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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Nilkrokodil. Leistenkrokodil.
(Bd. I, S. 178). Von der ersten größeren Grotte, welche man erreicht, laufen höhere und
niedere, längere und kürzere Gänge nach allen Seiten hin aus; jeder zeigt noch heutigentages sein
ursprüngliches Gepräge, kein einziger eine Spur von Bearbeitung, wie denn überhaupt die alten
Egypter in diesen Grabgewölben der heiligen Thiere den Meisel nirgends angesetzt zu haben scheinen.
Jn einem der größeren Grottengewölbe bemerkt der Besucher einen ziemlich hohen Hügel und erfährt
bei genauerer Besichtigung, daß derselbe aus Menschenleichnamen besteht. Etwas weiter nach hinten,
in einem zweiten, noch größeren Gewölbe liegen die Mumien der Krokodile, Taufende über Tausende
geschichtet, solche von allen Größen, die Mumien von riesenhaften Ungeheuern und eben aus-
geschlüpften Jungen, selbst eingetrocknete mit Erdpech getränkte Eier. Alle größeren Krokodile sind
mit Leinwand umhüllt und insofern besonders behandelt worden, als man sie einzeln beisetzte, während
die kleineren zwar mit derselben Sorgsamkeit eingepackt, aber zu sechzig bis achtzig Stück in langen, an
beiden Enden zugespitzten und zusammengebundenen Körben aus Palmzweigen hereingebracht und auf-
bewahrt wurden. Genau in derselben Weise hat man auch die Eier eingesammelt. Wenn man diese
Berge von Leichnamen der heiligen Thiere betrachtet, kommt der Gedanke ganz von selbst, daß es mit
der Heilighaltung der Krokodile eine eigenthümliche Bewandtniß haben mußte, daß die alten Egypter
die Krokodile eher fürchteten als verehrten, und sie auf jede Weise zu vermindern suchten. Alle die
Ungeheuer, deren Leichname man hier liegen sah, waren gewiß nicht eines natürlichen Todes
verblichen, vielmehr getödtet und dann einbalsamirt worden, gleichsam um sie wegen des Mordes zu
versöhnen. Jn welcher Beziehung die Menschenmumien zu den Krokodilen standen, dürfte schwer
zu sagen sein; möglicherweise hatte ihnen das Geschäft obgelegen, die Krokodile zu jagen und ihre
Leichname einzubalsamiren.

Das Nilkrokodil vertritt die Sippe der Krokodile im engeren Sinne (Crocodilus), welche sich
durch folgende Merkmale kennzeichnet. Der Kopf ist wenigstens zwei Mal solang als breit, der
Rüssel länglich. Unter den ungleich langen Zähnen zeichnen sich der vierte und die beiden Vorder-
zähne des Unterkiefers durch ihre Länge aus; ersterer wird von einem Ausschnitt des Oberkiefers
aufgenommen, die letzteren durchbohren diesen vollständig. Die Hinterfüße tragen volle
Schwimmhäute.

Das Nilkrokodil (Crocodilus vulgaris) kann eine Länge von 20 Fuß erreichen; alte Schrift-
steller sprechen von solchen, welche dreißig und mehr Fuß lang gewesen seien. Die Beschuppung ist
sehr uneben. Hinter dem Schädel liegen vier gekielte Schildchen paarweise beisammen, auf dem
Nacken deren sechs; die Anzahl der Querreihen des Rückentheils ist verschieden, beträgt aber gewöhnlich
funfzehn oder sechzehn, die Anzahl der Schwanzschilde siebzehn bis achtzehn paarige und achtzehn bis
zwanzig einfache. Ein dunkles Bronzegrün, welches auf dem Rücken kleine schwarze Flecken zeigt,
bildet die Grundfärbung, geht an den Seiten des Rumpfes und Halses in unregelmäßig stehende
dunklere Flecken und auf der unteren Fläche des Körpers in Schmuziggelb über, scheint aber vielen
Abänderungen unterworfen zu sein.

