minder gläubig und verfolgt die armen Heiligen, wendet verschiedene Mittel an, sich ihrer zu bemächtigen, am häufigsten die geköderte Angel, hier und da auch große Netze, an einzelnen Orten endlich feststehende Reußen, welche so eingerichtet sind, daß eine Fallthüre hinter ihnen zufällt und ihnen den Rückweg nach dem tieferen Wasser versperrt. Ein geangeltes Krokodil benimmt sich, als ob es rasend wäre und setzt dem Fänger in der Regel großen Widerstand entgegen; wenn es aber einmal ans Land gebracht worden ist, ergibt es sich fast widerstandslos in sein Geschick. Tennent erzählt, daß die Thiere, welche mit Netzen aus halb vertrockneten Gewässern gefischt werden sollen, sich, wenn sie es können, in den Schlamm einwühlen, und das Netz über sich weggehen lassen, also eine List bekunden, die man ihnen selbst in Jndien nicht zutraut.
Die gefangenen Leistenkrokodile werden gewöhnlich todtgeschlagen und nicht weiter benutzt. Hier und da, in Siam z. B., weiß man ihr Fleisch zu schätzen und bringt sie deshalb gelegentlich auf den Markt; einzelne von den Gefangenen sollen auch zu Thierkämpfen benutzt werden. So erzählt Kögel, daß die Einwohner von Samarang auf Java ein gefangenes Krokodil mit einem Tiger zusammensperrten, um zu erfahren, was letzteres mit seinem gepanzerten Gegner beginnen werde. "Der Tiger versuchte vergeblich, den Rücken seines Feindes zu zerreißen und zu zerbeißen; aber seine Waffen drangen nicht durch und verursachten kaum Schmerz: es gelang ihm nicht einmal, dem Krokodile ein Stück Fleisch aus der Seite zu reißen. Letzteres packte ihn zuletzt am Beine, biß es entzwei, faßte hierauf seinen Kopf und zermalmte auch diesen." Jch gebe diese Geschichte, wie sie mir vorliegt, jedoch ohne sie irgendwie vertreten zu wollen. Doch spricht auch Dr.Schmidtmüller von einem beabsichtigten Kampfe zwischen einem Königstiger und einem Krokodile. Ein solches wurde während des Aufenthaltes unseres Gewährsmannes auf Java lebendig gefangen, nachdem es vorher einen Soldaten gepackt hatte. Buginesen, welche unter den Soldaten dienten, baten um das Leben des ihnen heiligen Thieres; ihre Bitte ward abgeschlagen: da vergifteten sie es heimlich, erbaten sich die Leiche, wickelten sie in weiße Leinwand und bestatteten sie auf ihrem Begräbnißplatze.
Ueber das in Amerika lebende Spitzkrokodil(Crocodilus acutus) verdanken wir A. v. Hum- boldt ausführliche Mittheilungen. Diese Art der Sippe ist auf den großen Antillen zu Hause, verbreitet sich aber auch über den Norden Südamerikas und wird besonders häufig im Orinoko, Magdalenenflusse und den benachbarten Gewässern gefunden. Jm Orinoko und seinen Zuflüssen sah Humboldt stellenweise sehr viele dieser wegen ihrer Raubgier von den wenig gefürchteten Alligatoren oder Kaimans so wesentlich unterschiedenen Thiere. "Von Diamant an", sagt er, "betritt man ein Gebiet, welches nur von Thieren bewohnt ist und stellenweise als das wahre Reich der Jaguare und Krokodile betrachtet werden kann. Das eine Ufer des Flusses ist meist dürr und sandig, in Folge der Ueberschwemmung, das andere höher und mit hochstämmigen Bäumen bewachsen; hin und wieder begrenzen auch Bäume den Fluß zu beiden Seiten. Die großen Vierfüßer des Landes, Tapir, Pekari und Jaguar, haben Gänge in die Uferdickichte gebrochen, durch welche sie, um zu trinken, an den Strom gehen. Da sie sich nicht viel daraus machen, wenn ein Boot vorbei kommt, hat man den Genuß, sie langsam am Ufer dahin streichen zu sehen, bis sie durch eine der schmalen Lücken verschwinden. Man sieht sich in einer neuen Welt, einer wilden, unbezähmten Natur gegenüber. Bald zeigt sich am Gestade der Jaguar, bald wandelt der Hokko langsam in der Uferhecke hin; Thiere der verschiedensten Klassen lösen einander ab. "Es ist wie im Paradiese", sagt unser Steuermann, ein alter Jndianer aus den Missionen. Und wirklich Alles erinnert hier an den Urzustand der Welt, dessen Unschuld und Glück uralte, ehrwürdige Ueberlieferungen allen Völkern vor Augen stellen; beobachtet man aber das gegenseitige Verhalten der Thiere genau, so zeigt sich, daß sie einander fürchten und meiden; das goldene Zeitalter ist vorbei, und in diesem Paradiese der amerikanischen Wälder wie allerorten hatte lange, traurige Erfahrung allen Geschöpfen gelehrt, daß Sanftmuth und Stärke selten beisammen sind.
