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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Muscheln. Monomyarier.
Römer, die der Gastronomie so sehr huldigten, daß eine Mißachtung derselben als Mangel an
Urbanität galt, holten sich die Austern aus den verschiedensten Weltgegenden und setzten sie in
die Lucrinische Bucht, die damals wohl weniger ausgefüllt war, als jetzt, oder in andere künstlich
ausgegrabene Behälter, deren es in der späteren Zeit viele gab. An und für sich aber galten
die britannischen Austern für sehr gut. Plinius erklärte aber die Circaeischen für die besten.
Andere aber scheinen sie von anderen Gegenden vorgezogen zu haben und Juvenal versichert,
daß ein Feinschmecker auf den ersten Biß erkennen konnte, von wo die Austern kamen. Lassen
wir die vielen Aeußerungen der Alten über die Feinschmeckerei und Schlemmerei in Bezug auf
die Austern ganz bei Seite, so bleibt immer beachtenswerth, daß Plinius, der sich auf solche
Dinge verstand, die Austern aus der offenen See für klein und schlecht erklärt und für gute
Austern den Zufluß von süßem Wasser für nöthig hält".

Wir sind aus der Naturgeschichte der Auster schon in das Austern-Essen, Pflege und
Zucht der Austern hineingekommen, ein Kapitel, worüber gerade im letzten Jahrzehnt so
unendlich viel sowohl in wissenschaftlichen als in populären Werken und Zeitschriften geschrieben ist.
König Jakob von England soll oft, wenn er sich die Austern gut schmecken ließ, gesagt haben,
es müsse ein muthiger Mann gewesen sein, der zuerst eine Auster gegessen habe. Keineswegs.
Zu den Austern und vielen anderen auch nicht appetitlicher aussehenden Meerfrüchten griff der
Mensch, als er kaum schon diesen Namen verdiente, und das Aussehen des Eßbaren ihm gewiß
den geringsten Kummer machte. Den Beweis, daß schon vor Jahrtausenden die Auster ein
wichtiges Nahrungsmittel eines die Küsten bewohnenden Theiles der Ureinwohner Europas gebildet,
liefern die sogenannten "Küchenreste", welche in ungeheuern Anhäufungen längs der Ostküste
Jütlands und an den dänischen Jnseln bis zu den Eingängen der Ostsee hin von den dänischen
Gelehrten und mit großem Scharfsinn untersucht worden sind. Sie geben zugleich, beiläufig gesagt,
einen der sichersten Belege dafür, daß wenigstens der ganze südliche Theil des Kattegatt, in welchem
die Auster jetzt wegen des geringen Salzgehaltes nicht mehr fortkommt, damals, als dem Gedeihen
der Auster sehr zuträglich, viel salzreicher gewesen sein muß, ein Umstand, der mit anderen zu
höchst interessanten Schlüssen über die damalige Gestaltung Schwedens und vielleicht auch Finnlands
geleitet hat. Jch kenne keine bessere Skizze über den einstigen Austernverbrauch und die Austern-
zucht, als welche E. von Bär in der obigen Abhandlung gegeben und da dieselbe in einer nur
wenig Lesern zugänglichen Zeitschrift enthalten, nehmen wir sie auf. "Die Versuche, die man
neuerlich in Frankreich gemacht hat, erschöpfte Austernbänke zu reinigen, oder in anderen Gegenden
den Austern bessere Ansatzpunkte zu verschaffen, scheinen Vielen den Eindruck gemacht zu haben,
als ob die Austernpflege -- so wollen wir überhaupt die Sorge für das Gedeihen der Austern
benennen -- eine neue Kunst wäre, und eine weitere Ausbildung der Methode der künstlichen
Befruchtung der Fische. Es ist daher wohl nicht überflüssig, mit einigen Worten zu bemerken,
daß die gewöhnliche Austern-Zucht oder Austern-Pflege ungemein alt ist, sehr allgemein angewendet
wurde und noch wird, nicht etwa so, wie die künstliche Fischzucht, die fast vor einem Jahrhunderte
begann und an einigen Orten, z. B. in Bayern, zwar fortgesetzt wurde, aber in so kleinem
Maßstabe und mit so wenig Aufsehen, daß die neueren Versuche in Frankreich längere Zeit als
erste und nicht erhörte vom großen Publikum angestaunt wurden, während die künstliche Befruchtung
an Fröschen seit einem Jahrhundert vielleicht von jedem Naturforscher, der die Entwicklung dieser
Thiere beobachten wollte, und in neuerer Zeit auch die Befruchtung der Fischeier nicht selten von
Naturforschern vorgenommen war. Ein künstliche Befruchtung ist bei den Austern gar nicht
erforderlich und könnte nur zerstörend wirken, denn die Austern sind hermaphroditisch."