Wahrscheinlich gehören alle Krokodile, welche das Festland von Afrika und Madagaskar
bewohnen, nur dieser einen Art an; die von einzelnen Forschern angegebenen Unterschiede zwischen
dem Krokodil des oberen und unteren Niles oder denen des göttlichen Stroms und anderen Flüssen
Afrikas haben sich wenigstens nicht als stichhaltig erwiesen. Angenommen, daß es nur eine Art gibt,
haben wir als Heimat derselben alle größeren Gewässer Afrikas anzusehen, den Nil und seine Zuflüsse,
den Niger und die kleineren Küstenflüsse des Westens, den Orangenfluß und alle größeren Ströme,
welche in das indische Meer fallen; mehr noch aber als die Flüsse sollen die Binnenseen von Jnner-
afrika von Krokodilen wimmeln.

Zu derselben Sippe zählt man das über einen großen Theil Südasiens verbreitete Leisten-
krokodil
(Crocodilus biporcatus), ein dem vorigen in Gestalt und Aussehen höchst ähnliches, durch

Nilkrokodil. Leiſtenkrokodil.
(Bd. I, S. 178). Von der erſten größeren Grotte, welche man erreicht, laufen höhere und
niedere, längere und kürzere Gänge nach allen Seiten hin aus; jeder zeigt noch heutigentages ſein
urſprüngliches Gepräge, kein einziger eine Spur von Bearbeitung, wie denn überhaupt die alten
Egypter in dieſen Grabgewölben der heiligen Thiere den Meiſel nirgends angeſetzt zu haben ſcheinen.
Jn einem der größeren Grottengewölbe bemerkt der Beſucher einen ziemlich hohen Hügel und erfährt
bei genauerer Beſichtigung, daß derſelbe aus Menſchenleichnamen beſteht. Etwas weiter nach hinten,
in einem zweiten, noch größeren Gewölbe liegen die Mumien der Krokodile, Taufende über Tauſende
geſchichtet, ſolche von allen Größen, die Mumien von rieſenhaften Ungeheuern und eben aus-
geſchlüpften Jungen, ſelbſt eingetrocknete mit Erdpech getränkte Eier. Alle größeren Krokodile ſind
mit Leinwand umhüllt und inſofern beſonders behandelt worden, als man ſie einzeln beiſetzte, während
die kleineren zwar mit derſelben Sorgſamkeit eingepackt, aber zu ſechzig bis achtzig Stück in langen, an
beiden Enden zugeſpitzten und zuſammengebundenen Körben aus Palmzweigen hereingebracht und auf-
bewahrt wurden. Genau in derſelben Weiſe hat man auch die Eier eingeſammelt. Wenn man dieſe
Berge von Leichnamen der heiligen Thiere betrachtet, kommt der Gedanke ganz von ſelbſt, daß es mit
der Heilighaltung der Krokodile eine eigenthümliche Bewandtniß haben mußte, daß die alten Egypter
die Krokodile eher fürchteten als verehrten, und ſie auf jede Weiſe zu vermindern ſuchten. Alle die
Ungeheuer, deren Leichname man hier liegen ſah, waren gewiß nicht eines natürlichen Todes
verblichen, vielmehr getödtet und dann einbalſamirt worden, gleichſam um ſie wegen des Mordes zu
verſöhnen. Jn welcher Beziehung die Menſchenmumien zu den Krokodilen ſtanden, dürfte ſchwer
zu ſagen ſein; möglicherweiſe hatte ihnen das Geſchäft obgelegen, die Krokodile zu jagen und ihre
Leichname einzubalſamiren.

