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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Panzerechsen. Krokodile.
aufzuhängen. Kaum hatte er diesen erreicht und noch nicht einmal die Angel festgebunden, als
der Kahn unerwartet einen fürchterlichen Schlag von unten empfing, sodaß er zertrümmert wurde
und die vier Leute in das Wasser fielen. Vom Schreck ergriffen hatte jeder genug mit sich selber zu
thun und strebte, durch Schwimmen so geschwind als möglich das Ufer zu erreichen. Glücklich gelang
Dies dreien von ihnen; der Rächer aber wurde vermißt: er war gleich seinem Weibe und Kinde das
Opfer des gefräßigen Thieres geworden. Die drei Geretteten erzählten uns das traurige Ereigniß
selbst. Ein anderer Fall hatte sich wenige Monate vor unserer Ankunft auf Borneo im Sungej bei
Karan ereignet, einem Flusse, welcher wegen der Menge seiner Krokodile weit und breit berüchtigt
ist. Ein eben verheirateter Malaie aus dem Dorfe Ketap wollte mit eintretender Nacht in Begleitung
seiner Frau nach Hause zurückkehren. Nah der Mündung des Flusses wurde er während des
Ruderns durch ein ungewöhnlich großes Krokodil von hinten gepackt, aus dem Fahrzeuge gezogen und
fortgeschleppt: -- und Dies geschah so still und schnell, daß die Frau, welche, dem Gebrauche zufolge,
im Vordertheile des Fahrzeuges saß und bei dem Rucke sich umsah, von ihrem sinkenden Manne Nichts
weiter gewahr wurde als den einen Arm. Dieser Malaie war der Nesse des inländischen Ober-
hauptes Bodien. Letzterer, über den Unfall aufs Höchste betrübt, gab sogleich Befehl, Angeln zu
legen, um das Raubthier und, wenn es möglich wäre, noch andere, zu fangen und zu tödten.
Diesem Umstande haben wir viele Krokodilschädel zu verdanken. Nach Bodien's Versicherung war
das Krokodil, welches seinen Neffen verschlungen hatte, gegen drei Klaftern lang gewesen. Vor
dem Fange dieses Ungeheuers hatte man den Kopf des Schlachtopfers im Gebüsche, nach dem Fange
beim Oeffnen seines Magens hier die Kleider und fast alle Knochen des Mannes gefunden. Den
großen Schädel, den wir zwischen mehreren anderen mit weit aufgesperrtem Rachen am Ufer zur
Schau aufgestellt sahen, haben wir mitgebracht.

"Ein merkwürdiger Fall verdient noch Erwähnung. Vier Leute begaben sich eines Nachmittags
nach dem See Lampur, um zu fischen. Einer von ihnen, welcher mit Auswerfen des Netzes beschäftigt
war und vorn im Kahne stand, wurde plötzlich von einem entsetzlich großen Krokodil bei den Beinen
ergriffen und ins Wasser geschleppt. Man hielt ihn für verloren. Kurz darauf kam jedoch das
Raubthier dicht am Kahne wieder zum Vorscheine, sein noch lebendes und laut um Hilfe schreiendes
Opfer im Rachen haltend. Der Bruder des Unglücklichen, von Mitleid und Entsetzen ergriffen,
zauderte keinen Augenblick, Alles zu wagen, um jenen aus dem Rachen des Ungeheuers zu befreien,
zog seinen Säbel, sprang ins Wasser, ergriff den Bruder beim Arm und versetzte gleichzeitig dem
Krokodile einen so fürchterlichen Hieb in den Nacken, daß es den Mann sofort losließ. Dieser
aber erlag doch nach zweitägigem Leiden den schweren Wunden, welche ihm das Raubthier bei-
gebracht hatte."

Aehnliche Geschichten werden von allen Reisenden erzählt, welche sich längere Zeit in Ostindien
oder in Südasien und insbesondere auf den größeren Eilanden des ostindischen Archipels aufhalten.
Epp, welcher zehn Jahre auf Banka lebte, gibt an, daß in dieser Zeit etwa dreißig Menschen von
Krokodilen getödtet oder doch schwer verwundet wurden. Auf Ceylon scheinen nicht so viele Unglücksfälle
vorzukommen; wenigstens läßt sich Tennent nicht ausführlich darüber aus.

