Meine erste Bekanntschaft mit dem Leviathan belehrte mich, daß seine Zeit um sei. Zur Bekehrung der Heiden des weißen Flusses nach dem Sudahn reisende Jesuiten, in deren Gesellschaft ich das erste Mal nach dem Jnneren Afrikas aufbrach, erhoben eines Tages ein höchst ungeistliches Jagdgeschrei und griffen eiligst nach ihren Büchsen. Sechs Läufe knallten, nur der meiner eigenen Büchse nicht mit; denn ich hatte auf den ersten Blick gesehen, daß das sich so dreist zur Schau bietende Krokodil bereits todt, von vorausgegangenen Reisenden meuchlings gemordet worden war. Nun hätte das Vieh freilich auch leben können; denn von den sechs nach seinem Panzer gerichteten Kugeln traf keine einzige: aber es wurde mir aus dieser Jagdwuth, welche selbst die "frommen Diener des Herrn" außer Athem setzte, doch sofort klar, welch schweren Stand das gehetzte Urweltsthier in unseren Tagen dem Menschen gegenüber hat -- und ich selbst habe mich später bestrebt, diese Wahr- heit ihm gründlich zu beweisen.
Dies ist der Grund, weshalb man in Egypten derzeit nur noch in Maabdeshöhlen Krokodile zu Tausenden, aber, -- als Mumien antrifft. Anders ist es im Ost-Sudahn oder im Jnneren Afrikas überhaupt, überall da, wo das Feuergewehr die uralten Waffen der Eingebornen noch nicht verdrängt hat, wo das alte Wort noch gilt: "Wenn Du Deine Hand an ihn legest, so gedenke, daß ein Streit sei, den Du nicht ausführen wirst", insbesondere an allen denjenigen Strömen, deren Ufer vom Urwalde in Besitz genommen wurden. Hier darf man mit aller Sicherheit darauf zählen, auf jeder größeren Sandbank wenigstens ein großes Krokodil und wohl ein halbes Dutzend kleinere von verschiedenem Alter und entsprechender Länge zu finden; hier und an den Brüchen, Seen und Sümpfen kann man die schönsten Ungeheuer mit der größten Bequemlichkeit beobachten. Jm Sudahn sind des ebräischen Dichters Worte heutigentages noch in ihrem vollen Werthe gültig; denn dort gibt es kein einziges Dorf, dessen Bewohner nicht von einer Unglücksgeschichte zu erzählen wüßten, keinen einzigen Menschen, welcher nicht die Stärke des "Timsach" bewundert, ihn selbst aber verflucht. Zu Letzterem haben die Sudahnesen auch wirklich alle Ursache; denn sie sind dem Krokodil gegenüber sogut als ohnmächtig, müssen es sich widerstandlos gefallen lassen, wenn der furchtbare Räuber ihre Angehörigen und Hausthiere in die Tiefe des Wassers zieht: sie können ihn nicht bekämpfen, nicht verjagen. Jch glaube annehmen zu dürfen, daß im blauen Flusse heutigentages noch mindestens fünf Hundert, im weißen Strome dagegen mehr als zwei Tausend große und wohl vier Mal soviele kleinere Krokodile leben; denn ich habe sie überall gesehen: ich habe während der Fahrt eines Tages im Asrakh deren über dreißig und auf einer einzigen Sandbank allein achtzehn gezählt. Darunter waren Riesen, deren Länge ich auch nicht weniger als auf sechszehn Fuß schätzen durfte, Thiere, welche gewiß ein Alter von mehreren hundert Jahren haben mochten.
Eine Sandbank, auf welcher sich das Krokodil behaglich sonnen kann, ist Haupterforderniß zur Wahl seines Standortes. Rauschende Stellen im Strome liebt es nicht; in den Stromschnellen findet man es höchst selten. Den einmal gewählten Standort behauptet es mit großer Beharrlichkeit und Zähigkeit. Wir wurden stets im Voraus auf die krokodilreichen Stellen des Stromes auf- merksam gemacht, und greise Männer versicherten uns, daß sie schon seit ihrer Kindheit ein und dasselbe Krokodil auf einer bestimmten Sandbank gesehen hätten. Jn der Regenzeit unternimmt es jedoch zuweilen kleine Reisen landeinwärts, freilich nur in Regenströmen oder den unter Wasser gesetzten Urwäldern.
