zwei vom Auge aus auf der Schnauze verlaufende erhabene Knochenleisten und die Beschilderung des Nackens verschiedenes Thier, welches ebenfalls gegen 20 Fuß an Länge erreichen kann.
Das Leistenkrokodil bewohnt in großer Anzahl alle Ströme und Gewässer Südasiens, ins- besondere Vorder- und Hinterindiens, Siams und Südchinas, nicht minder häufig aber auch die Ströme und Seen Ceylons, der Sunda und anderer Jnseln, soll sogar auf den Seschellen vorkommen. Auf Ceylon siedelt es sich, laut Tennent, vorzugsweise in den Flüssen und Seen oder Sümpfen des Tieflandes längs der Küste an, während eine zweite, dort lebende Art (?) der Familie, das Sumpf- krokodil(Crocodilus palustris), sich nur in süßen Gewässern findet und die Nähe des Meeres meidet. Auf Borneo soll es überaus häufig sein: Salomon Müller versichert, sehr oft auf einer Strecke von nicht ganz einer Stunde Wegs zehn bis zwölf dieser fürchterlichen Thiere angetroffen zu haben.
"Zu den gefährlichsten und fürchterlichsten Raubthieren des indischen Jnselmeeres", sagt Schlegel, welcher Müller's Aufzeichnungen veröffentlichte, "gehören ohne Zweifel die Leisten- krokodile. Wir halten es für möglich, daß in Jndien fast ebenso viele Menschen durch Krokodile wie durch Tiger ihr Leben verlieren. Sie verschlingen Alles, was von thierischen Stoffen in ihr Bereich
[Abbildung]
Das Leistenkrokodit(Crocodilus biporcatus).
kommt, es sei frisch oder verfault; ja ihre Gefräßigkeit geht soweit, daß sie sogar Steine hinabwürgen. Meist überfallen sie ihr Opfer aus einem Hinterhalte, die Hirsche, Schweine, Hunde, Ziegen, Affen etc., wenn sie sich dem Wasser nähern, um ihren Durst zu löschen.
"Wenn dieses raubgierige Thier unter dem Wasser auf Beute lauert, steckt es gemeiniglich blos die Nasenlöcher aus demselben hervor und bleibt in dieser Lage nicht selten stundenlang unbeweglich auf einer und derselben Stelle. Die Schärfe seines Gehöres, welches bei allen krokodilen der am meisten bevorzugte Sinn zu sein scheint, setzt es in den Stand, selbst auf größere Entfernung unter dem Wasser zu vernehmen, was außerhalb desselben vorgeht Es nähert sich bei einem Geräusche gewöhnlich sogleich, jedoch in größter Stille dem Ufer. Sind es Menschen, welche das letztere betreten, so kommt es allmählich herbei und hält sich solange unter der Oberfläche des Wassers verborgen, bis sich eine passende Gelegenheit darbietet, einen Anfall zu wagen. Ein solcher mißglückt selten, da es meistentheils nicht eher auf den belauerten Gegenstand losschießt, als bis sich derselbe hinlänglich sicher in seiner Gewalt befindet. Beim Ueberfalle, beim Anbeißen und Fortschleppen des Raubes sind die Bewegungen des Krokodils pfeilschnell, und zwar in solchem Grade, daß man von Menschen, welche
Die Panzerechſen. Krokodile.
zwei vom Auge aus auf der Schnauze verlaufende erhabene Knochenleiſten und die Beſchilderung des Nackens verſchiedenes Thier, welches ebenfalls gegen 20 Fuß an Länge erreichen kann.
Das Leiſtenkrokodil bewohnt in großer Anzahl alle Ströme und Gewäſſer Südaſiens, ins- beſondere Vorder- und Hinterindiens, Siams und Südchinas, nicht minder häufig aber auch die Ströme und Seen Ceylons, der Sunda und anderer Jnſeln, ſoll ſogar auf den Seſchellen vorkommen. Auf Ceylon ſiedelt es ſich, laut Tennent, vorzugsweiſe in den Flüſſen und Seen oder Sümpfen des Tieflandes längs der Küſte an, während eine zweite, dort lebende Art (?) der Familie, das Sumpf- krokodil(Crocodilus palustris), ſich nur in ſüßen Gewäſſern findet und die Nähe des Meeres meidet. Auf Borneo ſoll es überaus häufig ſein: Salomon Müller verſichert, ſehr oft auf einer Strecke von nicht ganz einer Stunde Wegs zehn bis zwölf dieſer fürchterlichen Thiere angetroffen zu haben.
„Zu den gefährlichſten und fürchterlichſten Raubthieren des indiſchen Jnſelmeeres“, ſagt Schlegel, welcher Müller’s Aufzeichnungen veröffentlichte, „gehören ohne Zweifel die Leiſten- krokodile. Wir halten es für möglich, daß in Jndien faſt ebenſo viele Menſchen durch Krokodile wie durch Tiger ihr Leben verlieren. Sie verſchlingen Alles, was von thieriſchen Stoffen in ihr Bereich
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Das Leiſtenkrokodit(Crocodilus biporcatus).
kommt, es ſei friſch oder verfault; ja ihre Gefräßigkeit geht ſoweit, daß ſie ſogar Steine hinabwürgen. Meiſt überfallen ſie ihr Opfer aus einem Hinterhalte, die Hirſche, Schweine, Hunde, Ziegen, Affen ꝛc., wenn ſie ſich dem Waſſer nähern, um ihren Durſt zu löſchen.
