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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Leistenkrokodil.
durch sie einen gewaltsamen Tod erleiden, nur selten einen Schrei vernimmt. Jmmer zieht es seine
Beute fogleich unter das Wasser, erscheint aber kurze Zeit darauf mit ihr wieder an der Oberfläche.
Jst die Beute klein, so verschlingt es dieselbe sofort im Schwimmen, wobei es den Kopf über das
Wasser hält; größere Thiere oder Menschen hingegen verzehrt es gewöhnlich ruhig gegen Abend oder
in der Nacht, für welchen Zweck es seinen Raub an eine einsame Stelle des Ufers bringt. Durch
starkes Hin- und Herschleudern und dadurch, daß es die Beute gegen den Boden schlägt, scheint es
dieselbe theilweise zu zermalmen und mit Hilfe der Vorderfüße in Stücke zu zerreißen.

"So unternehmend und stark die Krokodile im Wasser sind, so furchtsam und scheu zeigen sie sich
außerhalb desselben. Beim Anblicke eines Menschen, welcher sich ihnen zu Lande oder in einem
Nachen nähert, flüchten sie eiligst nach dem Strome, stürzen sich mit Geräusch ins Wasser, bringen
beim Untertauchen ein heftiges Getöse durch einige fürchterliche Schläge mit dem Schwanze hervor
und verschwinden dann unter dem Wasser. Auf dem Lande ist ihr Lauf im allgemeinen träge und
mühsam; kurze Entfernungen können sie jedoch mit unbegreiflicher Schnelligkeit zurücklegen. Größere
Wanderungen unternehmen sie nur des Nachts; denn sie sind eigentlich mehr Nacht- als Tagthiere
und gleich den großen Katzenarten des Abends und gegen Mitternacht am gefährlichsten. Schwimmend
bewegen sie sich ebensowohl gegen den Strom als stromabwärts mit gleicher Leichtigkeit.

"Spuren von Fröhlichkeit oder gegenseitiger Anhänglichkeit haben wir an ihnen nicht bemerkt;
jedes einzelne lebt für sich."

Tennent berichtet, daß das Sumpfkrokodil während der trockenen Jahreszeit größere
Wanderungen zu unternehmen suche, das Leistenkrokodil aber, wie jenes unter Umständen auch, sich bei
Austrocknung der Gewässer in den Schlamm einwühle, in einen Zustand von Erstarrung falle
und hier bis zu den nächsten Regen verharre. Jn einer der östlichen Provinzen beobachtete er selbst
das Bett eines derartigen Winterschläfers, welches dessen Formen vollständig wiedergab. Ein
Offizier erzählte ihm, daß er einstmals sein Zelt auf dem Schlamme eines ausgetrockneten Sees-
aufgeschlagen habe und während der Nacht nicht wenig erschreckt wurde durch Bewegungen der Erde
unter seinem Bette, welche auch am folgenden Tage fortdauerten und in der Auferstehung eines
Krokodils ihre Erklärung fanden.

Alle größeren Thiere fürchten das Leistenkrokodil in nicht geringerem Grade als die Eingebornen.
"Hunde", fährt Müller fort, "welche einmal ein solches Ungeheuer in der Nähe gesehen haben,
zeigen sich gegen dasselbe so furchtsam, daß sie sich dann später nur äußerst langsam und mit größter
Vorsicht nach dem Wasser begeben. Am Strande von Timor haben wir mehr als ein Mal die
Beobachtung gemacht, daß ein solcher Hund plötzlich vor seinem eigenen Schatten zurückwich, eine
halbe Stunde lang zitternd und bebend sechs oder acht Schritte weit vom Wasser stehen blieb und
unter anhaltendem furchtsamen Stieren nach dem Orte, auf welchem ihm das Schreckbild erschienen
war, erst heftig bellte und hernach ein lautes und schwermüthiges Geheul erhob. -- Ueberfällt die
Eingeborenen auf einer Wasserreise, welche sie auf einem kleinen Boote unternehmen, die Nacht, so
wählen sie, sobald es düster zu werden beginnt, den mittleren Theil des Stromes, weil sich hier die
Krokodile seltener aufhalten als in der Nähe des Ufers. Trotzdem ereignet es sich in Jndien nicht
selten, daß Menschen aus den Fahrzeugen weggeholt werden, oft so schnell, daß sehr nah dabei befindliche
Personen kaum Etwas davon bemerken. Alte Krokodile schlagen zuweilen mit ihrem Schwanze die
kleinen Kähne in Stücke, wobei ihnen dann jederzeit einer der darauf befindlichen Menschen zur
Beute wird. Ein solcher trauriger Fall ereignete sich im Oktober 1838 auf Borneo. Ein Malaie,
dessen Weib und einziges Söhnchen in der Zeit von vierzehn Tagen von einem sehr großen Krokodile
am Ufer des Dusonflusses überfallen worden, wollte einige Wochen später an derselben Stelle eine
Angel legen, um das Thier zu fangen und seine Rache zu kühlen. Als wir diesen Mann sprachen,
war er eben beschäftigt, die Angel in Bereitschaft zu setzen. Zum Köder hatte er das Aas eines
jungen Affen bestimmt. Am folgenden Tage begab er sich in Gesellschaft von drei anderen Einwohnern
gegen Abend an den gedachten Ort, um die Angel daselbst über dem Wasser an einem Strauche

