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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Knorpelstöre.
und Sand aufstöbernd, mit den vorstreckbaren Lippen den Grund untersuchend und die betreffende
Nahrung aufnehmend. Jn dem Magen derjenigen, welche bereits in die Flüsse eingetreten waren,
hat man neben der angegebenen thierischen Nahrung auch halb zersetzte Pflanzenreste gefunden; doch
können dieselben ebensowohl zufällig mit in den Magen gerathen als absichtlich aufgenommen worden
sein. Jedenfalls müssen wir alle Störe zu den Raubfischen zählen; von einigen der bekannteren
wissen wir gewiß, daß sie während ihrer Laichzeit ebenfalls in den Flüssen aufsteigenden Arten der
Karpfenfamilie jagend folgen und sich fast ausschließlich von ihnen ernähren. Bei ihren
Wanderungen erheben sie sich übrigens in höhere Wasserschichten und bewegen sich dann in ihnen ver-
hältnißmäßig rasch. Die Wanderungen geschehen bei den verschiedenen Arten ziemlich zu derselben
Zeit, vom März an bis zum Mai und im Spätherbste nämlich, und zwar in Gesellschaften, deren An-
zahl je nach Oertlichkeit und Umständen wechselt. Jn den stark befischten Flüssen haben alle Störe
beträchtlich abgenommen, und die Abnahme macht sich um so bemerklicher, je mehr die Fanganstalten
sich verbessern; in anderen Strömen hingegen finden sie sich noch immer sehr häufig, weil man wegen
der Größe dieser Gewässer nicht im Stande ist, ihnen überall nachzuspüren. Alle Störe gehören zu
den fruchtbarsten Fischen, welche man kennt. Von Hausen wurden Weibchen gefangen, welche bei
2800 Pfund Gesammtgewicht, 800 Pfund schwere Eierstöcke besaßen. Die Eier werden von den auf-
steigenden Fischen auf dem Grunde des Bodens abgelegt, worauf diese ziemlich rasch nach der See
zurückkehren; die Jungen dagegen scheinen noch lange Zeit in den Flüssen und Strömen zu ver-
weilen, vielleicht das erste und zweite Jahr ihres Lebens hier zuzubringen.

Das Fleisch aller Störarten ist wohlschmeckend, das einzelner dem der schmackhaftesten Fische
vollkommen ebenbürtig; es wird dementsprechend auch überall gesucht und theils frisch, theils gesalzen
und geräuchert gegessen. Jm Geschmack erinnert es ans Kalbfleisch; das eigentlich Fischige kommt
wenig zur Geltung. Bei den alten Römern wurde der Stör schön ausgeschmückt, mit Blumen be-
kränzt auf die Tafel gebracht; in Griechenland galt er als die edelste Speise; in China wurde und
wird er oder seine Verwandten für die Tafel des Kaisers aufgespart; in England und in Frankreich
gehörte es zu den Vorrechten der Herrscher und reichsten Adeligen, Störe für den eigenen Gebrauch
zurückzuhalten; in Rußland ist es wenig anders gewesen. Gleichwohl fängt man die Störarten
weniger des Fleisches als der Eier und der Schwimmblase halber. Aus ersteren bereitet man bekannt-
lich den Kaviar, aus letzteren trefflichen Leim. Die Eierstöcke, aus denen man Kaviar gewinnen will,
werden zuerst mit Ruthen gepeitscht und dann durch Siebe gedrückt, um die Eier von den Häuten zu
lösen, die gewonnenen Eier sodann schwächer oder stärker gesalzen, in Tonnen gestampft und so ver-
sendet. Die schlechteste Sorte ist der gepreßte Kaviar, welcher, nur von den gröbsten Fasern gereinigt,
mit Salz auf Matten an der Sonne getrocknet und dann mit Füßen eingetreten wird. Als besser
gilt mit Recht der körnige, welcher mit mehr Salz in langen Trögen durchgesalzen, sodann auf
Sieben oder Netzen etwas getrocknet und hierauf in Fässer gepreßt wird. Der beste kommt nach
dem Abkörnen in leinene Säcke und wird mit diesen einige Zeit in eine Salzlauge gelegt, hierauf
zum Trocknen aufgehängt, etwas ausgedrückt, getrocknet und nunmehr erst in Fässer gebracht. Den
feinsten Kaviar liefern die kleineren Arten der Familie, namentlich Scherg und Sterlet.