Sehr erklärlich ist es, daß die gefährlichen Echsen auch in Asien nachdrücklich verfolgt, ebenso
erklärlich, daß sie hier und da heilig gehalten und göttlich verehrt werden. Jn denjenigen Gegenden,
wo man unsere Panzerechse für so heilig hält, daß man keinen höheren Wunsch kennt als den, nach
dem Tode, anstatt in einen Engel, in ein Krokodil verwandelt zu werden, verfolgt man das Thier
niemals, sucht sich vielmehr mit ihm zu befreunden. Anderson versichert, in einem Flusse Sumatras
ein riesenhaftes Leistenkrokodil gesehen zu haben, welches regelmäßig mit Fischköpfen gefüttert wurde
und in Folge der guten Behandlung sehr zahm geworden war. Dieser sonderbare Heilige vertrieb
alle übrigen, zeigte sich aber gegen seine gläubigen Verechrer so gutmüthig, daß er ihnen gestattete,
seinen gebenedeieten Leib zu berühren. Zur Mahlzeit stellte er sich pünktlich ein; sonst vertrieb er
sich, wie andere Heilige auch, die Zeit mit beschaulichem Nichtsthun. An anderen Orten ist man

Die Panzerechſen. Krokodile.
aufzuhängen. Kaum hatte er dieſen erreicht und noch nicht einmal die Angel feſtgebunden, als
der Kahn unerwartet einen fürchterlichen Schlag von unten empfing, ſodaß er zertrümmert wurde
und die vier Leute in das Waſſer fielen. Vom Schreck ergriffen hatte jeder genug mit ſich ſelber zu
thun und ſtrebte, durch Schwimmen ſo geſchwind als möglich das Ufer zu erreichen. Glücklich gelang
Dies dreien von ihnen; der Rächer aber wurde vermißt: er war gleich ſeinem Weibe und Kinde das
Opfer des gefräßigen Thieres geworden. Die drei Geretteten erzählten uns das traurige Ereigniß
ſelbſt. Ein anderer Fall hatte ſich wenige Monate vor unſerer Ankunft auf Borneo im Sungej bei
Karan ereignet, einem Fluſſe, welcher wegen der Menge ſeiner Krokodile weit und breit berüchtigt
iſt. Ein eben verheirateter Malaie aus dem Dorfe Ketap wollte mit eintretender Nacht in Begleitung
ſeiner Frau nach Hauſe zurückkehren. Nah der Mündung des Fluſſes wurde er während des
Ruderns durch ein ungewöhnlich großes Krokodil von hinten gepackt, aus dem Fahrzeuge gezogen und
fortgeſchleppt: — und Dies geſchah ſo ſtill und ſchnell, daß die Frau, welche, dem Gebrauche zufolge,
im Vordertheile des Fahrzeuges ſaß und bei dem Rucke ſich umſah, von ihrem ſinkenden Manne Nichts
weiter gewahr wurde als den einen Arm. Dieſer Malaie war der Neſſe des inländiſchen Ober-
hauptes Bodien. Letzterer, über den Unfall aufs Höchſte betrübt, gab ſogleich Befehl, Angeln zu
legen, um das Raubthier und, wenn es möglich wäre, noch andere, zu fangen und zu tödten.
Dieſem Umſtande haben wir viele Krokodilſchädel zu verdanken. Nach Bodien’s Verſicherung war
das Krokodil, welches ſeinen Neffen verſchlungen hatte, gegen drei Klaftern lang geweſen. Vor
dem Fange dieſes Ungeheuers hatte man den Kopf des Schlachtopfers im Gebüſche, nach dem Fange
beim Oeffnen ſeines Magens hier die Kleider und faſt alle Knochen des Mannes gefunden. Den
großen Schädel, den wir zwiſchen mehreren anderen mit weit aufgeſperrtem Rachen am Ufer zur
Schau aufgeſtellt ſahen, haben wir mitgebracht.

