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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Seelamprete. Prike. Zwergprike.

Nach den Angaben Yarells kommt auch die Sandprike im Meere vor; häufiger aber findet
sie sich im Süßwasser und zwar fast allerorts, bis zu den kleinsten Nebenbächen empor, da, wo der
Grund günstig, d. h. weichsandig oder schlammig ist, meist in sehr großer Anzahl.

Alle Lampreten scheinen sich in der Lebensweise zu ähneln, daß es schwer hält, bestimmte Unter-
schiede in den Sitten und Gewohnheiten der einzelnen Arten hervorzuheben. Zwar hat man bis jetzt
nur zwei Arten in allen Lebensaltern kennen gelernt, in dieser beider Gebahren aber keinen nennens-
werthen Unterschied auffinden können, und läßt sich somit wohl annehmen, daß auch die dritte hier
in Frage kommende Art nicht abweichen wird.

Bis in die neueste Zeit war die Lebenskunde höchst mangelhaft gekannt; namentlich hatte man
von der Fortpflanzung so gut als keine Kunde. Es gelang A. Müller, hierüber eine wichtige
Entdeckung zu machen, welche ihn zu den umfassendsten Untersuchungen veranlaßte. Dank den hier-
bei gewonnenen Beobachtungen gewann man einen Einblick in die Lebensverhältnisse dieser merk-
würdigen Fische, von welchen man früher, obschon ältere, erfahrene Fischer und Fischkundige Andeutungen
gegeben, keine Ahnung gehabt hatte.

Ungeachtet der geringen Ausbildung der Flossen bewegen sich die Lampreten rasch und geschickt
im Wasser. Da, wo die Strömung nicht bedeutend ist, fördern sie sich durch seitliche, schlängelnde
Bewegungen; in schnell fließenden Wasser hingegen sollen sie ruckweise vorspringen, sich nach jedem
Sprunge an einem festen Gegenstande ansaugen, in dieser Lage ausruhen, einen neuen Sprung aus-
führen und dergestalt selbst reißenden Strömen entgegen gehen können. Oefter noch als durch eigene
Anstrengung mögen sie sich durch andere Thiere weiter führen lassen. "Die Lampreten sollen die
Salmen, so sie auß dem Meer herauff streichen, begleyten, indem daß sie an jenen hangen mit jrem
Maul." Unsere neuerlichen Beobachtungen berechtigen uns nicht, diese Angabe zu bestreiten, eine
Bemerkung Günther's scheint sie im Gegentheile zu bestätigen. "Beinahe jedes Jahr", sagt er
von der Seelamprete, "fängt man diesen Fisch im Frühjahre bei Heilbronn und sogar in der Enns,
und allgemein behauptet man, daß sie um diese Zeit in die Flüsse steige, um zu laichen. Sie
schwimmt jedoch zu schlecht, als daß man begreifen könnte, wie sie in so kurzer Zeit den bedeutenden
Weg zurückzulegen vermag; ich halte es daher für nicht unwahrscheinlich, daß die so hoch in den
Flüssen gefangenen Lampreten sich an andere Meerfische angesaugt haben und mit diesen heraufgekommen
sind. Dafür spricht, daß die Lamprete immer zugleich mit dem Lachse und mit dem Maifische
ankommt und daß man, meines Wissens, noch nie eine Brut von ihr im Neckar angetroffen hat."
Für die anderen Arten der Familie gilt diese Angabe wohl nicht, wenigstens nicht in demselben Um-
fange; bei ihnen walten aber auch entschieden andere Verhältnisse ob. Während nämlich die See-
lamprete nur ausnahmsweise in dem oberen Stromgebiete eines Flusses sich findet, bevölkern jene,
wie bemerkt, auch die kleinsten Nebenflüsse; ja, sie pflanzen sich vorzugsweise, wo nicht ausschließlich,
in ihnen fort. Die Schilderung der Art und Weise der Fortpflanzung nun wird es erklärlich
machen, daß derartige Reisen stromaufwärts gar nicht nöthig sind. Daß alle Lampreten sich nicht
allein an feste Gegenstände, sondern auch an Fische ansaugen, unterliegt keinem Zweifel; sie zählen
unbedingt unter die Schmarotzer und sind für manche Fische sicherlich die gefährlichsten, welche sich
auf ihnen einnisten können. Wenn man von ihrer Nahrung spricht, gibt man gewöhnlich verschiedene
Würmer, Fischbrut und Kerbthiere in den verschiedenen Lebenszuständen als die hauptsächlichsten
Stofse an; alle Beobachter aber stimmen auch in dem Einen überein, daß die Lampreten sich nebenbei
hauptsächlich von dem Fleische und Blute anderer Thiere, insbesondere anderer Fische ernähren. Das
Ansaugen geschieht nur ausnahmsweise zu dem Zwecke, um sich an einem Gegenstande zu befestigen,
in der Regel aber, um sich zu ernähren. Nachdem die Lampreten ihren Saugmund fest an die äußere
Bedeckung eines Fisches geheftet, setzen sie ihre Raspelzähne in Thätigkeit, schaben und feilen die
Bedeckung durch, bohren sich, weiter und weiter vordringend, immer tiefer ein, verschlingen die
abgeschabten Stoffe und fressen so nach und nach einem Fische tiefe Löcher in den Leib, gleichviel ob