"Die Austern-Pflege ist aber schon 2 Jahrtausende alt. Plinius sagt sehr bestimmt, daß
Sergius Orata, ein Mann, der vor dem marsischen Kriege, also wohl ein Jahrhundert vor
Christo lebte, die erstern Austern-Bassins angelegt habe, und zwar in großem Maßstabe, um
sich zu bereichern. Sie wurden bald ganz allgemein, da die späteren Römer den Tafelfreuden

Muſcheln. Monomyarier.
Römer, die der Gaſtronomie ſo ſehr huldigten, daß eine Mißachtung derſelben als Mangel an
Urbanität galt, holten ſich die Auſtern aus den verſchiedenſten Weltgegenden und ſetzten ſie in
die Lucriniſche Bucht, die damals wohl weniger ausgefüllt war, als jetzt, oder in andere künſtlich
ausgegrabene Behälter, deren es in der ſpäteren Zeit viele gab. An und für ſich aber galten
die britanniſchen Auſtern für ſehr gut. Plinius erklärte aber die Circaeiſchen für die beſten.
Andere aber ſcheinen ſie von anderen Gegenden vorgezogen zu haben und Juvenal verſichert,
daß ein Feinſchmecker auf den erſten Biß erkennen konnte, von wo die Auſtern kamen. Laſſen
wir die vielen Aeußerungen der Alten über die Feinſchmeckerei und Schlemmerei in Bezug auf
die Auſtern ganz bei Seite, ſo bleibt immer beachtenswerth, daß Plinius, der ſich auf ſolche
Dinge verſtand, die Auſtern aus der offenen See für klein und ſchlecht erklärt und für gute
Auſtern den Zufluß von ſüßem Waſſer für nöthig hält“.

Wir ſind aus der Naturgeſchichte der Auſter ſchon in das Auſtern-Eſſen, Pflege und
Zucht der Auſtern hineingekommen, ein Kapitel, worüber gerade im letzten Jahrzehnt ſo
unendlich viel ſowohl in wiſſenſchaftlichen als in populären Werken und Zeitſchriften geſchrieben iſt.
König Jakob von England ſoll oft, wenn er ſich die Auſtern gut ſchmecken ließ, geſagt haben,
es müſſe ein muthiger Mann geweſen ſein, der zuerſt eine Auſter gegeſſen habe. Keineswegs.