„Wenn dieſes raubgierige Thier unter dem Waſſer auf Beute lauert, ſteckt es gemeiniglich blos die Naſenlöcher aus demſelben hervor und bleibt in dieſer Lage nicht ſelten ſtundenlang unbeweglich auf einer und derſelben Stelle. Die Schärfe ſeines Gehöres, welches bei allen krokodilen der am meiſten bevorzugte Sinn zu ſein ſcheint, ſetzt es in den Stand, ſelbſt auf größere Entfernung unter dem Waſſer zu vernehmen, was außerhalb deſſelben vorgeht Es nähert ſich bei einem Geräuſche gewöhnlich ſogleich, jedoch in größter Stille dem Ufer. Sind es Menſchen, welche das letztere betreten, ſo kommt es allmählich herbei und hält ſich ſolange unter der Oberfläche des Waſſers verborgen, bis ſich eine paſſende Gelegenheit darbietet, einen Anfall zu wagen. Ein ſolcher mißglückt ſelten, da es meiſtentheils nicht eher auf den belauerten Gegenſtand losſchießt, als bis ſich derſelbe hinlänglich ſicher in ſeiner Gewalt befindet. Beim Ueberfalle, beim Anbeißen und Fortſchleppen des Raubes ſind die Bewegungen des Krokodils pfeilſchnell, und zwar in ſolchem Grade, daß man von Menſchen, welche
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Die Panzerechſen. Krokodile.
zwei vom Auge aus auf der Schnauze verlaufende erhabene Knochenleiſten und die Beſchilderung des
Nackens verſchiedenes Thier, welches ebenfalls gegen 20 Fuß an Länge erreichen kann.
Das Leiſtenkrokodil bewohnt in großer Anzahl alle Ströme und Gewäſſer Südaſiens, ins-
beſondere Vorder- und Hinterindiens, Siams und Südchinas, nicht minder häufig aber auch die
Ströme und Seen Ceylons, der Sunda und anderer Jnſeln, ſoll ſogar auf den Seſchellen vorkommen.
Auf Ceylon ſiedelt es ſich, laut Tennent, vorzugsweiſe in den Flüſſen und Seen oder Sümpfen des
Tieflandes längs der Küſte an, während eine zweite, dort lebende Art (?) der Familie, das Sumpf-
krokodil (Crocodilus palustris), ſich nur in ſüßen Gewäſſern findet und die Nähe des Meeres meidet.
Auf Borneo ſoll es überaus häufig ſein: Salomon Müller verſichert, ſehr oft auf einer Strecke
von nicht ganz einer Stunde Wegs zehn bis zwölf dieſer fürchterlichen Thiere angetroffen zu haben.
„Zu den gefährlichſten und fürchterlichſten Raubthieren des indiſchen Jnſelmeeres“, ſagt
Schlegel, welcher Müller’s Aufzeichnungen veröffentlichte, „gehören ohne Zweifel die Leiſten-
krokodile. Wir halten es für möglich, daß in Jndien faſt ebenſo viele Menſchen durch Krokodile wie
durch Tiger ihr Leben verlieren. Sie verſchlingen Alles, was von thieriſchen Stoffen in ihr Bereich
[Abbildung Das Leiſtenkrokodit (Crocodilus biporcatus).]
kommt, es ſei friſch oder verfault; ja ihre Gefräßigkeit geht ſoweit, daß ſie ſogar Steine hinabwürgen.
Meiſt überfallen ſie ihr Opfer aus einem Hinterhalte, die Hirſche, Schweine, Hunde, Ziegen,
Affen ꝛc., wenn ſie ſich dem Waſſer nähern, um ihren Durſt zu löſchen.
„Wenn dieſes raubgierige Thier unter dem Waſſer auf Beute lauert, ſteckt es gemeiniglich blos
die Naſenlöcher aus demſelben hervor und bleibt in dieſer Lage nicht ſelten ſtundenlang unbeweglich
auf einer und derſelben Stelle. Die Schärfe ſeines Gehöres, welches bei allen krokodilen der am
meiſten bevorzugte Sinn zu ſein ſcheint, ſetzt es in den Stand, ſelbſt auf größere Entfernung unter
dem Waſſer zu vernehmen, was außerhalb deſſelben vorgeht Es nähert ſich bei einem Geräuſche
gewöhnlich ſogleich, jedoch in größter Stille dem Ufer. Sind es Menſchen, welche das letztere betreten, ſo
kommt es allmählich herbei und hält ſich ſolange unter der Oberfläche des Waſſers verborgen, bis ſich
eine paſſende Gelegenheit darbietet, einen Anfall zu wagen. Ein ſolcher mißglückt ſelten, da es
meiſtentheils nicht eher auf den belauerten Gegenſtand losſchießt, als bis ſich derſelbe hinlänglich ſicher
in ſeiner Gewalt befindet. Beim Ueberfalle, beim Anbeißen und Fortſchleppen des Raubes ſind die
Bewegungen des Krokodils pfeilſchnell, und zwar in ſolchem Grade, daß man von Menſchen, welche
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/90>, abgerufen am 22.12.2024.
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