Seelamprete. Prike. Zwergprike.

Nach den Angaben Yarells kommt auch die Sandprike im Meere vor; häufiger aber findet
ſie ſich im Süßwaſſer und zwar faſt allerorts, bis zu den kleinſten Nebenbächen empor, da, wo der
Grund günſtig, d. h. weichſandig oder ſchlammig iſt, meiſt in ſehr großer Anzahl.

Alle Lampreten ſcheinen ſich in der Lebensweiſe zu ähneln, daß es ſchwer hält, beſtimmte Unter-
ſchiede in den Sitten und Gewohnheiten der einzelnen Arten hervorzuheben. Zwar hat man bis jetzt
nur zwei Arten in allen Lebensaltern kennen gelernt, in dieſer beider Gebahren aber keinen nennens-
werthen Unterſchied auffinden können, und läßt ſich ſomit wohl annehmen, daß auch die dritte hier
in Frage kommende Art nicht abweichen wird.

Bis in die neueſte Zeit war die Lebenskunde höchſt mangelhaft gekannt; namentlich hatte man
von der Fortpflanzung ſo gut als keine Kunde. Es gelang A. Müller, hierüber eine wichtige
Entdeckung zu machen, welche ihn zu den umfaſſendſten Unterſuchungen veranlaßte. Dank den hier-
bei gewonnenen Beobachtungen gewann man einen Einblick in die Lebensverhältniſſe dieſer merk-
würdigen Fiſche, von welchen man früher, obſchon ältere, erfahrene Fiſcher und Fiſchkundige Andeutungen
gegeben, keine Ahnung gehabt hatte.