"Wo das Gestade eine bedeutende Breite hat, bleiben die Gebüschreihen weiter vom Strome weg. Auf diesem Zwischengebiete sieht man Krokodile oft ihrer acht und zehn auf dem Sande liegen.
Leiſtenkrokodil. Spitzkrokodil.
minder gläubig und verfolgt die armen Heiligen, wendet verſchiedene Mittel an, ſich ihrer zu bemächtigen, am häufigſten die geköderte Angel, hier und da auch große Netze, an einzelnen Orten endlich feſtſtehende Reußen, welche ſo eingerichtet ſind, daß eine Fallthüre hinter ihnen zufällt und ihnen den Rückweg nach dem tieferen Waſſer verſperrt. Ein geangeltes Krokodil benimmt ſich, als ob es raſend wäre und ſetzt dem Fänger in der Regel großen Widerſtand entgegen; wenn es aber einmal ans Land gebracht worden iſt, ergibt es ſich faſt widerſtandslos in ſein Geſchick. Tennent erzählt, daß die Thiere, welche mit Netzen aus halb vertrockneten Gewäſſern gefiſcht werden ſollen, ſich, wenn ſie es können, in den Schlamm einwühlen, und das Netz über ſich weggehen laſſen, alſo eine Liſt bekunden, die man ihnen ſelbſt in Jndien nicht zutraut.
Die gefangenen Leiſtenkrokodile werden gewöhnlich todtgeſchlagen und nicht weiter benutzt. Hier und da, in Siam z. B., weiß man ihr Fleiſch zu ſchätzen und bringt ſie deshalb gelegentlich auf den Markt; einzelne von den Gefangenen ſollen auch zu Thierkämpfen benutzt werden. So erzählt Kögel, daß die Einwohner von Samarang auf Java ein gefangenes Krokodil mit einem Tiger zuſammenſperrten, um zu erfahren, was letzteres mit ſeinem gepanzerten Gegner beginnen werde. „Der Tiger verſuchte vergeblich, den Rücken ſeines Feindes zu zerreißen und zu zerbeißen; aber ſeine Waffen drangen nicht durch und verurſachten kaum Schmerz: es gelang ihm nicht einmal, dem Krokodile ein Stück Fleiſch aus der Seite zu reißen. Letzteres packte ihn zuletzt am Beine, biß es entzwei, faßte hierauf ſeinen Kopf und zermalmte auch dieſen.“ Jch gebe dieſe Geſchichte, wie ſie mir vorliegt, jedoch ohne ſie irgendwie vertreten zu wollen. Doch ſpricht auch Dr.Schmidtmüller von einem beabſichtigten Kampfe zwiſchen einem Königstiger und einem Krokodile. Ein ſolches wurde während des Aufenthaltes unſeres Gewährsmannes auf Java lebendig gefangen, nachdem es vorher einen Soldaten gepackt hatte. Bugineſen, welche unter den Soldaten dienten, baten um das Leben des ihnen heiligen Thieres; ihre Bitte ward abgeſchlagen: da vergifteten ſie es heimlich, erbaten ſich die Leiche, wickelten ſie in weiße Leinwand und beſtatteten ſie auf ihrem Begräbnißplatze.