Das Nilkrokodil vertritt die Sippe der Krokodile im engeren Sinne (Crocodilus), welche ſich
durch folgende Merkmale kennzeichnet. Der Kopf iſt wenigſtens zwei Mal ſolang als breit, der
Rüſſel länglich. Unter den ungleich langen Zähnen zeichnen ſich der vierte und die beiden Vorder-
zähne des Unterkiefers durch ihre Länge aus; erſterer wird von einem Ausſchnitt des Oberkiefers
aufgenommen, die letzteren durchbohren dieſen vollſtändig. Die Hinterfüße tragen volle
Schwimmhäute.

Das Nilkrokodil (Crocodilus vulgaris) kann eine Länge von 20 Fuß erreichen; alte Schrift-
ſteller ſprechen von ſolchen, welche dreißig und mehr Fuß lang geweſen ſeien. Die Beſchuppung iſt
ſehr uneben. Hinter dem Schädel liegen vier gekielte Schildchen paarweiſe beiſammen, auf dem
Nacken deren ſechs; die Anzahl der Querreihen des Rückentheils iſt verſchieden, beträgt aber gewöhnlich
funfzehn oder ſechzehn, die Anzahl der Schwanzſchilde ſiebzehn bis achtzehn paarige und achtzehn bis
zwanzig einfache. Ein dunkles Bronzegrün, welches auf dem Rücken kleine ſchwarze Flecken zeigt,
bildet die Grundfärbung, geht an den Seiten des Rumpfes und Halſes in unregelmäßig ſtehende
dunklere Flecken und auf der unteren Fläche des Körpers in Schmuziggelb über, ſcheint aber vielen
Abänderungen unterworfen zu ſein.

Wahrſcheinlich gehören alle Krokodile, welche das Feſtland von Afrika und Madagaskar
bewohnen, nur dieſer einen Art an; die von einzelnen Forſchern angegebenen Unterſchiede zwiſchen
dem Krokodil des oberen und unteren Niles oder denen des göttlichen Stroms und anderen Flüſſen
Afrikas haben ſich wenigſtens nicht als ſtichhaltig erwieſen. Angenommen, daß es nur eine Art gibt,
haben wir als Heimat derſelben alle größeren Gewäſſer Afrikas anzuſehen, den Nil und ſeine Zuflüſſe,
den Niger und die kleineren Küſtenflüſſe des Weſtens, den Orangenfluß und alle größeren Ströme,
welche in das indiſche Meer fallen; mehr noch aber als die Flüſſe ſollen die Binnenſeen von Jnner-
afrika von Krokodilen wimmeln.

Zu derſelben Sippe zählt man das über einen großen Theil Südaſiens verbreitete Leiſten-
krokodil
(Crocodilus biporcatus), ein dem vorigen in Geſtalt und Ausſehen höchſt ähnliches, durch