Ungeachtet der geringen Ausbildung der Floſſen bewegen ſich die Lampreten raſch und geſchickt
im Waſſer. Da, wo die Strömung nicht bedeutend iſt, fördern ſie ſich durch ſeitliche, ſchlängelnde
Bewegungen; in ſchnell fließenden Waſſer hingegen ſollen ſie ruckweiſe vorſpringen, ſich nach jedem
Sprunge an einem feſten Gegenſtande anſaugen, in dieſer Lage ausruhen, einen neuen Sprung aus-
führen und dergeſtalt ſelbſt reißenden Strömen entgegen gehen können. Oefter noch als durch eigene
Anſtrengung mögen ſie ſich durch andere Thiere weiter führen laſſen. „Die Lampreten ſollen die
Salmen, ſo ſie auß dem Meer herauff ſtreichen, begleyten, indem daß ſie an jenen hangen mit jrem
Maul.“ Unſere neuerlichen Beobachtungen berechtigen uns nicht, dieſe Angabe zu beſtreiten, eine
Bemerkung Günther’s ſcheint ſie im Gegentheile zu beſtätigen. „Beinahe jedes Jahr“, ſagt er
von der Seelamprete, „fängt man dieſen Fiſch im Frühjahre bei Heilbronn und ſogar in der Enns,
und allgemein behauptet man, daß ſie um dieſe Zeit in die Flüſſe ſteige, um zu laichen. Sie
ſchwimmt jedoch zu ſchlecht, als daß man begreifen könnte, wie ſie in ſo kurzer Zeit den bedeutenden
Weg zurückzulegen vermag; ich halte es daher für nicht unwahrſcheinlich, daß die ſo hoch in den
Flüſſen gefangenen Lampreten ſich an andere Meerfiſche angeſaugt haben und mit dieſen heraufgekommen
ſind. Dafür ſpricht, daß die Lamprete immer zugleich mit dem Lachſe und mit dem Maifiſche
ankommt und daß man, meines Wiſſens, noch nie eine Brut von ihr im Neckar angetroffen hat.“
Für die anderen Arten der Familie gilt dieſe Angabe wohl nicht, wenigſtens nicht in demſelben Um-
fange; bei ihnen walten aber auch entſchieden andere Verhältniſſe ob. Während nämlich die See-
lamprete nur ausnahmsweiſe in dem oberen Stromgebiete eines Fluſſes ſich findet, bevölkern jene,
wie bemerkt, auch die kleinſten Nebenflüſſe; ja, ſie pflanzen ſich vorzugsweiſe, wo nicht ausſchließlich,
in ihnen fort. Die Schilderung der Art und Weiſe der Fortpflanzung nun wird es erklärlich
machen, daß derartige Reiſen ſtromaufwärts gar nicht nöthig ſind. Daß alle Lampreten ſich nicht
allein an feſte Gegenſtände, ſondern auch an Fiſche anſaugen, unterliegt keinem Zweifel; ſie zählen
unbedingt unter die Schmarotzer und ſind für manche Fiſche ſicherlich die gefährlichſten, welche ſich
auf ihnen einniſten können. Wenn man von ihrer Nahrung ſpricht, gibt man gewöhnlich verſchiedene
Würmer, Fiſchbrut und Kerbthiere in den verſchiedenen Lebenszuſtänden als die hauptſächlichſten
Stofſe an; alle Beobachter aber ſtimmen auch in dem Einen überein, daß die Lampreten ſich nebenbei
hauptſächlich von dem Fleiſche und Blute anderer Thiere, insbeſondere anderer Fiſche ernähren. Das
Anſaugen geſchieht nur ausnahmsweiſe zu dem Zwecke, um ſich an einem Gegenſtande zu befeſtigen,
in der Regel aber, um ſich zu ernähren. Nachdem die Lampreten ihren Saugmund feſt an die äußere
Bedeckung eines Fiſches geheftet, ſetzen ſie ihre Raspelzähne in Thätigkeit, ſchaben und feilen die
Bedeckung durch, bohren ſich, weiter und weiter vordringend, immer tiefer ein, verſchlingen die
abgeſchabten Stoffe und freſſen ſo nach und nach einem Fiſche tiefe Löcher in den Leib, gleichviel ob