Ueber das in Amerika lebende Spitzkrokodil(Crocodilus acutus) verdanken wir A. v. Hum- boldt ausführliche Mittheilungen. Dieſe Art der Sippe iſt auf den großen Antillen zu Hauſe, verbreitet ſich aber auch über den Norden Südamerikas und wird beſonders häufig im Orinoko, Magdalenenfluſſe und den benachbarten Gewäſſern gefunden. Jm Orinoko und ſeinen Zuflüſſen ſah Humboldt ſtellenweiſe ſehr viele dieſer wegen ihrer Raubgier von den wenig gefürchteten Alligatoren oder Kaimans ſo weſentlich unterſchiedenen Thiere. „Von Diamant an“, ſagt er, „betritt man ein Gebiet, welches nur von Thieren bewohnt iſt und ſtellenweiſe als das wahre Reich der Jaguare und Krokodile betrachtet werden kann. Das eine Ufer des Fluſſes iſt meiſt dürr und ſandig, in Folge der Ueberſchwemmung, das andere höher und mit hochſtämmigen Bäumen bewachſen; hin und wieder begrenzen auch Bäume den Fluß zu beiden Seiten. Die großen Vierfüßer des Landes, Tapir, Pekari und Jaguar, haben Gänge in die Uferdickichte gebrochen, durch welche ſie, um zu trinken, an den Strom gehen. Da ſie ſich nicht viel daraus machen, wenn ein Boot vorbei kommt, hat man den Genuß, ſie langſam am Ufer dahin ſtreichen zu ſehen, bis ſie durch eine der ſchmalen Lücken verſchwinden. Man ſieht ſich in einer neuen Welt, einer wilden, unbezähmten Natur gegenüber. Bald zeigt ſich am Geſtade der Jaguar, bald wandelt der Hokko langſam in der Uferhecke hin; Thiere der verſchiedenſten Klaſſen löſen einander ab. „Es iſt wie im Paradieſe“, ſagt unſer Steuermann, ein alter Jndianer aus den Miſſionen. Und wirklich Alles erinnert hier an den Urzuſtand der Welt, deſſen Unſchuld und Glück uralte, ehrwürdige Ueberlieferungen allen Völkern vor Augen ſtellen; beobachtet man aber das gegenſeitige Verhalten der Thiere genau, ſo zeigt ſich, daß ſie einander fürchten und meiden; das goldene Zeitalter iſt vorbei, und in dieſem Paradieſe der amerikaniſchen Wälder wie allerorten hatte lange, traurige Erfahrung allen Geſchöpfen gelehrt, daß Sanftmuth und Stärke ſelten beiſammen ſind.
„Wo das Geſtade eine bedeutende Breite hat, bleiben die Gebüſchreihen weiter vom Strome weg. Auf dieſem Zwiſchengebiete ſieht man Krokodile oft ihrer acht und zehn auf dem Sande liegen.
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[77/0093]
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minder gläubig und verfolgt die armen Heiligen, wendet verſchiedene Mittel an, ſich ihrer zu
bemächtigen, am häufigſten die geköderte Angel, hier und da auch große Netze, an einzelnen Orten
endlich feſtſtehende Reußen, welche ſo eingerichtet ſind, daß eine Fallthüre hinter ihnen zufällt und
ihnen den Rückweg nach dem tieferen Waſſer verſperrt. Ein geangeltes Krokodil benimmt ſich, als
ob es raſend wäre und ſetzt dem Fänger in der Regel großen Widerſtand entgegen; wenn es aber
einmal ans Land gebracht worden iſt, ergibt es ſich faſt widerſtandslos in ſein Geſchick. Tennent
erzählt, daß die Thiere, welche mit Netzen aus halb vertrockneten Gewäſſern gefiſcht werden ſollen,
ſich, wenn ſie es können, in den Schlamm einwühlen, und das Netz über ſich weggehen laſſen, alſo
eine Liſt bekunden, die man ihnen ſelbſt in Jndien nicht zutraut.
Die gefangenen Leiſtenkrokodile werden gewöhnlich todtgeſchlagen und nicht weiter benutzt. Hier
und da, in Siam z. B., weiß man ihr Fleiſch zu ſchätzen und bringt ſie deshalb gelegentlich auf den
Markt; einzelne von den Gefangenen ſollen auch zu Thierkämpfen benutzt werden. So erzählt
Kögel, daß die Einwohner von Samarang auf Java ein gefangenes Krokodil mit einem Tiger
zuſammenſperrten, um zu erfahren, was letzteres mit ſeinem gepanzerten Gegner beginnen werde.