Jn Deutschland hat die Störfischerei gegenwärtig geringe Bedeutung: an der Elbe und Weser-
mündung erbeutet man alljährlich höchstens einige tausend Stück Störe. Jn der unteren Donau,
welche früher Ungarn und Oesterreich mit Fleisch und Kaviar versorgte, empfindet man schon jetzt
schwer die Folgen der sinnlosen Fischerei, wie man sie bisher betrieben. Die ungeheuere Vermehrung
dieser Fische genügt nicht mehr, die Verluste, welche der unersättliche Mensch ihnen beibringt, auszu-
gleichen, und man wird sich schließlich wahrscheinlich auch in diesem Falle bequemen müssen, eine
Schonzeit einzuräumen oder ein paar Jahre lang jeder Fischerei zu entsagen, falls man auch in der
Zukunft ernten will, wie bisher es geschehen.

Am Großartigsten wurde von jeher die Störfischerei in Rußland betrieben, insbesondere in den
Strömen, welche in das schwarze und kaspische Meer münden. Pallas und nach ihm Kohl haben

Die Knorpelſtöre.
und Sand aufſtöbernd, mit den vorſtreckbaren Lippen den Grund unterſuchend und die betreffende
Nahrung aufnehmend. Jn dem Magen derjenigen, welche bereits in die Flüſſe eingetreten waren,
hat man neben der angegebenen thieriſchen Nahrung auch halb zerſetzte Pflanzenreſte gefunden; doch
können dieſelben ebenſowohl zufällig mit in den Magen gerathen als abſichtlich aufgenommen worden
ſein. Jedenfalls müſſen wir alle Störe zu den Raubfiſchen zählen; von einigen der bekannteren
wiſſen wir gewiß, daß ſie während ihrer Laichzeit ebenfalls in den Flüſſen aufſteigenden Arten der
Karpfenfamilie jagend folgen und ſich faſt ausſchließlich von ihnen ernähren. Bei ihren
Wanderungen erheben ſie ſich übrigens in höhere Waſſerſchichten und bewegen ſich dann in ihnen ver-
hältnißmäßig raſch. Die Wanderungen geſchehen bei den verſchiedenen Arten ziemlich zu derſelben
Zeit, vom März an bis zum Mai und im Spätherbſte nämlich, und zwar in Geſellſchaften, deren An-
zahl je nach Oertlichkeit und Umſtänden wechſelt. Jn den ſtark befiſchten Flüſſen haben alle Störe
beträchtlich abgenommen, und die Abnahme macht ſich um ſo bemerklicher, je mehr die Fanganſtalten
ſich verbeſſern; in anderen Strömen hingegen finden ſie ſich noch immer ſehr häufig, weil man wegen
der Größe dieſer Gewäſſer nicht im Stande iſt, ihnen überall nachzuſpüren. Alle Störe gehören zu
den fruchtbarſten Fiſchen, welche man kennt. Von Hauſen wurden Weibchen gefangen, welche bei
2800 Pfund Geſammtgewicht, 800 Pfund ſchwere Eierſtöcke beſaßen. Die Eier werden von den auf-
ſteigenden Fiſchen auf dem Grunde des Bodens abgelegt, worauf dieſe ziemlich raſch nach der See
zurückkehren; die Jungen dagegen ſcheinen noch lange Zeit in den Flüſſen und Strömen zu ver-
weilen, vielleicht das erſte und zweite Jahr ihres Lebens hier zuzubringen.