Zu den Auſtern und vielen anderen auch nicht appetitlicher ausſehenden Meerfrüchten griff der
Menſch, als er kaum ſchon dieſen Namen verdiente, und das Ausſehen des Eßbaren ihm gewiß
den geringſten Kummer machte. Den Beweis, daß ſchon vor Jahrtauſenden die Auſter ein
wichtiges Nahrungsmittel eines die Küſten bewohnenden Theiles der Ureinwohner Europas gebildet,
liefern die ſogenannten „Küchenreſte“, welche in ungeheuern Anhäufungen längs der Oſtküſte
Jütlands und an den däniſchen Jnſeln bis zu den Eingängen der Oſtſee hin von den däniſchen
Gelehrten und mit großem Scharfſinn unterſucht worden ſind. Sie geben zugleich, beiläufig geſagt,
einen der ſicherſten Belege dafür, daß wenigſtens der ganze ſüdliche Theil des Kattegatt, in welchem
die Auſter jetzt wegen des geringen Salzgehaltes nicht mehr fortkommt, damals, als dem Gedeihen
der Auſter ſehr zuträglich, viel ſalzreicher geweſen ſein muß, ein Umſtand, der mit anderen zu
höchſt intereſſanten Schlüſſen über die damalige Geſtaltung Schwedens und vielleicht auch Finnlands
geleitet hat. Jch kenne keine beſſere Skizze über den einſtigen Auſternverbrauch und die Auſtern-
zucht, als welche E. von Bär in der obigen Abhandlung gegeben und da dieſelbe in einer nur
wenig Leſern zugänglichen Zeitſchrift enthalten, nehmen wir ſie auf. „Die Verſuche, die man
neuerlich in Frankreich gemacht hat, erſchöpfte Auſternbänke zu reinigen, oder in anderen Gegenden
den Auſtern beſſere Anſatzpunkte zu verſchaffen, ſcheinen Vielen den Eindruck gemacht zu haben,
als ob die Auſternpflege — ſo wollen wir überhaupt die Sorge für das Gedeihen der Auſtern
benennen — eine neue Kunſt wäre, und eine weitere Ausbildung der Methode der künſtlichen
Befruchtung der Fiſche. Es iſt daher wohl nicht überflüſſig, mit einigen Worten zu bemerken,
daß die gewöhnliche Auſtern-Zucht oder Auſtern-Pflege ungemein alt iſt, ſehr allgemein angewendet
wurde und noch wird, nicht etwa ſo, wie die künſtliche Fiſchzucht, die faſt vor einem Jahrhunderte
begann und an einigen Orten, z. B. in Bayern, zwar fortgeſetzt wurde, aber in ſo kleinem
Maßſtabe und mit ſo wenig Aufſehen, daß die neueren Verſuche in Frankreich längere Zeit als
erſte und nicht erhörte vom großen Publikum angeſtaunt wurden, während die künſtliche Befruchtung
an Fröſchen ſeit einem Jahrhundert vielleicht von jedem Naturforſcher, der die Entwicklung dieſer
Thiere beobachten wollte, und in neuerer Zeit auch die Befruchtung der Fiſcheier nicht ſelten von
Naturforſchern vorgenommen war. Ein künſtliche Befruchtung iſt bei den Auſtern gar nicht
erforderlich und könnte nur zerſtörend wirken, denn die Auſtern ſind hermaphroditiſch.“

„Die Auſtern-Pflege iſt aber ſchon 2 Jahrtauſende alt. Plinius ſagt ſehr beſtimmt, daß
Sergius Orata, ein Mann, der vor dem marſiſchen Kriege, alſo wohl ein Jahrhundert vor
Chriſto lebte, die erſtern Auſtern-Baſſins angelegt habe, und zwar in großem Maßſtabe, um
ſich zu bereichern. Sie wurden bald ganz allgemein, da die ſpäteren Römer den Tafelfreuden

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[952/1000] Muſcheln. Monomyarier. Römer, die der Gaſtronomie ſo ſehr huldigten, daß eine Mißachtung derſelben als Mangel an Urbanität galt, holten ſich die Auſtern aus den verſchiedenſten Weltgegenden und ſetzten ſie in die Lucriniſche Bucht, die damals wohl weniger ausgefüllt war, als jetzt, oder in andere künſtlich ausgegrabene Behälter, deren es in der ſpäteren Zeit viele gab. An und für ſich aber galten die britanniſchen Auſtern für ſehr gut. Plinius erklärte aber die Circaeiſchen für die beſten. Andere aber ſcheinen ſie von anderen Gegenden vorgezogen zu haben und Juvenal verſichert, daß ein Feinſchmecker auf den erſten Biß erkennen konnte, von wo die Auſtern kamen. Laſſen wir die vielen Aeußerungen der Alten über die Feinſchmeckerei und Schlemmerei in Bezug auf