Leiſtenkrokodil.
durch ſie einen gewaltſamen Tod erleiden, nur ſelten einen Schrei vernimmt. Jmmer zieht es ſeine
Beute fogleich unter das Waſſer, erſcheint aber kurze Zeit darauf mit ihr wieder an der Oberfläche.
Jſt die Beute klein, ſo verſchlingt es dieſelbe ſofort im Schwimmen, wobei es den Kopf über das
Waſſer hält; größere Thiere oder Menſchen hingegen verzehrt es gewöhnlich ruhig gegen Abend oder
in der Nacht, für welchen Zweck es ſeinen Raub an eine einſame Stelle des Ufers bringt. Durch
ſtarkes Hin- und Herſchleudern und dadurch, daß es die Beute gegen den Boden ſchlägt, ſcheint es
dieſelbe theilweiſe zu zermalmen und mit Hilfe der Vorderfüße in Stücke zu zerreißen.

„So unternehmend und ſtark die Krokodile im Waſſer ſind, ſo furchtſam und ſcheu zeigen ſie ſich
außerhalb deſſelben. Beim Anblicke eines Menſchen, welcher ſich ihnen zu Lande oder in einem
Nachen nähert, flüchten ſie eiligſt nach dem Strome, ſtürzen ſich mit Geräuſch ins Waſſer, bringen
beim Untertauchen ein heftiges Getöſe durch einige fürchterliche Schläge mit dem Schwanze hervor
und verſchwinden dann unter dem Waſſer. Auf dem Lande iſt ihr Lauf im allgemeinen träge und
mühſam; kurze Entfernungen können ſie jedoch mit unbegreiflicher Schnelligkeit zurücklegen. Größere
Wanderungen unternehmen ſie nur des Nachts; denn ſie ſind eigentlich mehr Nacht- als Tagthiere
und gleich den großen Katzenarten des Abends und gegen Mitternacht am gefährlichſten. Schwimmend
bewegen ſie ſich ebenſowohl gegen den Strom als ſtromabwärts mit gleicher Leichtigkeit.

„Spuren von Fröhlichkeit oder gegenſeitiger Anhänglichkeit haben wir an ihnen nicht bemerkt;
jedes einzelne lebt für ſich.“

Tennent berichtet, daß das Sumpfkrokodil während der trockenen Jahreszeit größere
Wanderungen zu unternehmen ſuche, das Leiſtenkrokodil aber, wie jenes unter Umſtänden auch, ſich bei
Austrocknung der Gewäſſer in den Schlamm einwühle, in einen Zuſtand von Erſtarrung falle
und hier bis zu den nächſten Regen verharre. Jn einer der öſtlichen Provinzen beobachtete er ſelbſt
das Bett eines derartigen Winterſchläfers, welches deſſen Formen vollſtändig wiedergab. Ein
Offizier erzählte ihm, daß er einſtmals ſein Zelt auf dem Schlamme eines ausgetrockneten Sees-
aufgeſchlagen habe und während der Nacht nicht wenig erſchreckt wurde durch Bewegungen der Erde
unter ſeinem Bette, welche auch am folgenden Tage fortdauerten und in der Auferſtehung eines
Krokodils ihre Erklärung fanden.