Man ist geneigt, zu glauben, daß das Krokodil nicht gewandt wäre, irrt sich jedoch hierin voll- ständig. Jm Wasser zeigt es sich höchst behend, schwimmt und taucht mit großer Schnelligkeit und zertheilt die Fluten wie ein Pfeil die Luft. Sein ungemein kräftiger Schwanz bildet ein vortreffliches Ruder, und die wohlentwickelten Schwimmhäute an den Hintersüßen unterstützen es wesentlich im Schwimmen. Erzürnt oder im Todeskampfe peitscht es das Wasser so heftig, daß man den alten Dichter kaum der Uebertreibung zeihen kann, wenn er sagt: "Er macht, daß das tiefe Meer siedet wie ein Topf und rührt es in einander, wie man eine Salbe menget". Auch auf dem Lande bewegt es sich durchaus nicht ungeschickt, obgleich es sich hier nur selten zu schaffen macht. Wenn es auf die
Die Panzerechſen. Krokodile. Nilkrokodile.
Meine erſte Bekanntſchaft mit dem Leviathan belehrte mich, daß ſeine Zeit um ſei. Zur Bekehrung der Heiden des weißen Fluſſes nach dem Sudahn reiſende Jeſuiten, in deren Geſellſchaft ich das erſte Mal nach dem Jnneren Afrikas aufbrach, erhoben eines Tages ein höchſt ungeiſtliches Jagdgeſchrei und griffen eiligſt nach ihren Büchſen. Sechs Läufe knallten, nur der meiner eigenen Büchſe nicht mit; denn ich hatte auf den erſten Blick geſehen, daß das ſich ſo dreiſt zur Schau bietende Krokodil bereits todt, von vorausgegangenen Reiſenden meuchlings gemordet worden war. Nun hätte das Vieh freilich auch leben können; denn von den ſechs nach ſeinem Panzer gerichteten Kugeln traf keine einzige: aber es wurde mir aus dieſer Jagdwuth, welche ſelbſt die „frommen Diener des Herrn“ außer Athem ſetzte, doch ſofort klar, welch ſchweren Stand das gehetzte Urweltsthier in unſeren Tagen dem Menſchen gegenüber hat — und ich ſelbſt habe mich ſpäter beſtrebt, dieſe Wahr- heit ihm gründlich zu beweiſen.
Dies iſt der Grund, weshalb man in Egypten derzeit nur noch in Maabdeshöhlen Krokodile zu Tauſenden, aber, — als Mumien antrifft. Anders iſt es im Oſt-Sudahn oder im Jnneren Afrikas überhaupt, überall da, wo das Feuergewehr die uralten Waffen der Eingebornen noch nicht verdrängt hat, wo das alte Wort noch gilt: „Wenn Du Deine Hand an ihn legeſt, ſo gedenke, daß ein Streit ſei, den Du nicht ausführen wirſt“, insbeſondere an allen denjenigen Strömen, deren Ufer vom Urwalde in Beſitz genommen wurden. Hier darf man mit aller Sicherheit darauf zählen, auf jeder größeren Sandbank wenigſtens ein großes Krokodil und wohl ein halbes Dutzend kleinere von verſchiedenem Alter und entſprechender Länge zu finden; hier und an den Brüchen, Seen und Sümpfen kann man die ſchönſten Ungeheuer mit der größten Bequemlichkeit beobachten. Jm Sudahn ſind des ebräiſchen Dichters Worte heutigentages noch in ihrem vollen Werthe gültig; denn dort gibt es kein einziges Dorf, deſſen Bewohner nicht von einer Unglücksgeſchichte zu erzählen wüßten, keinen einzigen Menſchen, welcher nicht die Stärke des „Timſach“ bewundert, ihn ſelbſt aber verflucht. Zu Letzterem haben die Sudahneſen auch wirklich alle Urſache; denn ſie ſind dem Krokodil gegenüber ſogut als ohnmächtig, müſſen es ſich widerſtandlos gefallen laſſen, wenn der furchtbare Räuber ihre Angehörigen und Hausthiere in die Tiefe des Waſſers zieht: ſie können ihn nicht bekämpfen, nicht verjagen. Jch glaube annehmen zu dürfen, daß im blauen Fluſſe heutigentages noch mindeſtens fünf Hundert, im weißen Strome dagegen mehr als zwei Tauſend große und wohl vier Mal ſoviele kleinere Krokodile leben; denn ich habe ſie überall geſehen: ich habe während der Fahrt eines Tages im Asrakh deren über dreißig und auf einer einzigen Sandbank allein achtzehn gezählt. Darunter waren Rieſen, deren Länge ich auch nicht weniger als auf ſechszehn Fuß ſchätzen durfte, Thiere, welche gewiß ein Alter von mehreren hundert Jahren haben mochten.