die Auſtern ganz bei Seite, ſo bleibt immer beachtenswerth, daß Plinius, der ſich auf ſolche Dinge verſtand, die Auſtern aus der offenen See für klein und ſchlecht erklärt und für gute Auſtern den Zufluß von ſüßem Waſſer für nöthig hält“. Wir ſind aus der Naturgeſchichte der Auſter ſchon in das Auſtern-Eſſen, Pflege und Zucht der Auſtern hineingekommen, ein Kapitel, worüber gerade im letzten Jahrzehnt ſo unendlich viel ſowohl in wiſſenſchaftlichen als in populären Werken und Zeitſchriften geſchrieben iſt. König Jakob von England ſoll oft, wenn er ſich die Auſtern gut ſchmecken ließ, geſagt haben, es müſſe ein muthiger Mann geweſen ſein, der zuerſt eine Auſter gegeſſen habe. Keineswegs. Zu den Auſtern und vielen anderen auch nicht appetitlicher ausſehenden Meerfrüchten griff der Menſch, als er kaum ſchon dieſen Namen verdiente, und das Ausſehen des Eßbaren ihm gewiß den geringſten Kummer machte. Den Beweis, daß ſchon vor Jahrtauſenden die Auſter ein wichtiges Nahrungsmittel eines die Küſten bewohnenden Theiles der Ureinwohner Europas gebildet, liefern die ſogenannten „Küchenreſte“, welche in ungeheuern Anhäufungen längs der Oſtküſte Jütlands und an den däniſchen Jnſeln bis zu den Eingängen der Oſtſee hin von den däniſchen Gelehrten und mit großem Scharfſinn unterſucht worden ſind. Sie geben zugleich, beiläufig geſagt, einen der ſicherſten Belege dafür, daß wenigſtens der ganze ſüdliche Theil des Kattegatt, in welchem die Auſter jetzt wegen des geringen Salzgehaltes nicht mehr fortkommt, damals, als dem Gedeihen der Auſter ſehr zuträglich, viel ſalzreicher geweſen ſein muß, ein Umſtand, der mit anderen zu höchſt intereſſanten Schlüſſen über die damalige Geſtaltung Schwedens und vielleicht auch Finnlands geleitet hat. Jch kenne keine beſſere Skizze über den einſtigen Auſternverbrauch und die Auſtern- zucht, als welche E. von Bär in der obigen Abhandlung gegeben und da dieſelbe in einer nur wenig Leſern zugänglichen Zeitſchrift enthalten, nehmen wir ſie auf. „Die Verſuche, die man neuerlich in Frankreich gemacht hat, erſchöpfte Auſternbänke zu reinigen, oder in anderen Gegenden den Auſtern beſſere Anſatzpunkte zu verſchaffen, ſcheinen Vielen den Eindruck gemacht zu haben, als ob die Auſternpflege — ſo wollen wir überhaupt die Sorge für das Gedeihen der Auſtern benennen — eine neue Kunſt wäre, und eine weitere Ausbildung der Methode der künſtlichen Befruchtung der Fiſche. Es iſt daher wohl nicht überflüſſig, mit einigen Worten zu bemerken, daß die gewöhnliche Auſtern-Zucht oder Auſtern-Pflege ungemein alt iſt, ſehr allgemein angewendet wurde und noch wird, nicht etwa ſo, wie die künſtliche Fiſchzucht, die faſt vor einem Jahrhunderte begann und an einigen Orten, z. B. in Bayern, zwar fortgeſetzt wurde, aber in ſo kleinem Maßſtabe und mit ſo wenig Aufſehen, daß die neueren Verſuche in Frankreich längere Zeit als erſte und nicht erhörte vom großen Publikum angeſtaunt wurden, während die künſtliche Befruchtung an Fröſchen ſeit einem Jahrhundert vielleicht von jedem Naturforſcher, der die Entwicklung dieſer Thiere beobachten wollte, und in neuerer Zeit auch die Befruchtung der Fiſcheier nicht ſelten von Naturforſchern vorgenommen war. Ein künſtliche Befruchtung iſt bei den Auſtern gar nicht erforderlich und könnte nur zerſtörend wirken, denn die Auſtern ſind hermaphroditiſch.“ „Die Auſtern-Pflege iſt aber ſchon 2 Jahrtauſende alt. Plinius ſagt ſehr beſtimmt, daß Sergius Orata, ein Mann, der vor dem marſiſchen Kriege, alſo wohl ein Jahrhundert vor Chriſto lebte, die erſtern Auſtern-Baſſins angelegt habe, und zwar in großem Maßſtabe, um ſich zu bereichern. Sie wurden bald ganz allgemein, da die ſpäteren Römer den Tafelfreuden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 952. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1000>, abgerufen am 23.11.2024.