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[807/0853] Seelamprete. Prike. Zwergprike. Nach den Angaben Yarells kommt auch die Sandprike im Meere vor; häufiger aber findet ſie ſich im Süßwaſſer und zwar faſt allerorts, bis zu den kleinſten Nebenbächen empor, da, wo der Grund günſtig, d. h. weichſandig oder ſchlammig iſt, meiſt in ſehr großer Anzahl. Alle Lampreten ſcheinen ſich in der Lebensweiſe zu ähneln, daß es ſchwer hält, beſtimmte Unter- ſchiede in den Sitten und Gewohnheiten der einzelnen Arten hervorzuheben. Zwar hat man bis jetzt nur zwei Arten in allen Lebensaltern kennen gelernt, in dieſer beider Gebahren aber keinen nennens- werthen Unterſchied auffinden können, und läßt ſich ſomit wohl annehmen, daß auch die dritte hier in Frage kommende Art nicht abweichen wird. Bis in die neueſte Zeit war die Lebenskunde höchſt mangelhaft gekannt; namentlich hatte man von der Fortpflanzung ſo gut als keine Kunde. Es gelang A. Müller, hierüber eine wichtige Entdeckung zu machen, welche ihn zu den umfaſſendſten Unterſuchungen veranlaßte. Dank den hier- bei gewonnenen Beobachtungen gewann man einen Einblick in die Lebensverhältniſſe dieſer merk- würdigen Fiſche, von welchen man früher, obſchon ältere, erfahrene Fiſcher und Fiſchkundige Andeutungen gegeben, keine Ahnung gehabt hatte. Ungeachtet der geringen Ausbildung der Floſſen bewegen ſich die Lampreten raſch und geſchickt im Waſſer. Da, wo die Strömung nicht bedeutend iſt, fördern ſie ſich durch ſeitliche, ſchlängelnde Bewegungen; in ſchnell fließenden Waſſer hingegen ſollen ſie ruckweiſe vorſpringen, ſich nach jedem Sprunge an einem feſten Gegenſtande anſaugen, in dieſer Lage ausruhen, einen neuen Sprung aus- führen und dergeſtalt ſelbſt reißenden Strömen entgegen gehen können. Oefter noch als durch eigene Anſtrengung mögen ſie ſich durch andere Thiere weiter führen laſſen. „Die Lampreten ſollen die Salmen, ſo ſie auß dem Meer herauff ſtreichen, begleyten, indem daß ſie an jenen hangen mit jrem Maul.“ Unſere neuerlichen Beobachtungen berechtigen uns nicht, dieſe Angabe zu beſtreiten, eine Bemerkung Günther’s ſcheint ſie im Gegentheile zu beſtätigen. „Beinahe jedes Jahr“, ſagt er von der Seelamprete, „fängt man dieſen Fiſch im Frühjahre bei Heilbronn und ſogar in der Enns, und allgemein behauptet man, daß ſie um dieſe Zeit in die Flüſſe ſteige, um zu laichen. Sie ſchwimmt jedoch zu ſchlecht, als daß man begreifen könnte, wie ſie in ſo kurzer Zeit den bedeutenden Weg zurückzulegen vermag; ich halte es daher für nicht unwahrſcheinlich, daß die ſo hoch in den Flüſſen gefangenen Lampreten ſich an andere Meerfiſche angeſaugt haben und mit dieſen heraufgekommen ſind. Dafür ſpricht, daß die Lamprete immer zugleich mit dem Lachſe und mit dem Maifiſche ankommt und daß man, meines Wiſſens, noch nie eine Brut von ihr im Neckar angetroffen hat.“ Für die anderen Arten der Familie gilt dieſe Angabe wohl nicht, wenigſtens nicht in demſelben Um- fange; bei ihnen walten aber auch entſchieden andere Verhältniſſe ob. Während nämlich die See- lamprete nur ausnahmsweiſe in dem oberen Stromgebiete eines Fluſſes ſich findet, bevölkern jene, wie bemerkt, auch die kleinſten Nebenflüſſe; ja, ſie pflanzen ſich vorzugsweiſe, wo nicht ausſchließlich, in ihnen fort. Die Schilderung der Art und Weiſe der Fortpflanzung nun wird es erklärlich machen, daß derartige Reiſen ſtromaufwärts gar nicht nöthig ſind. Daß alle Lampreten ſich nicht allein an feſte Gegenſtände, ſondern auch an Fiſche anſaugen, unterliegt keinem Zweifel; ſie zählen unbedingt unter die Schmarotzer und ſind für manche Fiſche ſicherlich die gefährlichſten, welche ſich auf ihnen einniſten können. Wenn man von ihrer Nahrung ſpricht, gibt man gewöhnlich verſchiedene Würmer, Fiſchbrut und Kerbthiere in den verſchiedenen Lebenszuſtänden als die hauptſächlichſten Stofſe an; alle Beobachter aber ſtimmen auch in dem Einen überein, daß die Lampreten ſich nebenbei hauptſächlich von dem Fleiſche und Blute anderer Thiere, insbeſondere anderer Fiſche ernähren. Das Anſaugen geſchieht nur ausnahmsweiſe zu dem Zwecke, um ſich an einem Gegenſtande zu befeſtigen, in der Regel aber, um ſich zu ernähren. Nachdem die Lampreten ihren Saugmund feſt an die äußere Bedeckung eines Fiſches geheftet, ſetzen ſie ihre Raspelzähne in Thätigkeit, ſchaben und feilen die Bedeckung durch, bohren ſich, weiter und weiter vordringend, immer tiefer ein, verſchlingen die abgeſchabten Stoffe und freſſen ſo nach und nach einem Fiſche tiefe Löcher in den Leib, gleichviel ob

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/853>, abgerufen am 22.12.2024.