Eine Sandbank, auf welcher ſich das Krokodil behaglich ſonnen kann, iſt Haupterforderniß zur Wahl ſeines Standortes. Rauſchende Stellen im Strome liebt es nicht; in den Stromſchnellen findet man es höchſt ſelten. Den einmal gewählten Standort behauptet es mit großer Beharrlichkeit und Zähigkeit. Wir wurden ſtets im Voraus auf die krokodilreichen Stellen des Stromes auf- merkſam gemacht, und greiſe Männer verſicherten uns, daß ſie ſchon ſeit ihrer Kindheit ein und daſſelbe Krokodil auf einer beſtimmten Sandbank geſehen hätten. Jn der Regenzeit unternimmt es jedoch zuweilen kleine Reiſen landeinwärts, freilich nur in Regenſtrömen oder den unter Waſſer geſetzten Urwäldern.
Man iſt geneigt, zu glauben, daß das Krokodil nicht gewandt wäre, irrt ſich jedoch hierin voll- ſtändig. Jm Waſſer zeigt es ſich höchſt behend, ſchwimmt und taucht mit großer Schnelligkeit und zertheilt die Fluten wie ein Pfeil die Luft. Sein ungemein kräftiger Schwanz bildet ein vortreffliches Ruder, und die wohlentwickelten Schwimmhäute an den Hinterſüßen unterſtützen es weſentlich im Schwimmen. Erzürnt oder im Todeskampfe peitſcht es das Waſſer ſo heftig, daß man den alten Dichter kaum der Uebertreibung zeihen kann, wenn er ſagt: „Er macht, daß das tiefe Meer ſiedet wie ein Topf und rührt es in einander, wie man eine Salbe menget“. Auch auf dem Lande bewegt es ſich durchaus nicht ungeſchickt, obgleich es ſich hier nur ſelten zu ſchaffen macht. Wenn es auf die
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Die Panzerechſen. Krokodile. Nilkrokodile.
Meine erſte Bekanntſchaft mit dem Leviathan belehrte mich, daß ſeine Zeit um ſei. Zur
Bekehrung der Heiden des weißen Fluſſes nach dem Sudahn reiſende Jeſuiten, in deren Geſellſchaft
ich das erſte Mal nach dem Jnneren Afrikas aufbrach, erhoben eines Tages ein höchſt ungeiſtliches
Jagdgeſchrei und griffen eiligſt nach ihren Büchſen. Sechs Läufe knallten, nur der meiner eigenen
Büchſe nicht mit; denn ich hatte auf den erſten Blick geſehen, daß das ſich ſo dreiſt zur Schau bietende
Krokodil bereits todt, von vorausgegangenen Reiſenden meuchlings gemordet worden war. Nun
hätte das Vieh freilich auch leben können; denn von den ſechs nach ſeinem Panzer gerichteten Kugeln
traf keine einzige: aber es wurde mir aus dieſer Jagdwuth, welche ſelbſt die „frommen Diener des
Herrn“ außer Athem ſetzte, doch ſofort klar, welch ſchweren Stand das gehetzte Urweltsthier in
unſeren Tagen dem Menſchen gegenüber hat — und ich ſelbſt habe mich ſpäter beſtrebt, dieſe Wahr-
heit ihm gründlich zu beweiſen.