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[73/0089] Nilkrokodil. Leiſtenkrokodil. (Bd. I, S. 178). Von der erſten größeren Grotte, welche man erreicht, laufen höhere und niedere, längere und kürzere Gänge nach allen Seiten hin aus; jeder zeigt noch heutigentages ſein urſprüngliches Gepräge, kein einziger eine Spur von Bearbeitung, wie denn überhaupt die alten Egypter in dieſen Grabgewölben der heiligen Thiere den Meiſel nirgends angeſetzt zu haben ſcheinen. Jn einem der größeren Grottengewölbe bemerkt der Beſucher einen ziemlich hohen Hügel und erfährt bei genauerer Beſichtigung, daß derſelbe aus Menſchenleichnamen beſteht. Etwas weiter nach hinten, in einem zweiten, noch größeren Gewölbe liegen die Mumien der Krokodile, Taufende über Tauſende geſchichtet, ſolche von allen Größen, die Mumien von rieſenhaften Ungeheuern und eben aus- geſchlüpften Jungen, ſelbſt eingetrocknete mit Erdpech getränkte Eier. Alle größeren Krokodile ſind mit Leinwand umhüllt und inſofern beſonders behandelt worden, als man ſie einzeln beiſetzte, während die kleineren zwar mit derſelben Sorgſamkeit eingepackt, aber zu ſechzig bis achtzig Stück in langen, an beiden Enden zugeſpitzten und zuſammengebundenen Körben aus Palmzweigen hereingebracht und auf- bewahrt wurden. Genau in derſelben Weiſe hat man auch die Eier eingeſammelt. Wenn man dieſe Berge von Leichnamen der heiligen Thiere betrachtet, kommt der Gedanke ganz von ſelbſt, daß es mit der Heilighaltung der Krokodile eine eigenthümliche Bewandtniß haben mußte, daß die alten Egypter die Krokodile eher fürchteten als verehrten, und ſie auf jede Weiſe zu vermindern ſuchten. Alle die Ungeheuer, deren Leichname man hier liegen ſah, waren gewiß nicht eines natürlichen Todes verblichen, vielmehr getödtet und dann einbalſamirt worden, gleichſam um ſie wegen des Mordes zu verſöhnen. Jn welcher Beziehung die Menſchenmumien zu den Krokodilen ſtanden, dürfte ſchwer zu ſagen ſein; möglicherweiſe hatte ihnen das Geſchäft obgelegen, die Krokodile zu jagen und ihre Leichname einzubalſamiren. Das Nilkrokodil vertritt die Sippe der Krokodile im engeren Sinne (Crocodilus), welche ſich durch folgende Merkmale kennzeichnet. Der Kopf iſt wenigſtens zwei Mal ſolang als breit, der Rüſſel länglich. Unter den ungleich langen Zähnen zeichnen ſich der vierte und die beiden Vorder- zähne des Unterkiefers durch ihre Länge aus; erſterer wird von einem Ausſchnitt des Oberkiefers aufgenommen, die letzteren durchbohren dieſen vollſtändig. Die Hinterfüße tragen volle Schwimmhäute. Das Nilkrokodil (Crocodilus vulgaris) kann eine Länge von 20 Fuß erreichen; alte Schrift- ſteller ſprechen von ſolchen, welche dreißig und mehr Fuß lang geweſen ſeien. Die Beſchuppung iſt ſehr uneben. Hinter dem Schädel liegen vier gekielte Schildchen paarweiſe beiſammen, auf dem Nacken deren ſechs; die Anzahl der Querreihen des Rückentheils iſt verſchieden, beträgt aber gewöhnlich funfzehn oder ſechzehn, die Anzahl der Schwanzſchilde ſiebzehn bis achtzehn paarige und achtzehn bis zwanzig einfache. Ein dunkles Bronzegrün, welches auf dem Rücken kleine ſchwarze Flecken zeigt, bildet die Grundfärbung, geht an den Seiten des Rumpfes und Halſes in unregelmäßig ſtehende dunklere Flecken und auf der unteren Fläche des Körpers in Schmuziggelb über, ſcheint aber vielen Abänderungen unterworfen zu ſein. Wahrſcheinlich gehören alle Krokodile, welche das Feſtland von Afrika und Madagaskar bewohnen, nur dieſer einen Art an; die von einzelnen Forſchern angegebenen Unterſchiede zwiſchen dem Krokodil des oberen und unteren Niles oder denen des göttlichen Stroms und anderen Flüſſen Afrikas haben ſich wenigſtens nicht als ſtichhaltig erwieſen. Angenommen, daß es nur eine Art gibt, haben wir als Heimat derſelben alle größeren Gewäſſer Afrikas anzuſehen, den Nil und ſeine Zuflüſſe, den Niger und die kleineren Küſtenflüſſe des Weſtens, den Orangenfluß und alle größeren Ströme, welche in das indiſche Meer fallen; mehr noch aber als die Flüſſe ſollen die Binnenſeen von Jnner- afrika von Krokodilen wimmeln. Zu derſelben Sippe zählt man das über einen großen Theil Südaſiens verbreitete Leiſten- krokodil (Crocodilus biporcatus), ein dem vorigen in Geſtalt und Ausſehen höchſt ähnliches, durch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/89>, abgerufen am 22.12.2024.