ichtigen Fort&#x017F;etzung der Haut überzogen. Die Schwimmbla&#x017F;e &#x017F;teht bei<lb/>
einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen<lb/>
nicht der Fall i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im &#x017F;üßen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flü&#x017F;&#x017F;en aufwärts<lb/>
gehen, um hier zu laichen. Die&#x017F;em ver&#x017F;chiedenartigen Aufenthalte ent&#x017F;prechend, ändert auch die<lb/>
Lebenswei&#x017F;e ab; für die wichtig&#x017F;ten Mitglieder der Familie aber läßt &#x017F;ich im Allgemeinen &#x017F;agen, daß<lb/>
&#x017F;ie im We&#x017F;entlichen mit den Renken überein&#x017F;timmen und &#x017F;ozufagen für das Meer Da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ind, was<lb/>
jene für die Binnen&#x017F;een. Außer der Laichzeit halten &#x017F;ie &#x017F;ich in großen Tiefen auf; der Fort-<lb/>
pflanzungstrieb bewegt &#x017F;ie, zu den oberen Schichten emporzu&#x017F;teigen. Alle, ohne Ausnahme, &#x017F;cheinen<lb/>
Raubfi&#x017F;che zu &#x017F;ein, welche &#x017F;ich nicht blos an kleinem Wa&#x017F;&#x017F;ergethier, &#x017F;ondern auch an Fi&#x017F;chen<lb/>
vergreifen. Die Vermehrung i&#x017F;t nicht &#x017F;ehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und der&#x017F;elben<lb/>
Art jedoch außerordentlich groß, dement&#x017F;prechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Die&#x017F;er<lb/>
Zunahme ent&#x017F;pricht jedoch eben&#x017F;o der Abgang, und &#x017F;chon jetzt hat man alle Ur&#x017F;ache, darauf zu denken,<lb/>
wie der Men&#x017F;ch dem ungeheueren Verbrauch die&#x017F;er Fi&#x017F;che gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[719/0759] Hundsfiſch. Hering. Zeit ſo zahm und zutraulich, daß ſie ſich beim Erblicken einer bekannten Perſon an die Wände des Glasgefäßes drängen und das Futter gierig aus der Hand ſchnappen. Das Laichgeſchäft vollführen ſie jedoch in der Gefangenſchaft nicht, und ein Weibchen, welches ein Jahr lang in einem kleinen Gartenbecken ſich erhielt, ging zu Grunde, weil es nicht laichen konnte und mit hirſekorngroßen Eiern ſtrotzend erfüllt war. Sobald eines aus der Gefangenſchaft ſtirbt, folgen die anderen bald nach. Sie wurden früher aus den Sümpfen des Neuſiedlerſees häufiger als jetzt zu Markte gebracht, jedoch ſtets nur als zufällige Beute zwiſchen die oft großen Maſſen von Schlammbeißern eingemengt, welche von dort hierher gelangen; denn die Fiſcher entfernen ſie ſorgfältig, da ſie nach ihrer Meinung giftig ſind und jene ihre Waare dadurch im Werthe zu beeinträchtigen fürchten. Sie halten ſich daher auch für beleidigt, wenn man Hundsfiſche von ihnen verlangt.“ Die Bedeutſamkeit der Fiſche für den Haushalt des Menſchen läßt ſich mit dem einzigen Worte Hering verſtändlich genug ausdrücken. Ohne den Stockfiſch kann man leben; von den Schollen und den meiſten anderen Seefiſchen haben bis jetzt, ſtreng genommen, nur die Küſtenbewohner Genuß und Gewinn; die Fiſche des ſüßen Waſſers ohne jegliche Ausnahme gehören zu den ſeltenern Gerichten auf dem Tiſche des Binnenländers: der Hering und ſeine Verwandten aber bringen den Segen der Ernte des Meeres bis in die entlegenſte Hütte. Wenn irgend ein Fiſch es verdient, Speiſe des Armen genannt zu werden, ſo iſt es dieſer, welcher, auch dem Dürftigſten noch käuflich, in gar vielen Häuſern die Stelle des Fleiſches vertreten muß. Es gibt keinen, welcher uns unent- behrlicher wäre, welcher größere Beachtung und Theilnahme verdiente als er. Die ihm zu Ehren benannten Heringe (Clupeae) insgemein ſind beſchuppte Fiſche ohne Fett- floſſen, deren Maul in der Mitte vom Zwiſchenkiefer, an den Seiten vom Oberkiefer eingefaßt wird; ihr Magen hat einen Blindſack, der Darm der meiſten Blinddärme; eine Schwimmblaſe iſt gewöhnlich vorhanden; die Zahnbildung ändert ab je nach den Gattungen. Als anderweitige Merk- male hebt Johannes Müller, deſſen Umgrenzung der Familie gegenwärtig allgemeine Giltigkeit hat, noch hervor, daß ſich mehrere von ihnen auszeichnen durch glasartige, durchſichtige Augenlider, welche einen großen Theil des Auges bedecken. Beſonders auffallend macht ſich Dies bei einem braſilianiſchen Mitgliede der Gruppe bemerklich; hier ſind die Augenlider zirkelförmig, wie beim Chamäleon, aber vollkommen durchſichtig und laſſen nur in der Mitte, dem Stern gegenüber, eine kleine rundliche Oeffnung frei; bei einigen, denen die Lider fehlen, werden die Augen von einer gallertartigen, durchſichtigen Fortſetzung der Haut überzogen. Die Schwimmblaſe ſteht bei einzelnen durch luftführende Kanäle mit dem Labyrinth in Verbindung, während Dies bei anderen nicht der Fall iſt. Nicht alle Heringe herbergen im Meere; die Familie hat auch Glieder, welche nur im ſüßen Waſſer gefunden werden, und andere, welche vom Meere aus regelmäßig in den Flüſſen aufwärts gehen, um hier zu laichen. Dieſem verſchiedenartigen Aufenthalte entſprechend, ändert auch die Lebensweiſe ab; für die wichtigſten Mitglieder der Familie aber läßt ſich im Allgemeinen ſagen, daß ſie im Weſentlichen mit den Renken übereinſtimmen und ſozufagen für das Meer Daſſelbe ſind, was jene für die Binnenſeen. Außer der Laichzeit halten ſie ſich in großen Tiefen auf; der Fort- pflanzungstrieb bewegt ſie, zu den oberen Schichten emporzuſteigen. Alle, ohne Ausnahme, ſcheinen Raubfiſche zu ſein, welche ſich nicht blos an kleinem Waſſergethier, ſondern auch an Fiſchen vergreifen. Die Vermehrung iſt nicht ſehr bedeutend, die Anzahl der Stücke einer und derſelben Art jedoch außerordentlich groß, dementſprechend auch die jährliche Zunahme beträchtlich. Dieſer Zunahme entſpricht jedoch ebenſo der Abgang, und ſchon jetzt hat man alle Urſache, darauf zu denken, wie der Menſch dem ungeheueren Verbrauch dieſer Fiſche gegenüber zur Vermehrung beitragen könne;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/759
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/759>, abgerufen am 22.12.2024.