Dies iſt der Grund, weshalb man in Egypten derzeit nur noch in Maabdeshöhlen Krokodile zu
Tauſenden, aber, — als Mumien antrifft. Anders iſt es im Oſt-Sudahn oder im Jnneren Afrikas
überhaupt, überall da, wo das Feuergewehr die uralten Waffen der Eingebornen noch nicht verdrängt
hat, wo das alte Wort noch gilt: „Wenn Du Deine Hand an ihn legeſt, ſo gedenke, daß ein Streit
ſei, den Du nicht ausführen wirſt“, insbeſondere an allen denjenigen Strömen, deren Ufer vom
Urwalde in Beſitz genommen wurden. Hier darf man mit aller Sicherheit darauf zählen, auf jeder
größeren Sandbank wenigſtens ein großes Krokodil und wohl ein halbes Dutzend kleinere von
verſchiedenem Alter und entſprechender Länge zu finden; hier und an den Brüchen, Seen und
Sümpfen kann man die ſchönſten Ungeheuer mit der größten Bequemlichkeit beobachten. Jm Sudahn
ſind des ebräiſchen Dichters Worte heutigentages noch in ihrem vollen Werthe gültig; denn dort gibt
es kein einziges Dorf, deſſen Bewohner nicht von einer Unglücksgeſchichte zu erzählen wüßten,
keinen einzigen Menſchen, welcher nicht die Stärke des „Timſach“ bewundert, ihn ſelbſt aber
verflucht. Zu Letzterem haben die Sudahneſen auch wirklich alle Urſache; denn ſie ſind dem Krokodil
gegenüber ſogut als ohnmächtig, müſſen es ſich widerſtandlos gefallen laſſen, wenn der furchtbare
Räuber ihre Angehörigen und Hausthiere in die Tiefe des Waſſers zieht: ſie können ihn nicht
bekämpfen, nicht verjagen. Jch glaube annehmen zu dürfen, daß im blauen Fluſſe heutigentages noch
mindeſtens fünf Hundert, im weißen Strome dagegen mehr als zwei Tauſend große und wohl vier
Mal ſoviele kleinere Krokodile leben; denn ich habe ſie überall geſehen: ich habe während der Fahrt
eines Tages im Asrakh deren über dreißig und auf einer einzigen Sandbank allein achtzehn gezählt.
Darunter waren Rieſen, deren Länge ich auch nicht weniger als auf ſechszehn Fuß ſchätzen durfte,
Thiere, welche gewiß ein Alter von mehreren hundert Jahren haben mochten.
Eine Sandbank, auf welcher ſich das Krokodil behaglich ſonnen kann, iſt Haupterforderniß zur
Wahl ſeines Standortes. Rauſchende Stellen im Strome liebt es nicht; in den Stromſchnellen
findet man es höchſt ſelten. Den einmal gewählten Standort behauptet es mit großer Beharrlichkeit
und Zähigkeit. Wir wurden ſtets im Voraus auf die krokodilreichen Stellen des Stromes auf-
merkſam gemacht, und greiſe Männer verſicherten uns, daß ſie ſchon ſeit ihrer Kindheit ein und
daſſelbe Krokodil auf einer beſtimmten Sandbank geſehen hätten. Jn der Regenzeit unternimmt es
jedoch zuweilen kleine Reiſen landeinwärts, freilich nur in Regenſtrömen oder den unter Waſſer
geſetzten Urwäldern.
Man iſt geneigt, zu glauben, daß das Krokodil nicht gewandt wäre, irrt ſich jedoch hierin voll-
ſtändig. Jm Waſſer zeigt es ſich höchſt behend, ſchwimmt und taucht mit großer Schnelligkeit und
zertheilt die Fluten wie ein Pfeil die Luft. Sein ungemein kräftiger Schwanz bildet ein vortreffliches
Ruder, und die wohlentwickelten Schwimmhäute an den Hinterſüßen unterſtützen es weſentlich im
Schwimmen. Erzürnt oder im Todeskampfe peitſcht es das Waſſer ſo heftig, daß man den alten
Dichter kaum der Uebertreibung zeihen kann, wenn er ſagt: „Er macht, daß das tiefe Meer ſiedet
wie ein Topf und rührt es in einander, wie man eine Salbe menget“. Auch auf dem Lande bewegt
es ſich durchaus nicht ungeſchickt, obgleich es ſich hier nur ſelten zu ſchaffen macht. Wenn es auf die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/80>, abgerufen am 22.12.2024.
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