Das Fleiſch aller Störarten iſt wohlſchmeckend, das einzelner dem der ſchmackhafteſten Fiſche
vollkommen ebenbürtig; es wird dementſprechend auch überall geſucht und theils friſch, theils geſalzen
und geräuchert gegeſſen. Jm Geſchmack erinnert es ans Kalbfleiſch; das eigentlich Fiſchige kommt
wenig zur Geltung. Bei den alten Römern wurde der Stör ſchön ausgeſchmückt, mit Blumen be-
kränzt auf die Tafel gebracht; in Griechenland galt er als die edelſte Speiſe; in China wurde und
wird er oder ſeine Verwandten für die Tafel des Kaiſers aufgeſpart; in England und in Frankreich
gehörte es zu den Vorrechten der Herrſcher und reichſten Adeligen, Störe für den eigenen Gebrauch
zurückzuhalten; in Rußland iſt es wenig anders geweſen. Gleichwohl fängt man die Störarten
weniger des Fleiſches als der Eier und der Schwimmblaſe halber. Aus erſteren bereitet man bekannt-
lich den Kaviar, aus letzteren trefflichen Leim. Die Eierſtöcke, aus denen man Kaviar gewinnen will,
werden zuerſt mit Ruthen gepeitſcht und dann durch Siebe gedrückt, um die Eier von den Häuten zu
löſen, die gewonnenen Eier ſodann ſchwächer oder ſtärker geſalzen, in Tonnen geſtampft und ſo ver-
ſendet. Die ſchlechteſte Sorte iſt der gepreßte Kaviar, welcher, nur von den gröbſten Faſern gereinigt,
mit Salz auf Matten an der Sonne getrocknet und dann mit Füßen eingetreten wird. Als beſſer
gilt mit Recht der körnige, welcher mit mehr Salz in langen Trögen durchgeſalzen, ſodann auf
Sieben oder Netzen etwas getrocknet und hierauf in Fäſſer gepreßt wird. Der beſte kommt nach
dem Abkörnen in leinene Säcke und wird mit dieſen einige Zeit in eine Salzlauge gelegt, hierauf
zum Trocknen aufgehängt, etwas ausgedrückt, getrocknet und nunmehr erſt in Fäſſer gebracht. Den
feinſten Kaviar liefern die kleineren Arten der Familie, namentlich Scherg und Sterlet.

Jn Deutſchland hat die Störfiſcherei gegenwärtig geringe Bedeutung: an der Elbe und Weſer-
mündung erbeutet man alljährlich höchſtens einige tauſend Stück Störe. Jn der unteren Donau,
welche früher Ungarn und Oeſterreich mit Fleiſch und Kaviar verſorgte, empfindet man ſchon jetzt
ſchwer die Folgen der ſinnloſen Fiſcherei, wie man ſie bisher betrieben. Die ungeheuere Vermehrung
dieſer Fiſche genügt nicht mehr, die Verluſte, welche der unerſättliche Menſch ihnen beibringt, auszu-
gleichen, und man wird ſich ſchließlich wahrſcheinlich auch in dieſem Falle bequemen müſſen, eine
Schonzeit einzuräumen oder ein paar Jahre lang jeder Fiſcherei zu entſagen, falls man auch in der
Zukunft ernten will, wie bisher es geſchehen.

Am Großartigſten wurde von jeher die Störfiſcherei in Rußland betrieben, insbeſondere in den
Strömen, welche in das ſchwarze und kaspiſche Meer münden. Pallas und nach ihm Kohl haben