„Ein merkwürdiger Fall verdient noch Erwähnung. Vier Leute begaben ſich eines Nachmittags
nach dem See Lampur, um zu fiſchen. Einer von ihnen, welcher mit Auswerfen des Netzes beſchäftigt
war und vorn im Kahne ſtand, wurde plötzlich von einem entſetzlich großen Krokodil bei den Beinen
ergriffen und ins Waſſer geſchleppt. Man hielt ihn für verloren. Kurz darauf kam jedoch das
Raubthier dicht am Kahne wieder zum Vorſcheine, ſein noch lebendes und laut um Hilfe ſchreiendes
Opfer im Rachen haltend. Der Bruder des Unglücklichen, von Mitleid und Entſetzen ergriffen,
zauderte keinen Augenblick, Alles zu wagen, um jenen aus dem Rachen des Ungeheuers zu befreien,
zog ſeinen Säbel, ſprang ins Waſſer, ergriff den Bruder beim Arm und verſetzte gleichzeitig dem
Krokodile einen ſo fürchterlichen Hieb in den Nacken, daß es den Mann ſofort losließ. Dieſer
aber erlag doch nach zweitägigem Leiden den ſchweren Wunden, welche ihm das Raubthier bei-
gebracht hatte.“

Aehnliche Geſchichten werden von allen Reiſenden erzählt, welche ſich längere Zeit in Oſtindien
oder in Südaſien und insbeſondere auf den größeren Eilanden des oſtindiſchen Archipels aufhalten.
Epp, welcher zehn Jahre auf Banka lebte, gibt an, daß in dieſer Zeit etwa dreißig Menſchen von
Krokodilen getödtet oder doch ſchwer verwundet wurden. Auf Ceylon ſcheinen nicht ſo viele Unglücksfälle
vorzukommen; wenigſtens läßt ſich Tennent nicht ausführlich darüber aus.