„Der Tiger verſuchte vergeblich, den Rücken ſeines Feindes zu zerreißen und zu zerbeißen; aber ſeine
Waffen drangen nicht durch und verurſachten kaum Schmerz: es gelang ihm nicht einmal, dem Krokodile
ein Stück Fleiſch aus der Seite zu reißen. Letzteres packte ihn zuletzt am Beine, biß es entzwei, faßte
hierauf ſeinen Kopf und zermalmte auch dieſen.“ Jch gebe dieſe Geſchichte, wie ſie mir vorliegt,
jedoch ohne ſie irgendwie vertreten zu wollen. Doch ſpricht auch Dr. Schmidtmüller von einem
beabſichtigten Kampfe zwiſchen einem Königstiger und einem Krokodile. Ein ſolches wurde während
des Aufenthaltes unſeres Gewährsmannes auf Java lebendig gefangen, nachdem es vorher einen
Soldaten gepackt hatte. Bugineſen, welche unter den Soldaten dienten, baten um das Leben des
ihnen heiligen Thieres; ihre Bitte ward abgeſchlagen: da vergifteten ſie es heimlich, erbaten ſich die
Leiche, wickelten ſie in weiße Leinwand und beſtatteten ſie auf ihrem Begräbnißplatze.
Ueber das in Amerika lebende Spitzkrokodil (Crocodilus acutus) verdanken wir A. v. Hum-
boldt ausführliche Mittheilungen. Dieſe Art der Sippe iſt auf den großen Antillen zu Hauſe,
verbreitet ſich aber auch über den Norden Südamerikas und wird beſonders häufig im Orinoko,
Magdalenenfluſſe und den benachbarten Gewäſſern gefunden. Jm Orinoko und ſeinen Zuflüſſen ſah
Humboldt ſtellenweiſe ſehr viele dieſer wegen ihrer Raubgier von den wenig gefürchteten Alligatoren
oder Kaimans ſo weſentlich unterſchiedenen Thiere. „Von Diamant an“, ſagt er, „betritt man ein
Gebiet, welches nur von Thieren bewohnt iſt und ſtellenweiſe als das wahre Reich der Jaguare und
Krokodile betrachtet werden kann. Das eine Ufer des Fluſſes iſt meiſt dürr und ſandig, in Folge der
Ueberſchwemmung, das andere höher und mit hochſtämmigen Bäumen bewachſen; hin und wieder
begrenzen auch Bäume den Fluß zu beiden Seiten. Die großen Vierfüßer des Landes, Tapir,
Pekari und Jaguar, haben Gänge in die Uferdickichte gebrochen, durch welche ſie, um zu trinken, an
den Strom gehen. Da ſie ſich nicht viel daraus machen, wenn ein Boot vorbei kommt, hat man den
Genuß, ſie langſam am Ufer dahin ſtreichen zu ſehen, bis ſie durch eine der ſchmalen Lücken verſchwinden.
Man ſieht ſich in einer neuen Welt, einer wilden, unbezähmten Natur gegenüber. Bald zeigt ſich am
Geſtade der Jaguar, bald wandelt der Hokko langſam in der Uferhecke hin; Thiere der verſchiedenſten
Klaſſen löſen einander ab. „Es iſt wie im Paradieſe“, ſagt unſer Steuermann, ein alter Jndianer aus
den Miſſionen. Und wirklich Alles erinnert hier an den Urzuſtand der Welt, deſſen Unſchuld und
Glück uralte, ehrwürdige Ueberlieferungen allen Völkern vor Augen ſtellen; beobachtet man aber das
gegenſeitige Verhalten der Thiere genau, ſo zeigt ſich, daß ſie einander fürchten und meiden; das
goldene Zeitalter iſt vorbei, und in dieſem Paradieſe der amerikaniſchen Wälder wie allerorten hatte
lange, traurige Erfahrung allen Geſchöpfen gelehrt, daß Sanftmuth und Stärke ſelten beiſammen ſind.
„Wo das Geſtade eine bedeutende Breite hat, bleiben die Gebüſchreihen weiter vom Strome weg.
Auf dieſem Zwiſchengebiete ſieht man Krokodile oft ihrer acht und zehn auf dem Sande liegen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/93>, abgerufen am 22.12.2024.
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