Alle größeren Thiere fürchten das Leiſtenkrokodil in nicht geringerem Grade als die Eingebornen.
„Hunde“, fährt Müller fort, „welche einmal ein ſolches Ungeheuer in der Nähe geſehen haben,
zeigen ſich gegen daſſelbe ſo furchtſam, daß ſie ſich dann ſpäter nur äußerſt langſam und mit größter
Vorſicht nach dem Waſſer begeben. Am Strande von Timor haben wir mehr als ein Mal die
Beobachtung gemacht, daß ein ſolcher Hund plötzlich vor ſeinem eigenen Schatten zurückwich, eine
halbe Stunde lang zitternd und bebend ſechs oder acht Schritte weit vom Waſſer ſtehen blieb und
unter anhaltendem furchtſamen Stieren nach dem Orte, auf welchem ihm das Schreckbild erſchienen
war, erſt heftig bellte und hernach ein lautes und ſchwermüthiges Geheul erhob. — Ueberfällt die
Eingeborenen auf einer Waſſerreiſe, welche ſie auf einem kleinen Boote unternehmen, die Nacht, ſo
wählen ſie, ſobald es düſter zu werden beginnt, den mittleren Theil des Stromes, weil ſich hier die
Krokodile ſeltener aufhalten als in der Nähe des Ufers. Trotzdem ereignet es ſich in Jndien nicht
ſelten, daß Menſchen aus den Fahrzeugen weggeholt werden, oft ſo ſchnell, daß ſehr nah dabei befindliche
Perſonen kaum Etwas davon bemerken. Alte Krokodile ſchlagen zuweilen mit ihrem Schwanze die
kleinen Kähne in Stücke, wobei ihnen dann jederzeit einer der darauf befindlichen Menſchen zur
Beute wird. Ein ſolcher trauriger Fall ereignete ſich im Oktober 1838 auf Borneo. Ein Malaie,
deſſen Weib und einziges Söhnchen in der Zeit von vierzehn Tagen von einem ſehr großen Krokodile
am Ufer des Duſonfluſſes überfallen worden, wollte einige Wochen ſpäter an derſelben Stelle eine
Angel legen, um das Thier zu fangen und ſeine Rache zu kühlen. Als wir dieſen Mann ſprachen,
war er eben beſchäftigt, die Angel in Bereitſchaft zu ſetzen. Zum Köder hatte er das Aas eines
jungen Affen beſtimmt. Am folgenden Tage begab er ſich in Geſellſchaft von drei anderen Einwohnern
gegen Abend an den gedachten Ort, um die Angel daſelbſt über dem Waſſer an einem Strauche