Sehr erklärlich iſt es, daß die gefährlichen Echſen auch in Aſien nachdrücklich verfolgt, ebenſo
erklärlich, daß ſie hier und da heilig gehalten und göttlich verehrt werden. Jn denjenigen Gegenden,
wo man unſere Panzerechſe für ſo heilig hält, daß man keinen höheren Wunſch kennt als den, nach
dem Tode, anſtatt in einen Engel, in ein Krokodil verwandelt zu werden, verfolgt man das Thier
niemals, ſucht ſich vielmehr mit ihm zu befreunden. Anderſon verſichert, in einem Fluſſe Sumatras
ein rieſenhaftes Leiſtenkrokodil geſehen zu haben, welches regelmäßig mit Fiſchköpfen gefüttert wurde
und in Folge der guten Behandlung ſehr zahm geworden war. Dieſer ſonderbare Heilige vertrieb
alle übrigen, zeigte ſich aber gegen ſeine gläubigen Verechrer ſo gutmüthig, daß er ihnen geſtattete,
ſeinen gebenedeieten Leib zu berühren. Zur Mahlzeit ſtellte er ſich pünktlich ein; ſonſt vertrieb er
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[76/0092] Die Panzerechſen. Krokodile. aufzuhängen. Kaum hatte er dieſen erreicht und noch nicht einmal die Angel feſtgebunden, als der Kahn unerwartet einen fürchterlichen Schlag von unten empfing, ſodaß er zertrümmert wurde und die vier Leute in das Waſſer fielen. Vom Schreck ergriffen hatte jeder genug mit ſich ſelber zu thun und ſtrebte, durch Schwimmen ſo geſchwind als möglich das Ufer zu erreichen. Glücklich gelang Dies dreien von ihnen; der Rächer aber wurde vermißt: er war gleich ſeinem Weibe und Kinde das Opfer des gefräßigen Thieres geworden. Die drei Geretteten erzählten uns das traurige Ereigniß ſelbſt. Ein anderer Fall hatte ſich wenige Monate vor unſerer Ankunft auf Borneo im Sungej bei Karan ereignet, einem Fluſſe, welcher wegen der Menge ſeiner Krokodile weit und breit berüchtigt iſt. Ein eben verheirateter Malaie aus dem Dorfe Ketap wollte mit eintretender Nacht in Begleitung ſeiner Frau nach Hauſe zurückkehren. Nah der Mündung des Fluſſes wurde er während des Ruderns durch ein ungewöhnlich großes Krokodil von hinten gepackt, aus dem Fahrzeuge gezogen und fortgeſchleppt: — und Dies geſchah ſo ſtill und ſchnell, daß die Frau, welche, dem Gebrauche zufolge, im Vordertheile des Fahrzeuges ſaß und bei dem Rucke ſich umſah, von ihrem ſinkenden Manne Nichts weiter gewahr wurde als den einen Arm. Dieſer Malaie war der Neſſe des inländiſchen Ober- hauptes Bodien. Letzterer, über den Unfall aufs Höchſte betrübt, gab ſogleich Befehl, Angeln zu legen, um das Raubthier und, wenn es möglich wäre, noch andere, zu fangen und zu tödten. Dieſem Umſtande haben wir viele Krokodilſchädel zu verdanken. Nach Bodien’s Verſicherung war das Krokodil, welches ſeinen Neffen verſchlungen hatte, gegen drei Klaftern lang geweſen. Vor dem Fange dieſes Ungeheuers hatte man den Kopf des Schlachtopfers im Gebüſche, nach dem Fange beim Oeffnen ſeines Magens hier die Kleider und faſt alle Knochen des Mannes gefunden. Den großen Schädel, den wir zwiſchen mehreren anderen mit weit aufgeſperrtem Rachen am Ufer zur Schau aufgeſtellt ſahen, haben wir mitgebracht. „Ein merkwürdiger Fall verdient noch Erwähnung. Vier Leute begaben ſich eines Nachmittags nach dem See Lampur, um zu fiſchen. Einer von ihnen, welcher mit Auswerfen des Netzes beſchäftigt war und vorn im Kahne ſtand, wurde plötzlich von einem entſetzlich großen Krokodil bei den Beinen ergriffen und ins Waſſer geſchleppt. Man hielt ihn für verloren. Kurz darauf kam jedoch das Raubthier dicht am Kahne wieder zum Vorſcheine, ſein noch lebendes und laut um Hilfe ſchreiendes Opfer im Rachen haltend. Der Bruder des Unglücklichen, von Mitleid und Entſetzen ergriffen, zauderte keinen Augenblick, Alles zu wagen, um jenen aus dem Rachen des Ungeheuers zu befreien, zog ſeinen Säbel, ſprang ins Waſſer, ergriff den Bruder beim Arm und verſetzte gleichzeitig dem Krokodile einen ſo fürchterlichen Hieb in den Nacken, daß es den Mann ſofort losließ. Dieſer aber erlag doch nach zweitägigem Leiden den ſchweren Wunden, welche ihm das Raubthier bei- gebracht hatte.“ Aehnliche Geſchichten werden von allen Reiſenden erzählt, welche ſich längere Zeit in Oſtindien oder in Südaſien und insbeſondere auf den größeren Eilanden des oſtindiſchen Archipels aufhalten. Epp, welcher zehn Jahre auf Banka lebte, gibt an, daß in dieſer Zeit etwa dreißig Menſchen von Krokodilen getödtet oder doch ſchwer verwundet wurden. Auf Ceylon ſcheinen nicht ſo viele Unglücksfälle vorzukommen; wenigſtens läßt ſich Tennent nicht ausführlich darüber aus. Sehr erklärlich iſt es, daß die gefährlichen Echſen auch in Aſien nachdrücklich verfolgt, ebenſo erklärlich, daß ſie hier und da heilig gehalten und göttlich verehrt werden. Jn denjenigen Gegenden, wo man unſere Panzerechſe für ſo heilig hält, daß man keinen höheren Wunſch kennt als den, nach dem Tode, anſtatt in einen Engel, in ein Krokodil verwandelt zu werden, verfolgt man das Thier niemals, ſucht ſich vielmehr mit ihm zu befreunden. Anderſon verſichert, in einem Fluſſe Sumatras ein rieſenhaftes Leiſtenkrokodil geſehen zu haben, welches regelmäßig mit Fiſchköpfen gefüttert wurde und in Folge der guten Behandlung ſehr zahm geworden war. Dieſer ſonderbare Heilige vertrieb alle übrigen, zeigte ſich aber gegen ſeine gläubigen Verechrer ſo gutmüthig, daß er ihnen geſtattete, ſeinen gebenedeieten Leib zu berühren. Zur Mahlzeit ſtellte er ſich pünktlich ein; ſonſt vertrieb er ſich, wie andere Heilige auch, die Zeit mit beſchaulichem Nichtsthun. An anderen Orten iſt man

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/92>, abgerufen am 22.12.2024.