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[770/0812] Die Knorpelſtöre. und Sand aufſtöbernd, mit den vorſtreckbaren Lippen den Grund unterſuchend und die betreffende Nahrung aufnehmend. Jn dem Magen derjenigen, welche bereits in die Flüſſe eingetreten waren, hat man neben der angegebenen thieriſchen Nahrung auch halb zerſetzte Pflanzenreſte gefunden; doch können dieſelben ebenſowohl zufällig mit in den Magen gerathen als abſichtlich aufgenommen worden ſein. Jedenfalls müſſen wir alle Störe zu den Raubfiſchen zählen; von einigen der bekannteren wiſſen wir gewiß, daß ſie während ihrer Laichzeit ebenfalls in den Flüſſen aufſteigenden Arten der Karpfenfamilie jagend folgen und ſich faſt ausſchließlich von ihnen ernähren. Bei ihren Wanderungen erheben ſie ſich übrigens in höhere Waſſerſchichten und bewegen ſich dann in ihnen ver- hältnißmäßig raſch. Die Wanderungen geſchehen bei den verſchiedenen Arten ziemlich zu derſelben Zeit, vom März an bis zum Mai und im Spätherbſte nämlich, und zwar in Geſellſchaften, deren An- zahl je nach Oertlichkeit und Umſtänden wechſelt. Jn den ſtark befiſchten Flüſſen haben alle Störe beträchtlich abgenommen, und die Abnahme macht ſich um ſo bemerklicher, je mehr die Fanganſtalten ſich verbeſſern; in anderen Strömen hingegen finden ſie ſich noch immer ſehr häufig, weil man wegen der Größe dieſer Gewäſſer nicht im Stande iſt, ihnen überall nachzuſpüren. Alle Störe gehören zu den fruchtbarſten Fiſchen, welche man kennt. Von Hauſen wurden Weibchen gefangen, welche bei 2800 Pfund Geſammtgewicht, 800 Pfund ſchwere Eierſtöcke beſaßen. Die Eier werden von den auf- ſteigenden Fiſchen auf dem Grunde des Bodens abgelegt, worauf dieſe ziemlich raſch nach der See zurückkehren; die Jungen dagegen ſcheinen noch lange Zeit in den Flüſſen und Strömen zu ver- weilen, vielleicht das erſte und zweite Jahr ihres Lebens hier zuzubringen. Das Fleiſch aller Störarten iſt wohlſchmeckend, das einzelner dem der ſchmackhafteſten Fiſche vollkommen ebenbürtig; es wird dementſprechend auch überall geſucht und theils friſch, theils geſalzen und geräuchert gegeſſen. Jm Geſchmack erinnert es ans Kalbfleiſch; das eigentlich Fiſchige kommt wenig zur Geltung. Bei den alten Römern wurde der Stör ſchön ausgeſchmückt, mit Blumen be- kränzt auf die Tafel gebracht; in Griechenland galt er als die edelſte Speiſe; in China wurde und wird er oder ſeine Verwandten für die Tafel des Kaiſers aufgeſpart; in England und in Frankreich gehörte es zu den Vorrechten der Herrſcher und reichſten Adeligen, Störe für den eigenen Gebrauch zurückzuhalten; in Rußland iſt es wenig anders geweſen. Gleichwohl fängt man die Störarten weniger des Fleiſches als der Eier und der Schwimmblaſe halber. Aus erſteren bereitet man bekannt- lich den Kaviar, aus letzteren trefflichen Leim. Die Eierſtöcke, aus denen man Kaviar gewinnen will, werden zuerſt mit Ruthen gepeitſcht und dann durch Siebe gedrückt, um die Eier von den Häuten zu löſen, die gewonnenen Eier ſodann ſchwächer oder ſtärker geſalzen, in Tonnen geſtampft und ſo ver- ſendet. Die ſchlechteſte Sorte iſt der gepreßte Kaviar, welcher, nur von den gröbſten Faſern gereinigt, mit Salz auf Matten an der Sonne getrocknet und dann mit Füßen eingetreten wird. Als beſſer gilt mit Recht der körnige, welcher mit mehr Salz in langen Trögen durchgeſalzen, ſodann auf Sieben oder Netzen etwas getrocknet und hierauf in Fäſſer gepreßt wird. Der beſte kommt nach dem Abkörnen in leinene Säcke und wird mit dieſen einige Zeit in eine Salzlauge gelegt, hierauf zum Trocknen aufgehängt, etwas ausgedrückt, getrocknet und nunmehr erſt in Fäſſer gebracht. Den feinſten Kaviar liefern die kleineren Arten der Familie, namentlich Scherg und Sterlet. Jn Deutſchland hat die Störfiſcherei gegenwärtig geringe Bedeutung: an der Elbe und Weſer- mündung erbeutet man alljährlich höchſtens einige tauſend Stück Störe. Jn der unteren Donau, welche früher Ungarn und Oeſterreich mit Fleiſch und Kaviar verſorgte, empfindet man ſchon jetzt ſchwer die Folgen der ſinnloſen Fiſcherei, wie man ſie bisher betrieben. Die ungeheuere Vermehrung dieſer Fiſche genügt nicht mehr, die Verluſte, welche der unerſättliche Menſch ihnen beibringt, auszu- gleichen, und man wird ſich ſchließlich wahrſcheinlich auch in dieſem Falle bequemen müſſen, eine Schonzeit einzuräumen oder ein paar Jahre lang jeder Fiſcherei zu entſagen, falls man auch in der Zukunft ernten will, wie bisher es geſchehen. Am Großartigſten wurde von jeher die Störfiſcherei in Rußland betrieben, insbeſondere in den Strömen, welche in das ſchwarze und kaspiſche Meer münden. Pallas und nach ihm Kohl haben

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/812>, abgerufen am 14.06.2024.