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[75/0091] Leiſtenkrokodil. durch ſie einen gewaltſamen Tod erleiden, nur ſelten einen Schrei vernimmt. Jmmer zieht es ſeine Beute fogleich unter das Waſſer, erſcheint aber kurze Zeit darauf mit ihr wieder an der Oberfläche. Jſt die Beute klein, ſo verſchlingt es dieſelbe ſofort im Schwimmen, wobei es den Kopf über das Waſſer hält; größere Thiere oder Menſchen hingegen verzehrt es gewöhnlich ruhig gegen Abend oder in der Nacht, für welchen Zweck es ſeinen Raub an eine einſame Stelle des Ufers bringt. Durch ſtarkes Hin- und Herſchleudern und dadurch, daß es die Beute gegen den Boden ſchlägt, ſcheint es dieſelbe theilweiſe zu zermalmen und mit Hilfe der Vorderfüße in Stücke zu zerreißen. „So unternehmend und ſtark die Krokodile im Waſſer ſind, ſo furchtſam und ſcheu zeigen ſie ſich außerhalb deſſelben. Beim Anblicke eines Menſchen, welcher ſich ihnen zu Lande oder in einem Nachen nähert, flüchten ſie eiligſt nach dem Strome, ſtürzen ſich mit Geräuſch ins Waſſer, bringen beim Untertauchen ein heftiges Getöſe durch einige fürchterliche Schläge mit dem Schwanze hervor und verſchwinden dann unter dem Waſſer. Auf dem Lande iſt ihr Lauf im allgemeinen träge und mühſam; kurze Entfernungen können ſie jedoch mit unbegreiflicher Schnelligkeit zurücklegen. Größere Wanderungen unternehmen ſie nur des Nachts; denn ſie ſind eigentlich mehr Nacht- als Tagthiere und gleich den großen Katzenarten des Abends und gegen Mitternacht am gefährlichſten. Schwimmend bewegen ſie ſich ebenſowohl gegen den Strom als ſtromabwärts mit gleicher Leichtigkeit. „Spuren von Fröhlichkeit oder gegenſeitiger Anhänglichkeit haben wir an ihnen nicht bemerkt; jedes einzelne lebt für ſich.“ Tennent berichtet, daß das Sumpfkrokodil während der trockenen Jahreszeit größere Wanderungen zu unternehmen ſuche, das Leiſtenkrokodil aber, wie jenes unter Umſtänden auch, ſich bei Austrocknung der Gewäſſer in den Schlamm einwühle, in einen Zuſtand von Erſtarrung falle und hier bis zu den nächſten Regen verharre. Jn einer der öſtlichen Provinzen beobachtete er ſelbſt das Bett eines derartigen Winterſchläfers, welches deſſen Formen vollſtändig wiedergab. Ein Offizier erzählte ihm, daß er einſtmals ſein Zelt auf dem Schlamme eines ausgetrockneten Sees- aufgeſchlagen habe und während der Nacht nicht wenig erſchreckt wurde durch Bewegungen der Erde unter ſeinem Bette, welche auch am folgenden Tage fortdauerten und in der Auferſtehung eines Krokodils ihre Erklärung fanden. Alle größeren Thiere fürchten das Leiſtenkrokodil in nicht geringerem Grade als die Eingebornen. „Hunde“, fährt Müller fort, „welche einmal ein ſolches Ungeheuer in der Nähe geſehen haben, zeigen ſich gegen daſſelbe ſo furchtſam, daß ſie ſich dann ſpäter nur äußerſt langſam und mit größter Vorſicht nach dem Waſſer begeben. Am Strande von Timor haben wir mehr als ein Mal die Beobachtung gemacht, daß ein ſolcher Hund plötzlich vor ſeinem eigenen Schatten zurückwich, eine halbe Stunde lang zitternd und bebend ſechs oder acht Schritte weit vom Waſſer ſtehen blieb und unter anhaltendem furchtſamen Stieren nach dem Orte, auf welchem ihm das Schreckbild erſchienen war, erſt heftig bellte und hernach ein lautes und ſchwermüthiges Geheul erhob. — Ueberfällt die Eingeborenen auf einer Waſſerreiſe, welche ſie auf einem kleinen Boote unternehmen, die Nacht, ſo wählen ſie, ſobald es düſter zu werden beginnt, den mittleren Theil des Stromes, weil ſich hier die Krokodile ſeltener aufhalten als in der Nähe des Ufers. Trotzdem ereignet es ſich in Jndien nicht ſelten, daß Menſchen aus den Fahrzeugen weggeholt werden, oft ſo ſchnell, daß ſehr nah dabei befindliche Perſonen kaum Etwas davon bemerken. Alte Krokodile ſchlagen zuweilen mit ihrem Schwanze die kleinen Kähne in Stücke, wobei ihnen dann jederzeit einer der darauf befindlichen Menſchen zur Beute wird. Ein ſolcher trauriger Fall ereignete ſich im Oktober 1838 auf Borneo. Ein Malaie, deſſen Weib und einziges Söhnchen in der Zeit von vierzehn Tagen von einem ſehr großen Krokodile am Ufer des Duſonfluſſes überfallen worden, wollte einige Wochen ſpäter an derſelben Stelle eine Angel legen, um das Thier zu fangen und ſeine Rache zu kühlen. Als wir dieſen Mann ſprachen, war er eben beſchäftigt, die Angel in Bereitſchaft zu ſetzen. Zum Köder hatte er das Aas eines jungen Affen beſtimmt. Am folgenden Tage begab er ſich in Geſellſchaft von drei anderen Einwohnern gegen Abend an den gedachten Ort, um die Angel daſelbſt über dem Waſſer an einem Strauche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/91>, abgerufen am 22.12.2024.